Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, reiste am 1. Juni 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am darauf folgenden Tag die Gewährung von Asyl. Am 14. Juli 1999 erteilte sie "Herrn Rudolf P., M.-Straße 154A, 1050 Wien" schriftlich Vollmacht zur Vertretung im Asylverfahren und legte diese Urkunde dem Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, an diesem Tag vor. Mit Bescheid vom 15. Juli 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und stellte zugleich fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 14. März 2000 zur Post gegebene Berufung der Beschwerdeführerin.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Das Bundesasylamt habe versucht, seinen Bescheid vom 15. Juli 1999 an Rudolf P., Flughafensozialdienst, Kaunitzgasse 33, 1060 Wien, zuzustellen, das Kuvert sei jedoch mit dem Vermerk "Empf. verzogen" zurückgelangt. Die Zustellung an der Adresse M.- Straße 154A, 1050 Wien, sei daran gescheitert, dass gemäß dem Vermerk des Zustellorgans der Empfänger unbekannt gewesen sei. Am 2. August 1999 sei der erstinstanzliche Bescheid gemäß §§ 8 Abs. 2, 23 Abs. 2 Zustellgesetz hinterlegt worden.
Eine Abfrage des Melderegisters der Bundespolizeidirektion Wien am 28. März 2000 durch die belangte Behörde habe ergeben, dass Rudolf P. am 30. Oktober 1997 von der Adresse Kaunitzgasse 33/9, 1060 Wien, unbekannt verzogen sei und sich erst wieder am 28. Jänner 2000 an der Adresse L.-Gasse 98, 1180 Wien, angemeldet habe.
Eine allgemeine Vertretungsvollmacht schließe auch die Zustellbevollmächtigung ein. Sei ein Zustellbevollmächtigter bestellt, könne eine Zustellung nur an diesen wirksam erfolgen. Gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz sei für den Fall, dass es eine Partei unterlasse, eine Änderung ihrer Abgabestelle der Behörde mitzuteilen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. gelte diese Verpflichtung sinngemäß auch für den Zustellbevollmächtigten. Gemäß § 23 Abs. 3 leg. cit. sei - sofern dies zweckmäßig sei - der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen könne, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten könnten, von der Hinterlegung zu unterrichten, wobei eine schriftliche Verständigung sowohl von der Behörde als auch vom Zusteller veranlasst werden könne. Bei § 23 Abs. 3 Zustellgesetz handle es sich aber bloß um eine sanktionslose Ordnungsvorschrift, deren Missachtung auf die Rechtswirksamkeit der nach § 23 leg. cit. verfügten Zustellung ohne Einfluss sei. Eine Anfrage an das Meldeamt zur Feststellung der neuen Wohnung der Partei (bzw. des Zustellbevollmächtigten) sei ein taugliches Mittel im Sinn des AVG; weitere Erhebungen seien mit der Anordnung "ohne Schwierigkeit" (gemeint: "ohne Schwierigkeiten") nicht mehr vereinbar.
Die Erstbehörde habe den angefochtenen Bescheid ausschließlich dem damaligen Vertreter der Beschwerdeführerin zustellen dürfen, sodass die Hinterlegung gemäß §§ 8, 23 Zustellgesetz rechtswirksam erfolgt sei. Dass die Erstbehörde keine Meldeauskunft betreffend Rudolf P. eingeholt habe, ändere daran nichts, weil eine derartige Anfrage zum Zeitpunkt der Hinterlegung gemäß §§ 8, 23 Zustellgesetz (am 2. August 1999) bloß ergeben hätte, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin von der Adresse Kaunitzgasse 33, 1060 Wien, am 3. Oktober 1997 unbekannt verzogen sei. Eine schriftliche Verständigung im Sinn des § 23 Abs. 3 Zustellgesetz an die Beschwerdeführerin wäre wohl zweckmäßig gewesen, doch sei die Missachtung dieser Ordnungsvorschrift ohne Einfluss auf die Rechtswirksamkeit der verfügten Zustellung. Da der angefochtene Bescheid am 2. August 1999 zugestellt worden sei, erweise sich die am 14. März 2000 zur Post gegebene Berufung als verspätet.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides u.a. darin, dass die Erstbehörde überhaupt nicht versucht habe, eine neue Abgabestelle ihres vormaligen Vertreters festzustellen; ohne einen Versuch, die neue Abgabestelle auszuforschen, dürfe eine Behörde von § 8 Abs. 2 Zustellgesetz keinen Gebrauch machen. Daran ändere auch nichts, dass sich nachträglich herausgestellt habe, die der Behörde zumutbar gewesenen Ausforschungsversuche wären ergebnislos verlaufen.
Damit zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Die Ermächtigung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" - versucht zu haben, die (neue) Abgabestelle auszuforschen, darf von § 8 Abs. 2 Zustellgesetz kein Gebrauch gemacht werden. Die durch § 8 Abs. 2 leg. cit. der Behörde erlaubte einfache Zustellung durch Hinterlegung darf sie somit nicht veranlassen, gar nicht erst zu versuchen, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen. Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist somit nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue) andere Abgabestelle festzustellen. Ansonsten bewirkt in diesen Fällen die Hinterlegung nicht die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Daran ändert auch nichts, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die der Behörde zumutbar gewesenen Ausforschungsversuche ergebnislos verlaufen wären (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1998, Zl. 96/20/0017, sowie vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0071 jeweils mwN; vgl. auch die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I2, unter E. 31 zu § 8 ZustG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf den (richtig:) Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0491, verweist, ist dies insofern nicht zielführend, als dem - im Grunde des § 34 Abs. 1 VwGG gefassten - Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes die kontradiktorische Erörterung der Vorfrage zu Grunde lag, ob die Voraussetzungen für eine Zustellung (des damals angefochtenen Bescheides) nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz vorgelegen hatten, und der Verwaltungsgerichtshof letztlich in Anbetracht des Beschwerdevorbringens, einer Stellungnahme der belangten Behörde - wonach der Beschwerdeführer eine weitere Abgabestelle nicht bekannt gegeben habe und eine solche "auch nicht eruierbar gewesen" sei - und des Umstandes, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unwidersprochen ließ, von einer rechtswirksamen Zustellung des angefochtenen Bescheides (und infolge dessen von einer Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde) ausging. Demgegenüber nehmen die zitierten Vorerkenntnisse vom 2. Juli 1998 und vom 8. Juni 2000 zu der für den vorliegenden Fall entscheidenden Rechtsfrage ausdrücklich Stellung.
Mit dem in der Gegenschrift noch erwähnten Zustellversuch in der Kaunitzgasse wurde der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ebenfalls nicht Genüge getan.
Mangels rechtswirksamer Erlassung des Erstbescheides hätte die belangte Behörde die Berufung nicht als verspätet zurückweisen dürfen.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 19. Februar 2002
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