VwGH 2000/01/0111

VwGH2000/01/01117.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L., vertreten durch Dr. Peter Stromberger, Rechtsanwalt in 9400 Wolfsberg, Johann-Offner-Straße 1, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 14. Februar 2000, Zl. 3 Wo 136-15/5-2000, betreffend Aufhebung von Beschlüssen der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 100 Abs. 1 K-AGO, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §26;
AVG §9;
GdO Allg Krnt 1998 §100;
GdO Allg Krnt 1998 §106;
ABGB §26;
AVG §9;
GdO Allg Krnt 1998 §100;
GdO Allg Krnt 1998 §106;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Kärntner Landesregierung erließ von Amts wegen den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 2000 mit folgendem Spruch:

"Nach § 100 Abs. 1 K-AGO werden

a) der vom Stadtrat der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.Lav. in seiner Sitzung am 18.8.1999 unter TOP 6 (ASKÖ Mauterndorf; Auflösung; kommunale Leistung) gefasste Beschluss, wonach sich der Stadtrat dem Ausschussbeschluss vom 15.6.1999 mehrheitlich mit 4 : 2 Stimmen anschließt (Ausschussbeschluss vom 15.6.1999: 'Der Ausschuss beschließt mehrheitlich mit 3 : 2 Stimmen, dass der Schuldenstand des ASKÖ Mauterndorf von ATS 203.847,-- von der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.Lav. übernommen wird. Die Kostenübernahme reduziert sich um ATS 100.000,--, den die Fa. A.M.T. übernimmt. Der Inventarverkauf hat der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. zuzufließen. Der ASKÖ Mauterndorf hat als Gegenleistung die vorzeitige Pachtvertragsauflösung zu garantieren.') und

b) der vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. in seiner Sitzung am 26.8.1999 unter TOP 13 (Voranschlag 1999; Erlassung des 3. Nachtragsvoranschlages) mit 17 : 6 Stimmen gefasste Beschluss, nämlich im Sinne des gegenständlichen Ausschussbeschlusses vom 15.6.1999 und des gegenständlichen Stadtratbeschlusses vom 18.8.1999 die Schuldentilgung des ASKÖ Mauterndorf zu übernehmen,

wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben."

Dieser Bescheid beruhe auf folgendem Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 28. März 1999 habe der ASKÖ Mauterndorf die Übernahme der Vereinsschulden durch die Stadtgemeinde Bad St. Leonhard begehrt. Der Schuldenstand werde per 30. Juni 1999 S 203.847,-- betragen. Am 15. Juni 1999 habe der Ausschuss für Familienangelegenheiten, Schule und Sport das Begehren um Übernahme dieser Vereinsschulden behandelt. Es sei folgender Beschluss gefasst worden:

"Der Ausschuss beschließt mehrheitlich mit 3 : 2 Stimmen, dass der Schuldenstand des ASKÖ Mauterndorf von ATS 203.847,-- von der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. übernommen wird. Die Kostenübernahme reduziert sich um ATS 100.000,--, den die Fa. A.M.T. übernimmt. Der Inventarverkauf hat der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. zuzufließen. Der ASKÖ Mauterndorf hat als Gegenleistung die vorzeitige Pachtvertragsauflösung zu garantieren."

Am 15. Juli 1999 sei der Stadtgemeinde zur Kenntnis gebracht worden, dass der ASKÖ Mauterndorf per 30. Juni 1999 aufgelöst worden sei. Am 18. August 1999 habe der Stadtrat die Ausschussempfehlung vom 15. Juni 1999 zum Beschluss erhoben. Am 26. August 1999 habe der Gemeinderat den dritten Nachtragsvoranschlag für das laufende Verwaltungsjahr beschlossen. Es seien ATS 100.000,-- für die Schuldentilgung des ASKÖ Mauterndorf festgelegt worden. Am 30. August 1999 habe die Fa. A.M.T. ATS 100.000,-- für die Schuldenabdeckung überwiesen, der Betrag sei buchgemäß über die voranschlagsunwirksame Gebarung verwaltet worden. Mit Schreiben vom 1. September 1999 seien der ehemaligen Obfrau des ASKÖ Mauterndorf die Bedingungen über die Abwicklung der kommunalen Kostenübernahme bekanntgegeben, von dieser am 13. September 1999 gegengezeichnet und der Stadtgemeinde retourniert worden. Am 21. September 1999 seien an den ASKÖ Mauterndorf über eine Bank Zahlungen wie folgt getätigt worden:

Kapitaltransferzahlung ATS 100.000,--

Vorauszahlung Fa. A.M.T. ATS 100.000,--

Vereinsförderung 1999 ATS 3.847,--

zusammen ATS 203.847,--.

Die Schuldenübernahme ermögliche eine vorzeitige Pachtvertragsauflösung sowie die Einlösung einer vertraglichen Option für den Erwerb des ehemaligen Sportplatzgrundstückes. Mit der Vereinsauflösung und der Schuldenübernahme sei das Inventar des Vereines in den Besitzstand der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard übergegangen. Es befänden sich darunter ein einsatzfähiger Rasentraktor und mehrere E-Geräte.

In rechtlicher Sicht begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid folgendermaßen:

"Nach § 100 Abs. 1 K-AGO können rechtskräftige Bescheide sowie Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen der Gemeindeorgane außer den Fällen der §§ 95 und 96, die den Wirkungsbereich der Gemeinde überschreiten oder Gesetze oder Verordnungen verletzen, von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen oder über Antrag aufgehoben werden.

Auf Grund der gegebenen Sachlage ist festzuhalten, dass sich der Verein 'ASKÖ Mauterndorf', mit dem Sitz in

9462 Bad St. Leonhard i.L., Postfach 2, am 30.6.1999 freiwillig aufgelöst hat (Verlautbarung in der Kärntner Landeszeitung vom 8.7.1999) und diese Tatsache der Stadtgemeinde

Bad St. Leonhard i.L. seit 15.7.1999 bekannt war, weshalb sich die gegenständlichen Beschlüsse des Stadtrates der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. vom 18.8.1999 (Top 6) und des Gemeinderates der Stadtgemeinde Bad St. Leonhard i.L. vom 26.8.1999 (TOP 13) als rechtswidrig erwiesen haben.

Nach § 96 Abs. 1 K-AGO hat das Land das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahingehend auszuüben, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesonders ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.

Wenngleich die Anwendung des § 100 K-AGO nach seinem Wortlaut dem Ermessen der Aufsichtsbehörde überlassen bleibt ('können'), ist das Land im Sinne des § 96 Abs. 1 K-AGO verpflichtet, das Aufsichtsrecht über die Gemeinden dahingehend auszuüben, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches Gesetze und Verordnungen nicht verletzen.

Die Gemeinde ist jedoch verpflichtet, bestehende Gesetze, so die einschlägigen gemeinderechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

Die Aufsichtsbehörde ist nach ihrem Aufgabenbereich verpflichtet, eine gleichmäßige Anwendung dieser Norm in ihrem Geltungsbereich durchzusetzen.

Schon die Androhung der Anwendung des § 100 K-AGO hat in den letzten Jahren vielfach bewirkt, dass von Gesetzesverletzungen Abstand genommen wurde bzw. bereits gesetzte Gesetzesverletzungen behoben wurden.

Verstöße gegen diese Norm müssen daher regelmäßig zu einer Anwendung des § 100 K-AGO führen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche, auf § 106 der Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. für Kärnten Nr. 66/1998, Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (K-AGO), gestützte Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass der Verein nicht statutengemäß aufgelöst worden sei. Die angebliche Auflösung des Vereins sei weder mittels eingeschriebenen Briefes an den ASKÖ-Landesvorstand vorangekündigt worden, noch sei sie in einer eigens dafür einberufenen außerordentlichen Vereinshauptversammlung, sondern lediglich im Rahmen einer ordentlichen Hauptversammlung durch Beschluss seitens des Vorstandes und einiger weniger aktiver Spieler und nicht durch eine qualifizierte Mitgliedermehrheit erfolgt. Dies widerspreche den Statuten.

Bei diesem Vorbringen handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung. Denn die Beschwerdeführerin ging im Verwaltungsverfahren selbst von der gültigen freiwilligen Auflösung des Vereines aus. Insbesondere in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu diesem Thema vom 18. Jänner 2000 wird diese Ansicht erhärtet. Im Übrigen könnten allfällige Meinungsverschiedenheiten über die Gültigkeit eines Auflösungsbeschlusses bzw. überhaupt zur Frage, ob die Vereinsauflösung statutengemäß zustande gekommen ist, gegebenenfalls Gegenstand eines diesbezüglichen zivilrechtlichen Verfahrens sein (vgl. Scherhak/Szirba, Das österreichische Vereinsrecht, 1999, Seite 64 Fn 3). Der Verwaltungsgerichtshof hat sohin den angefochtenen Bescheid auf Grund der darin enthaltenen, von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren selbst vertretenen Sachverhaltsfeststellung, dass der Verein ASKÖ Mauterndorf per 30. Juni 1999 freiwillig aufgelöst worden war, zu prüfen.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt.

Der angefochtene Bescheid steht offenbar, ohne dies ausdrücklich und zweifelsfrei auszuführen, auf dem Standpunkt, dass mit der freiwilligen Auflösung des Vereines ASKÖ Mauterndorf per 30. Juni 1999 dessen Rechtspersönlichkeit zur Gänze untergegangen ist, weshalb vermögensrechtliche Beschlüsse den Verein betreffend durch die beschwerdeführende Partei nicht mehr hätten erfolgen dürfen.

Diese Ansicht ist verfehlt.

Einer Auflösung folgt in der Regel die Liquidation des Vereines nach. Liquidation ist die Einschränkung des Zweckes einer juristischen Person auf die Abwicklung der bereits verpflichtenden Geschäfte und auf die Flüssigmachung der Mittel sowie die rechtmäßige Verwendung dieser. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass dem Verein Sachwerte (siehe "Inventarverkauf" in der Stellungnahme des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 2000, in der von einem "einsatzfähigen Rasentraktor und mehreren E-Geräten" die Rede ist) zu eigen waren, die er der Beschwerdeführerin als Gegenleistung für die "Schuldentilgung" zu überlassen hatte. Ebenso steht fest, dass der Verein ein "Negativvermögen" (Schulden bei der Bank für Kärnten und Steiermark) aufwies. Daraus ergab sich die Verpflichtung des Vereines für die eingegangenen Schulden aufzukommen. Schon aus diesen Gründen war daher eine Liquidation des Vereinsvermögens notwendig.

Bei einem in Liquidation befindlichen Verein handelt es sich um eine juristische Person, auch wenn eine sogenannte "Auflösung" vorangegangen ist. In Wahrheit bedeutet der Auflösungsbeschluss (an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass weder die Auflösungsanzeige noch die Veröffentlichung an sich konstitutive Wirkung haben und daher die rechtliche Existenz des Vereines nicht zu berühren vermögen - vgl. Fessler-Keller, Österreichisches Vereinsrecht, 1990, Seite 136) in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Notwendigkeit besteht, eine Liquidation durchzuführen, nicht die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit des Vereines (vgl. Aicher in Rummel2, Rz 24 iVm Rz 49 zu § 26 ABGB). Der Verein besitzt jedenfalls die zum Zwecke der Liquidation erforderlichen Rechte und Pflichten. Diese müssen vom Liquidator wahrgenommen werden. Auch der OGH vertritt die Meinung, dass ein aus welchen Gründen immer aufgelöster Verein seine Rechtspersönlichkeit erst mit abgeschlossener Liquidation des Vereinsvermögens verliert (vgl. OGH 12. September 1974, 7 Ob 135/74, und vom 24. März 1998, 5 Ob 74/98p, sowie auch Fessler/Keller, a.a.O., Seite 137 f, m. w.N.).

Die vom angefochtenen Bescheid aufgehobenen Beschlüsse der Beschwerdeführerin betrafen jenen Bereich des ASKÖ Mauterndorf, der auch nach der angenommenen freiwilligen Auflösung per 30. Juni 1999 auf die Abwicklung der bereits verpflichtenden Geschäfte und die Flüssigmachung der Mittel sowie deren rechtmäßige Verwendung gerichtet war. Da in diesem Bereich der Verein nach wie vor Rechtspersönlichkeit besaß, sind die Beschlüsse der Beschwerdeführerin aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Grund nicht rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer und ein über die Gebühr des § 24 Abs. 3 VwGG hinausgehender Ersatz für "Bundesstempel für Eingabe mit Beilagen" nicht zusteht.

Wien, am 7. September 2000

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