Normen
AVG §51
BauO Wr §54
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1966:1965001525.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Gemeinde Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 1.075,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 7. April 1964 fand beim Magistrat der Stadt Wien, Mag.Abt. 36, eine Verhandlung über die Frage der Verpflichtung der Beschwerdeführer als der Eigentümer des Hauses Wien XX, I Straße 3, zur Herstellung von Gehsteigen an der I Straße und der D Straße statt. Die Amtsabordnung beantragte, die Beschwerdeführer zu verpflichten, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des zu erlassenden Bescheides entlang der Baulinie an der Front I Straße einen Gehsteig in der vorgeschriebenen Breite, Bauart und Höhenlage herstellen zu lassen und für den bereits hergestellten Gehsteig entlang der Baulinie an der Front D Straße der Gemeinde Wien Kostenersatz zu leisten.
Der Erstbeschwerdeführer erklärte, es sei nach Fertigstellung eines auf Grund einer Baubewilligung vom 14. Juni 1937 vorgenommenen Zubaues (Aufstockung) der Gehsteig der Gemeinde Wien übergeben worden. Es habe sich damals um einen gepflasterten Gehsteig gehandelt. Im Zuge der Verbreiterung der D Straße sei der Gehsteig von der Gemeinde als Asphaltgehsteig gebaut worden, während an der I Straße eine Bitumenschicht aufgelegt worden sei. Ohne die Hauseigentümer zu verständigen sei auf dem Gehsteig auf der I Straße auch eine Telephonhütte aufgestellt worden.
Ein Vertreter der Magistratsabteilung 28 gab der Meinung Ausdruck, es könne nicht stimmen, daß der vorhandene Gehsteig aus Halbgutsteinen im Jahre 1937 von der Gemeinde übernommen worden sei, weil bereits damals nur Gußasphalt oder Platten der Vorschrift entsprachen. Bezüglich des von der Stadt Wien hergestellten Gehsteiges in der D Straße sei ein Kostenersatz zu leisten. Bezüglich des Gehsteiges in der I Straße sei um Gehsteigbekanntgabe anzusuchen. Da hier eine Absenkung der Gehsteige geplant sei, müsse die Gehsteigbekanntgabe mit einer vorläufigen Höhenauflage erfolgen. Zur Vermeidung von Härten werde die Möglichkeit gegeben werden, um Stundung anzusuchen.
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 36, erteilte mit Bescheid vom 16. April 1964 den Beschwerdeführern den Auftrag, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides entlang der Baulinie an der Front I Straße einen Gehsteig in der vorgeschriebenen Breite, Bauart und Höhenlage herstellen zu lassen, und für den Gehsteig entlang der Baulinie D Straße der Gemeinde Wien Kostenersatz zu leisten. In der Begründung dieses Bescheides wurde zunächst festgestellt, daß an der Front I Straße ein Gehsteig liege, der den geltenden Vorschriften nicht entspreche. Entlang der Front an der D Straße sei im Zuge der Straßenverbreiterung im Jahre 1958 ein ordnungsgemäßer Gehsteig auf Kosten der Gemeinde Wien hergestellt worden. Mit einer Baubewilligung vom 14. Juni 1937 sei auf der Liegenschaft Wien XX, I Straße 3, ein Zubau errichtet worden. Es bestehe somit gemäß § 54 Abs. 1 der Bauordnung für Wien die Verpflichtung, entlang der Front I Straße einen ordnungsgemäßen Gehsteig herstellen zu lassen und gemäß § 54 Abs. 5 der Bauordnung für Wien die Verpflichtung, für den entlang der D Straße durch die Gemeinde Wien bereits ordnungsgemäß hergestellten Gehsteig Kostenersatz zu leisten. Wenn auch in der Baubewilligung für den Zubau die Gehsteigverpflichtung nicht ausdrücklich erwähnt worden sei, so sei sie doch gemäß § 54 der Bauordnung für Wien durch die Bauführung entstanden. Auch enthalte die Bewilligung den Passus, daß bei der Bauführung die Vorschriften der Bauordnung zu befolgen seien. Zu diesen zähle auch der § 54. Daran ändere es nichts, daß mit Bescheid vom 20. September 1937 die Benützungsbewilligung für den Zubau erteilt worden sei. Die Einwendung des Hauseigentümers, es sei nach Fertigstellung des Zubaues der aus alten Steinen bestehende Gehsteig von der Gemeinde Wien als vorschriftsmäßig übernommen worden, müsse als unbegründet abgewiesen werden. Nach den zur Zeit der Errichtung des Zubaues in Geltung gestandenen Vorschriften habe nur die Ausführung in Gußasphalt oder in Platten als vorschriftsmäßig gegolten.
Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer Berufung ein. Sie machten geltend, daß im Zuge der Bauführung (Errichtung des Zubaues auf Grund der Baubewilligung vom 4. Juni 1937) auch die entstandene Gehsteigverpflichtung erfüllt und die Gehsteige in der D Straße und der I Straße gepflastert worden seien. Anschließend sei ein Ansuchen um Übernahme durch die Gemeinde gestellt worden und es sei die Übernahme auch ordnungsgemäß erfolgt. Als Beweis wurde die Einvernahme des JN und der AN und die Einsicht in den bezüglichen Bauakt angeboten. Aus dem Umstand, daß der Gehsteig angeblich nicht vorschriftsmäßig gewesen sei, könne keineswegs geschlossen werden, daß keine Übernahme erfolgt sei. Die Beschwerdeführer seien von der Erstellung des Gehsteiges in der D Straße und der Belegung mit einer Bitumenschicht in der I Straße nicht verständigt worden. Es sei an sie auch kein Auftrag ergangen. Schon daraus sei ersichtlich, daß die Gemeinde Wien davon ausgegangen sei, die Gehsteige übernommen zu haben. Ferner seien gemäß den Bestimmungen der Bauordnung Gehsteigüberfahrten und ‑auffahrten von der Fahrbahn auf den Gehsteig von der Übernahme durch die Gemeinde ausgeschlossen; hinsichtlich dieser Teile obliege den Grundeigentümern die dauernde Instandhaltungspflicht. Obwohl die Beschwerdeführer bis jetzt zu keiner Kostenzahlung hinsichtlich des anderen Teiles des Gehsteiges verpflichtet worden seien und auch nicht damit rechnen konnten, jetzt noch dazu verpflichtet zu werden, hätten sie wohl für die Verstärkung des Gehsteiges im Bereiche der Hauseinfahrt Kosten getragen. Diese Verstärkung sei notwendig geworden, nachdem die Bäume an der Straßenseite entfernt worden seien und die Straße verbreitert worden sei. Die Rechnung über die Erstellung einer Gehsteig‑Bankettüberfahrt vom 25. November 1958 wurde vorgelegt. Selbst wenn die Gemeinde Wien die Gehsteigverpflichtung seinerzeit nicht übernommen hätte, was ausdrücklich bestritten werde, so sei in der Vornahme der Arbeiten durch die Gemeinde ein konkludente Handlung der Übernahme zu sehen und es gehe nunmehr nicht an, Jahre später Verpflichtungen zum Kostenersatz und zur Gehsteigherstellung aufzuerlegen. Nur auf Grund der Übernahme wäre die Stadt Wien zur Gehsteigherstellung verpflichtet gewesen und es sei, wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrmals ausgesprochen habe, nicht anzunehmen, daß die Gemeinde Wien Arbeiten durchgeführt hätte, zu denen sie rechtlich nicht verpflichtet gewesen wäre. Auch stelle die nun ausgesprochene Verpflichtung eine große Härte dar. Das Haus sei auf der Seite der I Straße nicht unterkellert, sodaß bei einer Absenkung des Gehsteiges, die geplant sei, eine Gefährdung des Hauses zustande käme. Außerdem müßten die Gaszuleitungsrohre tiefer gelegt und andere wesentliche Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werden, so daß unabsehbare Kosten entstünden, die zu tragen die Beschwerdeführer nicht imstande seien.
Im Zuge des Berufungsverfahrens erging zunächst eine Anfrage an die Magistratsabteilung 28 zur Feststellung, welchen Belag der Gehsteig in der I Straße vor Anbringung einer Bitumenschicht durch die Stadt Wien aufgewiesen habe. Die Antwort lautete dahin, daß vor der im Jahre 1960 erfolgten Herstellung eines Tränkmakadambelages eine Pflasterung mit Granithalbgutsteinen vorgelegen sei. Dies wurde den Beschwerdeführern bekanntgegeben. Ferner wurde an die Magistratsabteilung 28 noch die Frage gerichtet, ob aus ihren Aufzeichnungen etwas über eine Übernahme des Gehsteiges in der I Straße ersichtlich sei. Hiezu wurde mitgeteilt, aus den Registern sei nur zu ersehen, daß im Jahre 1903 gelegentlich des Neubaues eine Bekanntgabe der Gehsteigdaten und eine Konstatierung erfolgt sei. Bezüglich der Gehsteigherstellung zufolge der Bauführung aus dem Jahre 1937 sei weder eine Gehsteigbekanntgabe noch eine Konstatierung oder Übernahme verzeichnet. Auch dieses Beweisergebnis wurde den Beschwerdeführern bekanntgegeben. Diese legten innerhalb offener Frist eine Bestätigung der Magistratsabteilung 27 vom 24. Februar 1938 vor, nach der die Abzweigleitung von der Hochquellenleitung beim Hause Wien XX, I Straße 3, im Sinne des § 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 1923, LGBl. für Wien Nr. 14/24 in das Eigentum der Stadt Wien übernommen worden sei. Sie führten an, daß dies im Zuge der Übernahme des Gehsteiges erfolgt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die Bauoberbehörde dahin, daß der erstinstanzliche Bescheid, soweit er den Auftrag enthalte für den Gehsteig entlang der Front D Straße der Gemeinde Wien Kostenersatz zu leisten, aufgehoben werde. Im übrigen wurde aber der erstinstanzliche Bescheid mit der Änderung bestätigt, daß die Herstellung des Gehsteiges in der vorgegebenen Breite, Bauart und Höhenlage entlang der Baulinie der Front I Straße binnen drei Monaten zu erfolgen habe, nachdem der von der Magistratsabteilung 28 angebrachte Teppichbelag durch die Stadt Wien entfernt worden sei. In der Begründung wurde zunächst ausgeführt, weshalb die Verpflichtung zum Kostenersatz dem Gesetze nicht entspreche. Nach § 54 Abs. 5 der Bauordnung für Wien, bestehe die Verpflichtung zu Kostenersatz nur dann, wenn ein Gehsteig von der Stadt Wien hergestellt worden sei und nachträglich eine Verpflichtung des Hauseigentümers zur Gehsteigherstellung eintrete. Im vorliegenden Fall sei aber die Herstellung des Gehteiges von der Stadt Wien durchgeführt worden, nachdem die Verpflichtung des Hauseigentümers schon längst existent geworden sei. Es wäre der Stadt Wien freigestanden, anstatt den Gehsteig selbst herzustellen, die Einlösung der Verpflichtung durch den Hauseigentümer zu verlangen. § 54 Abs. 5 der Bauordnung für Wien sei daher im vorliegenden Falle nicht anwendbar.
Dagegen seien die Beschwerdeführer nicht im Recht, wenn sie ausführten, es sei eine Übernahme des Gehsteiges durch die Stadt Wien an der Front I Straße nach der Bauführung im Jahre 1937 erfolgt. In dieser Straße sei der Gehsteig nämlich vor Herstellung eines Tränkmakadambelages durch die Stadt Wien mit Granithalbgutsteinen gepflastert gewesen. Die Verpflichtung sei 1937 entstanden. Gemäß der Verordnung betreffend Gehsteigherstellung LGBl. Nr. 42/1930 in der damals geltenden Fassung seien Gußasphalt auf Betonunterlage oder gestockte Granitsteine vorgeschrieben gewesen. Daraus ergebe sich, daß die Verpflichtung damals nicht erfüllt worden sei. Weiters sei in den Archiven der Behörde auch nicht feststellbar, daß eine formale Übernahme - etwa infolge eines Irrtums der Behörde - erfolgt wäre. Auch die Berufungswerber hätten dies nicht dartun können. Die von ihnen vorgelegte Bescheinigung über die Übernahme der Abzweigleitung des Hauses von der Hochquellenleitung aus dem Jahre 1938 habe mit der Gehsteigherstellung nichts zu tun. Eine Einvernahme der Beschwerdeführer durch die Behörde habe sich deshalb erübrigt, weil sie im Laufe des Verfahrens mehrmals Gelegenheit gehabt hätten, den Nachweis für eine allfällige Übernahme zu erbringen, was sie aber nicht getan hätten. Die bloße Behauptung einer Übernahme durch die Beschwerdeführer hätte aber, auch wenn sie im Zuge einer Einvernahme durch die Behörde wiederholt worden wäre, bei der vorliegenden Sachlage keinesfalls eine andere Entscheidung herbeiführen können. Nicht zielführend könne auch das Vorbringen sein, daß den Beschwerdeführers durch eine Absenkung des Gehsteigniveaus Schaden entstehen werde. An ihrer Verpflichtung zur Gehsteigherstellung könnte dies nämlich nichts ändern. Die Beschwerdeführer könnten zur Herstellung des Gehsteiges in der I Straße jedoch erst verhalten werden, wenn der von der Magistratsabteilung 28 angebrachte Teppichbelag von der Stadt Wien wieder entfernt worden sei. Es sei nämlich davon auszugehen, daß die Stadt Wien zur Instandhaltung des seinerzeit schon vor Entstehung der gegenständlichen Gehsteigverpflichtung in ihre Erhaltung übernommenen Gehsteiges verpflichtet sei. Von einer Instandhaltung des Gehsteiges könnte die Rede sein, wenn etwa einzelne Löcher oder Unebenheiten mit Asphalt ausgegossen worden wären. Die Anbringung eines Teppichbelages auf dem gesamten Gehsteig stelle aber keine bloße Instandsetzung des Gehsteiges mehr dar. Der Hauseigentümer könne daher nicht dazu verpflichtet werden, diesen Teppichbelang zu entfernen. Man könne von ihm nicht verlangen, daß er mehr tue, als er zu tun verpflichtet gewesen wäre, wenn der Gehsteig von der Stadt Wien auf Grund ihrer Rechtspflicht nur erhalten. worden wäre. Die Verpflichtung der Hauseigentümer sei daher von der vorherigen Entfernung des Teppichbelages durch die Magistratsabteilung 28 abhängig.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wird ausgeführt, daß im Jahre 1937 durch Aufstockung des Hauses die Verpflichtung zur Herstellung eines Gehsteiges an beiden Fronten entstanden sei und daß der an beiden Fronten hergestellte Gehsteig in der Folge ordnungsgemäß in die Erhaltung der Gemeinde Wien übergeben worden sei. Eine Übernahmebescheinigung könne nicht vorgelegt werden, weil diese während des Krieges verloren gegangen sei. Die Beschwerdeführer hätten jedoch durch ihre Aussage die erfolgte Übernahme deponieren können. Das Verfahren sei mangelhaft gewesen. Selbst wenn man der Ansicht der belangten Behörde aber folgen und annehmen würde, daß die Aussage der Beschwerdeführer nicht geeignet sei, einen Beweis für einen Formalakt der Übernahme zu erbringen, so sei die Gehsteigverpflichtung deshalb nicht mehr existent, weil die Gemeinde Wien, zumindest durch konkludente Handlungen, die fernere Erhaltung des Gehsteiges übernommen habe. Es sei nicht ersichtlich, warum die Verpflichtung zur Gehsteigherstellung bezüglich der I-Straße rechtlich anders beurteilt werden sollte, nur weil die Gemeinde Wien den Gehsteig an dieser Front nicht mit Asphalt, sondern mit Tränkmakadam belegt habe. An beiden Fronten des Hauses habe vor Durchführung der Arbeiten ein Gehsteig aus Granithalbgutsteinen bestanden, der sich durch Niveau und Begrenzung deutlich von der Straße unterschieden habe. Die Bauoberbehörde habe sich bei ihrer Entscheidung offensichtlich auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (E. vom 29. September 1954, Slg.N.F.Nr. 3507 A) gestützt. Dem müsse aber entgegengehalten werden, daß in dem damaligen Beschwerdefall die Gemeinde Wien erstmalig einen Gehsteig hergestellt habe, während vor dem Hause der Beschwerdeführer ein Gehsteig bereits bestand. Die Beschwerdeführer seien von den verschiedenen von der Stadt Wien durchgeführten Arbeiten nicht verständigt worden und es sei an sie auch früher kein Auftrag zur Gehsteigherstellung ergangen. Auf dem Gehsteig in der I Straße sei auch ein Telephonhäuschen errichtet worden, ohne daß die Beschwerdeführer etwas hievon erfahren hätte. Die Post- und Telegraphendirektion müsse sich daher diesbezüglich mit der Stad Wien ins Einvernehmen gesetzt haben. Dieser wichtige Beweis sei überhaupt nicht in Betracht gezogen werden, obwohl er sich aus dem Bauakt ergeben müßte. Man könne auch nicht davon sprechen, daß die Gemeinde Wien lediglich Ausbesserungsarbeiten durchgeführt habe oder daß ihre Absicht darauf gerichtet gewesen sei, einen „vorläufigen Gehsteig“ herzustellen. Daraus, daß die Beschwerdeführer von den Arbeiten überhaupt nicht verständigt worden seien, daß sie ferner nur verpflichtet worden seien, für den Bereich der Hauseinfahrt Kostenersatz zu leisten, gehe klar hervor, daß - zumindest konkludent - eine Übernahme erfolgt war und daß die Gemeinde Wien damals einen Tränkmakadambelag für den Gehsteig als ausreichend erachtet hatte.
Gemäß § 54 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (Gesetz vom 25. November 1929, LGBl. Nr. 11/1930, mit Änderungen) ist jeder Eigentümer eines Neu-, Zu- oder Umbaues verpflichtet, entlang der Baulinien seines Bauplatzes einen Gehsteig nach den Anordnungen der Behörde herzustellen. Schon in seinem Erkenntnis vom 14. Februar 1956, Slg. N.F.Nr. 3972/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß das Vorhandensein eines vom Eigentümer hergestellten und in die ferner Erhaltung der Gemeinde übergegangenen Gehsteiges das Entstehen der Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 54 Abs. 5 der Bauordnung für Wien nicht ausschließe; dies gelte dann, wenn der vorhandene Gehsteig den zur Zeit der neuen Bauführung geltenden Vorschriften über die Bauart der Gehsteige nicht gerecht werde. Das gleiche muß - so wurde in dem Erkenntnis vom 6. Februar 1962, Zl. 1152/61 gesagt - auch gelten, wenn es sich nicht um die Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 54 Abs. 5 der Bauordnung sondern um die Verpflichtung zur Herstellung des Gehsteiges selbst handelt. Im vorliegenden Fall kann also aus dem Umstand, daß bei der Bauführung im Jahre 1903 unbestritten ein Gehsteig hergestellt und übergeben wurde, nichts zugunsten der Beschwerdeführer abgeleitet werden. Sie bestreiten auch nicht, daß der Zubau in lotrechter Richtung im Jahre 1937 eine neue Verpflichtung ihrer Rechtsvorgänger zur Herstellung des Gehsteiges begründet hatte. Dagegen sind sie der Auffassung, daß diese Verpflichtung damals erfüllt worden und der gepflasterte Gehsteig zur Übernahme angeboten und auch wirklich übernommen worden sei. Die Akten, auf deren Inhalt sich die Beschwerdeführer zum Beweis dafür zunächst berufen hatten, bestätigten allerdings ihre Anschauung nicht. Es ist nun zu untersuchen, ob es einen Verfahrensmangel darstellt, daß die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern angebotene Parteivernehmung nicht durchgeführt hat. In der Beschwerde wird ja vorgebracht, daß die Übergabe ordnungsgemäß stattgefunden habe, die Übernahmsbescheinigung aber während des Krieges verlorengegangen sei, daß die Beschwerdeführer die erfolgte Übernahme hätten „deponieren können“ und das Verfahren daher mangelhaft geblieben sei. Die belangte Behörde hat, wie aus der Sachverhaltsdarstellung hervorgeht, das Beweisanbot der Beschwerdeführer nicht übergangen, sondern eine Begründung dafür gegeben, warum von ihrer Einvernahme abgesehen werden konnte. Sie hat darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens mehrmals Gelegenheit gehabt hätten, den Nachweis für eine allfällige Übernahme zu erbringen, was sie aber nicht getan hätten. Die bloße Behauptung der der Übernahme durch die Beschwerdeführer könnte aber, auch wenn sie im Zuge einer Einvernahme wiederholt würde, keinesfalls eine andere Entscheidung herbeiführen. Der Verwaltungsgerichtshof kann dieser Anschauung nicht zustimmen. Es ist zwischen einer bloßen Parteibehauptung und einer Parteivernehmung nach § 51 AVG 1950 wohl zu unterscheiden. Auch kann nicht von vornherein gesagt werden, aus dem Erinnerungsgut der Beschwerdeführer wären keine Umstände zu gewinnen gewesen, die für die freie Beweiswürdigung der Behörde ins Gewicht gefallen wären. Ferner kann nicht angenommen werden, daß ein Verfahrensmangel deshalb nicht vorliege, weil die Beschwerdeführer den Beweis für ihre Behauptung schuldig geblieben seien. Sie haben nämlich einen Beweis angeboten, der bisher nicht aufgenommen wurde. Der aufgezeigte Verfahrensmangel wäre allerdings bedeutungslos, wenn man der Meinung wäre, daß auch eine formelle Übernahme des Gehsteiges an der Verpflichtung der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Umstand nichts ändern würde, daß nach den getroffenen Feststellungen der Gehsteig mit Granithalbgutsteinen gepflastert und diese Art der Herstellung zur Zeit der Entstehung der Gehsteigverpflichtung im Jahre 1937 nicht vorschriftsmäßig war. In dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1955, Slg. N.F.Nr. 3729/A, wurde gesagt, daß die Übernahme eines Gehsteiges durch die Gemeinde und die sich darauf ergebende Befreiung des Eigentümers von der Erhaltungspflicht an die Voraussetzung geknüpft sei, daß ein den Vorschriften entsprechender Gehsteig schon vorhanden sei. Nach dem Sachverhalt dieses Beschwerdefalles ergeben sich aber wesentliche Unterschiede gegenüber dem vorliegenden Fall. Die Beschwerdeführer hatten in der damaligen Beschwerdesache im Verwaltungsverfahren gar nicht behauptet, selbst einen Gehsteig hergestellt zu haben. Es bestand damals ein von der Stadt Wien hergestellter bekiester Weg mit Randsteinen. Auch ist damals keine förmliche Übernahme, sondern eine Übernahme durch konkludente Handlung, nämlich durch die Herstellung und Erhaltung dieses bekiesten Weges behauptet worden. Somit kann aus dem zunächst angeführten Satz nicht abgeleitet werden, der Gerichtshof habe bereits die Anschauung ausgesprochen, daß eine allenfalls irrtümlich erfolgte formelle Übernahme eines nicht vorschriftsmäßiger Gehsteiges für den Bestand der Gehsteigverpflichtung bedeutungslos sei. § 54 Abs. 3 der Bauordnung für Wien besagt an sich nur, daß der vorschriftsmäßig hergestellte Gehsteig, unbeschadet der dem Eigentümer obliegenden Erhaltungspflicht bis zur Übernahme in die fernere Erhaltung durch die Gemeinde, in das Eigentum der Gemeinde übergeht. Der in förmlicher Weise ordnungsgemäß durchgeführten Übernahme wird aber als der Abnahme eines Werkes durch denjenigen, für den es angefertigt wurde, die Wirkung zukommen müssen, daß die Verpflichtung als erfüllt gilt. Dieser Auffassung war offenbar auch die belangte Behörde. Sie hat den Nachweis einer formellen Übergabe als nicht geglückt, nicht aber als irrelevant angesehen.
Die Beschwerdeführer behaupten ferner, daß selbst wenn eine formelle Übernahme nicht nachweislich wäre, eine Übernahme durch konkludente Handlungen mit derselben Wirkung ausgestattet sein müßte und daß daher die Verpflichtung jedenfalls erloschen sei, weil die Stadt Wien den Belag mit Tränkmakadam hergestellt und sich auch sonst so verhalten habe, daß daraus auf die vollzogene Übernahme zu schließen sei. So seien die Beschwerdeführer von der Aufstellung eines Telephonhäuschens nicht verständigt worden. Diesen Gedankengängen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Er hat schon in seinem Erkenntnis vom 29. September 1954, Slg. N.F. Nr. 3507/A, der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Anlegung eines vorläufigen Gehsteiges durch die Gemeinde den Hauseigentümer nicht der Verpflichtung entbindet, einen vorschriftsmäßigen Gehsteig herzustellen und zu erhalten. Die Mehrbelastung, die für die Beschwerdeführer durch die Herstellung des Tränkmakadambelages entstehen konnte, hat die belangte Behörde bereits berücksichtigt.
Der angefochtene Bescheid war jedoch wegen des aufgezeigten Verfahrensmangels gemäß § 42 Abs. 2 lit c Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 lit a und b und Artikel 1 A. Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965 über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 18. April 1966
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