VwGH 1038/68

VwGH1038/6817.6.1969

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec, Dr. Rath und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Administrationsrat Dohnal, über die Beschwerde des HA in W, vertreten durch Dr. Erich Führer, Rechtsanwalt in Wien I, Teinfaltstraße 4, gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 19. Juni 1968, Zl. MA 61/III-A 10/68, betreffend Staatsbürgerschaft, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Erich Führer, sowie der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsrates Dr. HP, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1949 §9 Abs1 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1969:1968001038.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1911 in L geborene Beschwerdeführer war am 13. März 1938 in Salzburg heimatberechtigt und besaß damit die Salzburger Landesbürgerschäft sowie die österreichische Bundesbürgerschaft. Laut des vom Bürgermeister der Stadt Salzburg ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweises vom 10. August 1949 wurde vom Magistrat der Stadt Salzburg gemäß § 14 des Gesetzes vom 10. Juli 1945, StGBl. Nr. 60, über den Erwerb und Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz), bescheinigt, daß der Beschwerdeführer kraft § 1 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes vom 10. Juli 1945, StGBl. Nr. 59, die österreichische Staatsbürgerschaft besitze.

Laut des beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 6. März 1968 mit dem zu diesem Zeitpunkt bei diesem Gericht in Untersuchungshaft befindlichen Beschwerdeführer aufgenommenen Protokolles stellte dieser an das Amt der Salzburger Landesregierung den Antrag, mit Bescheid festzustellen, daß seine österreichische Staatsbürgerschaft nach wie vor zu Recht bestehe. Zur Begründung dieses Antrages gab der Beschwerdeführer folgendes an: Beim Landesgericht für Strafsachen Wien werde gegen ihn eine Voruntersuchung in Richtung der §§ 134 ff StG geführt, weil ihm vorgeworfen werde, daß er als ehemaliger SS-Untersturmführer im Frühjahr 1942 in Belgrad an der Liquidierung eines Durchgangslagers beteiligt gewesen sei. Er befinde sich seit 3. Mai 1967 in Haft. Im Zuge der Voruntersuchung sei die Frage seiner Staatsbürgerschaft aktuell geworden und es seien offenbar Zweifel daran aufgetaucht, daß er österreichischer Staatsbürger sei. Er selbst stehe auf dem Standpunkte, daß er nach wie vor die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Noch im Jahre 1964 sei ihm ein österreichischer Reisepaß ausgestellt worden. Das damals von ihm vorgelegte Dokument sei der Staatsbürgerschaftsnachweis vom 10. August 1949 gewesen. Das Amt der Salzburger Landesregierung habe dem mit der Voruntersuchung betrauten Gericht die Mitteilung gemacht, daß seine (des Beschwerdeführers) österreichische Staatsbürgerschaft nach wie vor zu Recht bestehe, sofern seit dem Jahre 1949 kein Verlusttatbestand eingetreten sei. Seiner Meinung nach liege tatsächlich kein Verlusttatbestand vor, doch möchte er der Wahrheit gemäß angeben, was allenfalls zu einem Verlust der Staatsbürgerschaft hätte führen können. Er sei im Jahre 1945 in Italien schwer verwundet worden und nach Kriegsende in ein Schweizer Lazarett gekommen. Nach seiner Wiederherstellung habe er einen Schweizer Fremdenpaß bekommen, der allerdings auf einen falschen Namen, nämlich auf "HM" gelautet habe. Um zu diesem Paß zu kommen, habe er einen Geburtsschein gefälscht. Mit dem erwähnten Fremdenpaß sei er im Jahre 1946 nach Venezuela gereist; nach Ablauf des Passes habe er die Wahl gehabt, entweder nach Österreich zurückzukehren oder irgend etwas zu unternehmen, um in Übersee bleiben zu können. Da ihm eine Rückkehr nach Österreich verfrüht geschienen habe, habe er mit dem falschen Fremdenpaß und der gefälschten Geburtsurkunde mit Erfolg um die venezolanische Staatsbürgerschaft angesucht, worauf er einen auf den falschen Namen lautenden Personalausweis und auf Antrag dann auch einen auf "HM" lautenden venezolanischen Paß bekommen habe. Ihm sei allerdings bekannt gewesen, daß die Staatsbürgerschaft des Gastlandes dann verloren ginge, wenn er sich länger als drei Jahre außerhalb von Venezuela aufhielte. Dies sei übrigens später auch der Fall gewesen, weshalb somit auch ein "HM" heute nicht mehr venezolanischer Staatsbürger sei. Dem "HM" sei die venezolanische Staatsbürgerschaft im Jahre 1950 zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei mit dem venezolanischen Paß später auch nach Österreich gekommen und er habe im Jahre 1960 in Wien unter dem Namen "HM" gelebt und sich als venezolanischer Staatsbürger ausgegeben. Die Richtigkeit dieser Angaben könne jederzeit aus dem beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfahren bewiesen werden. Einer Rückfrage in Caracas bedürfe es daher seiner Meinung nach nicht. Wie schon erwähnt, stehe er auf dem Standpunkt, daß das oben Geschilderte keineswegs einen Verlusttatbestand hinsichtlich seiner österreichischen Staatsbürgerschaft zu bilden vermöge. Tatsache sei, daß ein HA niemals venezolanischer Staatsbürger gewesen sei und auch sonst nie eine ausländische Staatsbürgerschaft erworben habe. Den venezolanischen Paß, der auf einen anderen Namen gelautet habe, habe er zugegebenermaßen durch eine Betrugshandlung erlangt. Der Verleihungsakt in Venezuela sei daher zweifellos nichtig, da es jene Person, die die venezolanische Staatsbürgerschaft bekommen habe, überhaupt nicht gegeben habe. Es könne nicht einmal eine Personenidentität zwischen "HM" und "HA" angenommen werden, weil gerade in Personenstandsangelegenheiten Name und Person untrennbar verbunden seien. Mit Schreiben vom 23. April 1968 teilte die österreichische Botschaft in Caracas - Venezuela dem Amt der Wiener Landesregierung mit, daß "HM", Inhaber des Identitätsausweises für venezolanische Staatsbürger No. V-945475 nach Mitteilung des venezolanischen Innenministeriums, Abteilung Ausländerpolizei, die venezolanische Staatsbürgerschaft gemäß Veröffentlichung im Staatsgesetzblatt ("Gaceta Oficial") No. 303 vom 30. Juni 1951 durch Naturalisation erworben habe. Über Ersuchen des Amtes der Wiener Landesregierung wurde dem Beschwerdeführer vom Untersuchungsrichter der Inhalt dieses Schreibens am 13. Mai 1968 zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer gab hiezu u. a. folgende Stellungnahme ab: Wie er schon anläßlich seiner Einvernahme am 6. März 1968 angegeben habe, sei es richtig, daß ein "HM" die venezolanische Staatsangehörigkeit durch Naturalisation erworben habe und daß (der Beschwerdeführer) mit diesem HM personengleich sei. Was seinen Entschluß betreffe, unter dem Namen HM um die Zuerkennung der venezolanischen Staatsbürgerschaft anzusuchen, möchte er darauf hinweisen, daß es niemals in seiner Absicht gelegen sei, die venezolanische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Er habe sich im Jahre 1951 in einer Zwangslage befunden. Er habe ja nur den falschen Schweizer Fremdenpaß und eine von ihm selbst angefertigte Geburtsurkunde zur Verfügung gehabt. Dazu komme, daß es im Jahre 1951 in Venezuela keine österreichische diplomatische Vertretung gegeben habe. An die Schweizer Vertretungsbehörden, die damals in Venezuela die Interessen der dort lebenden Österreicher wahrgenommen hätten, habe er sich begreiflicherweise nicht wenden können, um die Sache aufzuklären, zumal ja der falsche Fremdenpaß in der Schweiz ausgestellt worden sei. So sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als mit dem falschen Fremdenpaß und der gefälschten Geburtsurkunde um die venezolanische Staatsbürgerschaft anzusuchen. Schon damals habe er aber den festen Entschluß gehabt, bei der nächsten Gelegenheit wieder in sein Heimatland zurückzukehren. Hätte er wirklich die Absicht gehabt, Venezolaner zu werden, so wäre es ihm wahrscheinlich möglich gewesen, auch unter seinem richtigen Namen eine Naturalisation zu erreichen. Abgesehen davon, daß er niemals die Absicht gehabt habe, eine fremde Staatsbürgerschaft zu erwerben und sein tatsächliches Vorgehen bloß eine Art Deckungshandlung gebildet habe, sei er der Meinung, daß auch aus anderen Gründen kein Verlusttatbestand hinsichtlich seiner österreichischen Staatsbürgerschaft vorliegen könne. Im Hinblick darauf, daß er anläßlich seiner Antragstellung gefälschte Papiere vorgelegt habe, müsse wohl der formell an sich gültige Verleihungsabt als nichtig bezeichnet werden. In Kenntnis des wahren Sachverhaltes wäre sein Ansuchen um Zuerkennung der venezolanischen Staatsangehörigkeit unzweifelhaft abgelehnt worden. Er bzw. ein HM hätte also niemals die venezolanische Staatsbürgerschaft bekommen. Wenn nun der Ablehnungsgrund, der noch dazu eine Betrugshandlung darstelle, nicht sofort bekannt werde, sondern erst später, möglicherweise sogar nach Jahren, zur Kenntnis der Behörden gelange, so verstehe es sich von selbst, daß der Verleihungsakt rückwirkend außer Kraft gesetzt werden müsse. Damit habe aber auch ein HM niemals die venezolanische Staatsbürgerschaft erworben, wenngleich alle formellen Voraussetzungen hiefür gegeben sein mögen. Selbst wenn man also den Standpunkt einnähme, daß es keinen Unterschied mache, ob man unter dem richtigen oder einem falschen Namen um die Verleihung einer Staatsbürgerschaft ansuche, müßte aus den dargelegten Erwägungen das Vorliegen eines Verlusttatbestandes negiert werden. Er wiederhole nochmals, daß er selbst niemals die Absicht gehabt habe, eine fremde Staatsbürgerschaft zu erwerben, da er sonst keinen falschen Namen angegeben hätte.

Mit dem namens der Landesregierung erlassenen Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 19. Juni 1968 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer durch den am 30. Juli 1951 erfolgten Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276/1949, die österreichische Staatsbürgerschaft verloren habe und nicht österreichischer Staatsbürger sei. In der Begründung dieses Bescheides ist ausgeführt: Der Beschwerdeführer sei am 13. März 1938 in Salzburg heimatberechtigt gewesen und habe damit die Salzburger Landesbürgerschaft und die österreichische Bundesbürgerschaft besessen. Ihm sei daher mit 27. April 1945 gemäß § 1 lit. a des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes die österreichische Staatsbürgerschaft zugekommen. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges sei der Beschwerdeführer mit einem Schweizer Fremdenpaß, lautend auf den Namen HM, nach Venezuela gelangt. Während seines Aufenthaltes in Venezuela habe er sich weiterhin des falschen Namens HM bedient und er habe unter diesem Namen die venezolanische Staatsangehörigkeit erworben. Die Naturalisation sei am 30. Juli 1951 im Staatsgesetzblatt (Gaceta Oficial) Nr. 303 verlautbart worden. An der Identität des Beschwerdeführers mit HM bestünden nach der ganzen Sachlage keinerlei Zweifel. Der Beschwerdeführer habe diese Identität auch niemals bestritten. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des damals in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 habe die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, wer eine fremde erworben habe. Voraussetzung für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach dieser Gesetzesstelle sei gewesen, daß einem österreichischen Staatsbürger mit seinem Willen nach den Bestimmungen des fremden Staates dessen Staatsangehörigkeit tatsächlich zugekommen sei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1957, Slg. N. F. Nr. 4484/A). Im vorliegenden Falle stehe fest, daß der Erwerb der venezolanischen Staatsbürgerschaft tatsächlich erfolgt ist. Der Erwerb sei mit der Veröffentlichung des Einbürgerungsdekretes in der Gaceta Oficial rechtswirksam geworden (Art. 11 Abs. 4 und Art. 18 des venezolanischen Einbürgerungsgesetzes vom 29. Mai 1940). Die Rechtswirkungen der Einbürgerung würden dadurch nicht beeinträchtigt, daß der Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit unter einem falschen Namen erfolgt sei. Sofern dieser Umstand überhaupt rechtserheblich sei - der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, es wäre ihm wahrscheinlich möglich gewesen, auch unter seinem richtigen Namen die Naturalisation zu erlangen -, könnten diese Rechtswirkungen nur durch einen weiteren Rechtsakt, nämlich durch Widerruf der Einbürgerung mit Wirkung ex nunc beseitigt werden (Art. 11 Z. 6 des venezolanischen Einbürgerungsgesetzes vom 8. Juli 1955). Hiebei handle es sich jedoch um eine nur für die Zukunft wirkende Entziehung der Staatsangehörigkeit, sodaß die Tatsache der seinerzeitigen Einbürgerung bestehen bleibe. Was schließlich die Freiwilligkeit des Erwerbes der venezolanischen Staatsangehörigkeit betreffe, habe der Beschwerdeführer niemals bestritten, daß die Einbürgerung auf seinen Antrag erfolgt sei. Er habe jedoch angegeben, er habe nur als HM die venezolanische Staatsangehörigkeit erwerben und die österreichische nicht verlieren wollen, außerdem habe er niemals die Absicht gehabt, eine fremde Staatsangehörigkeit zu erwerben. Sein tatsächliches Vorgehen habe bloß eine Art Deckungshandlung dargestellt. Hiebei handle es sich jedoch nur um Motive für den tatsächlich erfolgten Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit. Diese seien aber bedeutungslos. Von einer Zwangslage, die die Freiwilligkeit hätte ausschließen können, könne hier keinesfalls die Rede sein. Die Freiwilligkeit des Erwerbes der fremden Staatsangehörigkeit sei daher gegeben gewesen. Da somit sämtliche Voraussetzungen für den Verlust der Staatsbürgerschaft gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 gegeben gewesen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in der vorliegenden Beschwerde vor, es habe ihm bei der Erwerbung der venezolanischen Staatsangehörigkeit an dem Willen gefehlt, auf die österreichische Staatsbürgerschaft zu verzichten (richtig wohl: die österreichische Staatsbürgerschaft zu verlieren). Er habe sich infolge seiner früheren Zugehörigkeit zur Waffen-SS in einer Zwangs- und Notlage befunden, da bis zum Jahre 1951 ehemalige Angehörige der Waffen-SS, besonders aber solche, die im Partisaneneinsatz gestanden hätten, keinerlei Möglichkeit gehabt hätten, durch Zeugen oder sonstige Beweismittel ihre Unschuld zu beweisen. Wenn er nicht die venezolanische Staatsangehörigkeit erworben hätte, wäre er Gefahr gelaufen, als Staatenloser aus Venezuela ausgewiesen zu werden. Obzwar er sich, wie er ausdrücklich betonen wolle, weder in Serbien noch in Italien bei Partisanen auch nur der geringsten Unmenschlichkeit schuldig gemacht habe, habe er im Hinblick auf die damals obwaltenden Umstände doch mit der Gefahr rechnen müssen, in einem Schnell- oder Scheingerichtsverfahren zum Tode verurteilt zu werden. Er habe daher den einzigen Ausweg darin erblickt, um die Verleihung der venezolanischen Staatsangehörigkeit anzusuchen, damit er in den Besitz ordnungsgemäßer Papiere komme. Aber schon dadurch, daß er nicht unter seinem wahren Namen, sondern unter dem Namen HM um die Verleihung der venezolanischen Staatsangehörigkeit angesucht habe, habe er kundtun wollen, daß es ihm lediglich auf die Erlangung eines venezolanischen Reisepasses angekommen sei und daß er durch den Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit keineswegs seine österreichische Staatsbürgerschaft habe verlieren wollen. Aber auch sein späteres Verhalten zeige deutlich, daß er nicht nur alle Beziehungen zu seinem Heimatstaat Österreich aufrechterhalten habe, indem er sich als Venezolaner HM kurze Zeit nach dem Jahre 1951 wieder zu seinem betagten Vater und zu seiner Schwester begeben habe sowie lange Zeit in W tätig gewesen sei, bis er bei der Reisegesellschaft S als Reiseleiter einen dauernden Posten gefunden habe. Er habe, wie aus den Meldeurkunden hervorgehe, in W seinen ständigen Wohnsitz begründet und darüber hinaus auch wieder seinen richtigen Namen HA angenommen, weil er sich keineswegs schuldig fühle. Hätte er wirklich mit Wissen und Willen und freiwillig, ohne in einer Not- und Zwangslage gewesen zu sein, die fremde Staatsangehörigkeit erworben, so hätte er diese auch weiterhin durch zeitweiligen Aufenthalt in Venezuela stets wieder erneuern können. Er habe dies nicht getan; seine venezolanische Staatsangehörigkeit sei daher durch das Nichtbetreten venezolanischen Bodens innerhalb des in den Staatsbürgerschaftsgesetzen Venezuelas vorgesehenen Zeitraumes und daher durch seine eigene Nichttätigkeit erloschen. Darüber hinaus halte er die Auslegung des Art. 11 Z. 6 des venezolanischen Einbürgerungsgesetzes vom 18. Juli 1955 durch die belangte Behörde für rechtsirrig, da eine unter falschem Namen und unter Benützung falscher Papiere erlangte Einbürgerung nicht ex nunc sondern ex tune, also bezogen auf den Zeitpunkt der Erwerbung der fremden Staatsbürgerschaft durch Vorlage falscher Papiere, hätte widerrufen werden müssen. Es fehle somit an den Voraussetzungen für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949. Die belangte Behörde wäre bei Heranziehung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bekundungen und Erklärungen nicht zu dem angefochtenen Bescheid gekommen.

Hiezu ist folgendes zu sagen:

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276/1949, verlor durch Ausbürgerung die Staatsbürgerschaft, soweit nicht wehrgesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, wer eine fremde Staatsbürgerschaft erwirbt; die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft konnte vom Bundesministerium für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt aus triftigen Gründen bewilligt werden. Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer - wenn auch unter einem falschen Namen - die venezolanische Staatsangehörigkeit durch Naturalisation erworben hat. Unbestritten ist ferner, daß dem Beschwerdeführer die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht bewilligt worden ist. Daß der Beschwerdeführer die ihm verliehene venezolanische Staatsangehörigkeit durch Erklärung des Verlustes der Staatsangehörigkeit durch das (venezolanische) Ministerium des Inneren (siehe Art. 11 Z. 6 und Art. 13 des Venezolanischen Einbürgerungsgesetzes vom 18. Juli 1955) bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder verloren hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Es kann daher ununtersucht bleiben, ob ein solcher Widerruf mit Wirkung ex nunc oder mit Wirkung ex tunc zu erfolgen hätte.

In seinem Erkenntnis vom 25. November 1957, Slg. N. F. Nr. 4484/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der im § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 verwendete Begriff "Erwerb" nach zwei Richtungen der Auslegung bedarf. Zunächst sei anzunehmen, daß der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nur dann eintritt, wenn einem Österreicher nach den Bestimmungen des fremden Landes die fremde Staatsbürgerschaft tatsächlich zugekommen ist. Diese Voraussetzung ist, wie die obigen Ausführungen zeigen, im Falle des Beschwerdeführers gegeben. Ferner sei darauf Bedacht zu nehmen, daß bei einem "Erwerb" grundsätzlich auch der Wille des Handelnden vorhanden sein muß, etwas zu erlangen. Der infolge des Erwerbes einer fremden Staatsbürgerschaft eintretende Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft setzt demnach eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete freie Willensentschließung derjenigen Person voraus, die den Antrag auf Verleihung einer fremden Staatsbürgerschaft stellt. Eine solche freie Willensentschließung wäre im Falle des Beschwerdeführers dann auszuschließen, wenn er sich im Zeitpunkte seiner Antragstellung auf Verleihung der venezolanischen Staatsbürgerschaft in einer ernstlichen Zwangslage befunden hätte. Eine solche die freie Willensentschließung ausschließende Zwangslage wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben gewesen, wenn der Beschwerdeführer gezwungen gewesen wäre, den Antrag auf Verleihung der venezolanischen Staatsbürgerschaft nur deshalb zu stellen, um einer ihm tatsächlich drohenden Gefahr für Leib und Leben zu entgehen. Der Beschwerdeführer, der im Zuge des Verwaltungsverfahrens hinreichend Gelegenheit hatte, alles das vorzubringen, was in seinem Falle für das Vorliegen einer solchen Zwangslage hätte sprechen können, hat im Verlaufe dieses Verfahrens nicht behauptet, daß er sich in einer derartigen Zwangslage befunden habe. Eine solche Zwangslage, in der sich der Beschwerdeführer nach seinem nunmehrigen Vorbringen in der Beschwerde im Zeitpunkte des Ablaufes seines Schweizer Fremdenpasses befunden haben will, ist auch schon deshalb nicht erkennbar, weil er auch im Falle seiner Nichteinbürgerung in Venezuela eine Auslieferung nach Europa mangels Bestehens eines Auslieferungsvertrages zwischen Österreich und Venezuela nicht zu befürchten hatte. Der Beschwerdeführer hat demnach mangels Vorliegens einer die freie Willensentschließung ausschließenden Zwangslage bei der Stellung seines Antrages auf Verleihung der venezolanischen Staatsbürgerschaft durch den Erwerb der venezolanischen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft verloren.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit Art. I Abschnitt B Z. 4 bis 6 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, am 17. Juni 1969

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