VfGH V84/93

VfGHV84/9314.6.1994

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung eines Teils des Flächenwidmungsplans der Gemeinde Sölden mangels Legitimation; Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes aufgrund nach Antragstellung eingebrachter Amtshaftungsklage

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2253/2 der KG Sölden. Das Grundstück wird aus einer (kleineren) Baufläche sowie aus einer (größeren) landwirtschaftlich genutzten Fläche gebildet.

Bis zur Kundmachung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 23. März 1993, V36/92, war ein Großteil dieses Grundstückes gemäß §16 Abs1 lita des Tiroler Raumordnungsgesetzes, wiederverlautbart als Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. 4 (TROG 1984), als Sonderfläche im Freiland, Schipiste, ausgewiesen gewesen. Mit dem genannten Erkenntnis wurde die Widmung Sonderfläche im Freiland, Schipiste (FSi), wegen Verstoßes gegen §16 Abs5 TROG 1984 aufgehoben, weil diese Fläche nicht innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes vom 14. Juli 1981 einer Verwendung als Schipiste zugeführt worden war und der Gemeinderat trotz eines entsprechenden Antrages der Grundeigentümerin die Sonderwidmung nicht aufgehoben hatte.

2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag wird die kostenpflichtige Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Sölden vom 14. Juli 1981 in jenem Umfang begehrt, in welchem das Grundstück Nr. 2253/2 als Freiland ausgewiesen ist.

Der Antrag wird damit begründet, die Antragstellerin habe nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. März 1993, V36/92, am 16. April 1993 bei der Gemeinde "den Antrag gestellt, die gegenständliche Grundparzelle als Bauland auszuweisen". Sie liege nämlich mitten im verbauten Ortsgebiet von Sölden, sämtliche Voraussetzungen für die Widmung als Bauland seien gegeben. Durch das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sei zwar die Widmung Sonderfläche Schipiste aufgehoben worden, die Gemeinde habe es jedoch bisher verabsäumt, den gesetzmäßigen Zustand, nämlich die Widmung in Bauland zu beschließen (Hinweis auf §28 Abs2 TROG 1984).

3. Mit Schriftsatz vom 18. März 1994 hat der Gemeinderat der Gemeinde Sölden dem Verfassungsgerichtshof mitgeteilt, daß am 22. Februar 1994 beim Landesgericht Innsbruck zur Z18 Cg 36/94g eine Amtshaftungsklage der Antragstellerin gegen die Gemeinde Sölden eingelangt sei, welche folgendes Urteilsbegehren enthalte:

"Die beklagte Partei haftet der klagenden Partei für alle Nachteile, die die klagende Partei aufgrund der gesetzwidrigen Widmung des Grundstückes 2253/2 GB 80110 Sölden erleidet."

II. 1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

2. Der Verfassungsgerichtshof geht zwar - worauf im Antrag hingewiesen wird - in ständiger Rechtsprechung (begonnen mit dem Erkenntnis VfSlg. 9260/1981) davon aus, daß (im Regelfall) die unmittelbare Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen in Tirol durch den Grundeigentümer zulässig ist.

Im vorliegenden Fall liegt aber - unwidersprochen - die Besonderheit vor, daß die Antragstellerin selbst nach Stellung ihres Antrages beim Verfassungsgerichtshof einen Weg zur Abwehr des von ihr behaupteten rechtswidrigen Eingriffes eingeschlagen hat. Ob ein solcher Weg der Antragstellerin auch zumutbar im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gewesen wäre, braucht, da die Antragstellerin diesen Weg von sich aus beschritten hat, nicht (mehr) untersucht zu werden. Bei der jetzt gegebenen prozessualen Situation würde jedenfalls eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes eintreten, welche mit dem Grundsatz der Subsidiarität von Individualanträgen nach den Art139 und140 B-VG nicht in Einklang stünde.

Es wird Sache des Amtshaftungsgerichtes sein, beim Verfassungsgerichtshof einen entsprechenden Antrag gemäß Art89 Abs2,139 Abs1 B-VG zu stellen, wenn es die Bedenken der Antragstellerin teilt.

3. Der vorliegende Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragstellerin - welches Prozeßhindernis vom Verfassungsgerichtshof bis zum Ende des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist - gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

4. Der vom - anwaltlich vertretenen - Gemeinderat der Gemeinde Sölden begehrte Kostenersatz ist nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art139 B-VG nur für den obsiegenden Individualantragsteller vorgesehen ist (§61a VerfGG).

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