VfGH V76/98

VfGHV76/9810.12.1998

Keine gesetzliche Grundlage der Knüpfung der Rechtsfolge der Verweigerung der Sondernotstandshilfe an das Vorliegen einer nicht zu prüfenden Bestätigung der Gemeinde über die Unterbringungsmöglichkeit des Kindes

Normen

B-VG Art18 Abs2
SondernotstandshilfeV §2a
B-VG Art18 Abs2
SondernotstandshilfeV §2a

 

Spruch:

§2a der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995 in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 264/1996, war gesetzwidrig.

Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B4902/96 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Salzburg des Arbeitsmarktservice vom 25. Oktober 1996 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Salzburg des Arbeitsmarktservice vom 17. September 1996, womit die Sondernotstandshilfe auf Grund Vorhandenseins einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit ab dem 9. September 1996 eingestellt wurde, abgewiesen.

2. Aus Anlaß der zu B4902/96 protokollierten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 10. Juni 1998 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des §2a der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. 361/1995 idF 264/1996, von Amts wegen zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß er bei seiner Überprüfung des angefochtenen Bescheides die Verfahrensvorschrift des §2a der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. 361/1995 idF 264/1996, den die Behörde ihrem Bescheid zugrundelegte, anzuwenden hat.

3.1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG), BGBl. 609/1977 idF 201/1996:

"Sondernotstandshilfe für Mütter oder Väter

§39. (1) Mütter oder Väter haben Anspruch auf Sondernotstandshilfe für die Dauer von 52 Wochen, maximal bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wenn

  1. 1. der Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erschöpft ist,
  2. 2. sie wegen Betreuung ihres Kindes, dessen Geburt Anlaß für die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes war, keine Beschäftigung annehmen können, weil für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht, und
  3. 3. mit Ausnahme der Arbeitswilligkeit und der Voraussetzung gemäß §7 Abs3 Z1 die übrigen Voraussetzungen

    für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt sind.

...

(5) Dem Antrag auf Gewährung der Sondernotstandshilfe ist eine Bescheinigung der Hauptwohnsitzgemeinde über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind beizulegen. Die Hauptwohnsitzgemeinde ist im Hinblick auf den gemäß §2 Abs2 des Finanzausgleichsgesetzes 1993, BGBl. Nr. 30/1993, idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 853/1995, zu leistenden Kostenersatz an das Arbeitsmarktservice verpflichtet, eine solche Bescheinigung auszustellen. Sie ist dabei an die Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 361/1995, in der jeweils geltenden Fassung gebunden."

Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. 361/1995 idF 264/1996:

"Unterbringungsmöglichkeit für das Kind

§1. (1) Als geeignete Unterbringungsmöglichkeit gilt jedenfalls eine Einrichtung, die nach den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften (z.B. Kindergartengesetz, Kindertagesheimgesetz, Jugendwohlfahrtsgesetz u. dgl.) für Kinder im dritten Lebensjahr entweder vom Land oder der Gemeinde selbst oder von Rechtsträgern geführt wird, denen sich das Land oder die Gemeinde zur Erreichung dieser Ziele bedient. Eine private Einrichtung (wie Privatkindergarten, Pfarrkindergarten, Kindergruppe u. dgl.) ist einer solchen Einrichtung gleichzuhalten.

(2) Weiters müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

...

b) der Betreuungsort muß mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig zur Verfügung stehenden Beförderungsmitteln (zB Kindergartentransporte, familieneigener PKW oder Abholung und Rückbringung durch die Tagesmutter/vater, wenn diese eine

entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben) oder zu Fuß erreichbar sein, wenn der kürzeste Fußweg zwischen der Wohnung und dem Betreuungsort in einer Richtung unter Ausschluß der mit Verkehrsmitteln zurückgelegten Wegstrecke nicht mehr als 30

Gehminuten dauert, wobei jedoch die aufzuwendende Zeit (Fahrzeit und Gehzeit) vom Wohnort zum Betreuungsort in einer Richtung 60 Minuten nicht

überschreiten darf,

...

Mitwirkung der Gemeinde

§2. (1) Die Gemeinde ist verpflichtet, binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch das Arbeitsmarktservice zu bescheinigen, ob eine Unterbringungsmöglichkeit für das Kind besteht. Die Bescheinigung hat mit einem bundeseinheitlich aufgelegten Formular des Arbeitsmarktservice zu erfolgen.

(2) Bei der Beurteilung, ob eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit besteht, ist §1 anzuwenden. Wird von dem/der Antragsteller/in die Eignung der von der Gemeinde bekanntgegebenen Unterbringungsmöglichkeit bestritten, so hat die Gemeinde nach neuerlicher Überprüfung der vorgebrachten Einwendungen entweder eine neue, geänderte Bescheinigung auszustellen oder die Erstangaben auf der Bescheinigung zu bestätigen. Die Gemeinde ist verpflichtet, derartige Prüfungen und Bescheinigungen ohne Verzug, dh. innerhalb der zweiwöchigen Frist, nach Abs1 vorzunehmen.

(3) Wird die Ausstellung der Bescheinigung verweigert bzw. nicht vorgenommen, so ist anzunehmen, daß für das Kind keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit besteht.

(4) Der Gemeinde steht es frei, in jenen Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Abgabe der Bescheinigung keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit vorhanden ist und auch ein voraussichtlicher Termin für das Vorhandensein einer solchen nicht angegeben werden kann, zu einem späteren Zeitpunkt das Vorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit unter Angabe des Verfügbarkeitsdatums dem/der Sondernotstandshilfebezieher/in bekanntzugeben und gleichzeitig das Arbeitsmarktservice davon in Kenntnis zu setzen. Hiefür ist ebenfalls das Formular gemäß Abs1 zu verwenden.

(5) Die Bescheinigung für das Arbeitsmarktservice gilt für den Fall, daß keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit gegeben ist, gleichzeitig als Voranmeldung für die Abrechnung der Kosten der Sondernotstandshilfe mit der Gemeinde.

Durchführung durch das Arbeitsmarktservice

§2a. (1) Die Beurteilung der Gebührlichkeit von Sondernotstandshilfe hat jedenfalls anhand einer verbindlichen Bescheinigung der Gemeinde über das Vorhandensein oder Fehlen einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit (§2) zu erfolgen.

(2) Das Arbeitsmarktservice hat sich bei seiner Entscheidung über den Anspruch auf Sondernotstandshilfe hinsichtlich der Frage, ob mangels Vorhandensein einer Unterbringungsmöglichkeit keine Beschäftigung aufgenommen werden kann, in vollem Umfang auf die Bescheinigung der Gemeinde zu stützen. Es hat davon auszugehen, daß bei der Abgabe der Bescheinigung sämtliche Voraussetzungen für die Eignung der Unterbringungsmöglichkeit von der Gemeinde berücksichtigt wurden und daher eigene Beurteilungen nicht zu erfolgen haben. Im Berufungsverfahren ist allenfalls in bezug auf die Berufungseinwendungen die ergänzende Stellungnahme der Gemeinde als Entscheidungsgrundlage einzuholen.

(3) Wird von dem/der Antragsteller/in die Eignung der von der Gemeinde bekanntgegebenen Unterbringungsmöglichkeit bestritten, so ist die Partei zur Durchführung des im §2 Abs2 geregelten Verfahrens an die die Bescheinigung ausstellende Stelle zu verweisen.

(4) Wird von der Gemeinde das voraussichtliche Vorhandensein einer Unterbringungsmöglichkeit erst für einen späteren Zeitpunkt bestätigt, so ist zunächst die Sondernotstandshilfe zuzuerkennen und vor dem voraussichtlich angegebenen Termin die Gemeinde zur Abgabe einer neuerlichen, nunmehr verbindlichen Bescheinigung im Wege der Partei aufzufordern."

3.2. Gemäß ArtII Abs2 Z30 EGVG ist das AVG auf das behördliche Verfahren der Organe der Gemeinden anzuwenden; aus ArtII Abs2 Z41 EGVG ergibt sich, daß das AVG, dessen §64 jedoch nur, wenn nicht anderes ausdrücklich bestimmt ist, auf das behördliche Verfahren der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwenden ist.

3.3. Aus §39 Abs5 AlVG, BGBl. 609/1977 idF 201/1996, in Verbindung mit §2a der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. 361/1995 idF 264/1996, ergibt sich, daß sich das Arbeitsmarktservice bei seiner Entscheidung über den Anspruch auf Sondernotstandshilfe hinsichtlich der Frage, ob mangels Vorhandenseins einer Unterbringungsmöglichkeit keine Beschäftigung aufgenommen werden kann, im vollen Umfang auf die Bescheinigung der am Vollzug des AlVG mitwirkenden Gemeinde zu stützen hat. Es hat davon auszugehen, daß bei der Abgabe der Bescheinigung sämtliche Voraussetzungen für die Eignung der Unterbringungsmöglichkeit von der Gemeinde berücksichtigt wurden und daher eine eigene Beurteilung nicht zu erfolgen hat.

4. Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, daß §2a der Sondernotstandshilfeverordnung BGBl. 361/1995 idF 264/1996 der gemäß Art18 Abs2 B-VG notwendigen gesetzlichen Grundlage entbehre.

4.1. Dem Inhalt der Verordnung zufolge haben beide über den Antrag auf Gewährung der Sondernotstandshilfe gemäß §39 AlVG absprechenden Instanzen des Arbeitsmarktservice das für ihren Bescheid maßgebliche Tatbestandselement der geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind nicht selbst zu beurteilen. Vielmehr dürfte §2a Sondernotstandshilfeverordnung in der angegebenen Fassung (vgl. aber mittlerweile die im vorliegenden Fall nicht präjudizielle Änderung des §2a Abs2 letzter Satz der Sondernotstandshilfeverordnung durch BGBl. 200/1997!) insgesamt zwingend so zu verstehen sein, daß über das Vorhandensein oder Fehlen einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit in einer für die Behörde verbindlichen Form, mag diese auch als "Bescheinigung" bezeichnet werden, von der Gemeinde entschieden wird: So spricht §2a Abs1 der Verordnung von einer "verbindlichen" Bescheinigung der Gemeinde, §2a Abs2 der Verordnung in seinem ersten Satz ferner davon, daß sich das Arbeitsmarktservice "in vollem Umfang auf die Bescheinigung der Gemeinde zu stützen (hat)", sowie im zweiten Satz davon, daß "eigene Beurteilungen (erg. durch das Arbeitsmarktservice) nicht zu erfolgen haben"; und im dritten Satz wird zwar nur ausgeführt, daß auch im Berufungsverfahren durch die Berufungsbehörde die ergänzende Stellungnahme der Gemeinde "als Entscheidungsgrundlage" einzuholen ist. Abs3 des §2a der Verordnung läßt aber erkennen, daß die Bestreitung der von der Gemeinde bekanntgegebenen Unterbringungsmöglichkeit durch den Antragsteller auf Sondernotstandshilfe nicht bei der dafür kraft Gesetz zuständigen Behörde des Arbeitsmarktservice erfolgen kann, sondern wiederum bei der "die Bescheinigung ausstellende(n) Stelle", also der Gemeinde, in einem besonderen, in §2 Abs2 Sondernotstandshilfeverordnung geregelten Quasirechtsmittelverfahren zu erfolgen hat. Schließlich handelt auch Abs4 des §2a neuerlich von der "verbindlichen" Bescheinigung einer späteren Unterbringungsmöglichkeit durch die Gemeinde.

4.2. Der Verfassungsgerichtshof war daher vorläufig der Meinung, daß die behördliche Zuständigkeit des Arbeitsmarktservice, - und zwar sowohl der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als auch der Landesgeschäftsstelle als Berufungsbehörde -, durch diese Regelung der Verordnung teilweise beseitigt wird, ohne daß das Gesetz erkennen läßt, daß es eine solche partielle Verlagerung der Zuständigkeit zur Entscheidung in Gestalt eines mehrstufigen Verfahrens teilweise den Gemeindebehörden überantworten wollte. Vielmehr zeige §39 Abs5 AlVG dadurch, daß die Gemeinde verpflichtet wird, "eine Bescheinigung ... über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind" auszustellen, daß der Gesetzgeber davon ausging, daß es zwar der Gemeinde obliegt, ein qualifiziertes Beweismittel für die Entscheidung durch das Arbeitsmarktservice zu schaffen, ohne diese Behörde jedoch in der ihr gesetzlich (vgl. §45 Abs2 AVG) obliegenden Aufgabe der freien Beweiswürdigung durch Aufstellung einer verbindlichen Beweisregel zu beeinträchtigen.

Gleichgültig ob sohin die Regelung des §2a Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. 361/1995 idF 264/1996, dahin zu verstehen sei, daß sie eine selbständige Entscheidungsbefugnis der Gemeinde über das Vorhandensein oder Fehlen einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit für das Kind des Sondernotstandshilfewerbers bewirkt, oder ob dadurch eine Bescheinigung der Gemeinde als Beweismittel vorgesehen werde, dessen Vorliegen die gesetzlich vorgesehene freie Beweiswürdigung des Arbeitsmarktservice als der zuständigen Behörde ausschließt, dürfte für die entsprechende Regelung der Sondernotstandshilfeverordnung keine gehörige gesetzliche Grundlage vorhanden sein.

5. Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat in dem zu V76/98 protokollierten Verfahren eine Äußerung erstattet, in der sie wie folgt Stellung nimmt:

"Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft und gemäß Art116 B-VG die kleinste Untergliederung eines Landes. Der Wirkungsbereich der Gemeinden ist in einen eigenen und in einen vom Bund oder vom Land übertragenen Wirkungsbereich gegliedert (Art118 Abs1 B-VG). Im eigenen Wirkungsbereich sind alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.

In diesem Sinne wird von den diversen Kindergartengesetzen der Bundesländer die Einrichtung und der Unterhalt von Kindergärten primär den Gemeinden überantwortet. Zum Beispiel normiert das Salzburger Kindergartengesetz LGBl. Nr. 81/1968, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 17/1998, in §12, daß die Gemeinde 'einen öffentlichen Kindergarten errichten und betreiben oder für die Errichtung und den Betrieb eines öffentlich zugänglichen Privatkindergartens sorgen (soll), wenn hiefür ein Bedarf gegeben ist'.

Insofern ist die Versorgung der örtlichen Gemeinschaft mit Kinderbetreuungsplätzen, auch durch die Jugendwohlfahrtsgesetze der Bundesländer, primär im Verantwortungsbereich der Gemeinden gelegen.

Demgemäß kann auch lediglich die Gemeinde überprüfen, ob ausreichend Kinderbetreuungsplätze in entsprechender Anzahl und Qualität gegeben sind.

Die Kindergartengesetze und Jugendwohlfahrtgesetze räumen keinen Rechtsanspruch für den einzelnen Bürger/die einzelne Bürgerin auf einen Kinderbetreuungsplatz ein; diese Gesetze sehen auch kein rechtsförmiges Verfahren für die Zuteilung bzw. Vergabe eines solchen Betreuungsplatzes vor. Eine Entscheidung in einem rechtsförmigen Verfahren mittels Bescheid, daß die Gemeinde als Vorfrage für das Arbeitsmarktservice im Verfahren bei der Gewährung der Sondernotstandshilfe entscheiden könnte, gibt es daher nicht.

Es wurde daher in Anlehnung an Bestimmungen in verschiedenen Bauordnungen der Länder eine Tatbestandswirkung der Gemeindebestätigung in der Sondernotstandshilfeverordnung festgelegt.

So sieht z.B. das Burgenländische Baugesetz 1997 in §128 Abs2 vor, - 'daß der Behörde vom Bauwerber (...) eine Fertigstellungsanzeige nach Fertigstellung zu erstatten ist. Dieser Fertigstellungsanzeige ist unter anderem eine im Rahmen seiner Befugnis ausgestellte Bestätigung eines Ziviltechnikers über die bewilligungsgemäße und den Bauvorschriften entsprechende Bauausführung einschließlich der Herstellung der Pflichtstellplätze sowie darüber, daß die gemäß Z2 bis 6 (des §128 Abs2 Burgenländisches Baugesetz 1997) vorgelegten Unterlagen vollständig sind'. Der Ziviltechniker ist im Rahmen seiner Befugnis verpflichtet, gesetzesgemäß diese Bestätigung auszustellen.

Ebenso ist die Gemeinde im Rahmen ihrer Verpflichtungen aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes 1993 und des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, hier insbesondere des §39, und damit im Zusammenhang der Sondernotstandshilfeverordnung verpflichtet, zu bestätigen, daß für das Kind einer Person, die einen Antrag auf Sondernotstandshilfe gemäß §39 AlVG 1977 gestellt hat, eine Unterbringungsmöglichkeit, die den Voraussetzungen der Sondernotstandshilfeverordnung entspricht, vorliegt.

Das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vermag hier keine Abweichung von der im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.10.1995 (VfSlg. 14318/1995) aufgestellten Anforderungen für Regelungen, die das Handeln zweier Verwaltungsbehörden miteinander verbindet, zu sehen. Die Bescheinigung der Gemeinde wurde im §2 Abs2 der Sondernotstandshilfeverordnung lediglich in ihrer Wirkung als Bestätigung über ein Vorliegen des Tatbestandes einer Unterbringungsmöglichkeit als bindend vorgesehen. Ein Streit darüber ist aber bei der zuständigen Gemeinde auszutragen. Eine neue, geänderte Bescheinigung der Gemeinde ist vom Arbeitsmarktservice in jedem Stand des Verfahrens zu berücksichtigen."

Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist daher der Ansicht, daß §2a der Sondernotstandshilfe-verordnung gesetzmäßig sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die zu B4902/96 protokollierte Beschwerde ist gemäß Art144 B-VG zulässig. Bei der Erlassung des mit dieser Beschwerde angefochtenen Bescheides hatte die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof belangte Behörde §2a der Sondernotstandshilfeverordnung anzuwenden, sodaß auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Kontrolle des angefochtenen Bescheides diese Bestimmung anzuwenden hat und §2a der Sondernotstandshilfeverordnung im eingangs geschilderten Beschwerdefall präjudiziell ist.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das zu V76/98 protokollierte Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Das Vorbringen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist nicht geeignet, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu entkräften.

Wenn die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales den vom Verfassungsgerichtshof aufgeworfenen Bedenken das Argument entgegensetzt, in Anlehnung an Bestimmungen in verschiedenen Bauordnungen der Länder sei eine Tatbestandswirkung der Gemeindebestätigung in der Sondernotstandshilfeverordnung festgelegt worden, so ist ihr folgendes zu erwidern:

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluß gingen dahin, daß die Knüpfung der Rechtsfolge der Verweigerung der Sondernotstandshilfe an das Vorliegen einer (nicht zu prüfenden) Bestätigung der Gemeinde über die Unterbringungsmöglichkeit des Kindes - abgesehen von den Bedenken gegen eine solche Regelung im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip - jedenfalls einer gehörigen gesetzlichen Grundlage bedürfte.

Eine solche gesetzliche Grundlage liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage ist es für den Verfassungsgerichtshof entbehrlich, im vorliegenden Zusammenhang zu überprüfen, ob und inwieweit von seinem Inhalt her §2a der Sondernotstandshilfeverordnung, BGBl. 361/1995 idF 264/1996, den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, die der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 14318/1995 für Regelungen entwickelt hat, die das Handeln zweier Verwaltungsbehörden miteinander verbinden.

Da die präjudizielle Bestimmung durch BGBl. Nr. 200/1997 geändert wurde, ist auszusprechen, daß sie gesetzwidrig war.

3. Der Ausspruch über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG 1953.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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