VfGH V67/00

VfGHV67/0027.9.2000

Gesetzwidrigkeit der Geschäftsverteilung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt mangels Bestellung von Ersatzmitgliedern

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs5 / Kundmachung
BDG 1979 §41c
Geschäftsverteilung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs5 / Kundmachung
BDG 1979 §41c
Geschäftsverteilung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt

 

Spruch:

Der Abschnitt "Senat VI (Verwaltungsgerichtshof)" der Geschäftsverteilung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt in der ab 1. April 1997 geltenden Fassung, GZ 928.456/0-II/5/97, kundgemacht durch Aushang an der Amtstafel, war gesetzwidrig.

Die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport ist verpflichtet, diesen Ausspruch im Bundesgesetzblatt II unverzüglich kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die dem gegenwärtigen Verordnungsprüfungsverfahren zugrundeliegende Beschwerdesache B2590/97 bot dem Verfassungsgerichtshof bereits Anlaß zur Einleitung des sodann mit dem Erk. G19/99 vom 10. März 2000 abgeschlossenen Gesetzesprüfungsverfahrens. Der Gerichtshof verweist zunächst auf die Sachverhaltsdarstellung sowie die Ausführungen zur Gesetzeslage in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses (mit dem §18 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 als verfassungswidrig aufgehoben wurde).

Wiederholend ist hervorzuheben, daß die Beschwerdeführerin des Anlaßfalles als Oberkommissärin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand und ihre damalige Dienststelle der Verwaltungsgerichtshof war. Sie erhob gegen den über ihr Begehren auf Feststellung, daß eine bestimmte, ihrer Auffassung nach nicht zulässige qualifizierte Verwendungsänderung vorliege, absprechenden Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 1997 Berufung an die gem. §41a Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG, BGBl. 333/1979 in der Fassung BGBl. 550/1994, eingerichtete (damalige) Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (nunmehr:

Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport). In ihrem Rechtsmittel wies die Einschreiterin unter anderem auch darauf hin, daß "... Mitglieder der Berufungskommission, soweit sie dem Verwaltungsgerichtshof angehören, als befangen im Sinne des §7 AVG zu betrachten sind".

Die erwähnte Kommission entschied - unter Änderung des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides - mit einem die Berufung abweisenden Bescheid vom 2. September 1997, welcher den Beschwerdegegenstand bildet. Hinsichtlich der Frage der Befangenheit kam sie zum Ergebnis, "daß bei keinem Mitglied des entscheidenden Senates eine Befangenheit erkennbar war".

2. Wie schon im Einleitungsbeschluß ausgeführt wurde, ist im Gesetzesprüfungserkenntnis (aus dem insbesondere die Zulässigkeit der erhobenen Beschwerde folgt) festgehalten, daß der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs im Bereich der ihm zukommenden monokratischen Justizverwaltung gegenüber dem Personal des Verwaltungsgerichtshofs Dienstbehörde letzter Instanz ist, wovon die Verfassungsbestimmung des Abs6 im §41a BDG insofern eine Ausnahme bildet, als über Berufungen gegen in erster Instanz ergangene Bescheide (insbesondere) in Angelegenheiten des (die Verwendungsänderung eines Beamten betreffenden) §40 BDG die erwähnte Berufungskommission zu entscheiden hat. In diesem Zusammenhang ist auf den unter der Rubrik "Berufungssenate" stehenden §41c BDG hinzuweisen, der folgendes bestimmt:

"§41 c. (1) Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden der Berufungskommission oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzendem und je einem Vertreter des Dienstgebers und der Dienstnehmer als weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.

(2) Das als Vertreter des Dienstgebers bestellte Senatsmitglied muß dem Ressort des Berufungswerbers angehören. Dieses Mitglied ist zugleich der Berichterstatter.

(3) Der Vorsitzende der Berufungskommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte auf diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei Verhinderung von Senatsmitgliedern als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Der Vorsitzende ist berechtigt, ausnahmsweise dem zuständigen Senat von diesem zu entscheidende Fälle abzunehmen und sie einem anderen Senat zuzuweisen, wenn bei einem Senat vorübergehend eine so große Anzahl von Fällen zur Entscheidung anfällt, daß eine rechtzeitige Entscheidung innerhalb der nach §41 a Abs5 festgesetzten Frist nicht möglich ist."

3. In Handhabung des §41c Abs3 BDG erließ der Vorsitzende der (damaligen) Berufungskommission beim Bundeskanzleramt die (durch Aushang an der Amtstafel des Amtsgebäudes Minoritenplatz 9 kundgemachte und in der Geschäftsstelle der Berufungskommission zur allgemeinen Einsicht- und Abschriftnahme aufgelegte) "Geschäftsverteilung für das Jahr 1997" in einer ab 1. April 1997 geltenden "2. Ausgabe". In dieser Geschäftsverteilung lautet der (im folgenden unter Namensabkürzung zitierte) die Beamten des Verwaltungsgerichtshofes betreffende Abschnitt wie folgt:

"Senat VI

(Verwaltungsgerichtshof)

Vorsitzender: Hofrat Dr. J. G.

Stellvertreter: Hofrat Dr. F. H.

Richterin Dr. E. P.

Vertreter des

Dienstgebers: Hofrätin Dr. S. F.

Vertreter der

Dienstnehmer: Ministerialrat Dr. W. G."

4. In der Verwaltungssache, die zur Erhebung der Anlaßbeschwerde führte, wies der Vorsitzende der Berufungskommission - nachdem ihm die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs eingebrachte Berufung vorgelegt worden war - mit Schreiben vom 2. Juli 1997 unter Bezugnahme auf §1 der GO-BerK (d.i. die gemäß §41d Abs3 BDG erlassene Verordnung der Bundesregierung über die Geschäftsordnung der Berufungskommission und der Berufungssenate, BGBl. 999/1994) die Rechtssache dem Senat VI der Berufungskommission (unter namentlicher Anführung der vorhin genannten Mitglieder, und zwar des Senatsvorsitzenden, des Dienstgebervertreters und des Dienstnehmervertreters) zu.

Der Senat VI entschied sodann (nach weiteren Verfahrensschritten) mit dem - später im Beschwerdeverfahren B2590/97 beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen, bereits erwähnten - Bescheid vom 2. September 1997 über die erwähnte Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführerin (vgl. dazu ebenfalls die Entscheidungsgründe des eingangs zitierten Gesetzesprüfungserkenntnisses G19/99).

II. 1. Aus Anlaß der bezogenen Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof (ferner), gem. Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Abschnittes "Senat VI (Verwaltungsgerichtshof)" der bezeichneten, von ihm als Verordnung qualifizierten Geschäftsverteilung der Berufungskommission einzuleiten. Hiebei waren für den Gerichtshof, der die Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens vorläufig als gegeben annahm, folgende Überlegungen maßgebend:

"Der zweite Satz im §41c Abs3 BDG legt fest, daß der Vorsitzende der Berufungskommission die Reihenfolge zu bestimmen hat, in der die weiteren Kommissionmitglieder bei Verhinderung von Senatsmitgliedern in die Senate eintreten. Diese Regelung setzt - wie der Gerichtshof vorläufig annimmt - zwingend voraus, daß für jedes Senatsmitglied, mithin insbesondere für den Vertreter des Dienstgebers und den Vertreter der Dienstnehmer in der Geschäftsverteilung mindestens jeweils ein Ersatzmitglied zu bestimmen ist, das bei Verhinderung des betreffenden Mitgliedes - z. B. im Falle seiner Befangenheit - für dieses in den Senat einzutreten hat. Was den hier interessierenden Senat VI der Berufungskommission anlangt, fehlt eine solche Bestellung von Ersatzmitgliedern, sodaß die Geschäftsverteilung insoweit - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich ein Verhinderungsgrund aus der Sicht einer bestimmten Berufungsangelegenheit wie etwa jener in der vorliegenden Beschwerdesache (z.B. eine wahrzunehmende Befangenheit eines Senatsmitgliedes) in Betracht kommt - eine nicht dem Gesetz entsprechende Zusammensetzung des Senats insgesamt im Verordnungsweg zu treffen scheint. Zwar sieht die Geschäftsverteilung in allgemeiner Formulierung vor, daß im Falle der Verhinderung des Senatsvorsitzenden an seine Stelle der nächstfolgende Stellvertreter tritt und 'in gleicher Weise ... bei Verhinderung von Vertretern des Dienstgebers oder der Dienstnehmer vorzugehen' ist. Die eben zitierte Verweisung dürfte jedoch im Fall des Senates VI ins Leere gehen, weil bei ihm eben nur jeweils ein Vertreter des Dienstgebers bzw. der Dienstnehmer bestellt ist."

Im Einleitungsbeschluß legte der Verfassungsgerichtshof schließlich dar, er werde im Fall, daß sich die in Prüfung genommene Verordnungsstelle als gesetzwidrig erweisen sollte, darauf Bedacht zu nehmen haben, daß sie anscheinend nicht mehr dem geltenden Rechtsbestand angehört.

2. Der Vorsitzende der Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport erstattete zum Prüfungsbeschluß eine Äußerung, in welcher er im Wesentlichen folgendes ausführt:

"Dass bei den für die sog. 'kleinen Ressorts' zu bestellenden Berufungssenaten wie z.B. für den Bereich des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes zunächst nur ein Vertreter des Dienstgebers bzw. der Dienstnehmer nominiert wurde, hat seine Ursache zum einen darin, dass die zur Namhaftmachung von Vertretern des Dienstgebers bzw. der Dienstnehmer zuständigen Organe nur jeweils einen Vertreter namhaft gemacht haben. Dem Ersuchen der Berufungskommission zur Namhaftmachung von weiteren Vertretern wurde meist damit begegnet, dass die Zahl geeigneter Personen für eine Nominierung im Hinblick auf den geringen Personalstand dieser Organe sehr beschränkt sei bzw. für die Bestellung von mehreren Mitgliedern im Hinblick auf den zu erwartenden geringen Anfall von Berufungsfällen keine Notwendigkeit gesehen wurde."

III. 1. Dem eingeleiteten Prüfungsverfahren, das einen Teil der als Verordnung zu qualifizierenden Geschäftsverteilung der (damaligen) Berufungskommission beim Bundeskanzleramt betrifft (- zur Wertung als Verordnung vgl. das eine Geschäftsverteilung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien betreffende Erk. VfSlg. 14.985/1997 -), stehen Verfahrenshindernisse nicht entgegen.

2. Das im Prüfungsbeschluß dargelegte Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des in Prüfung stehenden Verordnungsteiles trifft zu.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der aus §41c Abs3 BDG herzuleitenden Rechtsauffassung, daß der Vorsitzende der Berufungskommission für jedes Senatsmitglied (mindestens) ein Ersatzmitglied zu bestellen hat, welches im Fall der Verhinderung des bestellten Mitglieds an dessen Stelle in den Senat einzutreten hat. Daß dieser gesetzlich vorgesehene Eintritt des Ersatzmitgliedes im Verhinderungsfall des bestellten Senatsmitgliedes zwingend die (allgemeine) Bestellung (mindestens) eines Ersatzmitgliedes voraussetzt, bedarf im Hinblick auf die eindeutige Regelung des Vorgehens bei Verhinderung eines Mitglieds keiner weiteren Erläuterung. Die in der Äußerung des Kommissionsvorsitzenden mit Beziehung auf sog. "kleine Ressorts" (also Dienstbereiche mit verhältnismäßig geringem Personalstand an Beamten) behaupteten praktischen Schwierigkeiten bei der Erlassung der Geschäftsverteilung entheben nicht von der dargelegten gesetzlichen Notwendigkeit, für jedes Senatsmitglied (mindestens) ein - im Gesetz ausdrücklich so bezeichnetes - Ersatzmitglied zum Eintritt im Verhinderungsfall vorzusehen.

Der in Prüfung gezogene Teil der Geschäftsverteilung erweist sich, da für den Senat VI (Verwaltungsgerichtshof) Ersatzmitglieder weder für den Vertreter des Dienstgebers noch für den Vertreter der Dienstnehmer bestellt sind, als gesetzwidrig.

3. Da die bezogene, als Verordnung zu wertende Geschäftsverteilung für das Jahr 1997 (in der ab 1. April 1997 geltenden Fassung) bereits außer Kraft getreten ist, hatte sich der Verfassungsgerichtshof gem. Art139 Abs4, erster Satz, B-VG auf die Feststellung zu beschränken, daß die geprüfte Verordnungsstelle gesetzwidrig war.

4. Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Kundmachung dieses Ausspruches stützt sich auf Art139 Abs5, erster und zweiter Satz, B-VG.

IV. Dieses Erkenntnis wurde gem. §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

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