VfGH V37/11

VfGHV37/113.12.2011

Verstoß des für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsversorgung von Rechtsanwälten in einer Satzung normierten Erfordernisses der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte auch zum Zeitpunkt der Antragstellung gegen die RAO

Normen

B-VG Art18 Abs2
RAO §50
Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien vom 03.12.03 §7
B-VG Art18 Abs2
RAO §50
Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien vom 03.12.03 §7

 

Spruch:

I. Die Wortfolge "der Antragstellung und" im Satzteil "und die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltskammer oder eine Liste der niedergelassenen Europäischen Rechtsanwälte im Zeitpunkt der Antragstellung und des Eintritts der Berufsunfähigkeit" in §7 Abs1 lita der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien, beschlossen am 3. Dezember 2003, kundgemacht im Anwaltsblatt 2004, Seite 160 ff., war gesetzwidrig.

II. Die Bundesministerin für Justiz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 19. Oktober 2010 anhängig, mit dem der Vorstellung gegen einen Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Juli 2009, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente abgewiesen wurde, keine Folge gegeben wurde.

2. Diesem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit an die Rechtsanwaltskammer Wien gerichtetem Schreiben vom 12. Februar 2007 erklärte der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens, dass er mit sofortiger Wirkung auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichte. In weiterer Folge beantragte er am 18. Oktober 2007 die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 2. Juli 2009 ab. Die dagegen gerichtete Vorstellung wurde mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 20. Oktober 2009 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass bereits zum Zeitpunkt der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte eine Erkrankung vorgelegen sei. Ein bereits vor Beginn der rechtsanwaltlichen Erwerbstätigkeit eingetretenes und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachtes körperliches oder geistiges Gebrechen könne nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2010, 2009/06/0274, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Auf Grundlage des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hob der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 2. Juli 2009 ersatzlos auf, entschied in der Sache selbst und gab der Vorstellung keine Folge [richtig wohl: wies den Antrag auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente ab]. Begründend wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des §7 Abs1 lita der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien, beschlossen am 3. Dezember 2003 (im Folgenden: Satzung), nicht erfüllt seien, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht (mehr) in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen gewesen sei.

3. Aus Anlass dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof am 24. März 2011 gemäß Art139 Abs1 iVm Art89 Abs2 und 3 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, "dass die Wortfolge 'der Antragstellung und' im Satzteil 'und die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltskammer oder eine Liste der niedergelassenen Europäischen Rechtsanwälte im Zeitpunkt der Antragstellung und des Eintritts der Berufsunfähigkeit' in §7 Abs1 lita der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien, beschlossen am 3. Dezember 2003, in Kraft getreten mit 1. Jänner 2004, kundgemacht im Anwaltsblatt 2004, Seite 160 ff, gesetzwidrig war".

Der Verwaltungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass §7 Abs1 lita der Satzung keine Deckung in dem ihm zu Grunde liegenden §50 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF BGBl. I 93/2003 (im Folgenden: RAO), finde. Denn §50 RAO setze für einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsversorgung gemäß Abs2 Z1a leg.cit. lediglich voraus, dass der Betroffene zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalles in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen gewesen sei. Dass die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte auch zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente gegeben sein müsse, werde von §50 RAO jedoch nicht verlangt. Im Gegenteil dazu sehe §50 Abs1 Z1a RAO sogar vor, dass nicht nur beitragspflichtige, sondern auch ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte anspruchsberechtigt seien.

Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelange, dass die Satzung mit den Vorgaben des §50 RAO in Einklang stehe, so erscheine nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes das in der Satzung normierte Erfordernis der Eintragung auch zum Zeitpunkt der Antragstellung in dieser Form als unsachlich, weil ein tragfähiger Grund hiefür nicht ersichtlich sei.

4. Der Beschwerdeführer des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens erstattete eine Äußerung, in der er unter Hinweis auf zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes die mangelnde gesetzliche Deckung sowie Unsachlichkeit des Erfordernisses der Eintragung zum Zeitpunkt der Antragstellung rügt und beantragt, festzustellen, dass die vom Verwaltungsgerichtshof angefochtene Wortfolge gesetzwidrig war.

5. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien

(Plenum) legte die auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten vor und erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entsprechen. In seiner Begründung weist der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) auf §50 Abs3, 2. Satz RAO hin, wonach die Satzungen auch vorsehen können, dass ehemalige Rechtsanwälte sowie deren Hinterbliebene bei Weiterentrichtung von Beiträgen in die Versorgungseinrichtung, bei deren Höhe der Entfall der Erbringung der Verfahrenshilfeleistungen zu berücksichtigen ist, anspruchsberechtigt bleiben. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, dass gemäß §50 RAO grundsätzlich nur ein "aktiver" Rechtsanwalt zur Antragstellung auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsversorgung berechtigt sei. Diese Berechtigung erlösche durch die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte und könne nur im Fall einer "freiwilligen Weiterversicherung" aufrecht erhalten werden. Bei einem anderen Verständnis des §50 RAO wäre die Verordnungsermächtigung in Bezug auf die Weiterentrichtung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung der Anspruchsberechtigung in §50 Abs3, 2. Satz RAO ohne Anwendungsfall und damit sinnlos.

Weiters stellt der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) klar, dass der Hinweis in §50 Abs2 Z1a RAO auf "ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte" bedeute, dass die einmal (zum Zeitpunkt der noch gegebenen Berufsbefugnis) erworbene Anwartschaft nach Erlöschen der Anwaltschaft aufrecht bleibe. Diese Regelung korreliere mit der in §50 Abs2 Z2 litc sublit. cc RAO normierten Anspruchsvoraussetzung des Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft.

Diese zeitliche Befristung der Antragstellung, die sich aus dem von §50 RAO gedeckten Erfordernis der Eintragung auch im Zeitpunkt der Antragstellung ergebe, sei weiters sachlich gerechtfertigt. Das Versorgungssystem der Rechtsanwaltskammer Wien gewähre - anders als die gesetzliche Sozialversicherung - einen "absoluten Berufsschutz", so dass im Falle einer Unfähigkeit, den Beruf des Rechtsanwaltes auszuüben, eine Verweisung auf andere juristische Berufe nicht in Betracht komme. Dieser absolute Berufsschutz rechtfertige es, die formellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente an strenge Maßstäbe zu knüpfen und die Berufsunfähigkeitsrente insbesondere nur einem aktiven Mitglied des Berufsstandes zuzugestehen. Weiters erfordere ein solcher absoluter Berufsschutz, die Prüfung des tatsächlichen Vorliegens der "dauernden Unfähigkeit zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen" zeitnah zum Eintritt der Berufsunfähigkeit vornehmen zu können. Denn eine zuverlässige Prüfung, ob zu einem länger zurückliegenden Stichtag bereits eine dauernde Berufsunfähigkeit bestanden habe, sei für die Gutachter kaum durchführbar.

6. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag

erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entsprechen. Begründend werden jene Argumente vorgebracht, die auch schon der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) als maßgeblich erachtet hat.

7. Die am Verfahren beteiligte Bundesministerin für Justiz verzichtete auf die Abgabe einer Stellungnahme.

II. Rechtslage

1. §50 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF

BGBl. I 93/2003, lautete auszugsweise:

"§50. (1) Jeder Rechtsanwalt und seine

Hinterbliebenen haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

(2) Dieser Anspruch ist in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen.

Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. [...]

1a. Anspruch auf Berufsunfähigkeitsversorgung haben nur beitragspflichtige und ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer oder in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie ehemals beitragspflichtige Rechtsanwälte, die im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls den Beruf als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zum EuRAG, ArtI BGBl. I Nr. 27/2000 in der jeweils geltenden Fassung, angeführten Bezeichnungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft berechtigt ausüben.

2. Voraussetzungen für den Anspruch sind

a) [...]

b) im Fall der Berufsunfähigkeitsversorgung das Nichterreichen der für Leistungen nach lita maßgeblichen Altersgrenzen;

ferner muss der Rechtsanwalt mindestens fünf Jahre beitragspflichtig gewesen sein oder den Beruf als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zum EuRAG, ArtI BGBl. I Nr. 27/2000 in der jeweils geltenden Fassung, angeführten Bezeichnungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft mindestens fünf Jahre berechtigt ausgeübt haben (Wartezeit); die Wartezeit erhöht sich auf zehn Jahre, wenn sie erst nach Vollendung des 50. Lebensjahrs des Rechtsanwalts zu laufen begonnen hat;

c) im Fall der Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung

aa) der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland;

bb) - cc) [...]

d) - e) [...]

3. - 5. [...]

(3) In den Satzungen der Versorgungseinrichtungen

können auch über die im Abs2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden, insbesondere günstigere Wartezeiten; bei der Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung kann auf das Erfordernis der Wartezeit ganz verzichtet werden. Die Satzungen können auch vorsehen, daß ehemalige Rechtsanwälte sowie deren Hinterbliebene bei Weiterentrichtung von Beiträgen in die Versorgungseinrichtung, bei deren Höhe der Entfall der Erbringung von Verfahrenshilfeleistungen zu berücksichtigen ist, anspruchsberechtigt bleiben. [...]

(4) - (5) [...]"

2. §7 der Satzung der Versorgungseinrichtung

Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien, beschlossen am 3. Dezember 2003, kundgemacht im Anwaltsblatt 2004, Seite 160 ff., in Kraft getreten mit 1. Jänner 2004, lautete auszugsweise (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§7 Berufsunfähigkeitsrente

(1) Bedingung für den Anspruch auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente ist:

a) Der Erwerb eines Beitragsmonats bei dieser Rechtsanwaltskammer sowie die Zurücklegung der Wartezeit im Zeitpunkt der Antragstellung und die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltskammer oder eine Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte im Zeitpunkt der Antragstellung und des Eintritts der Berufsunfähigkeit;

b) - f) [...]

(2) - (7) [...]"

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien

(Plenum) hat den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid maßgeblich auf §7 Abs1 lita der Satzung gestützt. Es ist daher jedenfalls nicht denkunmöglich, dass der Verwaltungsgerichtshof diese Bestimmung anzuwenden hat.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache

Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist auch begründet.

2.1. Das von §7 Abs1 lita der Satzung geforderte Kriterium der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte auch zum Zeitpunkt der Antragstellung findet keine Deckung in §50 RAO. §50 Abs2 Z1a RAO normiert abschließend, unter welchen Voraussetzungen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsversorgung besteht, und sieht diesbezüglich lediglich das Erfordernis der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalles vor.

2.2. Auch bei Berücksichtigung des vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) und des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages für maßgeblich erachteten zweiten Satzes in Abs3 leg.cit. gelangt man zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Regelung können die Satzungen auch vorsehen, dass ehemalige Rechtsanwälte sowie deren Hinterbliebene bei Weiterentrichtung von Beiträgen in die Versorgungseinrichtung, bei deren Höhe der Entfall der Erbringung von Verfahrenshilfeleistungen zu berücksichtigen ist, anspruchsberechtigt bleiben. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) und der Österreichische Rechtsanwaltskammertag ziehen aus dieser Verordnungsermächtigung den Schluss, dass nach §50 RAO eine Berufsunfähigkeitsrente grundsätzlich - das heißt, für den Fall, dass keine Weiterentrichtung der Beiträge stattfindet - nur einem "aktiven" Rechtsanwalt zustehe und dass daher der Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt werden müsse, zu dem der Rechtsanwalt in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sei.

Entgegen dieser Auffassung ergibt sich aus dem Wortlaut des §50 Abs3, 2. Satz RAO lediglich, dass ein ehemaliger Rechtsanwalt, der keine entsprechenden weiteren Beiträge zur Versorgungseinrichtung leistet, nicht anspruchsberechtigt bleibt. Was unter dem Begriff "anspruchsberechtigt" zu verstehen ist, folgt aus §50 Abs2 Z1a RAO, wonach ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsversorgung dann besteht, wenn der Rechtsanwalt zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalles in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen war. Bei dem von der Satzung geforderten Kriterium, dass die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte auch im Zeitpunkt der Antragstellung bestanden haben muss, handelt es sich daher - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag auch unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2005, 2002/06/0092, ausführt - um ein zusätzliches, weiteres Erfordernis, das von §50 RAO nicht gedeckt ist.

2.3. Das in §50 Abs3, 2. Satz RAO geregelte Institut der freiwilligen Weiterversicherung gewährt Ansprüche aus der Versorgungseinrichtung für jene ehemaligen Rechtsanwälte, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit nicht mehr in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen waren (vgl. RV 1638 BlgNR 20. GP, 20). Insofern geht auch das Vorbringen ins Leere, wonach die Verordnungsermächtigung bezüglich der Weiterentrichtung von Beiträgen ohne Anwendungsfall und damit sinnlos wäre, wenn man §50 Abs3, 2. Satz RAO nicht dahingehend verstehe, dass es grundsätzlich auf die Eintragung im Zeitpunkt der Antragstellung ankomme.

2.4. Durch das Erfordernis der Eintragung auch im Zeitpunkt der Antragstellung wurde auch keine für den Versorgungsberechtigten günstigere Regelung geschaffen, da es sich um eine zusätzliche Voraussetzung handelt, die erfüllt sein muss, um in den Genuss einer Berufsunfähigkeitsrente zu gelangen.

2.5. Die Wortfolge "der Antragstellung und" im Satzteil "und die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltskammer oder eine Liste der niedergelassenen Europäischen Rechtsanwälte im Zeitpunkt der Antragstellung und des Eintritts der Berufsunfähigkeit" in §7 Abs1 lita der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien, beschlossen am 3. Dezember 2003, war daher mangels gesetzlicher Deckung in §50 RAO gesetzwidrig, ist aber bereits mit Inkrafttreten der Satzung der Versorgungseinrichtung, Teil A NEU der Rechtsanwaltskammer Wien, beschlossen am 28. Mai 2008, mit Ablauf des 31. Dezember 2008 außer Kraft getreten.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Dem Antrag war daher stattzugeben.

2. Der Ausspruch der Verpflichtung zur Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG und §60 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

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