VfGH V1/09 ua

VfGHV1/09 ua24.6.2010

Zurückweisung von Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung von Teilen der Beitragsordnung 2005 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mangels Präjudizialität; keine denkmögliche Anwendung dieser den Säumniszuschlag betreffenden Bestimmungen in den Anlassverfahren aufgrund rückwirkender Änderung im Jahr 2006

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
ÄrzteG 1998 §96a, §109 Abs5
BeitragsO 2005 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien Abschnitt IV Abs7
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
ÄrzteG 1998 §96a, §109 Abs5
BeitragsO 2005 des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien Abschnitt IV Abs7

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu den Zlen. 2006/11/0066

und 2006/11/0055 Beschwerdeverfahren anhängig, denen folgende Sachverhalte zu Grunde liegen:

Mit Bescheiden des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Beschwerdeausschuss) vom 1. März 2006 wurden die mit Bescheiden des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Verwaltungsausschuss) vorgenommenen Festsetzungen der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Beschwerdeführer für das Jahr 1999 samt Erhöhung um einen Säumniszuschlag in Höhe von 10% bestätigt. Dazu wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführer der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht nachgekommen seien. Der Verwaltungsausschuss habe daher den Beitrag zum Wohlfahrtsfonds geschätzt und diesen abzüglich der bereits geleisteten vorläufigen Fondsbeiträge um einen Säumniszuschlag in Höhe von 10% erhöht. Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung sehe für jede Schätzung zwingend die Verrechnung des Säumniszuschlages vor. Der Verwaltungsausschuss habe daher den Säumniszuschlag in Übereinstimmung mit der Beitragsordnung festgesetzt.

2. Gegen diese Bescheide des Beschwerdeausschusses erhoben die betroffenen Ärzte Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof. Aus Anlass dieser Verfahren entstanden beim Verwaltungsgerichthof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wendung "5 oder" im ersten Satz sowie des letzten Satzes im Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung der Änderung, beschlossen durch die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Vollversammlung) am 21. Juni 2005, genehmigt von der Wiener Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 7. September 2005 (im Folgenden: Beitragsordnung 2005). Der Verwaltungsgerichtshof hat daher gemäß Art139 Abs1 B-VG mit den Beschlüssen vom 16. Dezember 2008 und vom 15. Dezember 2009 an den Verfassungsgerichtshof die zu V1/09-1 und V121/09-1 protokollierten - beinahe wortgleichen - Anträge gerichtet,

"festzustellen, dass

die Wendung '5 oder' im ersten Satz sowie

der letzte Satz ('Für zu schätzende Fondsbeiträge wird ein Säumniszuschlag in Höhe von 10 v.H. des aushaftenden Beitrages verrechnet.')

in Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien - Abs7 idF. zuletzt des ArtI Z. 4 und 5 der Änderung der Beitragsordnung, beschlossen durch die Vollversammlung der Wiener Ärztekammer am 21. Juni 2005, genehmigt von der Wiener Landesregierung mit Bescheid vom 7. September 2005; Hinweis auf Beschlussfassung und Genehmigung kundgemacht in 'doktorinwien' 10/2005, Kundmachung der Änderung auf der Website der Ärztekammer für Wien - gesetzwidrig waren."

(Antrag protokolliert zu V121/09-1)

Zu seinen Bedenken führte der Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen u.a. wörtlich Folgendes aus:

"2.1. Wie bereits ausgeführt, wurde der angefochtene Bescheid am 13. März 2006 [gemeint wohl: 1. März 2006] erlassen. Die hier in Rede stehenden Bestimmungen der Beitragsordnung regeln, wie die Behörde vorzugehen hat, wenn der betreffende Beitragspflichtige die im Absatz 5 (und Absatz 6) des Abschnittes IV normierten Verpflichtungen zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen und Übermittlung von Unterlagen nicht einhält. Diese Bestimmungen sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung anzuwenden und nicht etwa - zeitraumbezogen - die im Jahr 1999 in Geltung gewesenen Bestimmungen der Beitragsordnung. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nicht angenommen, dass der Beschwerdeführer die in Abschnitt IV Abs6 der Beitragsordnung normierte Verpflichtung nicht erfüllt habe, sondern ist ausschließlich von einer Nichterfüllung der in Abs5 der genannten Bestimmung normierten Verpflichtung ausgegangen, weshalb sie auch nur den auf Abs5 Bezug habenden Teil im ersten Satz des Abschnittes IV Abs7 der Beitragsordnung anzuwenden hatte.

2.2. Die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Bestimmungen des ÄrzteG 1998 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 156/2005 sehen, im Gegensatz zu §109 Abs5 in der Fassung vor dieser Novelle, die Vorschreibung des Beitrages auf Grund einer Schätzung sowie in diesem Zusammenhang die Vorschreibung eines Säumniszuschlages, bei dessen Festsetzung die näher genannt gewesenen Umstände zu berücksichtigen waren, nicht mehr vor. In den Materialien zur diesbezüglichen Neuregelung mit Aufnahme des §96a (AB 1135 Blg. NR XXII.GP, 3) heißt es wie folgt:

'§96a erster Satz schafft die Verpflichtung, dass der Verordnungsgeber in der Satzung des Wohlfahrtsfonds und in der Wohlfahrtsfondsbeitragsordnung festzulegen hat, welche beitrags- und leistungsrelevanten Daten von Kammerangehörigen unverzüglich zu melden sind. Darüber hinaus soll für den Fall, dass diese Daten trotz nachweislicher Aufforderung nach Ablauf einer angemessen gesetzten Nachfrist nicht oder nicht vollständig an den Wohlfahrtsfonds übermittelt werden, für den Zeitraum bis zur Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten der entsprechende Höchstbeitrag vorgeschrieben werden können. Diese Neuerung bedeutet ein Abgehen vom bisherigen in §109 Abs5 Ärztegesetz 1998 festgelegten diesbezüglichen Schätzungsverfahren. ...'

Diese Neuregelung durch die genannte Novelle des ÄrzteG 1998 mit der Novelle BGBl. I Nr. 156/2005 hat somit ab 1. Jänner 2006 einer Regelung für eine Vorschreibung des Beitrages auf Grund einer Schätzung sowie eines Säumniszuschlages in den Satzungen und den Beitragsordnungen der Ärztekammern die gesetzliche Grundlage entzogen. Dessen ungeachtet sah die vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in den angefochtenen Bestimmungen eine Schätzung und die Vorschreibung eines Säumniszuschlages vor."

3. Die Vollversammlung und der Beschwerdeausschuss haben die auf die angefochtene Verordnung bezughabenden Akten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes geäußerten Bedenken entgegentreten. Am 27. Juni 2006 habe die Vollversammlung eine Reihe von Änderungen der Beitragsordnung beschlossen, wobei auch Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung geändert worden sei. Gemäß ArtII der Änderungen der Beitragsordnung sei diese Bestimmung rückwirkend mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten.

4. Die Wiener Landesregierung als die zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes hat die Verordnungsakten vorgelegt, eine schriftliche Äußerung wurde nicht erstattet.

II. Zur Rechtslage:

1.1. §109 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998, im Folgenden: ÄrzteG 1998) idF BGBl. I 169/1998 lautete:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§109. (1) bis (4) ...

(5) Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben die Wohlfahrtsfondsbeiträge, die in der jeweiligen Beitragsordnung als Schillingbeträge oder Prozentsätze ausgewiesen sind, bei den Honorarabrechnungen einzubehalten und sie personenbezogen längstens bis zum 15. Tag nach Fälligkeit der Honorarzahlung an die zuständige Ärztekammer abzuführen, sofern dies in der Beitragsordnung vorgesehen ist. Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Wohlfahrtsfondsbeiträge und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben den Ärztekammern über deren Verlangen zur Überprüfung der Berechnung der Wohlfahrtsfondsbeiträge im Einzelfall das arztbezogene Kassenhonorar, die arztbezogenen Fallzahlen sowie eine Aufschlüsselung des Bruttoumsatzes eines Arztes nach den jeweiligen Einzelleistungen zu übermitteln. Eine Übermittlung dieser Daten durch die Ärztekammern an Dritte ist unzulässig. Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen vorsehen, daß Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf nicht ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen. Wenn dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung. Diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Wohlfahrtsfondsbeiträge bedeutsamen Umstände vorzunehmen.

..."

1.2. Mit Bundesgesetz BGBl. I 110/2001 wurde §109 Abs5 erster Satz ÄrzteG 1998 wie folgt geändert:

"Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten haben die Wohlfahrtsfondsbeiträge, die in der jeweiligen Beitragsordnung als Eurobeträge oder Prozentsätze ausgewiesen sind, bei den Honorarabrechnungen einzubehalten und sie personenbezogen längstens bis zum 15. Tag nach Fälligkeit der Honorarzahlung an die zuständige Ärztekammer abzuführen, sofern dies in der Beitragsordnung vorgesehen ist."

1.3. Mit Bundesgesetz BGBl. I 179/2004 wurde §109 Abs5 ÄrzteG 1998 folgender Satz angefügt:

"Für diesen Fall kann die Beitragsordnung die Zahlung eines einmaligen Säumniszuschlages, der 10 vH des festzusetzenden Wohlfahrtsfondsbeitrages nicht übersteigen darf und bei dessen Festsetzung alle bedeutsamen Umstände, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kammerangehörigen, zu berücksichtigen sind, vorsehen."

1.4. Mit der Novelle BGBl. I 156/2005 des ÄrzteG 1998, in Kraft getreten am 1. Jänner 2006, wurde die Bestimmung des §96a in das ÄrzteG 1998 eingefügt und §109 Abs5 ÄrzteG 1998 geändert. Diese Bestimmungen lauten seither folgendermaßen:

"§96a. In der Satzung des Wohlfahrtsfonds und in der Wohlfahrtsfondsbeitragsordnung ist festzulegen, welche beitrags- und leistungsrelevanten Daten von Kammerangehörigen unverzüglich zu melden sind. Für den Fall, dass diese Daten trotz nachweislicher Aufforderung nach Ablauf einer angemessen gesetzten Nachfrist nicht oder nicht vollständig an den Wohlfahrtsfonds übermittelt werden, kann für den Zeitraum bis zur Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten der entsprechende Höchstbeitrag vorgeschrieben werden.

...

§109. (5) ... Die Beitragsordnung kann nähere Bestimmungen

vorsehen, dass die Kammerangehörigen verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Beitragsordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen."

2.1. Auf Grund des Beschlusses der Vollversammlung vom 14. Dezember 1999, kundgemacht im "Wiener Arzt" 7/8a vom Juli 2000, wurde folgender mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft tretende Abschnitt IV der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien erlassen:

"IV. Verfahren

...

(5) Zum Zwecke der endgültigen Festsetzung des Fondsbeitrages sind die ordentlichen Fondsmitglieder verpflichtet, falls nicht Abs8a zur Anwendung kommt, die von der Kammer zugesandte Beitragserklärung über die Bemessungsgrundlage gemäß Abschnitt I Abs2-4 und 7 vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen. Die Zusendung der Unterlagen an das Fondsmitglied hat bis spätestens 31. März des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen, die Vorlage der Unterlagen durch das Fondsmitglied hat bis spätestens 15. Juni des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen. Als Bemessungsgrundlage wird das Einkommen des dem laufenden Jahr drittvorangegangenen Kalenderjahres herangezogen, die Zahlen des drittvorangegangenen Kalenderjahres sind in der Erklärung anzugeben. Der Erklärung sind, soweit zutreffend, der (die) Lohnzettel und der Einkommensteuerbescheid, jeweils des drittvorangegangenen Jahres, in Ablichtung beizuschließen. Erforderlichenfalls kann die Ärztekammer die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen.

(6) Bei erstmaliger Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit erfolgt die endgültige Festsetzung des Fondsbeitrages für die ersten drei Jahre, sobald die erforderlichen Nachweise für das jeweilige Jahr beigebracht werden können. Die Vorlage hat unaufgefordert zu erfolgen.

(7) Sind die gemäß §109 Abs5 letzter Satz ÄG für die Errechnung der Fondsbeiträge bedeutsamen Umstände nicht ermittelbar, ist der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 vorzuschreiben. Die Beitragsvorschreibung darf unter Bedachtnahme auf §109 Abs3 ÄG diesen Höchstbeitrag nicht überschreiten.

(8) Die Vorlageverpflichtung gemäß Abs5 besteht nicht, wenn durch Einbehalte gemäß Abs1-3 der Höchstbeitrag (Abschnitt I Abs5) erreicht oder überschritten wird bzw. sich das Fondsmitglied zur Zahlung des Höchstbeitrages verpflichtet.

(8a) ...

(9) Nach Ablauf des Beitragsjahres ist der endgültige Fondsbeitrag bis 30. April des dem Beitragsjahr folgenden Jahres festzusetzen und dem Fondsmitglied mitzuteilen. ...

..."

2.2. Die Vollversammlung hat in ihrer Sitzung vom 21. Juni 2005 - in "doktorinwien" 10/2005 kundgemachte - Änderungen der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Abschnittes IV sind rückwirkend mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten und lauteten folgendermaßen (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"IV. Verfahren

...

(5) Zum Zwecke der endgültigen Festsetzung des Fondsbeitrages sind die ordentlichen Fondsmitglieder verpflichtet, falls nicht Abs8a zur Anwendung kommt, die von der Kammer zugesandte Beitragserklärung über die Bemessungsgrundlage gemäß Abschnitt I Abs2-4 und 7 vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen. Die Zusendung der Unterlagen an das Fondsmitglied hat bis spätestens 31. März des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen, die Vorlage der Unterlagen durch das Fondsmitglied hat bis spätestens 15. Juni des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen. Als Bemessungsgrundlage wird das Einkommen des dem laufenden Jahr drittvorangegangenen Kalenderjahres herangezogen, die Zahlen des drittvorangegangenen Kalenderjahres sind in der Erklärung anzugeben. Der Erklärung sind, soweit zutreffend, der (die) Lohnzettel und der Einkommensteuerbescheid, jeweils des drittvorangegangenen Jahres, in Ablichtung beizuschließen. Erforderlichenfalls kann die Ärztekammer die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen.

(6) Bei erstmaliger Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit erfolgt die endgültige Festsetzung des Fondsbeitrages für die ersten drei Jahre, sobald die erforderlichen Nachweise für das jeweilige Jahr beigebracht werden können. Die Vorlage hat unaufgefordert zu erfolgen.

(7) Wird der Verpflichtung gemäß Abs5 oder 6 nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen, erfolgt die Beitragsvorschreibung nach Vornahme einer Schätzung der aus ärztlicher Tätigkeit erzielten Einkünfte des Beitragspflichtigen. Sind die gemäß §109 Abs5 letzter Satz ÄG für die Errechnung der Fondsbeiträge bedeutsamen Umstände nicht ermittelbar, ist der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 vorzuschreiben. Die Beitragsvorschreibung darf unter Bedachnahme auf §109 Abs3 ÄG diesen Höchstbeitrag nicht überschreiten. Für zu schätzende Fondsbeiträge wird ein Säumniszuschlag in Höhe von 10 v.H. des aushaftenden Beitrages verrechnet.

..."

2.3. Durch die Änderung der Beitragsordnung, beschlossen durch die Vollversammlung am 27. Juni 2006, genehmigt von der Wiener Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 25. April 2007 wurde Folgendes verfügt (im Folgenden wird die am 27. Juni 2006 geänderte Beitragsordnung als "Beitragsordnung 2006" bezeichnet):

"Artikel I

...

15. Abschnitt IV Abs7 lautet wie folgt:

'(7) Wird der Verpflichtung gemäß Abs5 oder 6 trotz nachweislicher Aufforderung nach Ablauf einer angemessenen gesetzten Nachfrist nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen, ist bis zur Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 vorzuschreiben. Die Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten hat innerhalb der Rechtsmittelfrist des Bescheides mit dem der Höchstbeitrag vorgeschrieben wurde zu erfolgen, widrigenfalls sie keine Berücksichtigung finden.'

...

Artikel II

Artikel I Ziffern 3, 4, 8, 16, 17, 19, 20 und 21 treten rückwirkend mit 01.01.2005 in Kraft.

Artikel I Ziffern 5, 6, 10 bis 14, 18 und 22 treten mit 01.01.2007 in Kraft.

Die übrigen Ziffern des Artikel I treten rückwirkend mit 01.01.2006 in Kraft."

3. Mit §109 Abs5 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998 idF BGBl. I 179/2004 (Gesundheitsreformgesetz 2005), wurde erstmals der Verordnungsgeber ermächtigt, in der Beitragsordnung, in jenen Fällen, in denen der Verpflichtung zur Bekanntgabe der für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben nicht zeitgerecht entsprochen wurde, die Vorschreibung eines - 10% des festzusetzenden Wohlfahrtsfondsbeitrages nicht übersteigenden - Säumniszuschlages vorsehen zu können. Diese Regelung trat am 31. Dezember 2004 in Kraft; durch die 7. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I 156/2005, wurde die Möglichkeit zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages jedoch mit 1. Jänner 2006 beseitigt. Eine gesetzliche Grundlage für die Festlegung eines Säumniszuschlages durch den Verordnungsgeber bietet §109 Abs5 ÄrzteG 1998 sohin lediglich in der Zeit vom 31. Dezember 2004 bis zum 31. Dezember 2005.

Mit Beschluss der Vollversammlung vom 21. Juni 2005, kundgemacht in "doktorinwien" 10/2005, wurde - auf Grundlage des §195 Abs5 ÄrzteG 1998 rückwirkend mit 1. Jänner 2005 - die Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds dahingehend geändert, dass "[f]ür zu schätzende Fondsbeiträge [...] ein Säumniszuschlag in Höhe von 10 v.H. des aushaftenden Beitrages verrechnet" wird. Eine Vorschreibung eines Säumniszuschlages ist jedoch auf Grund der von der Vollversammlung in ihrer Sitzung vom 27. Juni 2006 beschlossenen Änderungen, kundgemacht in "doktorinwien" 7-8/07, rückwirkend seit 1. Jänner 2006 nicht mehr möglich.

Sohin existiert lediglich für den Zeitraum 1. Jänner 2005 bis 31. Dezember 2005 eine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge (zu V1/09 und V121/09) erwogen:

1.1. Der Verwaltungsgerichtshof begründet seinen Antrag damit, dass "[d]ie hier in Rede stehenden Bestimmungen der Beitragsordnung regeln, wie die Behörde vorzugehen hat, wenn der betreffende Beitragspflichtige die im Absatz 5 (und Absatz 6) des Abschnittes IV normierten Verpflichtungen zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen und Übermittlung von Unterlagen nicht einhält. Diese Bestimmungen sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides [vom 1. März 2006] geltenden Fassung anzuwenden und nicht etwa - zeitraumbezogen - die im Jahr 1999 in Geltung gewesenen Bestimmungen der Beitragsordnung".

Basierend auf diesen Überlegungen beantragt der Verwaltungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die Wendung "5 oder" im ersten Satz sowie der letzte Satz im Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung 2005 gesetzwidrig waren.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.3. Vorauszuschicken ist, dass es sich beim Säumniszuschlag nicht um eine Folge der Säumigkeit mit der Zahlung, sondern um eine Sanktion auf Grund des Verstoßes gegen die Meldepflichten handelt. Durch den Säumniszuschlag sollte eine öffentlich-rechtliche Belastung eigener Art für einen bestimmten Zeitraum geschaffen werden, um die Folgen mangelnder Pflichterfüllung zu sanktionieren (vgl. dazu und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen VfSlg. 18.202/2007 und 18.301/2007).

1.4. Wenn der Verwaltungsgerichtshof - mit Blick auf den Zeitpunkt der Erlassung der bei ihm angefochtenen Bescheide vom 1. März 2006 - jedoch davon ausgeht, er hätte die angefochtenen Wortfolgen der Beitragsordnung 2005 anzuwenden, erweisen sich die Anträge allerdings schon aus folgenden Gründen als unzulässig:

1.4.1. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hat auf Grundlage der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Rechtslage zu erfolgen, wobei auch allfällige später erlassene Verordnungen zu berücksichtigen sind, die auf einen vor Erlassung des Bescheides liegenden Zeitpunkt rückwirken (zur Messung beim Verfassungsgerichtshof angefochtener Bescheide an der rückwirkend geänderten Rechtslage s. VfSlg. 17.066/2003 mwH).

1.4.2. Gemäß Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung 2006 ist bis zur Nachreichung der beitrags- und leistungsrelevanten Daten der Höchstbeitrag gemäß Abschnitt I Abs5 der Beitragsordnung 2006 vorzuschreiben, wenn der Verpflichtung gemäß Abschnitt IV Abs5 oder 6 trotz nachweislicher Aufforderung nach Ablauf einer angemessen gesetzten Nachfrist nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen wird. Entsprechend den Vorgaben des ÄrzteG 1998 idF BGBl. I 156/2005, in Kraft getreten am 1. Jänner 2006, wurden sohin durch die Änderung der Beitragsordnung 2005, beschlossen durch die Vollversammlung am 27. Juni 2006, das Schätzverfahren und die Möglichkeit der Verrechnung von Säumniszuschlägen durch die Möglichkeit den Höchstbeitrag vorzuschreiben ersetzt. Gemäß Art2 der Änderung der Beitragsordnung 2005, beschlossen durch die Vollversammlung am 27. Juni 2006, trat ArtI Ziffer 15, welcher die Änderung des Abschnittes IV Abs7 der Beitragsordnung vorsah, rückwirkend mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

Angesichts der mit Wirkung vom 1. Jänner 2006 erfolgten Neuregelung des Abschnittes IV Abs7 der Beitragsordnung hat der Verwaltungsgerichtshof bei seinen Entscheidungen über die bei ihm zu den Zlen. 2006/11/0066 und 2006/11/0055 anhängigen Beschwerden die angefochtenen Wortfolgen im Abschnitt IV Abs7 der Beitragsordnung 2005 in dem von ihm als verfassungswidrig angegriffenen rechtlichen Bezug denkmöglich nicht mehr anzuwenden (vgl. VfSlg. 14.890/1997).

Die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes zu V1/09 und V121/09 sind sohin mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung des Abschnittes IV Abs7 der Beitragsordnung 2005 als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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