Normen
B-VG Art18 Abs2
V des Bezirkshauptmannes Liezen - Polititsche Expositur Gröbming vom 18.10.2010 betr Erklärung eines Abschnitts der B320 Ennstalstraße zur Autostraße
StVO 1960 §43 Abs3 litb, §94
B-VG Art18 Abs2
V des Bezirkshauptmannes Liezen - Polititsche Expositur Gröbming vom 18.10.2010 betr Erklärung eines Abschnitts der B320 Ennstalstraße zur Autostraße
StVO 1960 §43 Abs3 litb, §94
Spruch:
I. Die Verordnung des Bezirkshauptmannes Liezen – Politische Expositur Gröbming vom 18. Oktober 2010, Z 11.0-49/2010, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für die Steiermark verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B20/2014 ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen – Politische Expositur Gröbming vom 9. August 2012 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs3 lita iVm §47 Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO) eine Verwaltungsstrafe in Höhe von € 80,– (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er am 25. Juni 2012 um 14 Uhr in der Gemeinde St. Martin am Grimming, auf der B 320, Strkm 47,4, die Zugmaschine mit näher bezeichnetem Kennzeichen gelenkt und mit dieser eine Autostraße befahren habe, obwohl diese nur mit Kraftfahrzeugen benützt werden dürfe, die eine Bauartgeschwindigkeit von 60 km/h aufweisen und mit der diese Geschwindigkeit überschritten werden dürfe.
2. Bei Behandlung der zur Zahl B20/2014 protokollierten Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bezirkshauptmannes Liezen – Politische Expositur Gröbming vom 18. Oktober 2010, Z 11.0-49/2010, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 8. Oktober 2014 beschlossen, die Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens veranlasst haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] §43 Abs3 litb StVO sieht zum Zwecke der Erleichterung oder Beschleunigung des Verkehrs, insbesondere des Durchzugsverkehrs, die Erklärung von Straßen per Verordnung zu Autostraßen vor, die sich für den Schnellverkehr eigenen, sofern es keine Bundesautobahnen sowie Straßen ohne Überschneidungen mit anderen Straßen, sofern sie sich für Schnellverkehr eigenen, sind, sofern dadurch die Verkehrsinteressen der von der Benützung der Autostraße ausgeschlossenen Straßenbenützer nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
[…] Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Verordnung die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl. zB VfSlg 8086/1977, 9089/1981, 12.944/1991, 13.449/1993, 13.482/1993). Die sohin gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl. zB VfSlg 12.485/1990, 16.805/2003, 17.572/2005). Die Gefahrensituation muss sich für die betreffende Straße deutlich von der allgemeinen, für den Straßenverkehr typischen Gefahrenlage unterscheiden (vgl. zB VfSlg 14.000/1994). Wie der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg 8984/1980 und 9721/1983 ausführte und in zahlreichen nachfolgenden Erkenntnissen wiederholte (vgl. VfSlg 13.371/1993, 14.051/1995, 15.643/1999, 16.016/2000, 16.805/2003, 17.573/2005), sind bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für die die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen.
[…] Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hegt der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Verordnung des Bezirkshauptmannes Liezen – Politische Expositur Gröbming vom 18. Oktober 2010 Zweifel ob deren Rechtmäßigkeit, als diese erlassen worden sein dürfte, obwohl die Erforderlichkeit der Verkehrsbeschränkung nicht in einem ausreichenden Ermittlungsverfahren iSd §43 StVO festgestellt und keine ausreichende Interessenabwägung im Sinn dieser Bestimmung durchgeführt worden sein dürfte.
Aus dem Verordnungsakt geht lediglich hervor, dass die Gemeinde St. Martin am Grimming, die Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft in Liezen, die Wirtschafts- und Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretungen sowie die Polizeiinspektion Gröbming mit Schreiben des Bezirkshauptmannes von Liezen vom 30. Juli 2010 dazu aufgefordert wurden, zum Antrag der Baubezirksleitung Liezen, die B 320 Ennstalstraße im Abschnitt von km 46,753 bis km 47,733 durch Verordnung zur Autostraße zu erklären, Stellung zu nehmen. Die Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft Liezen teilte daraufhin mit Schreiben vom 2. August 2010 mit, dass von ihrer Seite gegen die in Rede stehende Verordnung keine Einwände bestünden, sofern die Begleitstraße für den Langsamverkehr ausreichend breit dimensioniert sei. Die Gemeinde St. Martin am Grimming teilte mit Schreiben vom 24. August mit, dass sie gegen die Erklärung zur Autostraße im Abschnitt Diemlern-Oberstuttern sei, weil bei den Grundeinlöseverhandlungen und der Verhandlung zur straßenrechtlichen Genehmigung von den Vertretern des Amtes der Steirischen Landesregierung und der Bezirksleitung eine Verordnung zur Autostraße aufgrund der zu geringen Länge als nicht sinnvoll erachtet worden sei. Außerdem sei es für die land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge in Fahrtrichtung Schladming eine Zumutung in Oberstuttern links abzubiegen und in Diemlern wiederum, wenn auf der B 320 in diesem Bereich ohnehin eine Überholungsmöglichkeit bestehe. Weitere Dokumente über das Verordnungserlassungsverfahren finden sich im Akt nicht.
So enthält er lediglich den Hinweis auf ein regionales Verkehrskonzept für den Bezirk Liezen, das mit Beschluss der Landesregierung im Februar 2006 genehmigt worden sei. Der Akt enthält hingegen keine Hinweise auf die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens und gibt es im Verordnungsakt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine näher dargestellte Abwägung des Interesses an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an einer ungehinderten Benützung der Straße im verordnungsgegenständlichen Teilabschnitt der B 320 vor Verordnungserlassung vorgenommen wurde. Schließlich scheint auch die Besprechung mit den betroffenen Landwirten über die Auswirkungen dieser Verordnung sowie die Einholung einer Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit erst im Jahr 2011 und somit nach der Verordnungserlassung erfolgt zu sein.
[…] Wie bereits in Pkt. III.2.2. ausgeführt, geht der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass Ermittlungsverfahren und Interessenabwägung jedenfalls vor Erlassung einer Verordnung durchzuführen sind, weil in die Grundlage der Entscheidung des Verordnungsgebers ein vollständiges Bild über die Tatsachenlage und die Artikulation bestimmter Interessen einfließen können soll. Ein nachträglich geführtes ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und eingeholtes Gutachten – wie etwa das Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit – vermag die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung nicht zu beseitigen (vgl. VfSlg 15.643/1999, 17.573/2005, 18.401/2008)."
4. Der Bezirkshauptmann Liezen – Politische Expositur Gröbming als verordnungserlassende Behörde erstattete eine Äußerung, in der er auf seine Stellungnahme im zur Zahl B20/2014 anhängigen Beschwerdeverfahren verweist. Darin wird ausgeführt, dass aus Sicht der Behörde sehr wohl ein Anhörungs- und Ermittlungsverfahren und die von §43 StVO geforderte Interessensabwägung vorgenommen worden seien. Es sei dem Gemeindeamt St. Martin am Grimming, der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft in Liezen, der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer als gesetzliche Interessensvertretungen sowie der Polizeiinspektion Gröbming Gelegenheit zur Stellungnahme vor Verordnungserlassung gegeben worden. Der Verordnung liege außerdem ein regionales Verkehrskonzept für den Bezirk Liezen zugrunde, welches mit Beschluss der Landesregierung im Februar 2006 genehmigt worden sei. Danach sei für die B 320, dem Abschnitt Mandling – Trautenfels, aufgrund der Bedeutung als überregionale Verbindung zwischen A 10 und A 9 die Kategorie B mit diversen Ausbaukriterien wie der abschnittsweise Ausbau zur Schaffung von Überholmöglichkeiten und Errichtung von Begleitstraße für den Langsamverkehr zugeordnet worden.
5. Die Steiermärkische Landesregierung hat keine Äußerung erstattet.
II. Rechtslage
1. §§43 und 94b StVO 1960, BGBl 159/1960 idF BGBl I 52/2005 bzw. BGBl I 92/1998 (diese Fassungen galten im Zeitpunkt der Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung), lauteten auszugsweise:
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) – (2b) […]
(3) Zum Zwecke der Erleichterung oder Beschleunigung des Verkehrs, insbesondere des Durchzugsverkehrs, hat die Behörde durch Verordnung
a) Bundesstraßen, die das Bundesstraßengesetz 1971, BGBl Nr 286, als Bundesautobahn bezeichnet, sowie Straßen ohne Überschneidungen mit anderen Straßen, sofern sie sich für den Schnellverkehr (§46 Abs1) eignen und besondere Anschlußstellen für die Zu- und Abfahrt vorhanden sind, einschließlich der Zu- und Abfahrtsstraßen zu Autobahnen zu erklären,
b) Straßen, die sich für den Schnellverkehr (§46 Abs1) eignen und für welche die in lita genannten Voraussetzungen nicht zutreffen, zu Autostraßen zu erklären, sofern dadurch die Verkehrsinteressen der von der Benützung der Autostraße ausgeschlossenen Straßenbenützer nicht wesentlich beeinträchtigt werden,
c) Straßen zu Vorrangstraßen zu erklären.
(4) – (11) […].
[…]
§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde
(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder der Bundespolizeibehörde ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde
a) […]
b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,
c) – h) […]
(2) […]. "
2. Die Verordnung des Bezirkshauptmannes Liezen – Politische Expositur Gröbming vom 18. Oktober 2010, Z 11.0-49/2010, lautet (Hervorhebungen im Original):
"VERORDNUNG
Gemäß §§43 Abs3 litb und 94[b] Abs1 litb Straßenverkehrsordnung – StVO 1960, BGBl Nr 159, in der derzeit geltenden Fassung, wird die B 320 Ennstalstraße im Abschnitt Diemerln-Oberstuttern zwischen km 46,753 und km 47,733 zur Autostraße erklärt.
Diese Verordnung ist vom Straßenerhalter wie folgt kundzumachen:
In Fahrtrichtung Graz:
1.) durch ein Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Ziffer 8c StVO
„Autostraße‟ bei km 46,753,
2.) durch ein Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Ziffer 8d StVO
„Ende der Autostraße‟ bei km 47,733.
In Fahrtrichtung Salzburg:
3.) durch ein Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Ziffer 8c StVO
„Autostraße‟ bei km 47,733,
4.) durch ein Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Ziffer 8d StVO
„Ende der Autostraße‟ bei km 46,753."
Für den Bezirkshauptmann:
Der Leiter der Politischen Expositur:
[…]"
Die Verordnung wurde durch das Anbringen entsprechender Verkehrszeichen am 28. Oktober 2010 kundgemacht.
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes in seinem Prüfungsbeschluss, dass er die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden habe, unzutreffend wäre. Es ist auch sonst nichts hervorgekommen, das an der Zulässigkeit der Beschwerde im Anlassverfahren und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Stelle der Verordnung zweifeln ließe. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. In der Sache
2.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat die Behörde vor Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Verordnung die im Einzelnen umschriebenen Interessen an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an der ungehinderten Benützung der Straße abzuwägen und dabei die (tatsächliche) Bedeutung des Straßenzuges zu berücksichtigen (vgl. zB VfSlg 8086/1977, 9089/1981, 12.944/1991, 13.449/1993, 13.482/1993).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss dargelegten Auffassung, dass die Erforderlichkeit der durch die Verordnung des Bezirkshauptmannes Liezen – Politische Expositur Gröbming vom 18. Oktober 2010, Z 11.0-49/2010, bewirkten Verkehrsbeschränkung nicht in einem ausreichenden Ermittlungsverfahren im Sinn des §43 StVO festgestellt und keine ausreichende Interessenabwägung im Sinn dieser Bestimmung durchgeführt worden ist.
2.3. Die gemäß §43 StVO gebotene Interessenabwägung erfordert sowohl die nähere sachverhaltsmäßige Klärung der Gefahren oder Belästigungen für Bevölkerung und Umwelt, vor denen die Verkehrsbeschränkung schützen soll, als auch eine Untersuchung der Verkehrsbeziehungen und der Verkehrserfordernisse durch ein entsprechendes Anhörungs- und Ermittlungsverfahren (vgl. zB VfSlg 12.485/1990, 16.805/2003, 17.572/2005). Die Gefahrensituation muss sich für die betreffende Straße deutlich von der allgemeinen, für den Straßenverkehr typischen Gefahrenlage unterscheiden (vgl. zB VfSlg 14.000/1994). Wie der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg 8984/1980 und 9721/1983 ausführte und in zahlreichen nachfolgenden Erkenntnissen wiederholte (vgl. VfSlg 13.371/1993, 14.051/1995, 15.643/1999, 16.016/2000, 16.805/2003, 17.573/2005), sind bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Verordnung nach §43 StVO die bei der bestimmten Straße oder Straßenstrecke, für die die Verordnung erlassen werden soll, anzutreffenden, für den spezifischen Inhalt der betreffenden Verordnung relevanten Umstände mit jenen Umständen zu vergleichen, die für eine nicht unbedeutende Anzahl anderer Straßen zutreffen.
2.4. Ausgehend vom Prüfungsbeschluss ist festzuhalten, dass aus dem Verordnungsakt lediglich hervorgeht, dass die Gemeinde St. Martin am Grimming, die Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft in Liezen, die Wirtschafts- und Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretungen sowie die Polizeiinspektion Gröbming mit Schreiben des Bezirkshauptmannes von Liezen vom 30. Juli 2010 dazu aufgefordert wurden, zum Antrag der Baubezirksleitung Liezen, die B 320 Ennstalstraße im Abschnitt von km 46,753 bis km 47,733 durch Verordnung zur Autostraße zu erklären, Stellung zu nehmen. Die Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft Liezen teilte daraufhin mit Schreiben vom 2. August 2010 mit, dass von ihrer Seite gegen die in Rede stehende Verordnung keine Einwände bestünden, sofern die Begleitstraße für den Langsamverkehr ausreichend breit dimensioniert sei. Die Gemeinde St. Martin am Grimming teilte mit Schreiben vom 24. August 2010 mit, dass sie gegen die Erklärung zur Autostraße im Abschnitt Diemlern-Oberstuttern sei, weil bei den Grundeinlöseverhandlungen und der Verhandlung zur straßenrechtlichen Genehmigung von den Vertretern des Amtes der Steirischen Landesregierung und der Bezirksleitung eine Widmung zur Autostraße auf Grund der zu geringen Länge als nicht sinnvoll erachtet worden sei. Außerdem sei es für die land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge in Fahrtrichtung Schladming eine Zumutung, in Oberstuttern und in Diemlern links abzubiegen, wenn auf der B 320 in diesem Bereich ohnehin eine Überholmöglichkeit bestehe. Weitere Unterlagen über das Verordnungserlassungsverfahren finden sich im Akt nicht.
So enthält er lediglich den Hinweis auf ein regionales Verkehrskonzept für den Bezirk Liezen, das mit Beschluss der Landesregierung im Februar 2006 genehmigt worden sei. Der Akt enthält hingegen keine Hinweise auf die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens und es gibt im Verordnungsakt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine näher dargestellte Abwägung des Interesses an der Verkehrsbeschränkung mit dem Interesse an einer ungehinderten Benützung der Straße im verordnungsgegenständlichen Teilabschnitt der B 320 vor Verordnungserlassung vorgenommen wurde. Schließlich scheint auch die Besprechung mit den betroffenen Landwirten über die Auswirkungen dieser Verordnung sowie die Einholung einer Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit erst im Jahr 2011 und somit nach der Verordnungserlassung erfolgt zu sein.
2.5. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass Ermittlungsverfahren und Interessenabwägung jedenfalls vor Erlassung einer Verordnung durchzuführen sind, weil in die Grundlage der Entscheidung des Verordnungsgebers ein vollständiges Bild über die Tatsachenlage und die Artikulation bestimmter Interessen einfließen können soll. Ein nachträglich geführtes ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und eingeholtes Gutachten – wie etwa das Gutachten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit – vermag die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung nicht zu beseitigen (vgl. VfSlg 15.643/1999, 17.573/2005, 18.401/2008). Ebenso wenig vermag die Stellungnahme des Bezirkshauptmannes von Liezen – Politische Expositur Gröbming, dass aus Sicht der Behörde sehr wohl ein Anhörungs- und Ermittlungsverfahren und ein Interessensabwägung vorgenommen worden seien, daran etwas zu ändern.
IV. Ergebnis
1. Die in Prüfung gezogene Verordnung erweist sich daher vor dem Hintergrund der bereits im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken deshalb als gesetzwidrig, weil die Erforderlichkeit der durch diese Verordnung bewirkten Verkehrsbeschränkung weder in einem ausreichenden Ermittlungsverfahren festgestellt noch eine ausreichende Interessenabwägung durchgeführt wurde.
2. Da die als gesetzwidrig erkannte Verordnung weiterhin in Geltung steht, ist mit der Aufhebung gemäß Art139 Abs3 B‑VG vorzugehen.
3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches Kundmachungsgesetz.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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