VfGH G607/2015

VfGHG607/201522.9.2016

Zurückweisung eines Parteiantrags mangels Darlegung der gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62 Abs1
ABGB §1101
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62 Abs1
ABGB §1101

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller, §1101 ABGB als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die angefochtene Bestimmung des §1101 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (in der Folge ABGB), JGS 946/1811, idF RGBl. 69/1916, lautet:

"§1101. (1) Zur Sicherstellung des Bestandzinses hat der Vermieter einer unbeweglichen Sache das Pfandrecht an den eingebrachten, dem Mieter oder seinen mit ihm in gemeinschaftlichem Haushalte lebenden Familienmitgliedern gehörigen Einrichtungsstücken und Fahrnissen, soweit sie nicht der Pfändung entzogen sind. Das Pfandrecht erlischt, wenn die Gegenstände vor ihrer pfandweisen Beschreibung entfernt werden, es sei denn, daß dies infolge einer gerichtlichen Verfügung geschieht und der Vermieter binnen drei Tagen nach dem Vollzuge sein Recht bei Gericht anmeldet.

(2) Zieht der Mieter aus oder werden Sachen verschleppt, ohne daß der Zins entrichtet oder sichergestellt ist, so kann der Vermieter die Sachen auf eigene Gefahr zurückbehalten, doch muß er binnen drei Tagen um die pfandweise Beschreibung ansuchen oder die Sachen herausgeben.

(3) Dem Verpächter eines Grundstückes steht in gleichem Umfange und mit gleicher Wirkung das Pfandrecht an dem auf dem Pachtgute vorhandenen Vieh und den Wirtschaftsgerätschaften und den darauf noch befindlichen Früchten zu."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Miet- und Räumungsklage vom 13. Mai 2015 begehrte die klagende Partei (beteiligte Partei) als Eigentümerin und Vermieterin eines Geschäftslokals in Graz die Bezahlung des Betrages von € 2.500,– an Mietzins sowie die Bezahlung von übrigen Zinsen. Begehrt wurde außerdem die Räumung des Bestandobjektes. Des Weiteren wurde die pfandweise Beschreibung der im Mietobjekt befindlichen Fahrnisse aller Art gemäß §1101 ABGB beantragt.

1.2. Mit Beschluss vom 18. Mai 2015 bewilligte das Erstgericht die beantragte pfandweise Beschreibung der Fahrnisse.

1.3. Gegen diesen Beschluss wurde von den Antragstellern Rekurs erhoben, da die Antragstellung durch die beteiligte Partei mutwillig erfolgt sei. Ein Rückstand des Mietzinses sei nicht vorgelegen, da eine Mietzinsminderung geltend gemacht wurde. Mit Beschluss vom 22. September 2015 gab das Rekursgericht dem Rekurs keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

1.4. Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragsteller einen außerordentlichen Revisionsrekurs, in dem auch die Vorlage an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art89 B‑VG begehrt wurde.

1.5. Darüber hinaus wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des außerordentlichen Revisionsrekurses bis zur Zustellung der rechtskräftigen Entscheidung des Revisionsgerichtes beantragt. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss vom 23. Oktober 2015 vom Bezirksgericht Graz-Ost, Z 220 E 41/15g, abgewiesen, da kein Nachteil für die Antragsteller alleine aus der pfandweisen Beschreibung zu erkennen sei. Das Interesse der beteiligten Partei, dass das gesetzliche Pfandrecht auch nach Verbringen der Sachen aufrecht bleibe, wiege höher. Die Kaution der Antragsteller stelle demnach keine Sicherstellung für laufende Mietzinse dar.

1.6. Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragsteller am selben Tag, an dem sie auch den (Partei-)Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG stellten, Rekurs.

2. Die Antragsteller behaupten in ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag, in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B‑VG) verletzt worden zu sein.

2.1. Das Recht werde durch §1101 ABGB und dessen Anwendung verletzt. Das Erstgericht lehne in gesetzwidriger Weise seine Zuständigkeit ab, indem es die Frage, ob die pfandweise Beschreibung an notwendigen Betriebsmitteln zulässig sei, nicht prüfe.

2.2. §1101 ABGB sei verfassungswidrig, da keine Prüfung des Antrages auf pfandweise Beschreibung stattgefunden habe, kein Mietzinsrückstand vorliege und das Erstgericht das Gesetz so auslege, dass es auch auf Geschäftsraummieten anzuwenden sei.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz.

Der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG muss weiters "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

3. Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen.

Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, 19.825/2013, 19.832/2013, 19.870/2014, 19.938/2014).

4. Die Antragsteller beantragen die Aufhebung des §1101 ABGB, weil das Gesetz ihr Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B‑VG) verletze. Zudem dürfte das Erstgericht auf Grund des "fair trial […] nicht ohne Abwiegen und Parteiengehör den Antrag [auf pfandweise Beschreibung] bewilligen".

4.1. Die Antragsteller behaupten die Verfassungswidrigkeit des §1101 ABGB, da keine Prüfung des Antrages auf pfandweise Beschreibung stattgefunden habe, kein Mietzinsrückstand vorliege und das Erstgericht das Gesetz so auslege, dass es auch auf Geschäftsraummieten anzuwenden sei.

4.2. Die Antragsteller behaupten damit lediglich, dass die Anwendung des §1101 ABGB durch das Bezirksgericht Graz-Ost verfassungswidrig sei. Sie machen lediglich Vollzugsmängel geltend. Solche Bedenken sind unzulässig, da der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG über die "Verfassungswidrigkeit […] von Gesetzen" entscheidet. Die Entscheidung eines Gerichtes ist jedoch nicht Prüfungsgegenstand in Verfahren nach Art140 B‑VG (vgl. VfGH 2.7.2015, G145/2015; 26.2.2016, G179/2015 ua.).

V. Ergebnis

Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung – schon aus diesem Grund – als unzulässig zurückzuweisen.

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