Normen
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
EStG 1988 §30b, §30c
GrEStG 1987 §13 Abs4
EMRK Art4 Abs2
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
EStG 1988 §30b, §30c
GrEStG 1987 §13 Abs4
EMRK Art4 Abs2
VfGG §62 Abs1
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit seinem auf Art140 B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge folgende Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) in der Fassung BGBl I 22/2012 und des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (GrEStG 1987) in der Fassung BGBl 682/1994 als verfassungswidrig aufheben (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen):
"1. §30b EStG zur Gänze
2. §30c EStG zur Gänze
3. §13 Abs4 GrEStG zur Gänze
[…]
In eventu zu 1. und 2.:
4. §30b Abs2 EStG zur Gänze;
in §30b Abs3 die Wortfolge 'für die eine selbstberechnete Immobilien-
ertragsteuer entrichtet wurde';
§30b Abs4 zur Gänze;
in §30b Abs5 die Wortfolge 'und 4'
5. §30c Abs2 und 3 EStG zur Gänze;
in §30c Abs4 EStG die Wortfolgen 'gemäß Abs2 Z2' und 'in der
Mitteilung gemäß Abs2 Z1';
[…]
In eventu zu 1. und 2.:
6. §30c Abs2 und 3 EStG zur Gänze und
in §30c Abs4 EStG die Wortfolgen 'gemäß Abs2 Z2' und 'in der Mitteilung gemäß Abs2 Z1'
[…]
In eventu zu 1. und 2.:
7.§30c Abs3 EStG zur Gänze".
II. Rechtslage
1. Die jeweils zur Gänze angefochtenen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl 400, welche mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 (1. StabG 2012), BGBl I 22, eingeführt worden sind, lauten in der geltenden Fassung BGBl I 112/2012 wie folgt:
"Immobilienertragsteuer
§30b. (1) Für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen ist im Falle der Selbstberechnung gemäß §30c Abs2 eine auf volle Euro abzurundende Steuer in Höhe von 25% der Bemessungsgrundlage zu entrichten (Immobilienertragsteuer). Die Immobilienertragsteuer ist spätestens am 15. Tag des auf den Kalendermonat des Zuflusses zweitfolgenden Kalendermonats zu leisten.
(2) Mit der Entrichtung der selbstberechneten Immobilienertragsteuer durch Parteienvertreter gilt die Einkommensteuer für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §30 als abgegolten. Dies gilt jedoch nicht, wenn die der Selbstberechnung zugrunde liegenden Angaben des Steuerpflichtigen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.
(3) Auf Antrag sind die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §30, für die eine selbstberechnete Immobilienertragsteuer entrichtet wurde, mit dem besonderen Steuersatz gemäß §30a zu veranlagen (Veranlagungsoption). Dabei ist die Immobilienertragsteuer auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten.
(4) Wird außer in den Fällen des §30c Abs4 erster, dritter und vierter Teilstrich keine Immobilienertragsteuer entrichtet, ist vom Steuerpflichtigen eine auf volle Euro abzurundende besondere Vorauszahlung in Höhe von 25% der Bemessungsgrundlage zu entrichten. Abs1 letzter Satz gilt entsprechend.
(5) Abs1 und 4 gelten auch für betriebliche Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken, es sei denn, der besondere Steuersatz ist aufgrund des §30a Abs3 Z1 und 2 zumindest teilweise nicht anwendbar.
(6) Werden Anteile an Grundstücken durch sämtliche Wohnungseigentümer zum Zweck der Begründung von Wohnungseigentum an bisher allgemeinen Teilen der Liegenschaft gemäß §2 Abs4 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002, BGBl I Nr 70, veräußert, kann für die Berechnung der Immobilienertragsteuer sämtlicher Wohnungseigentümer der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage gemäß Abs1 angesetzt werden. Dies gilt nur, wenn die Veräußerung durch mehr als fünf Wohnungseigentümer erfolgt und der Veräußerungserlös insgesamt den Betrag von 150 000 Euro nicht übersteigt.
Mitteilung und Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer durch Parteienvertreter
§30c. (1) Im Rahmen einer Abgabenerklärung gemäß §10 Abs1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 ist mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 oder 7 erzielt werden. Die Mitteilung hat die am Veräußerungsgeschäft beteiligten Parteien unter Angabe ihrer Steuernummer und die Höhe der nach den Angaben des Steuerpflichtigen zu entrichtenden besonderen Vorauszahlung gemäß §30b Abs4 zu enthalten.
(2) Parteienvertreter, die eine Selbstberechnung gemäß §11 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 vornehmen, haben gleichzeitig
1. dem für den Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 oder 7 erzielt werden, und diesfalls
2. die Immobilienertragsteuer gemäß §30b Abs1 auf Grund der Angaben des Steuerpflichtigen selbst zu berechnen. Dabei hat der Steuerpflichtige dem Parteienvertreter die für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erforderlichen Unterlagen vorzulegen und deren Richtigkeit und Vollständigkeit schriftlich zu bestätigen.
Die Mitteilung gemäß Z1 hat die am Veräußerungsgeschäft beteiligten Parteien unter Angabe ihrer Steuernummer und die für die Selbstberechnung der Steuer notwendigen Daten zu enthalten.
(3) Die Parteienvertreter haben die selbstberechnete Immobilienertragsteuer gemäß §30b Abs1 zu entrichten und haften für deren Entrichtung. Ist die Fälligkeit noch nicht eingetreten, erlischt die Verpflichtung zur Entrichtung nach einem Jahr ab Vornahme der Mitteilung nach Abs2 Z1. Zusätzlich haften die Parteienvertreter für die Richtigkeit der Immobilienertragsteuer nur, wenn diese wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird.
(4) Die Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer gemäß Abs2 Z2 kann auch bei Vornahme einer Selbstberechnung gemäß §11 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 unterbleiben, soweit
– die Einkünfte aus dem Veräußerungsgeschäft nach §30 Abs2 oder §21 Abs2 Z3 KStG 1988 befreit sind oder
– der Zufluss voraussichtlich später als ein Jahr nach dem Veräußerungsgeschäft erfolgt oder
– bei der Veräußerung von Grundstücken des Betriebsvermögens, die stillen Reserven gemäß §12 übertragen oder einer Übertragungsrücklage zugeführt werden oder
– der Veräußerungserlös in Form einer Rente geleistet wird, oder
– das Grundstück im Rahmen eines Verfahrens gemäß §133 ff der Exekutionsordnung, RGBl. Nr 79/1896 (Zwangsversteigerung) veräußert wird. In diesem Fall ist in der Mitteilung gemäß Abs2 Z1 anzugeben, warum die Selbstberechnung unterbleibt."
2. §10 GrEStG 1987, BGBl 309, lautet in der Fassung BGBl I 112/2012 wie folgt:
"Abgabenerklärung
§10. (1) Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, sind bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem die Steuerschuld entstanden ist, zweitfolgenden Monats beim Finanzamt mit einer Abgabenerklärung anzuzeigen. Hierzu sind die in §9 genannten Personen sowie die Notare, Rechtsanwälte und sonstigen Bevollmächtigten, die beim Erwerb des Grundstückes oder bei Errichtung der Vertragsurkunde über den Erwerb mitgewirkt haben, zur ungeteilten Hand verpflichtet. Sind Erwerbsvorgänge von der Besteuerung ausgenommen, ist die Abgabenerklärung bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem die Steuerschuld entstanden wäre, zweitfolgenden Monats vorzulegen; in den Fällen des §3 Abs1 Z1 litb ist keine Abgabenerklärung vorzulegen. Ist über den Erwerbsvorgang eine Schrift (Urkunde, Beschluss, usw.) ausgefertigt worden, so ist sie unter Angabe des im automationsunterstützten Verfahren vergebenen Ordnungsbegriffes (Erfassungsnummer) dem Finanzamt in Abschrift zu übermitteln. Diese Verpflichtungen entfallen insgesamt bei Erwerbsvorgängen, für die gemäß §11 eine Selbstberechnung der Steuer erfolgt.
(2) Die Abgabenerklärung ist durch einen Parteienvertreter im Sinne des §11 vorzulegen und elektronisch zu übermitteln. In den Fällen des §3 Abs1 Z4 und 5 kann die Abgabenerklärung auch durch die in §9 genannten Personen vorgelegt und elektronisch übermittelt werden. Ist über den in der elektronischen Abgabenerklärung enthaltenen Erwerbsvorgang eine Urkunde errichtet worden, die in ein durch Bundesgesetz vorgesehenes Urkundenarchiv aufgenommen wurde, so ist der Abgabenbehörde der Zugriffscode zu dieser Urkunde bekannt zu geben. Die Abgabenbehörden sind berechtigt, auf diese Urkunden lesend zuzugreifen. Abweichend von Abs1 ist die Schrift nur über Verlangen der Abgabenbehörde vorzulegen; auf der Schrift ist der im automationsunterstützten Verfahren vergebene Ordnungsbegriff (Erfassungsnummer) anzugeben. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Übermittlung der elektronischen Abgabenerklärung mit Verordnung näher zu regeln.
(3) […]"
3. §11 Abs1 GrEStG 1987, BGBl 309, der die "Befugnis zur Selbstberechnung" regelt, lautet in der Fassung BGBl I 111/2010 wie folgt:
"Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) sind nach Maßgabe der §§12, 13 und 15 befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn die Selbstberechnung innerhalb der Frist für die Vorlage der Abgabenerklärung (§10) erfolgt. Die Anwendung des §17 ist von der Selbstberechnung ausgenommen."
4. §13 GrEStG 1987, BGBl 309, in der Fassung BGBl I 36/2014, dessen Abs4 (in der Fassung BGBl 682/1994) ebenfalls angefochten ist, lautet:
"Erhebung der Steuer bei Selbstberechnung
§13. (1) Parteienvertreter haben für Erwerbsvorgänge, für die sie eine Selbstberechnung vornehmen, spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Anmeldungszeitraum), in dem die Selbstberechnung erfolgt, zweitfolgenden Kalendermonats eine Anmeldung über die selbst berechneten Erwerbsvorgänge beim Finanzamt vorzulegen. Die Selbstberechnung und Anmeldung hat elektronisch zu erfolgen. Ist über einen der in der elektronischen Anmeldung enthaltenen Erwerbsvorgänge eine Urkunde errichtet worden, die in ein durch Bundesgesetz vorgesehenes Urkundenarchiv aufgenommen wurde, so ist der Abgabenbehörde der Zugriffscode zu dieser Urkunde bekannt zu geben. Die Abgabenbehörden sind berechtigt, auf diese Urkunde lesend zuzugreifen. […]
(2) Ist über den Erwerbsvorgang eine Schrift errichtet worden, so ist darauf der Umstand der Selbstberechnung und der im automationsunterstützten Verfahren vergebene Ordnungsbegriff (Erfassungsnummer) zu vermerken.
(3) Ein gemäß §201 BAO festgesetzter Steuerbetrag hat den im Abs1 genannten Fälligkeitstag. Die selbstzuberechnende Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
(4) Die Parteienvertreter haften für die Entrichtung der selbstberechneten Steuer."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Seine Antragslegitimation begründet der Antragsteller wie folgt:
1.1. Der Antragsteller sei Rechtsanwalt und unterliege als Mitglied der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer deren Disziplinargerichtsbarkeit. Er errichte seit Jahrzehnten im Klientenauftrag regelmäßig Liegenschaftskaufverträge, was einen erheblichen Teil seines Erwerbes darstelle. Er rechne dabei oft auf Basis der Allgemeinen Honorarkriterien des ÖRAK iVm dem NTG ab. Darauf habe er sich in den letzten Jahrzehnten eingestellt und auch seinen Kanzleibetrieb danach eingerichtet. Ihm sei es früher wirtschaftlich möglich gewesen, Vertragserstellungen und -durchführungen vorzunehmen, ohne die konkrete Höhe der für die Parteien anfallenden Steuern zu berechnen oder zu kennen, weil ihm daraus persönlich keine oder nur geringe Nachteile erwachsen konnten und die Haftung nach §13 Abs4 GrEStG 1987 wirtschaftlich noch tragbar gewesen sei.
In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle erhalte der Antragsteller vom potentiellen Käufereiner Liegenschaft den Auftrag zur Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrages. Seit der Möglichkeit der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer führe der Antragsteller auch diese in den meisten Fällen durch. Mit dem Verkäufer der Liegenschaft stehe er zumeist in keiner Vertragsbeziehung. Sofern er den Käufer vertrete, teile er dies auch dem Verkäufer mit. Er sei daher berechtigt, bei allfälligen Vertragsstreitigkeiten, wie insbesondere wegen Gewährleistungsansprüchen, den Käufer in einem Gerichtsverfahren gegen den Verkäufer zu vertreten. Würde der Antragsteller im Rahmen einer Vertragsabwicklung auch im Interesse des Verkäufers tätig, beispielsweise durch Information des Verkäufers über das Ausmaß der zu erwartenden Immobilienertragsteuer oder die Möglichkeiten, wie durch einen späteren Verkauf der Liegenschaft Steuern zu sparen wären, würde eine spätere Vertretung des Käufers gegen den Verkäufer das Verbot der Doppelvertretung verletzen und den Antragsteller disziplinär verantwortlich machen.
Der Antragsteller habe daher auf Grund der Gesetzeslage, die an die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer (die an sich der Käufer schulde, und für die der Verkäufer nur hafte) verpflichtend die Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer knüpfe, stets eine Doppelvertretung vorzunehmen. Dies verhindere aber, dass der Antragsteller die häufigen "Folgeprozesse" eines Liegenschaftskaufes auf Seite des Käufers führen könne. Auf Grund der bekämpften Gesetzeslage könne der Antragsteller derzeit keine Kaufverträge im Klientenauftrag errichten und abwickeln, insbesondere nicht, wenn der Klient der Liegenschaftskäufer sei. Der Antragsteller könne dabei die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer nicht mehr als Teil seiner Erwerbstätigkeit durchführen, ohne ein wirtschaftlich unzumutbares Risiko durch die Haftung für die Einbringlichkeit der Immobilienertragsteuer einzugehen. Er sei daher "sowohl in seiner Berufsausübungs- als auch in seiner Eigentumsfreiheit verletzt, ohne dass es eines weiteren staatlichen Umsetzungsaktes bedürfte."
1.2. Für den Antragsteller bestehe kein zumutbarer Weg, die bekämpften Normen im Instanzenzug anzufechten. Rechtswidriges oder strafbares bzw. disziplinäres Verhalten sei ihm nicht zuzumuten. Er brauche daher nicht zu versuchen, lediglich eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer durchzuführen, da dies dem klaren Wortlaut des §30c Abs1 EStG 1988 widerspräche und eine Verletzung von Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstandes sowie eine Berufspflichtenverletzung darstelle, "da damit das Klienteninteresse auf rasche und friktionsfreie Abwicklung einer Liegenschaftstransaktion nicht gewahrt würde." Ein Disziplinarverfahren, um die disziplinäre Verurteilung beim Verfassungsgerichtshof mit dem Argument der Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen zu bekämpfen, brauche der Antragsteller nicht auf sich zu nehmen.
Auch im Abgabenverfahren stehe ihm kein zumutbarer Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof offen. Ein Auskunftsbescheid zur Abfuhr- und Haftungsverpflichtung des Antragstellers sei in §118 Abs2 BAO nicht vorgesehen. Da der Antragsteller auf Grund der Gesetzeslage im bestverstandenen Klienteninteresse derzeit nicht einmal einen Auftrag zur Vertragserrichtung bzw. -abwicklung und steuerlichen Selbstberechnung annehmen könne und "er […] durch die im Instanzenzug zu erwartende jahrelange Verzögerung disziplinär gehandelt hätte, wäre für ihn ohnehin jeder Umweg zum Verfassungsgerichtshof unzumutbar." Es sei dem Antragsteller auch nicht zumutbar, einen Klienten zu suchen, der eine derart lange Verzögerung bei der Abwicklung einverständlich auf sich nehmen würde.
Wenn hingegen ein Kaufvertrag bereits abgeschlossen wäre, würde auf Grund der kurzen Abgabenerklärungsfrist jedenfalls eine Veranlagung nötig, um sich nicht selbst oder den Klienten der Gefahr der Verwirklichung eines Finanzstrafdeliktes der unterlassenen Anzeige des Kaufvertrages oder der unterlassenen Steuerabfuhr auszusetzen. Wenn aber das Veranlagungsverfahren bereits beschritten sei, seien die bekämpften Normen, die nur im Selbstberechnungsverfahren gelten, nicht mehr anwendbar und wären vor dem Verfassungsgerichtshof nicht mehr präjudiziell.
2. Seine verfassungsrechtlichen Bedenken legt der Antragsteller zusammengefasst wie folgt dar:
2.1. Der Antragsteller behauptet zunächst, durch die angefochtenen Bestimmungen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Berufsausübung verletzt zu sein. Die Regelung der Immobilienertragsteuer bedinge, dass der Rechtsanwalt im Fall der Vertretung des Käufers auch den Verkäufer steuerlich zu vertreten habe, was dazu führen könne, dass dem Verkäufer durch den Anwalt eine unerwartet hohe Steuerlast vor Augen geführt würde, womit er im Ergebnis gegen die Interessen seines Klienten handeln würde. Da Rechtsanwälte, die nur den Käufer vertreten, auch den Verkäufer steuerlich zu beraten hätten, verlören sie ihr Privileg, bei der Vertragserrichtung ausschließlich im Interesse ihres Klienten tätig zu werden. Die Immobilienertragsteuer habe ferner "die freie Mandantenwahl durch die Hintertür beseitigt".
2.2. Der Antragsteller erachtet sich ferner im Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, da die Haftung des Rechtsanwaltes für Abgabenschulden seines Mandanten oder gar bloß des Vertragspartners des Mandanten sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Der Antragsteller wendet sich in diesem Zusammenhang gegen die Verknüpfung der Abgabenerklärung gemäß §10 GrEStG 1987 im Interesse des vom Antragsteller vertretenen Käufers mit der Abgabenerklärung nach §30c Abs1 EStG 1988, die Verknüpfung der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer, die den üblichen Klienten des Antragstellers treffe, die Haftung des Rechtsanwaltes für die Abführung der den Verkäufer treffenden Immobilienertragsteuer und gegen die Unklarheit der Weite und des Haftungsansatzpunktes für die Richtigkeitshaftung in §30c Abs3 EStG 1988, der ein Handeln "wider besseren Wissens" voraussetze. Unter Berufung auf das Erkenntnis VfSlg 15.773/2000 wendet der Antragsteller in diesem Zusammenhang ein, der Gesetzgeber habe nicht einmal ansatzweise geprüft, ob und wie ein Rechtsanwalt die für die Steuerschuld nötigen Mittel erlangen könnte oder sich sonst gegen das Schlagendwerden der Haftung absichern könnte. Die Haftung für die Grunderwerbsteuer gemäß §13 Abs4 GrEStG 1987 sei "zwar verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber hiefür keine sachlichen Gründe anführte, sie ist aber noch wirtschaftlich tragbar". Die Haftung für die Entrichtung der selbstberechneten Grunderwerbsteuer sei unbedingt und unabhängig von einem wie immer gearteten Verschulden.
2.3. Der Antragsteller bringt schließlich vor, die angefochtene Regelung verstoße gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit nach Art4 Abs2 EMRK. Die Materialien zur Immobilienertragsteuer würden keinen einzigen Grund nennen, weshalb der Rechtsanwalt wegen eines rein finanziellen Interesses des Staates, der die hoheitliche Tätigkeit der Steuerbemessung anstatt durch Staatsbedienstete lieber durch Private auf deren Kosten durchführen lassen möchte ("Privatisierung hoheitlicher Tätigkeit"), gerade bei der Immobilienertragsteuer zwangsweise tätig sein müsse. Vor allem aber sei keine Ausnahmegenehmigung vorgesehen, die es dem Rechtsanwalt gestatten würde, insbesondere bei Interessenkollisionen die Selbstberechnung für den Verkäufer zu unterlassen. Auch habe der einfache Gesetzgeber bei Einführung des §30c Abs1 EStG 1988 nicht geklärt, wer die Abgabenerklärung zu bezahlen habe.
3. Die Bundesregierung erstattete zum Antrag eine Äußerung, in der sie primär die Zurückweisung des Antrages beantragt, da dem Antragsteller zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit ein zumutbarer Umweg offenstehe. In der Sache verteidigt die Bundesregierung die angefochtenen Gesetzesbestimmungen.
IV. Erwägungen
Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen das Gesetz sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen (VfSlg 11.888/1988, 12.223/1989). Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 17.099/2003, 17.102/2003, vgl. auch VfGH 10.12.2013, G46/2013; 12.12.2013, G53/2013; 13.6.2014, G10/2014).
2. Der Antragsteller behauptet im Wesentlichen, durch die angefochtenen Bestimmungen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Berufsausübung sowie im Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein. Ferner führt er ins Treffen, dass die in §30c EStG 1988 vorgesehene Regelung betreffend die Mitwirkungspflichten des Parteienvertreters gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit nach Art4 Abs2 EMRK verstoße.
Mit diesem Vorbringen vermag der Antragsteller aber nicht die Bedenken gegen die mit seinem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen der §§30b und 30c EStG 1988 und des §13 Abs4 GrEStG 1987 im Einzelnen darzutun:
2.1. Hinsichtlich der angefochtenen Vorschriften der §§30b und 30c EStG 1988 hat es der Antragsteller unterlassen, seine Bedenken den einzelnen angefochtenen Bestimmungen zuzuordnen: So präzisiert der Antragsteller nicht, ob er sich mit seinen Bedenken zur Verletzung im Recht auf freie Berufsausübung gegen die in den genannten Bestimmungen geregelte Verknüpfung der Grunderwerbsteuer-Selbstberechnung und der Immobilienertragsteuer-Selbstberechnung (§30c Abs2 erster Satz EStG 1988) oder auch gegen die in §30c Abs1 zweiter Satz und Abs2 Z1 leg.cit. geregelte Mitteilungspflicht an sich oder gegen die Pflicht zur Selbstberechnung nach Abs2 Z2 leg.cit. oder gegen sämtliche dieser Pflichten wendet. Gleiches gilt für die – in Zusammenhang mit einer allfälligen Haftung des Parteienvertreters – geäußerten gleichheitsrechtlichen Bedenken. Was die Bedenken zum Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit nach Art4 Abs2 EMRK anbelangt, ist nicht näher dargelegt, ob sich seine Bedenken gegen die Immobilienertragsteuer-Selbstberechnung oder schon gegen das bloße Vorsehen von Mitwirkungspflichten richten und inwiefern sich diese Bedenken auch gegen §30c Abs3 EStG 1988 wenden. Schließlich bleibt völlig offen, welche Bedenken des Antragstellers sich gegen §30b EStG 1988 richten.
2.2. Zur Vorschrift des §13 Abs4 GrEStG 1987 führt der Antragsteller lediglich aus, die voraussetzungslose Auslagerung des Einbringlichkeitsrisikos des Staates für eine Steuer auf den Antragsteller sei "zwar verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber hierfür keine sachlichen Gründe anführte, sie war aber wirtschaftlich noch tragbar". Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen zur behaupteten Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift auf die Wiedergabe der Rechtslage und ihre Charakterisierung als Ausfallshaftung, die "unbedingt und unabhängig von einem wie immer gearteten Verschulden eintritt". Eine bloße Darlegung der Rechtslage mit Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber keine sachlichen Gründe für die Einführung einer solchen speziellen von §9 BAO abweichenden Haftung angeführt habe, genügt aber der Anforderung, die gegen diese Norm bestehen-den verfassungsrechtlichen Bedenken im Einzelnen darzulegen, nicht.
3. Da es der Antragsteller somit unterlassen hat, die notwendige Zuordnung der Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen vorzunehmen, erweisen sich sowohl der Hauptantrag als auch die in eventu gestellten Anträge schon aus diesem Grund insgesamt als unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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