VfGH G197/04 ua

VfGHG197/04 ua1.12.2005

Keine Gleichheitswidrigkeit der Mindestgeldstrafe von € 3.630,-- im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 bei strafbaren Verstößen gewerbsmäßiger Abfallsammler und Abfallbehandler im Umgang mit gefährlichen Abfällen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AbfallwirtschaftsG 2002 §79 Abs1
BVG Umweltschutz
VStG §19, §20, §21
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AbfallwirtschaftsG 2002 §79 Abs1
BVG Umweltschutz
VStG §19, §20, §21

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden: UVS) sind Berufungen gegen zwei Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten anhängig.

Mit diesen Straferkenntnissen wurde der Beschuldigte ua. nach §25 Abs1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I 102/2002 (im Folgenden: AWG 2002) iVm anderen Bestimmungen, darunter §79 Abs1 Z7 AWG 2002, schuldig erkannt und über ihn nach §79 Abs1 leg. cit. Geldstrafen in der Höhe von 4.000 € (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen) bzw. von 3.630 € (für den Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen) verhängt. In beiden Fällen wurde ihm zur Last gelegt, es als nach außen vertretungsbefugtes Organ (§9 VStG) einer näher bezeichneten Gesellschaft zu verantworten gehabt zu haben, dass diese Gesellschaft durch im einzelnen beschriebene Handlungen die Tätigkeit eines Abfallsammlers für gefährliche Abfälle ausgeübt habe, ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis des Landeshauptmannes gemäß §25 Abs1 AWG 2002 gewesen zu sein.

1.2. Aus Anlass der bei ihm anhängigen Berufungsverfahren stellte der UVS gemäß Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG die zu G197/04 und G198/04 protokollierten Anträge, die Wortfolge "; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630 € bedroht" in §79 Abs1 AWG 2002 als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der UVS führt in den Anträgen aus, er habe in den bezeichneten Berufungsverfahren die angefochtene Wortfolge in §79 Abs1 AWG 2002 anzuwenden; diese sei daher präjudiziell.

2.1. In der Sache trägt der UVS mit Blick auf das Erkenntnis VfSlg. 15.785/2000 (Aufhebung der Mindeststrafe von 50.000 S in §39 Abs1 lita AWG 1990) Bedenken gegen die Sachlichkeit der in §79 Abs1 AWG 2002 festgesetzten Mindeststrafe von 3.630 € vor. Denn der Gesetzgeber schließe damit eine angemessene Reaktion auf (in den Anlassfällen angesichts der nicht hauptberuflichen Tätigkeit des auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft unerfahrenen Berufungswerbers indizierte) bloß geringe, weit unterhalb der Schwelle der bei Tatbegehung durch gewerbsmäßig Tätige üblicherweise gegebenen Verschuldenskomponenten generell aus.

Die Bemessung der Strafhöhe habe sich ausschließlich an §19 VStG zu orientieren. Aufgabe des Gesetzgebers und der für die Vollziehung zuständigen Behörden sei es sicherzustellen, dass nur geeignete und zur Bewältigung der Aufgabenstellung als Geschäftsführer befähigte Personen zum Einsatz gelangen. Abgesehen von den konkreten Fällen seien auch andere Konstellationen denkbar, in denen die hier relevante Mindeststrafhöhe zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führen könne. Etwa dann, wenn durch ein bloßes Versehen - zusätzlich zu bewilligten Abfallarten - eine nicht genehmigte gefährliche Abfallart gesammelt, korrekt behandelt und entsorgt werde: Obwohl in einem solchen Fall nur geringfügiges Verschulden anzunehmen sei und aufgrund ordnungsgemäßer Entsorgung keine Beeinträchtigung der Umwelt stattgefunden habe, wäre der Verantwortliche mit einer Mindeststrafe von 3.630 € bedroht. Demgegenüber seien im nicht gewerblichen Bereich unterlaufene Verstöße auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft selbst bei vorsätzlicher Tatbegehung und durchaus nachhaltigen Übertretungsfolgen mit einer Mindeststrafe von lediglich 730 € belegt.

Der UVS vertritt daher zusammenfassend die Auffassung, dass die vom Gesetzgeber gewählte Form der Differenzierung "nicht ausreichend detailliert" sei, "um eine gleichheitswidrige Beurteilung zu verhindern".

3. Die Bundesregierung erstattete zum

gegenständlichen Vorbringen eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen ausführt:

§79 AWG 2002 enthalte ein differenziertes System von Strafdrohungen. Die in Rede stehende Mindeststrafe sei nur hinsichtlich gefährlicher Abfälle und nur in Bezug auf Personen, die gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sind, vorgesehen (Abs1 leg. cit.). Im Übrigen sei diese Bestimmung nicht anzuwenden, wenn es sich um bloße Formaldelikte wie die Verletzung von Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Vorlage- oder Meldepflichten handle, die nach Abs3 Z1 leg. cit. (mit einer weitaus geringeren Mindeststrafdrohung) zu ahnden seien.

Von gefährlichen Abfällen gehe ein hohes Gefahrenpotential aus, das der Gesetzgeber mit detaillierten Regelungen im AWG 2002 berücksichtigt habe. Die Einschränkung auf Personen, die gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sind, stelle sicher, dass die in Rede stehende Mindeststrafe ausschließlich solche Normadressaten treffe, die mit der Begehung der Verwaltungsübertretung ein eigenes wirtschaftliches Interesse verbinden. Der Gesetzgeber habe stets von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Die Androhung einer Mindeststrafe von 3.630 € gegenüber Personen, die wirtschaftliche Vorteile aus Verstößen gegen die im AWG 2002 getroffenen Regelungen über den Umgang mit gefährlichen Abfällen ziehen könnten, stelle ein geeignetes Mittel dar, die Einhaltung der abfallrechtlichen Regelungen und damit die Verhinderung von Gefahren für Mensch und Umwelt zu fördern. Im Falle einer unangemessenen Härte stehe die Möglichkeit der Anwendung der §§20, 21 VStG offen.

Der vom UVS beispielsweise angeführte Fall einer ohne schädliche Konsequenzen gebliebenen irrtümlichen Sammlung gefährlicher Abfälle lasse außer Acht, dass §79 Abs1 AWG 2002 auch für nicht gewerbsmäßig tätige Personen einen Strafrahmen bis 36.340 € vorsehe und somit ausreichend Spielraum lasse, den Grad des Verschuldens (§19 Abs2 VStG) und das Ausmaß der nachteiligen Folgen der Tat (§19 Abs1 VStG) zu berücksichtigen.

Auch widerspreche die Argumentation des UVS der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach im Bereich der Abfallwirtschaft darauf Bedacht zu nehmen sei, dass sich die hohe (Mindest)Strafdrohung ausschließlich an einen Personenkreis wende, der an der Übertretung des Verbotes ein eigenes wirtschaftliches Interesse habe.

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 (idF BGBl. I 102/2002) lauten auszugsweise (die angefochtene Wortfolge ist unterstrichen):

"§79 (1) Wer

1. gefährliche Abfälle entgegen §15 Abs1, 3 oder 4 oder entgegen §16 Abs1 sammelt, befördert, lagert oder behandelt oder entgegen §15 Abs2 vermischt oder vermengt,

2. gefährliche Abfälle entgegen §15 Abs5 nicht rechtzeitig einem entsprechend Berechtigten übergibt,

3. bei PCB-haltigen Abfällen gegen §16 Abs2 verstößt,

4. Altöle entgegen §16 Abs3 behandelt oder vermischt,

5. persistente organische Schadstoffe entgegen §16 Abs4 behandelt,

6. gefährliche Abfälle entgegen §19 Abs2 nicht zurückstellt oder eine entsprechende Behandlung nicht veranlasst,

7. die Tätigkeit eines Sammlers oder Behandlers für gefährliche Abfälle ausübt, ohne im Besitz der gemäß §25 Abs1 erforderlichen Erlaubnis zu sein, oder entgegen §26 Abs5 die Tätigkeit nicht einstellt,

8. ohne Genehmigung gemäß §29 ein Sammel- und Verwertungssystem betreibt oder den in §32 Abs1 bis 3 oder in einer Verordnung gemäß §36 Z1 und 2 festgelegten Pflichten nicht nachkommt,

9. eine Behandlungsanlage errichtet, betreibt oder wesentlich ändert, ohne im Besitz der nach §37 erforderlichen Genehmigung zu sein,

10. die Organe oder Sachverständigen gemäß §75 oder die Bauaufsicht gemäß §49 oder die Deponieaufsicht gemäß §63 Abs3 an der Ausübung seiner Tätigkeit hindert,

11. als Bauaufsicht gemäß §49 oder Deponieaufsicht gemäß §63 Abs3 die ihm obliegenden Überwachungs-, Verschwiegenheits- oder Informationspflichten grob vernachlässigt,

12. eine mobile Behandlungsanlage ohne erforderliche Genehmigung nach §52 Abs1 oder entgegen 53 Abs1 betreibt,

13. der Anpassungspflicht oder den Anordnungen gemäß §57 oder gemäß §78 Abs5 nicht oder nicht fristgerecht nachkommt,

14. einen gemäß §58 Abs2 erteilten Auftrag nicht oder nicht fristgerecht befolgt,

15. entgegen §61 Abs1 oder §76 Abs1 den jeweiligen Stand der Technik - unter Berücksichtigung einer Verordnung des Landeshauptmanns gemäß §76 Abs7 - nicht einhält,

16. entgegen §76 Abs4 die Anforderungen nicht einhält oder entgegen §76 Abs5 oder 6 Abfälle ablagert,

17. den Anordnungen oder Aufträgen gemäß §62 Abs2, 3 oder 6 nicht nachkommt,

18. den in einer Verordnung gemäß §65 Abs1 Z1 festgelegten Pflichten betreffend die Ausstattung und Betriebsweise, Qualität, Zuordnung, Messverfahren, Überwachung oder Nachsorge nicht nachkommt,

19. eine Anlage entgegen §65 Abs1 Z2 nicht anpasst oder sie entgegen einer gemäß §65 Abs1 Z2 abgegebenen Erklärung nicht schließt,

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 € bis 36 340 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3 630 € bedroht.

(2) Wer

1. den Vorschriften einer Verordnung gemäß §4, §5

Abs2, §8, §14 Abs1, oder §23 Abs1 oder 2, ausgenommen Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Vorlage-, Nachweis- und Meldepflichten, zuwiderhandelt,

2. Motoröle oder Ölfilter entgegen §12 abgibt oder nicht gemäß §12 zurücknimmt,

3. nicht gefährliche Abfälle entgegen §15 Abs1, 3

oder 4 sammelt, befördert, lagert oder behandelt oder entgegen §15 Abs2 vermischt oder vermengt,

4. nicht gefährliche Abfälle entgegen §15 Abs5 nicht rechtzeitig einem entsprechend Berechtigten übergibt,

5. beim Abbruch von Baulichkeiten gegen §16 Abs7 verstößt,

6. die Tätigkeit des Sammlers oder Behandlers

entgegen §24 ausübt,

7. die gemäß §25 Abs6 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht einhält,

8. die gemäß §29 Abs5 vorgeschriebene Befristung oder gemäß §29 Abs6 vorgeschriebenen Auflagen oder Bedingungen nicht einhält,

9. Aufträge oder Anordnungen gemäß §31 Abs2 Z2, §51 Abs1 oder 2 oder §53 Abs2 nicht befolgt,

10. Maßnahmen gemäß §37 Abs4 ohne eine Anzeige oder - im Fall des §37 Abs4 Z1, 2, 4 oder 8 - ohne Bescheid durchführt,

11. die gemäß §43 Abs4, §44, §54 Abs2 oder §58 Abs2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen oder die gemäß §48 Abs1 vorgeschriebenen Befristungen nicht einhält,

12. entgegen §46 Abs1 der Duldungspflicht nicht nachkommt,

13. entgegen §48 Abs2 oder §76 Abs2 eine Deponie betreibt, ohne die erforderliche Sicherstellung geleistet zu haben,

14. bei der Aufstellung oder dem Betrieb einer

mobilen Behandlungsanlage die gemäß §52 Abs5 vorgeschriebenen Auflagen, Befristungen oder Bedingungen nicht einhält oder eine mobile Behandlungsanlage entgegen §53 Abs1 oder Abs3 aufstellt oder betreibt,

15. ein öffentlich zugängliches Altstoffsammelzentrum oder eine öffentlich zugängliche Sammelstelle für Problemstoffe ohne Genehmigung gemäß §54 betreibt,

16. in Verbindung mit §59 gegen die Verpflichtungen gemäß dem §84c Abs1, 2, 3 oder 4 GewO 1994 verstößt,

17. entgegen §63 Abs1 oder 4 Abfälle in eine Deponie einbringt,

18. entgegen §69 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung oder entgegen Art25 Abs2 der EG-VerbringungsV verbringt oder Auflagen in Bescheiden gemäß §69 nicht einhält,

19. eine Verbringung von Abfällen, die dem Notifizierungsbegleitschein oder der Bewilligung gemäß §69 nicht entspricht, vornimmt,

20. entgegen §70 eine notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen durchführt, ohne die erforderliche Sicherheit geleistet oder eine ausreichende Versicherung nachgewiesen zu haben,

21. Aufträge oder Anordnungen gemäß §71, §73, §74

oder §83 Abs3 nicht befolgt,

22. entgegen den Vorschriften der Verordnung gemäß §72 Z1 Abfälle ohne die erforderliche Bewilligung verbringt,

23. eine Verbringung von Abfällen, die nicht im Einklang mit den Art14, 16, 18, 19 oder 21 der EG-VerbringungsV steht, vornimmt,

24. den Verpflichtungen oder Anordnungen gemäß §75 Abs4 nicht nachkommt,

25. gegen die Vorschriften einer Verordnung gemäß §83 Abs7 verstößt,

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 360 bis 7 270 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 1 800 € bedroht.

(3) Wer

1. entgegen §5 Abs4 oder 5, §7 Abs1 oder 7, §13, §16 Abs2 Z5, §17 Abs1, 3, 4 oder 5, §18 Abs3 oder 4, §20, §21, §29 Abs8, §25 Abs2 Z2, §31 Abs2 Z2,§32 Abs4, §35 Abs3, §60, §61 Abs2 oder 3, §64 oder §77 Abs5 oder 6 oder entgegen einer Verordnung nach §4, 5, 14 Abs1 in Verbindung mit Abs2 Z9, §23 Abs2 oder 3, §36 Z4 oder 65 Abs1 Z4 den Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Vorlage- oder Melde-, Auskunfts- oder Einsichtspflichten nicht nachkommt,

2. entgegen §10 oder §78 Abs3 ein Abfallwirtschaftskonzept nicht erstellt, vorlegt, verbessert oder fortschreibt,

3. entgegen §11 Abs1 einen Abfallbeauftragten oder dessen Stellvertreter nicht bestellt oder entgegen §11 Abs2 die Bestellung oder Abbestellung des Abfallbeauftragten oder dessen Stellvertreters nicht unverzüglich meldet,

4. den Vorschriften einer Verordnung gemäß §14 Abs1, soweit es sich um nicht gefährliche Abfälle aus einem Haushalt handelt, zuwiderhandelt,

5. entgegen §16 Abs3 Z6 oder einer Verordnung nach §23 Abs3 Z1 keine Proben zieht und analysiert, die Analyseergebnisse nicht zur Verfügung stellt oder den Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten nicht nachkommt,

6. Problemstoffe nicht gemäß §16 Abs5 sammelt und übergibt, ausgenommen Abfälle aus privaten Haushalten, oder Altspeisefette und -öle entgegen §16 Abs6 sammelt, ausgenommen Abfälle aus privaten Haushalten,

7. gefährliche Abfälle entgegen §18 Abs1 oder 2 bei der Übergabe nicht richtig deklariert oder besondere Gefahren entgegen §18 Abs1 nicht bekannt gibt,

8. entgegen §19 die erforderlichen Unterlagen nicht mitführt oder nicht vorweist,

9. entgegen §24 Abs1, §26 Abs5, §27 Abs1 oder 2, §61 Abs1 oder §76 Abs3 der Anzeigepflicht nicht nachkommt,

10. einen Geschäftsführer nach §26 Abs1 oder 5 nicht unverzüglich bestellt,

11. entgegen §33 Abs4 der Verschwiegenheitspflicht nicht nachkommt,

12. in Verbindung mit §59 gegen die Verpflichtungen gemäß §84c Abs5 bis 11, §84f Abs1, 2, 3 oder 4 oder §84g Abs1 oder 2 GewO 1994 verstößt oder die Vorschriften einer Verordnung nach §65 Abs1 Z6 nicht einhält,

13. entgegen Art11 der EG-VerbringungsV die erforderlichen Angaben nicht mitführt oder vorweist,

14. gegen die Vorschriften der Verordnung gemäß §72 Z2 verstößt,

15. entgegen §70 Abs2 die Abschrift des Versand-/Begleitscheinformulars oder die erforderliche Bewilligung nicht mitführt oder vorweist,

16. entgegen Art5 Abs2, 5 oder 6, Art8 Abs2, 5 oder 6, Art15 Abs8, Art20 Abs7, 8 oder 9, Art23 Abs6 oder 7 der EG-VerbringungsV den Aufzeichnungs-, Nachweis- oder Meldepflichten nicht nachkommt,

begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 910 € zu bestrafen ist.

(4) - (7)..."

Die hier bedeutsamen Bestimmungen des VStG idF

BGBl. I 65/2002 haben folgenden Wortlaut:

"§19 (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

§20 Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

§21 (1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(1a) Die Behörde kann von der Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens absehen, wenn die Verfolgung aussichtslos erscheint oder der hiefür erforderliche Aufwand in einem Missverhältnis zum Grad und zur Bedeutung der in der Verwaltungsübertretung liegenden Verletzung öffentlicher Interessen steht.

(1b) Unter den in Abs1 genannten Voraussetzungen

können die Verwaltungsbehörden von der Erstattung einer Anzeige absehen.

(2) Unter den in Abs1 angeführten Voraussetzungen

können die Organe der öffentlichen Aufsicht von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Anträge erwogen:

1. Dass der UVS die bekämpfte Gesetzesstelle in den bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hätte, ist nicht zweifelhaft. Da den Anträgen auch keine anderen Prozesshindernisse entgegenstehen, sind sie zulässig.

2. Die Anträge sind aber aus folgenden Erwägungen

nicht berechtigt:

2.1. Nach der mit Erkenntnis VfSlg. 7967/1976 (zum Wiener Parkometergesetz) beginnenden ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 9901/1983 und 11.587/1987 - jeweils zur obligatorischen Strafe des Verfalls nach dem FinStrG; 15.677/1999 sowie 15.785/2000 zur Mindestgeldstrafe nach dem AWG 1990 und 16.633/2002 zur Mindestgeldstrafe nach dem GefahrengutbeförderungsG) ist es zulässig, die absolute Höhe von Geldstrafen vor allem am Strafzweck zu orientieren.

Mit dem vom UVS zitierten Erkenntnis

VfSlg. 15.785/2000 hob der Verfassungsgerichtshof die in §39 Abs1 lita AWG 1990 festgesetzte Mindestgeldstrafe iHv. S 50.000,-- wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot als verfassungswidrig auf. Er wies in dieser Entscheidung unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur (VfSlg. 9901/1983 und 11.587/1987) darauf hin, dass die Strafe - und zwar auch in Fällen, in denen die Verhängung strenger Sanktionen aus Gründen der General- und Spezialprävention intendiert ist - in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zum Ausmaß des durch das Vergehen bewirkten Schadens stehen muss, ferner, dass die Sicherung der Einhaltung der Vorschriften des AWG 1990 und damit der Verwirklichung von dessen Zielen nur dann erreicht werden kann, wenn die für den Fall des rechtswidrigen Verhaltens vorgesehene Strafe derart empfindlich ist, dass ein in der Regel normgemäßes Verhalten durchgesetzt werden kann (vgl. auch VfSlg. 7967/1976 und 16.633/2002).

Die Mindeststrafdrohung wurde als jedenfalls überschießend und sachlich nicht gerechtfertigt beurteilt, zumal die Regelung einer interpretativen Einschränkung der Anwendbarkeit auf gewerbsmäßige Abfallsammler oder -behandler nicht zugänglich war.

2.2. Nach den E zur RV zum AWG 2002 (984 BlgNR XXI. GP, 105) wurde in §79 AWG 2002 mit Rücksicht auf das zuvor erörterte Erkenntnis VfSlg. 15.785/2000 ua. in Bezug auf gefährliche Abfälle ein differenzierter Strafrahmen geschaffen. In Ansehung der Mindesthöhe erfolgte in §79 AWG 2002 - in Abweichung zur Vorgängerregelung des §39 AWG 1990, BGBl. 325/1990, (der keine gesonderten Strafbestimmungen für gewerbsmäßig Tätige enthielt) - "eine Differenzierung zwischen Ersterzeugern und jenen Personen, die im Rahmen ihrer unternehmerischen, abfallwirtschaftlichen Tätigkeit eine Verletzung der Vorschriften begehen". Die in Rede stehende Mindeststrafdrohung in §79 Abs1 AWG 2002 richtet sich - aus dem Blickwinkel der Z7 des §79 Abs1 leg. cit. - ausschließlich gegen strafbare Verstöße gewerbsmäßiger Abfallsammler oder -behandler im Umgang mit gefährlichen Abfällen.

2.2.1. Im Erkenntnis VfSlg. 13.790/1994 hat der Verfassungsgerichtshof (zu den Strafsätzen nach §28 Abs1 Z1 AuslBG für die unerlaubte Beschäftigung von Ausländern) festgehalten, dass der Gesetzgeber bei Festsetzung der Strafdrohung für Verwaltungsübertretungen insbesondere für Fälle lang dauernder Fortsetzung oder wiederholter Begehung der Tat den vom Täter aus dem verpönten Verhalten erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen in Betracht ziehen darf, weil andernfalls der Strafbetrag als Preis für den erzielten Vorteil eingerechnet und die Strafdrohung ihren Zweck verfehlen würde. In diesem Sinne hat der Gerichtshof im erwähnten Erkenntnis VfSlg. 15.785/2000 die Auffassung vertreten, dass es im Anwendungsbereich des AWG "ungeachtet

des ... Umstandes, dass die Ausschöpfung der normierten

Höchststrafe für die Verwirklichung der durch die Verwaltungsstrafdrohung angestrebten Ziele prinzipiell ausreicht, besondere Situationen für erwerbsmäßige Abfallsammler und Abfallbehandler geben kann, in welchen etwa im Hinblick auf das Gefährdungspotential und das mögliche Einkalkulieren des Strafausmaßes bei Begehung einer tatbestandsmäßigen Handlung die angefochtene Mindestgeldstrafe für einen eingeschränkten Personenkreis gerechtfertigt sein kann".

2.2.2. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur ist dem Gesetzgeber aber aus verfassungsrechtlicher Sicht im Sinne der Auffassung der Bundesregierung kein Vorwurf zu machen, wenn er im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes aus generalpräventiven Gründen in §79 Abs1 AWG 2002 für verpöntes Verhalten beim gewerbsmäßigen Umgang mit gefährlichen Abfällen eine Mindeststrafe iHv. 3.630 € normierte. Diese Strafdrohung ist in zweierlei Hinsicht klar begrenzt: zum einen gelangt sie - ua. unter dem Aspekt des Tatbestandes der Z7 leg. cit. - ausschließlich für Delikte im Umgang mit gefährlichen Abfällen zur Anwendung, zum anderen generell nur in Bezug auf Personen, die gewerbsmäßig und damit auf Grund einer besonderen Qualifikation im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sind und somit eine spezifische Verantwortlichkeit haben; darüber hinaus verfolgen diese Personen mit der Tatbegehung in der Regel eigene wirtschaftliche Interessen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall signifikant von der dem Erkenntnis VfSlg. 15.785/2000 (oben 2.1.) zugrunde gelegenen Konstellation.

3. Den vom antragstellenden UVS unter dem Blickwinkel der Unsachlichkeit der angefochtenen Regelung vorgetragenen Bedenken (nur diese können nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - vgl. zB VfSlg. 12.947/1991 mwN - Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens sein) kann daher nicht gefolgt werden.

Durch die Bestimmungen des §79 AWG 2002 wurde ein differenziertes System von Strafdrohungen geschaffen, um Verstößen gegen das AWG angesichts ihrer potentiellen Auswirkungen auf die öffentlichen Interessen der Gesundheit von Menschen und der Umwelt (vgl. das BVG über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984) - unter Beachtung des vom Täter aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils - effektiv entgegenzuwirken.

Für jene vom UVS ins Treffen geführten Sachverhaltskonstellationen, in denen die Verhängung der Mindeststrafe - im Fall geringfügigen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen - eine unangemessene Härte darstellen würde, stehen die Instrumente des §21 VStG (Absehen von der Verhängung einer Strafe bzw. von der Durchführung eines Verfahrens) sowie - bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe - des §20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) zur Verfügung (vgl. diesbezüglich auch VfSlg. 16.633/2002).

Im Übrigen steht die bekämpfte Mindeststrafdrohung für die gewerbsmäßig im Abfallwirtschaftsbereich tätige Personengruppe in §79 Abs1 AWG 2002 mit dem in dieser Gesetzesstelle für nicht erwerbsmäßig handelnde Personen normierten Strafsatz in keinem Missverhältnis, weil die jeweiligen Strafdrohungen nur in der Untergrenze differieren (3.630 € bzw. 730 €), während die Höchststrafdrohung für beide Täterkreise 36.340 € beträgt, wobei das Strafensystem des §79 AWG 2002 insgesamt bei einer gebotenen Durchschnittsbetrachtung eine an den Strafzumessungsgründen des §19 VStG orientierte, fallspezifisch angemessene Sanktion innerhalb des jeweiligen Strafrahmens durchaus zulässt.

4. Die Anträge waren daher abzuweisen.

5. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

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