VfGH G164/2024

VfGHG164/20244.3.2025

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Oö GrundverkehrsG 1994 betreffend die Einschränkungen des Erwerbs von Freizeitwohnsitzen in einem Vorbehaltsgebiet; keine Anwendung der Einschränkungen auf den Rechtserwerb eines Miteigentümers an einer – bereits von ihm als Freizeitwohnsitz genutzten – Liegenschaft

Rechtssatz

Keine Aufhebung des §7 Oö GVG 1994 idF LGBl 85/2002 als verfassungswidrig.

Ziel des §1 Abs1 Z1 und Z3 bis Z6 Oö GVG 1994 ist es ua, beim Verkehr mit Grundstücken oder Teilen davon unter Bedachtnahme auf die Grundsätze eines umfassenden Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes das öffentliche Interesse an einer geordneten Siedlungsentwicklung, an der Sicherung der nicht vermehrbaren Bodenreserven für eine gesunde, leistungs- und wettbewerbsfähige Wirtschaft in einem funktionsfähigen Raum, an der Sicherung der nicht vermehrbaren Bodenreserven zur Begründung eines Hauptwohnsitzes, insbesondere für den Wohnbedarf der ortsansässigen Personen, an einer sparsamen sowie widmungsgemäßen Verwendung von Grund und Boden sowie am Schutz vor Grundstückserwerb zu vorwiegend spekulativen Zwecken zu wahren.

Sofern es zur Verwirklichung dieser Ziele notwendig ist, hat die Landesregierung gemäß §6 Abs1 Oö GVG 1994 durch Verordnung Gebiete, in denen die Anzahl der Freizeitwohnsitze im Verhältnis zur Anzahl der Hauptwohnsitze erheblich über den entsprechenden Zahlen in den angrenzenden oder vergleichbaren Gebieten liegt oder die Anzahl der Freizeitwohnsitze einer soziokulturellen, strukturpolitischen, wirtschaftspolitischen oder gesellschaftspolitischen Entwicklung dieses Gebietes (Ortsentwicklung) entgegensteht oder eine überdurchschnittliche Erhöhung der Preise für Baugrundstücke durch die Nachfrage an Freizeitwohnsitzen eingetre-ten ist bzw eine solche unmittelbar droht, zu Vorbehaltsgebieten zu erklären.

Nach §7 Abs1 Oö GVG 1994 sind Rechtserwerbe gemäß §1 Abs2 Z1 Oö GVG 1994 zu Freizeitwohnsitzzwecken an Baugrundstücken innerhalb eines Vorbehaltsgebietes unzulässig, soweit keine Ausnahmetatbestände vorliegen. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass jene Rechtserwerbe reguliert werden sollen, die Freizeitwohnsitzzwecken dienen und nicht ausdrücklich in entsprechend gewidmeten Bereichen liegen.

Ein Rechtserwerb gemäß §1 Abs2 Z1 bis 4 Oö GVG 1994 fällt aber nicht unter den Anwendungsbereich des §7 Abs1 Oö GVG 1994, wenn ein Erwerber bereits Miteigentum an einer dem Rechtserwerb unterliegenden Liegenschaft besitzt und diese schon als Freizeitwohnsitz im Sinne des §2 Abs6 Oö GVG 1994 rechtmäßig nach dem Oö GVG 1994 nutzt und unabhängig vom Rechtserwerb nutzen darf. In derartigen Konstellationen wird das Ziel der Vermeidung der Nutzung einer Liegenschaft als Freizeitwohnsitz durch die Untersagung eines solchen Rechtserwerbes nicht erreicht. Aus dem Zweck und dem Regelungszusammenhang des Oö GVG 1994 – insbesondere der §§1, 6 und 7 Oö GVG 1994 – ergibt sich daher, dass die Übertragung eines ideellen Anteils in solchen Fällen nicht von §7 Abs1 Oö GVG 1994 umfasst ist.

(Anlassfall E2269/2023, E v 04.03.2025, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).

L91 Grundverkehr — Grundverkehrsrecht — Wohnsitz Freizeit- — Eigentumsbeschränkung — Bodenschutz — Raumordnung — Wohnungseigentum — Liegenschaftserwerbsfreiheit — Raumplanung örtliche

 

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litb
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
Oö GVG 1994 §1, §2, §4, §6, §7
VfGG §7 Abs1

G164/2024VfGH04.03.2025

Dokumentnummer

JFR_20250304_24G00164_01

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