VfGH G1611/2023, V356/2023

VfGHG1611/2023, V356/202327.11.2023

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Nö Landes-PersonalvertretungsG und Nö Landes-Personalvertretungs-WahlO; Zumutbarkeit der Beantragung eines Überprüfungsverfahrens bei der Landesregierung sowie mangelnde Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3, Art140 Abs1 Z1 litc
Nö Landes-PersonalvertretungsG §3, §11, §17, §18, §27, §28 Abs2
Nö Landes-Personalvertretungs-WahlO §11, §14 Abs2
Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG Art15 ff
DSG §1
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:G1611.2023

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem auf Art140 Abs1 Z1 litc und Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge

"§28 Abs2 NÖ Landes-Personalvertretungsgesetz, LGBl 2001‑0, zuletzt geändert durch LGBl Nr 29/2019 zur Gänze wegen Verfassungswidrigkeit aufheben.

In eventu:

1a. Der Verfassungsgerichtshof möge §28 Abs2 NÖ Landes‑Personalvertretungsgesetz, LGBl 2001-0, zuletzt geändert durch LGBl Nr 29/2019, zur Gänze,

sowie weiters, wegen untrennbaren Zusammenhanges mit §28 Abs2 NÖ Landes‑Personalvertretungsgesetz,

§18 Abs19 letzter Satz NÖ Landes-Personalvertretungsgesetz, LGBl 2001-0, zuletzt geändert durch LGBl Nr 29/2019,

wegen Verfassungswidrigkeit aufheben.

1b. Der Verfassungsgerichtshof möge §28 NÖ Landes-Personalvertretungsgesetz, LGBl 2001‑0, zuletzt geändert durch LGBl Nr 29/2019, zur Gänze,

sowie weiters, wegen untrennbaren Zusammenhanges mit §28 NÖ Landes‑Personalvertretungsgesetz,

§18 Abs19 letzter Satz NÖ Landes-Personalvertretungsgesetz, LGBl 2001-0, zuletzt geändert durch LGBl Nr 29/2019,

wegen Verfassungswidrigkeit aufheben.

2. Der Verfassungsgerichtshof möge §14 Abs2 NÖ Landes‑Personalvertretungs-Wahlordnung, LGBl 2001/1‑0, zuletzt geändert durch LGBl 2001/1‑3, zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit aufheben.

In eventu:

2a. Der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge 'oder trägt der Wahlvorschlag nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften' in §14 Abs2 NÖ Landes‑Personalvertretungs-Wahlordnung, LGBl 2001/1‑0, zuletzt geändert durch LGBl 2001/1-3, wegen Gesetzwidrigkeit aufheben.

3. Der Verfassungsgerichtshof möge die Personalvertretungswahlen der Niederösterreichischen Landesbediensteten zur

- Dienststellenpersonalvertretung Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen Gänserndorf,

- Dienststellenpersonalvertretung Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen Wiener Neustadt Land,

- Dienststellenpersonalvertretung Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen Bruck/Leitha,

- Dienststellenpersonalvertretung Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen Baden, sowie zur

- Landespersonalvertretung

aufheben und die Neudurchführung der Wahl anordnen."

II. Rechtslage

1. Das NÖ Landes-Personalvertretungsgesetz, LGBl 2001-0, idF LGBl 29/2019 (im Folgenden: NÖ L‑PVG) lautet auszugsweise:

"§3

Organisation der Personalvertretung

(1) Die Organe der Personalvertretung sind:

a) die Dienststellenversammlung;

b) die Dienststellenpersonalvertretung (DPV);

c) die Landespersonalvertretung beim Amte der NÖ Landesregierung;

d) der Obmann der Landespersonalvertretung;

e) die Wahlkommissionen.

(2)-(5) […]

[…]

§11

Berufung der Mitglieder der Personalvertretungen

(1) Die Mitglieder der Dienststellenpersonalvertretungen und der Landespersonalvertretung werden durch unmittelbare geheime Wahl auf die Dauer von fünf Jahren – vom Tage der konstituierenden Sitzung der Landespersonalvertretung an gerechnet – berufen. Die Wahl ist nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes durchzuführen (§18 Abs14).

(2)-(5) […]

[…]

§17

Wahlkommissionen

(1) Zur Durchführung der Wahl werden Wahlkommissionen gebildet.

(2)-(13) […]

(14) Die Wahlkommissionen entscheiden nach Maßgabe dieser Vorschrift in allen Fragen, die sich in ihrem Bereich über das Wahlrecht und die Ausübung der Wahl ergeben.

(15)-(18) […]

§18

Wahlvorgang

(1) Die Landesregierung ist verpflichtet der Landespersonalvertretung die zur Durchführung der Wahl erforderlichen Verzeichnisse über die Bediensteten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

(2)-(8) […]

(9) Die Vorschläge jener Bediensteten, die sich um die Wahl als Personalvertreter bewerben (Wahlvorschläge), müssen spätestens am 28. Tag bis 12:00 Uhr nach dem Stichtag schriftlich bei der Landeswahlkommission eingebracht werden.

Die Wahlvorschläge haben höchstens doppelt so viele Bewerber zu enthalten, als Mandate zu vergeben sind; enthält der Wahlvorschlag mehr Kandidaten, so gelten jene, die die doppelte Zahl der zu vergebenden Mandate überschreiten, als nicht angeführt. Die Wahlvorschläge für die Personalvertretungen müssen schriftlich eingebracht werden und mindestens von doppelt so vielen wahlberechtigten Bediensteten unterfertigt sein als Personalvertreter zu wählen sind. Zur Landespersonalvertretung können nur Wählergruppen kandidieren, die für fünf Dienststellenpersonalvertretungen gültige Wahlvorschläge eingereicht haben. Die Wahlwerber und jene Bedienstete, welche die Wahlwerbung unterstützen, müssen am Stichtag bei der Dienststelle beschäftigt sein. Wählergruppen, die am Stichtag in einer Dienststellenpersonalvertretung oder in der Landespersonalvertretung vertreten sind, brauchen für die Kandidatur für das Organ der Personalvertretung, in dem sie vertreten sind, keine Unterstützungsunterschriften beizubringen.

Die Landeswahlkommission hat über die Zulassung der Wahlvorschläge zur Wahl der Dienststellen-(Landes-)personalvertretung binnen dreier Arbeitstage zu entscheiden.

(10) Die Dienststellenwahlkommissionen haben die zugelassenen Wahlvorschläge zur Wahl der Landes-/Dienststellenpersonalvertretung spätestens ab dem 7. Tag vor dem (ersten) Wahltag öffentlich, jedenfalls aber durch Anschlag an der Amtstafel der Dienststelle, kundzumachen. Die Dienststellenwahlkommissionen haben ferner spätestens am siebenten Tag vor dem (ersten) Wahltag Zeit und Ort der Wahl zu bestimmen und kundzumachen sowie die Wahlhandlungen zu leiten.

(11) Die Bediensteten, deren Wahlvorschlag zugelassen wurde, bilden eine Wählergruppe.

(12)-(18) […]

(19) Alle mit der Stimmenzählung betrauten Dienststellenwahlkommissionen haben der Landeswahlkommission die Ergebnisse unverzüglich bekanntzugeben. Die Landeswahlkommission hat den Leitern der Dienststellen das Ergebnis der Wahlen in die Dienststellenpersonalvertretung und in die Landespersonalvertretung bekanntzugeben. Die Landeswahlkommission hat die Wahlergebnisse öffentlich, jedenfalls durch Anschlag an den Amtstafeln aller Dienststellen kundzumachen. Die Entscheidung der Landeswahlkommission ist endgültig.

(20) Die näheren Bestimmungen über die Durchführung der Wahlen sind durch Verordnung zu erlassen. Diese Verordnung hat auch die näheren Bestimmungen über die Herstellung, die Beschaffenheit, die Größe, den Inhalt und die Gestaltung des amtlichen Stimmzettels (Abs12) sowie über dessen Gültigkeit bzw Ungültigkeit zu enthalten.

[…]

§27

Schutz der Rechte der Bediensteten

Die Bediensteten dürfen in der Ausübung ihrer Rechte in der Dienststellenversammlung, in ihrem aktiven und passiven Wahlrecht zu den Personalvertretungen, sowie in der Wahlwerbung nicht eingeschränkt und wegen Ausübung dieser Rechte und Tätigkeiten dienstlich nicht benachteiligt werden.

§28

Aufsicht über die Personalvertretung

(1) Die Landesregierung hat die Aufsicht über die Personalvertretung zu führen.

(2) Gesetzwidrige Beschlüsse der Personalvertretungen sind von der Landesregierung aufzuheben.

(3) Auf das Verfahren vor der Landesregierung als Aufsichtsbehörde sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl.Nr 51 in der Fassung BGBl I Nr 10/2004, anzuwenden."

2. Die NÖ Landes-Personalvertretungs-Wahlordnung, LGBl 2001/1-0, idF LGBl 2001/1-3 (im Folgenden: NÖ L‑PVWO) lautet auszugsweise:

"§11

Wahlvorschläge

(1) Die Vorschläge jener Bediensteten, die sich um die Wahl als Personalvertreter bewerben (Wahlvorschläge) müssen spätestens am 28. Tag nach dem Stichtag schriftlich bei der Landeswahlkommission eingebracht werden.

(2) Die Wahlvorschläge haben höchstens doppelt soviele Bewerber zu enthalten, als Mandate zu vergeben sind; enthält der Wahlvorschlag mehr Kandidaten, so gelten jene, die die doppelte Zahl der zu vergebenden Mandate überschreiten als nicht angeführt. Die Wahlvorschläge für die Personalvertretungen müssen schriftlich eingebracht werden und mindestens von doppelt sovielen wahlberechtigten Bediensteten unterfertigt sein, als Personalvertreter zu wählen sind. Die Wahlwerber und jene Bedienstete, welche die Wahlwerbung unterstützen, müssen am Stichtag bei der Dienststelle beschäftigt sein. Wählergruppen, die am Stichtag in einer Dienststellenpersonalvertretung oder in der Landespersonalvertretung vertreten sind, brauchen für die Kandidatur für das Organ der Personalvertretung, in dem sie vertreten sind, keine Unterschriften beizubringen. Zur Landespersonalvertretung können nur Wählergruppen kandidieren, die für fünf Dienststellenpersonalvertretungen Wahlvorschläge eingereicht haben.

(3) Die Unterschriften müssen auf demselben Bogen Papier beigesetzt sein, auf dem sich der Wahlvorschlag befindet.

(4) Der Wahlvorschlag muß enthalten:

a) die Bezeichnung der Wählergruppe und allenfalls eine Kurzbezeichnung in Buchstaben;

b) die Kandidaten, d.i. ein Verzeichnis von höchstens doppelt soviel Bewerbern, als Personalvertreter zu wählen sind, in der beantragten, mit arabischen Ziffern bezeichneten Reihenfolge unter Angabe des Vor- und Zunamens, Geburtsjahres und Amtstitels jedes Bewerbers; in der Kandidatenliste für die Landespersonalvertretung zusätzlich noch die Dienststelle des Bewerbers;

c) die Zustimmung der Wahlwerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag und ihre Erklärung, sich nur auf dem Wahlvorschlag dieser Wählergruppe zu bewerben;

d) die Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Wählergruppe und seines Stellvertreters. Als zustellungsbevollmächtigter Vertreter (Stellvertreter) kann für Wahlvorschläge in die Dienststellenpersonalvertretung auch ein Landesbediensteter bestellt werden, der nicht bei dieser Dienststelle beschäftigt ist. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter ist der Vertreter der Wählergruppe im Verkehr mit den Wahlkommissionen.

(5) Wenn ein Wahlberechtigter seine Unterschrift auf mehreren Wahlvorschlägen beisetzt, so hat er über Aufforderung der Dienststellenwahlkommission binnen einer Woche zu erklären, für welchen Wahlvorschlag er sich entscheidet; auf den anderen Listen ist er nach Abgabe seiner Erklärung zu streichen. Unterläßt er die fristgerechte Erklärung, so ist er auf allen diesen Wahlvorschlägen zu streichen.

(6) Die Bediensteten, deren Wahlvorschlag zugelassen wurde, bilden eine Wählergruppe.

[…]

§14

Überprüfung der Wahlvorschläge

(1) Die Landeswahlkommission überprüft, ob die Wahlvorschläge den Vorschriften des §11 Abs4 entsprechen und ob die vorgeschlagenen Bewerber wählbar sind. Mangelhaft befundene Wahlvorschläge sind den zustellungsbevollmächtigten Vertretern unverzüglich zur Behebung der Mängel zurückzustellen. Wird der festgestellte Mangel nicht innerhalb von drei Tagen nach der Verständigung behoben, so hat die Landeswahlkommission von sich aus die Wahlvorschläge richtigzustellen und erforderlichenfalls die Namen von Wahlwerbern zu streichen.

(2) Wird der Wahlvorschlag verspätet überreicht oder trägt der Wahlvorschlag nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften, fehlt die Zustimmung aller Bewerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag oder enthält dieser nicht einen einzigen wählbaren Bewerber oder hat bei der Kandidatur zur Landespersonalvertretung die Wählergruppe nicht mindestens im Bereich von fünf Dienststellenpersonalvertretungen einen Wahlvorschlag eingebracht, so kann der Wahlvorschlag nicht zur Verbesserung zurückgestellt werden, sondern ist als ungültig zurückzuweisen.

(3) Die Landeswahlkommission hat über die Zulassung der Wahlvorschläge zur Wahl der Dienststellen(Landes‑)personalvertretung binnen dreier Arbeitstage zu entscheiden."

III. Antragsvorbringen

1. Die Antragstellerin führt zur Zulässigkeit des Antrages aus, dass die von ihr für die (genauer bezeichneten Teile der) Personalvertretungswahlen der Niederösterreichischen Landesbediensteten eingebrachten Wahlvorschläge als unzulässig zurückgewiesen worden seien. Die Notwendigkeit (vor Anrufung der Gerichte bzw Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes), eine Aufhebung der Wahl bei der Landesregierung zu beantragen, verstoße gegen Art7 Abs1 B‑VG, Art2 StGG und Art11 EMRK. Dieser Rechtseingriff sei für die Antragstellerin auch aktuell, weil die Ergreifung eines solchen Rechtsbehelfes "angesichts der jüngst kundgemachten Wahlergebnisse" unmittelbar bevorstehe. Ein zumutbarer Umweg zur Bekämpfung der rechtswidrigen generellen Normen stehe nicht zur Verfügung. Die Einbringung eines Antrages auf Aufhebung der Wahl bei der Landesregierung sei zwar zulässig, aber deshalb nicht zumutbar, weil die Bedenken sich gegen die Zuständigkeit der Landesregierung richten, die als "politische Behörde" gegenüber den Landesbediensteten die Dienstgeberfunktion ausübe. Im Zuge einer Überprüfung des Wahlverfahrens durch die Landesregierung müssten nämlich die Unterstützungserklärungen – und damit jene Personen, die den Wahlvorschlag unterstützen – gegenüber der Landesregierung, die "sozialer (im konkreten Fall aber überdies politischer) Gegenspieler" sei, offengelegt werden.

2. Inhaltlich legt die Antragstellerin ihre Bedenken im Wesentlichen wie folgt dar: Die Zuständigkeit der Landesregierung zur Überprüfung der Personalvertretungswahl verstoße gegen die Koalitionsfreiheit gemäß Art11 EMRK, weil der Rechtszug damit zu jener politischen Behörde führe, die oberste Dienstbehörde sei und daher die Dienstgeberbefugnisse ausübe. Dies verletzte das "Prinzip der Gegnerunabhängigkeit". Im konkreten Fall erlange die Landesregierung Einblicke in den Unterstützerkreis der Antragstellerin und es sei in einer solchen Konstellation – trotz des Diskriminierungsschutzes gemäß §27 NÖ L-PVG – zu befürchten, dass es dadurch zu Vergeltungsmaßnahmen komme. Zudem sei eine solche Überprüfung des Wahlverfahrens durch die Landesregierung als Dienstgebervertreterin auch mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbar, weil dieses eine Wahl und Konstituierung der Organe der Arbeitnehmer unbeeinflusst vom sozialen Gegenspieler verlange.

IV. Zur Zulässigkeit des Antrages

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit bzw Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung bzw das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz bzw die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit bzw ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 15.306/1998, 16.890/2003).

Der Verfassungsgerichtshof hat seit den Beschlüssen VfSlg 8009/1977 und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z3 litc B‑VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 16.332/2001).

2. Wie auch die Antragstellerin ausführt, hat der Verfassungsgerichtshof bereits erkannt, dass es sich bei dem von der Landeswahlkommission kundzumachenden Wahlergebnis um eine gemäß §18 Abs19 NÖ L‑PVG endgültige Entscheidung handelt. Diese Bestimmung steht einer Anfechtung bei einem in §3 NÖ L‑PVG genannten Organ der Personalvertretung entgegen (vgl VfSlg 19.009/2010). Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in der Entscheidung VfSlg 19.009/2010 ausführte, steht den Wählergruppen gegen einen solchen Beschluss ein Rechtsschutz im Administrativverfahren zur Verfügung. Die in §28 Abs2 NÖ L‑PVG vorgesehene Befugnis der Landesregierung, Beschlüsse der Landeswahlkommission (wie die Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses) im Fall der Gesetzwidrigkeit aufzuheben, kann nämlich dahingehend (verfassungskonform) interpretiert werden, dass solche Beschlüsse von der Landesregierung auch auf Antrag einer Wählergruppe überprüft werden können (vgl VfSlg 19.009/2010).

Die Antragstellerin erachtet die Beschreitung dieses Rechtsweges jedoch als nicht zumutbar, weil es dabei zu einer Überprüfung des Wahlvorschlages – und damit verbunden auch der Unterstützungserklärungen – durch die Landesregierung käme. Dies sei deshalb verfassungswidrig, weil diese Behörde gegenüber den Landesbediensteten die Dienstgeberbefugnisse ausübe und zu befürchten sei, dass es auf Grund der (mit der Überprüfung einhergehenden) Kenntnis, welche Personen den Wahlvorschlag unterstützt hätten, zu "Retorsionsmaßnahmen" kommen könne.

Diese Einwände veranlassen den Verfassungsgerichtshof allerdings nicht, die Einbringung eines Antrages auf Aufhebung des Beschlusses der Wahlkommission bei der Landesregierung als nicht zumutbar zu qualifizieren, weil bereits §27 NÖ L‑PVG – wie auch im Antrag ausgeführt – eine dienstliche Benachteiligung wegen Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes verbietet. Auch allgemein ist ein Dienst- und (insbesondere auch) disziplinarrechtliches Vorgehen nur auf Grund und im Rahmen der Gesetze zulässig und allfällige Verstöße dagegen können im Rechtsweg bekämpft werden. Zudem erachtete der Verfassungsgerichtshof es im Hinblick auf das – auch in §11 NÖ L‑PVG verankerte – Prinzip der geheimen Wahl als unbedenklich, wenn Unterstützungserklärungen im Wahlverfahren in Erscheinung treten, auch wenn aus dem Unterstützungswillen mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit auf die Stimmabgabe bei der Wahl geschlossen werden kann (so betreffend Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern VfSlg 10.217/1984, 20.439/2021). Vor diesem Hintergrund erachtet der Verfassungsgerichtshof das zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Wahlkomission erforderliche Bekanntwerden der Unterstützung gegenüber der Landesregierung als Wahlbehörde – entgegen dem Antragsvorbringen – nicht als problematisch, zumal (Wahl-)Behörden nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein (straf‑)gesetzwidriges Verhalten nicht grundlos unterstellt werden kann (vgl VfSlg 19.982/2015, 20.071/2016). Ferner haben Landesbedienstete nach den Vorschriften der Art15 ff Verordnung (EU) Nr 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz‑Grundverordnung), ABl. 2016, L 119, 1, bzw des §1 Abs3 Bundesgesetz zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz – DSG), BGBl I 165/1999, idF BGBl I 51/2012 die Möglichkeit, betreffend ihre personenbezogenen Daten Auskunft bzw Löschung zu verlangen. Die nicht näher substantiierte Befürchtung eines allfälligen (rechtswidrigen) Vorgehens gegen Dienstnehmer auf Grund der Abgabe von Unterstützungserklärungen für eine bestimmte Wählergruppe zeigt somit nicht auf, dass ein von der Landesregierung zu führendes Überprüfungsverfahren der Personalvertretungswahl als Umweg unzumutbar ist (vgl zB VfSlg 8700/1979, 15.616/1999, 18.729/2009; VfGH 28.6.2016, WI5/2016, zur Wahlanfechtung gemäß Art141 B‑VG als zumutbarem Umweg sowie VfGH 20.9.2022, G199/2022, zum Einspruch gegen das Wählerverzeichnis – und der damit in Gang gesetzten Überprüfung im Administrativverfahren – als zumutbarem Umweg).

3. Eine Auseinandersetzung mit dem auf die Aufhebung von §14 NÖ L‑PVWO gerichteten Antrag muss schon deshalb unterbleiben, weil sich diesbezüglich im Antrag keine Ausführungen im Hinblick auf die Zulässigkeit (Darlegung des unmittelbaren Eingriffes in die Rechtssphäre) des Individualantrages finden.

4. Da die Antragstellerin ihr Einschreiten ausdrücklich auf Art139 Abs1 Z3 und Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG stützt und in der Begründung ihres Antrages selbst ausführt, dass eine Überprüfung der Wahl der Personalvertretung nach §§16 ff NÖ L‑PVG vor dem Verfassungsgerichtshof erst nach Abschluss des auf die Aufhebung gerichteten Administrativverfahrens und nach Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht zulässig ist, muss auf das – im Antrag nicht weiter begründete – Begehren, genauer bezeichnete Teile der Personalvertretungswahl der Niederösterreichischen Landesbediensteten aufzuheben, nicht näher eingegangen werden.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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