VfGH B998/06

VfGHB998/0626.2.2007

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags nach Zurückweisung einer Beschwerde wegen nicht (rechtzeitig) behobener Formmängel mangels Fristversäumnis; Mängelbehebung rechtzeitig nach Heilung des Zustellmangels; Abweisung des (Eventual-)Antrags auf neuerliche Zustellung des Mängelbehebungsauftrags; Auslegung des Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens als Antrag auf Wiederaufnahme; Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens und Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses; Ablehnung und Abtretung der Beschwerde

Normen

VfGG §34
VfGG §33
ZPO §530 Abs1 Z7
ZustG §7 Abs1
VfGG §34
VfGG §33
ZPO §530 Abs1 Z7
ZustG §7 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird abgewiesen.

Der Eventualantrag auf neuerliche Zustellung der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 wird abgewiesen.

Das mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 2006, B998/06-10, abgeschlossene Verfahren wird wiederaufgenommen.

Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 2006, B998/06-10, wird aufgehoben.

Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit einer am 31. August 2006 zur Post gegebenen Eingabe erhob der Beschwerdeführer (vertreten durch seinen Sohn als Sachwalter, dieser wiederum vertreten durch einen Rechtsanwalt) rechtzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 24. Mai 2005, Z UVS-17/10.147/6-2005, gemäß Art144 B-VG.

2. Mit am 5. September 2006 zur Post gegebener Verfügung, laut Übernahmebestätigung am 6. September 2006 an "Mag. W" zu eigenen Handen zugestellt, forderte der Verfassungsgerichtshof den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers unter Androhung von Säumnisfolgen zur Behebung formeller Mängel binnen einer Frist von zwei Wochen auf.

3. Dieser Aufforderung kam der Rechtsvertreter mit der erst am 22. September 2006 zur Post gegebenen Urkundenvorlage nach. Daher wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. Oktober 2006, B998/06-10, die Beschwerde wegen nicht (rechtzeitig) behobener Mängel formeller Erfordernisse zurück.

II. 1. Mit am 5. Dezember 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der formellen Mängel.

2. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass am 6. September 2006 nicht der Rechtsvertreter die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes entgegengenommen hat, sondern dessen Mutter, Mag. I W, die im selben Haus (aber nicht im selben Haushalt) wohne. Die Rechtsanwaltskanzlei sei unbesetzt gewesen, weil die Sekretärin nicht anwesend gewesen sei und der Rechtsvertreter einen Kliententermin auswärts wahrgenommen habe. Im folgenden Verlauf sei das Schriftstück unter die Post von Mag. I W geraten und sie habe zunächst darauf vergessen, es ihrem Sohn, Mag. H W, zu übergeben. Erst zwei Tage später, am 8. September 2006, habe sie es ihm überreicht, ohne dazuzusagen, dass sie es bereits am 6. September 2006 entgegengenommen hätte. Deshalb sei das Schriftstück auch mit dem Posteingangsstempel "8. September 2006" versehen worden. Die Fristversäumnis beruhe daher auf einem unvorhersehbaren bzw. unabwendbaren Ereignis, weil es für den Rechtsvertreter in keiner Weise erkenntlich gewesen sei, dass die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 früher zugestellt worden sei, als er sie erhalten habe.

Neben einer eidesstattlichen Erklärung von Mag. I W, die im Wesentlichen dem Inhalt des Vorbringens entspricht, werden neuerlich die Urkunden zur Behebung der formellen Mängel (unvollständig) vorgelegt.

In eventu werde mangels rechtswirksamer Zustellung die neuerliche Zustellung der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 begehrt, da die Mutter des Rechtsvertreters nicht zur Entgegennahme des gegenständlichen Schriftstückes berechtigt gewesen sei.

In eventu werde der Antrag auf Fortsetzung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens gestellt, da die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 dem Rechtsvertreter erst durch tatsächliches Zukommen am 8. September 2006 wirksam zugestellt worden sei und dieser daher mit der Urkundenvorlage vom 22. September 2006 binnen offener Frist den Verbesserungsauftrag des Verfassungsgerichtshofes erfüllt habe.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg. 14.695/1996), dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes - insbesondere auch seine Beschlüsse - endgültig sind, sofern es sich nicht um Fälle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder der Wiederaufnahme des Verfahrens handelt. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens in seinen §§33 und 34 nicht selbst regelt, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß §35 Abs1 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der ZPO (§§146 ff und §§530 ff) sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

4. Da die Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 dem Rechtsvertreter tatsächlich am 8. September 2006 zugekommen ist, wurde der Zustellmangel, der durch die Entgegennahme des Schriftstückes des Verfassungsgerichtshofes durch die Mutter des Rechtsvertreters entstanden ist (vgl. §21 ZustellG), iSd §7 Abs1 ZustellG geheilt. Da dieser seinen Schriftsatz samt Beilagen am 22. September 2006 zur Post gegeben hat, hat er die formellen Mängel tatsächlich rechtzeitig behoben, sodass kein Fall der Versäumung einer Frist vorliegt.

5. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war. Auf Grund der Tatsache, dass dem Rechtsvertreter die Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 am 8. September 2006 tatsächlich zugekommen ist (vgl. §7 Abs1 ZustellG), war auch der auf die neuerliche Zustellung dieser Verfügung gerichtete Eventualantrag abzuweisen.

III. 1. Der in eventu gestellte Antrag auf Fortsetzung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens kann als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verstanden werden.

2. Die Bewilligung der Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens wegen des Vorliegens des - hier allein in Frage kommenden - Wiederaufnahmegrundes des §530 Abs1 Z7 ZPO (iVm §35 Abs1 VfGG) setzt voraus, dass "die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel neu auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeigeführt haben würde". Die Wiederaufnahme nach diesem Grund findet weiters nur statt, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urteil der ersten Instanz erging, geltend zu machen (§530 Abs2 ZPO).

3. Das auf der Übernahmebestätigung angegebene Zustelldatum (6. September 2006) der Verfügung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. September 2006 führte zur Zurückweisung der Beschwerde wegen nicht (rechtzeitig) behobener Mängel formeller Erfordernisse. In der Folge kam hervor, dass dem Rechtsvertreter diese Verfügung erst am 8. September zugekommen ist, sodass er mit seinem am 22. September 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz samt Beilagen die formellen Mängel rechtzeitig behoben hat. Dies stellt wiederum eine neue Tatsache dar, deren Vorbringen auch geeignet gewesen wäre, die Zurückweisung der Beschwerde zu verhindern. Es hätte daher eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache ergehen können (vgl. VfSlg. 12.451/1990).

4. Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 2006, B998/06-10, war daher - unter sinngemäßer Anwendung des §530 Abs1 Z7 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG - aufzuheben.

IV. Zur Beschwerde selbst:

1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

2. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK).

3. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen hingegen nicht anzustellen.

4. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

5. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§19 Abs3 Z1 VfGG) und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis konnte eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entfallen.

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