Normen
StGG Art13 Abs1
MRK Art10
MRK Art10 Abs2
StVO 1960 §82 Abs1 und Abs5
StVO 1960 §99 Abs3 litd
StGG Art13 Abs1
MRK Art10
MRK Art10 Abs2
StVO 1960 §82 Abs1 und Abs5
StVO 1960 §99 Abs3 litd
Spruch:
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Bf. überreichte am 18. April 1986 der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien folgende Eingabe:
"Gemäß §2 VersammlungsG zeige ich die Abhaltung folgender Veranstaltungen an:
Ort: Schottentorpassage
Zeit: 22.4., 29.4., 6.5., 13.5.1986, jeweils von 10 bis 18 Uhr zwecks Information über Aspekte der österreichischen und internationalen Energiepolitik.
Die Versammlungen werden von maximal 10 Mitgliedern diverser Umweltschutzgruppen (Initiative österreichischer Atomkraftwerksgegner, Initiative zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten) durchgeführt. Fallweise werden Flugblätter verteilt. Ein Marsch ist nicht geplant. Der Verkehr wird nicht behindert werden."
Dieses Anbringen veranlaßte die BPD Wien zu keinerlei Maßnahmen.
b) Am 29. April 1986 führte der Bf. dann tatsächlich in Wien I., Schottentorpassage eine Veranstaltung zum Thema "Aspekte der österreichischen und internationalen Energiepolitik" durch.
Der Vorgang wird in der vom Wachzimmer Schmerlingplatz erstatteten Meldung der Sicherheitswache vom 29. April 1986 wie folgt geschildert:
"Am 29.04.1986, um 17.00 Uhr, bemerkte ich während meines Streifendienstes, daß in Wien 1., Schottentor-Passage, ein Informationstisch aufgestellt ist und Flugzettel verteilt wurden. Der Verantwortliche, G W J konnte mir zwar eine Anmeldung der BPD-Wien vorweisen, jedoch keine der MA 35 G. G. gab als Rechtfertigung an, daß dieser Tisch (ca. 3 x 1 m) niemand behindert und deshalb keine Bewilligung der MA nötig sei. Bei dieser Kundgebung handelt es sich um Kernkraftgegner, die Flugzettel, Broschüren, Poster und Anhänger verteilen. Dabei wurde auch ein Info.-Ständer verwendet.
G. wurde von der Anzeigeerstattung i.K. gesetzt."
Im Zuge des gegen den Bf. eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens (s. die folgende litc) erstattete der Meldungsleger folgenden Bericht:
"Bei der am 29.04.1986 um 17.00 Uhr, abgehaltenen Veranstaltung in der Schottentorpassage waren zum Zeitpunkt meines Einschreitens nur zwei Personen anwesend. Die Tätigkeit der Personen beschränkte sich auf ein Aufmerksammachen auf die österr. und intern. Engergiepolitik. Zu diesem Zweck wurden auch Flugzettel und Broschüren an vorbeigehende Passanten verteilt.
Die ganze Veranstaltung hatte demnach nicht den Charakter einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetz sondern nach der gegebenen Sachlage den Charakter einer Kundgebung.
Diese Art der Veranstaltung ist daher somit nicht als eine Veranstaltung im Sinne des §86 StVO zuzuordnende Veranstaltung. Es konnte im gegenständlichen Falle kein zweckorientiertes und organisiertes aufziehen oder aufmarschieren einer größeren Anzahl von Personen festgestellt werden und es wurde daher als Einschreitgrundlage die Bestimmungen des §82/1 StVO herangezogen."
c) Die Wiener Landesregierung erkannte den Bf. mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. April 1987 schuldig, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §82 Abs1 iVm §99 Abs3 litd StVO 1960 begangen zu haben, daß er am 29. April 1986 um 17,00 Uhr, in Wien I., Schottentorpassage durch Aufstellen eines Informationstisches und Verteilen von Flugzetteln, Broschüren, Poster und Anhänger öffentlichen Straßengrund zu anderen Zwecken als solchen des Straßenverkehrs benützt und somit eine bewilligungspflichtige Tätigkeit vorgenommen habe, ohne im Besitze einer Bewilligung zu sein. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe von 500 S und eine Ersatzarreststrafe von 18 Stunden verhängt.
Dieser Berufungsbescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:
"Im gegenständlichen Fall lag eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes nicht vor, zumal es sich um eine solche Tätigkeit handelte, bei der keine größere Anzahl von Personen zweckorientiert und organisiert aufgezogen oder marschiert ist und bei der kein sogleich gemeinsames Wirken von Zusammengekommenen (Zusammenschließen zur gemeinsamen Demonstration oder gemeinsamen Willensäußerung) entstanden ist.
Die bloße Abicht, die Anwesenden in Zukunft zu einem gemeinsamen Wirken zu veranlasssen, reicht nicht aus, um den Charakter einer Versammlung zu begründen und hat der Berufungswerber selbst angegeben, Ziel der 'Versammlung' wäre die 'Information' der Bevölkerung gewesen.
Das Verteilen der Flugzetteln an Passanten in der Schottenpassage ist zweifellos geeignet, den Fußgängerverkehr nachteilig zu beeinflussen, zumal der aufgestellte Tisch Ausmaße von 3 x 1 m aufwies und in der Schottenpassage um diese Zeit (17.00 Uhr) mit starkem Fußgängerverkehr zu rechnen ist, da sich in diesem Bereich mehrere Haltestellen und Umsteigemöglichkeiten für Straßenbahnen befinden und war es offenkundig auch das Ziel des Berufungswerbers, an die um diese Zeit in großer Zahl durch die Passage zu den öffentlichen Verkehrsmitteln strömenden Fußgänger Flugzettel zu verteilen, wodurch es hier zu Behinderungen kommen konnte, da das Entgegennehmen eines Flugzettels zumindest ein kurzes Innehalten im Gehen erfordert und es dadurch zum Stocken des Fußgängerverkehrs kommt.
Die dabei durch Verstellen der Straße stattfindende Benützung einer öffentlichen Verkehrsfläche zu verkehrsfremden Zwecken (Aufstellen von Tischen mit Werbematerial) unterliegt sohin den Beschränkungen und Verboten der StVO 1960.
Das Verteilen von Flugzetteln und Aufstellen eines Tisches war sohin bewilligungspflichtig und war der Berufungswerber unbestrittenermaßen nicht im Besitze einer solchen Bewilligung.
Bemerkt sei auch, daß §86 StVO 1960 hier nicht Platz greifen kann, da keine Versammlung unter freiem Himmel stattfand (Schottenpassage).
Auch kommen jene im §82 Abs3 und 4 StVO 1960 angeführten Ausnahmen, wonach für bestimmte Tätigkeiten keine straßenpolizeiliche Bewilligung erforderlich ist, hier nicht zum Tragen.
Auf die Frage der Gebrauchserlaubnis war im gegenständlichen Fall nicht einzugehen.
Die dem Berufungswerber angelastete Tat war daher als erwiesen anzunehmen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen war. ....."
2. Gegen den zitierten Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Versammlungsfreiheit (Art12 StGG und Art11 MRK) und auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art13 StGG und Art10 MRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Begründend wird ausgeführt:
"......
A.
Zur Verletzung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit:
1) Durch den angefochtenen Bescheid wurde ich zu einer Geldstrafe von S 500,-- mit der Begründung verurteilt, daß eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes nicht vorliegen würde und ich daher eine nach §82 StVO bewilligungspflichtige Tätigkeit vorgenommen hätte, ohne im Besitze einer Bewilligung zu sein. Durch die Verhängung dieser Geldstrafe werde ich in meinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt:
Wie der VfGH erkannt hat, kann eine Verletzung der durch die Versammlungsfreiheit begründeten Freiheitssphäre des Einzelnen sowohl dadurch eintreten, daß die Behörde die grundrechtlich gestattete Handlung unmöglich macht, als auch dadurch, daß sie eine solche Handlung zum Anlaß der Verhängung einer Strafsanktion nimmt (VfSlg. 8685/1979).
Die verhängte Gelstrafe stützt sich zwar nicht unmittelbar auf das Versammlungsgesetz. Sie stellt aber dennoch einen unmittelbaren Eingriff in mein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, da sie meine Teilnahme an einer Versammlung für strafbar erklärt.
Zum Begriff der Versammlung:
2) a) Der Begriff der Versammlung ist nicht definiert. Versammlung ist in erster Linie das Zusammenkommen von Menschen zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen und der Kundgabe von Meinungen an andere (Frowein, Europäische
Menschenrechtskonvention: EMRK-Kommentar, N.B. Engelverlag, 1985, Seite 242).
Der VfGH hat folgende Umschreibung herausgearbeitet:
'Die Zusammenkunft mehrerer Personen ist dann als Versammlung nach dem Versammlungsgesetz 1953 zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen.' (VfSlg. 8685/1979).
Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit stellt ein entscheidendes Element der demokratischen Gesellschaft dar: In einer Demokratie muß die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt verlaufen. An diesem Prozeß sind die Bürger in unterschiedlichem Maße beteiligt. Große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien können beträchtliche Einflüsse ausüben, während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt. In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, verbleibt dem einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im allgemeinen nur eine kollektive Einflußnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit. Die ungehinderte Ausübung des Freiheitsrechtes wirkt nicht nur dem Bewußtsein politischer Ohnmacht und gefährlichen Tendenzen zur Staatsverdrossenheit entgegen. Sie liegt letztlich auch deshalb im wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse, weil sich im Kräfteparallelogramm der politischen Willensbildung im allgemeinen erst dann eine relativ richtige Resultante herausbilden kann, wenn alle Vektoren einigermaßen kräftig entwickelt sind (BVerfG, vom 14.5.1985, 1 BvR 233/81, zitiert nach EuGRZ 1985/450 ff.).
b) Der angefochtene Bescheid stellt in seiner Begründung fest, daß im gegenständlichen Fall eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes nicht vorgelegen sei, zumal es sich um eine solche Tätigkeit handelte, bei der keine größere Anzahl von Personen zweckorientiert und organisiert aufgezogen oder marschiert seien und bei der kein sogleich gemeinsames Wirken von Zusammengekommenen (zusammenschließen zur gemeinsamen Demonstration oder gemeinsamen Willensäußerung) entstanden sei. Die bloße Absicht, die Anwesenden in Zukunft zu einem gemeinsamen Wirken zu veranlassen, reiche nicht aus, um den Charakter einer Versammlung zu begründen.
Dem ist im Sinne obiger Ausführungen entgegenzuhalten, daß unter einer Versammlung nicht nur eine Demonstration, sondern ganz allgemein das Zusammenkommen von Menschen zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere verstanden wird (Frowein, aaO).
Der angefochtene Bescheid geht weiters davon aus, daß die Absicht, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu veranlassen, bestanden hätte. Entgegen der Ansicht der bel. Beh. reicht jedoch die Absicht, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu veranlassen, sehr wohl aus, um den Charakter einer Versammlung zu begründen. So hat der VfGH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Zusammenkunft mehrerer Personen dann als eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu werten sei, wenn sie in der Absicht veranstaltet werde, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu bringen (VfSlg. 8685/1970).
Mit der Unterscheidung nach dem Zweck der Zusammenkunft (gemeinsames Wirken der Versammelten) wird die Versammlung von der zufälligen Ansammlung unterschieden (Hofer-Zeni, Versammlungsfreiheit in Österreich, EuGRZ 1984/359). Es ist jedoch unerheblich, ob eine Versammlung tatsächlich ihren Zweck, nämlich ein gemeinsames Wirken der Versammelten erreicht oder nicht. Entscheidend ist lediglich die Absicht des Veranstalters, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu bringen. Wenn die bel. Beh. das Vorliegen einer Versammlung schon deshalb verneint, weil 'kein zugleich gemeinsames Wirken von Zusammengekommenen entstanden' sei, legt sie das Versammlungsrecht zu eng aus. Das Versammlungsrecht deckt sowohl die Vorbereitung als auch die Durchführung der Versammlung. (Frowein aa0).
c) Der VfGH hat im jüngst ergangenen Erkenntnis vom 7.10.1985, Zahl B900/84, B100/84 ausgesprochen, daß eine als 'Informationsstand' angemeldete Veranstaltung keine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes darstellen würde. Dieses Erkenntnis des VfGH kann auf den gegenständlichen Fall nicht angewendet werden, da - wie aus dem Akt hervorgeht - eine ordnungsgemäße Anzeige nach dem Versammlungsgesetz vorlag und laut Begründung des angefochtenen Bescheides die Absicht bestand, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken zu veranlassen.
3) Der angefochtene Bescheid hat neben den oben bekämpften rechtlichen Erwägungen keinerlei Feststellungen getroffen, aufgrund der beurteilt werden könnte, ob eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes vorlag oder nicht. Dies stellt einen schweren Verfahrensfehler dar, da mangels begründeter Feststellungen (§60 AVG) der Bescheid nicht nachvollziehbar und nicht überprüfbar ist.
Weiters habe ich im Verwaltungsverfahren eine Reihe von Beweisanträgen gestellt, die gänzlich unberücksichtigt geblieben sind: So habe ich im Einspruch die Beischaffung der Versammlungsanzeige beantragt zum Nachweis dafür, daß es sich um eine nach Versammlungsgesetz und StVO angezeigte Versammlung gehandelt habe.
In meiner Stellungnahme an das Magistratische Bezirksamt habe ich mich zum Nachweis dafür, daß es Zweck der Versammlung gewesen sei, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken, insbesondere zu einer Debatte, einer Diskussion zu bringen, auf meine persönliche Einvernahme und auf Verlangen der Behörde namhaft zu machende Versammlungsteilnehmer berufen.
Sowohl die Behörde erster Instanz, als auch die bel. Beh. haben über diese wesentlichen Beweisanträge nicht abgesprochen und sie gänzlich unberücksichtigt gelassen.
Wie aus der Anzeige vom 29.4.1986 hervorgeht, wurde die gegenständliche Versammlung ordnungsgemäß bei der Bundespolizeidirektion Wien angezeigt ('konnte mir zwar eine Anmeldung der Bundespolizeidirektion Wien vorweisen'). Wenn die bel. Beh. trotz Anzeige nach dem Versammlungsgesetz bezweifelt, daß es sich um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt hätte, wäre sie verpflichtet gewesen, die, gerade zu diesem Thema beantragten Beweismittel aufzunehmen.
Nach ständiger Rechtssprechung des VfGH hat das Recht der Versammlungsfreiheit (Art12 StGG) erst durch das Versammlungsgesetz eine nähere Ausführung erhalten, weshalb jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die in die Versammlungsfreiheit eingreift, einen unmittelbaren Eingriff in das durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht bedeutet. Daraus hat der VfGH weiters abgeleitet, daß die Beantwortung der Frage der richtigen Anwendung des Versammlungsgesetzes 1953 in die ausschließliche Zuständigkeit des VfGH fällt (VfSlg. 8685/1979 ua.). Die oben gerügten schweren Verfahrensfehler belasten im Sinne dieser Judikatur den angefochtenen Bescheid mit Verfassungswidrigkeit.
4) Der angefochtene Bescheid führt in seiner Begründung weiters aus, daß das Verteilen von Flugzetteln und Aufstellen eines Tisches bewilligungspflichtig sei.
Wie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und oben dargestellt habe ich an einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes teilgenommen.
Im allgemeinen wird als zulässig anerkannt, Versammlungen auch unter anderen Gesichtspunkten, zum Beispiel unter dem der Straßenpolizei einer Regelung zu unterziehen. Solche Regelungen dürfen, wie der VfGH dies hinsichtlich des Versammlungsgesetzes ausgeführt hat, der grundsätzlichen Versammlungsfreiheit nicht entgegenstehen und nur Ordnungsvorschriften enthalten. Unzulässig wäre es daher, eine Versammlung unter den oben angeführten anderen Gesichtspunkten einer behördlichen Bewilligung zu unterwerfen (Hofer-Zeni aa0).
Eine behördliche Bewilligung würde sowohl der, mit Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung 1918 hergestellten vollen Vereinsfreiheit widersprechen (vgl. VfSlg. 254/1923, 4885/1964), und wäre auch mit Art11 MRK nicht vereinbar.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in einem Erkenntnis zur Versammlungsfreiheit ausgesprochen, daß das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung sich nicht nur in der Stimmabgabe bei Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung äußere, die sich in einem demokratischen Staatswesen frei, offen unreglementiert und grundsätzlich 'staatsfrei' vollziehen müsse. (BVerfG aa0). Ein Konzessionssystem würde daher dem Wesensgehalt der Versammlungsfreiheit widersprechen.
Der angefochtene Bescheid nennt in seiner Begründung nur das Verteilen von Flugzetteln und Aufstellen eines Tisches als bewilligungspflichtig. Sowohl das Verteilen von Flugzetteln als auch das Aufstellen des Tisches zum Auflegen von Flugblättern und Broschüren stellen einen integrierten Bestandteil der Versammlung dar. Es würde daher ebenso einen Verstoß gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit darstellen, wenn auch nur einzelne Teile der Versammlung für bewilligungspflichtig erklärt würden.
B.
Zur Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit:
1) Das Recht auf Versammlungsfreiheit berührt zugleich die Meinungsäußerung (Art13 StGG). Die Versammlung als solche, gleichgültig, ob ihre Teilnehmer in Stillschweigen verharren oder sich der Sprache bedienen, ist selbst Ausdruck der Meinungsäußerung (Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, Manz, Wien 1963, S 313). Eine straßenpolizeiliche Bewilligungspflicht für eine Versammlung würde daher auch einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Meinungsfreiheit darstellen.
2) Aber selbst für den Fall, daß die Voraussetzungen einer Versammlung nach dem Versammlungsgesetz nicht vorliegen sollten, würde eine straßenpolizeiliche Bewilligungspflicht für das Verteilen von Flugzetteln, Broschüren, Poster und Anhänger, aber auch das Aufstellen eines Informationstisches einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit darstellen:
Wie aus dem Akt hervorgeht, sollte die Bevölkerung über Aspekte der nationalen und internationalen Energiepolitik informiert werden. Die Gewährleistung der offenen geistigen Auseinandersetzung wird als Kern der Meinungsfreiheit erkannt (Frowein, aaO., S 224). Das Aufstellen eines Informationstisches, Verteilen von Flugzetteln, Brochüren, Poster und Anhänger sind Mittel, eine Meinung zu äußern (vgl. Ermacora aa0. S 329).
Art13 StGG bestimmt, daß jedermann das Recht hat, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Nach Artikel 10 Abs1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriff öffentlicher Behörden und ohne Rücksichten auf Landesgrenzen ein.
3) Durch die im angefochtenen Bescheid festgestellte straßenpolizeiliche Bewilligungspflicht beispielsweise für das Verteilen von Flugzetteln u.a. wird die Bestimmung des §82 StVO entweder denkunmöglich angewendet oder sie verstößt gegen das Grundrecht der freien Meinungsäußerung:
a) Nach Artikel 10 Abs2 MRK kann die Ausübung der im Abs1 normierten Rechte durch Gesetz, Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, 'wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung oder der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten."
Der VfGH hat im Erkenntnis VfSlg. 6288 dazu festgehalten, daß die hier wiedergegebene deutsche Übersetzung fehlerhaft sei. Entgegen der grammatikalischen Interpretation der österreichischen Fassung würden alle genannten Einschränkungsgründe gleichberechtigt neben allen anderen stehen. Als zusätzliches Erfordernis gelte lediglich und zwar für alle Einschränkungsgründe, daß diese in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich beziehungsweise notwendig sein müßten.
b) Eine von der bel. Beh. auf §82 StVO gestützte Bewilligungspflicht für das Verteilen von Flugzetteln etc. stellt einen Eingriff in das Grundrecht der freien Meinungsäußerung dar, der durch den Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 MRK nicht gedeckt ist:
Geht man davon aus, daß im Zusammenhang mit der Freiheit der Meinungsäußerung auch straßenpolizeiliche Vorschriften zur 'Aufrechterhaltung der Ordnung' notwendig wären, so wäre im Sinne oben zitierter Rechtssprechung (VfSlg. 6288/1970) als zusätzliches Erfordernis zu prüfen, ob eine solche Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich wäre.
Dies ist nicht der Fall: Im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung, hier der Straßenverkehrsordnung, sind durch Durchführung einer Versammlung beispielsweise in der Form einer Demonstration bedeutend größere Probleme zu erwarten als durch das Verteilen von Flugzetteln. Wenn das gesamte Versammlungsrecht ohne ein Konzessionssystem auskommt (und dieses auch wie oben dargestellt durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgeschlossen wird) kann keine Rede davon sein, daß eine Bewilligungspflicht für das Verteilen von Flugzetteln etc. in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich sei.
4) Darüber hinaus würde eine Bewilligungspflicht für das Verteilen von Flugzetteln dem Wesensgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung widersprechen (vgl. VfSlg. 6288/1970).
Bewilligungspflicht und freie Meinungsäußerung schließen einander geradezu aus. Das Recht der freien Meinungsäußerung stellt einen Grundpfeiler der demokratischen Gesellschaft dar. Es gilt hier das, bereits zum Begriff der Versammlungsfreiheit ausgeführte: Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung müsse sich in einem demokratischen Staatswesen frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich 'staatsfrei' vollziehen müssen (vgl. BVerfG aa0).
Ein Konzessionssystem würde ein freies Wechselspiel der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen unmöglich machen, da es am Staat liegen würde, ob er eine Meinungsäußerung bewilligt oder nicht.
Darüberhinaus hätte die Annahme einer Bewilligungspflicht nach der Straßenverkehrsordnung zur Folge, daß im Hinblick auf die Regelung des §73 AVG die Behörde über einen Antrag auf Bewilligung, beispielsweise zur Verteilung von Flugzetteln, erst nach sechs Monaten entscheiden müßte, was an sich schon mit dem Wesensgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung im Sinne einer aktiven Teilnahme an der Willensbildung nicht vereinbar ist.
Weiters würde eine Bewilligungspflicht gemäß §82 Abs1 StVO auch eine mehrfache Gebührenpflicht des Antragstellers, so für den Antrag auf Bewilligung, aber auch nach dem Wiener Gebrauchsabgabengesetz 1966 nach sich ziehen. Dies alles wäre mit dem Wesensgehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung unvereinbar.
5) Sollte sich der VfGH der Rechtsmeinung der bel. Beh. anschließen, daß im gegenständlichen Fall die Vorschrift des §82 StVO anzuwenden sei, stelle ich den
ANTRAG
der VfGH möge hinsichtlich der Bestimmung des §82 StVO ein Gesetzesprüfungsverfahren wegen Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung einleiten."
3.a) Die Wiener Landesregierung als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift. Darin wird die im angefochtenen Bescheid vertretene Meinung, es habe sich um keine Versammlung iS des Versammlungsgesetzes 1953 (VersG) gehandelt, bekräftigt und begehrt, die Beschwerde abzuweisen.
b) Ähnliches meint die zur Äußerung eingeladene BPD Wien.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a)aa) Art12 StGG, Pkt. 3 des Beschlusses der Prov. Nationalversammlung, StGBl. 3/1918 und Art11 MRK begründen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit. Mag Art11 MRK dieses Recht auch enger umschreiben (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, Straßburg 1985, RZ 3 zu Art11 MRK), garantieren doch jedenfalls die beiden zuerst genannten Verfassungsbestimmungen u.a. das Recht, ohne vorherige behördliche Bewilligung Versammlungen zu veranstalten und an ihnen teilzunehmen (vgl. VfSlg. 4885/1964, 8532/1979). Das Gebot, die Versammlungsfreiheit in diesem Sinn zu wahren, wendet sich sowohl an den Gesetzgeber als auch an die Vollziehung.
Festzuhalten ist, daß auch das Verhängen einer Verwaltungsstrafe wegen der Veranstaltung einer Versammlung in das Recht auf Versammlungsfreiheit eingreift (vgl. VfSlg. 8685/1979).
Mehrere Menschen, die zusammenkommen, genießen nur dann den verfassungsgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit, wenn sie eine Versammlung iS der zitierten Verfassungsbestimmungen bilden. Nun definieren aber diese Vorschriften den Begriff der Versammlung nicht. Pkt. 3 des Beschlusses StGBl. 3/1918 geht offenbar vom selben Inhalt des Begriffes der Versammlung aus wie Art12 StGG vom 21. Dezember 1867. Dieser Artikel wieder geht offenkundig vom selben Begriffsverständnis aus wie das kurz zuvor erlassene Versammlungsgesetz vom 15. November 1867. Auch dieses Gesetz enthält jedoch keine Umschreibung des Versammlungsbegriffes.
Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 4586/1963, 5193/1966, 5195/1966, 5415/1966, 8685/1979, 9783/1983, 10443/1985 und 10608/1985) ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen nur dann als Versammlung iS des VersG zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Eine Versammlung ist - maW ausgedrückt - das Zusammenkommen von Menschen (auch auf Straßen) zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere; keine Versammlung ist das bloß zufällige Zusammentreffen von Menschen (vgl. zu Art11 MRK Frowein/Peukert, aaO, RZ 2 und die dort zitierte weitere Literatur).
Die Beurteilung, ob eine Zusammenkunft eine Versammlung ist, hat sich an ihrem Zweck und an den Elementen der äußeren Erscheinungsformen (wozu die näheren Modalitäten, die Dauer und die Zahl der Teilnehmer der Veranstaltung gehören) zu orientieren. Bei Klärung dieser Frage kommt es auf das erkennbar geplante Geschehen an und nicht etwa darauf, ob die beabsichtigte Zusammenkunft vom Veranstalter bei der Behörde formal als "Versammlung" angezeigt wurde. Sollte allerdings die Veranstaltung einen anderen als den nach der Anzeige erkennbar intendierten Verlauf nehmen, so ist die tatsächlich stattfindende Zusammenkunft eine andere als die angezeigte und daher unabhängig von der Anzeige zu beurteilen.
bb) Der den angefochtenen Bescheid materiell stützende §82 Abs1 StVO 1960 lautet:
"Für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, ist unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem BG erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen."
Dem §86 StVO 1960 zufolge sind - sofern eine Benützung der Straße hiefür in Betracht kommt - (unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften) u.a. "Versammlungen unter freiem Himmel" von den Veranstaltern drei Tage vorher der Behörde anzuzeigen.
Es liegt nahe, §82 Abs1 im Zusammenhalt mit §86 StVO 1960 dahin zu verstehen, daß die Benützung von Straßen für Versammlungen im oben dargestellten (engeren Sinn) nicht der Bewilligungspflicht nach der erstgenannten, sondern der bloßen Anzeigepflicht nach der zweitgenannten Vorschrift unterliegt.
Sollte aber diese grammatikalische und systematische Interpretation des §82 Abs1 StVO 1960 nicht für jeden Fall zweifelsfrei zu diesem Ergebnis führen (etwa offen lassen, ob auch Versammlungen, die in Fußgängerpassagen stattfinden, von der Wendung "Versammlungen unter freiem Himmel" im §86 StVO 1960 erfaßt werden), so ergibt sich die Richtigkeit dieser Auslegung eindeutig bei Beachtung des Gebotes, daß ein Gesetz im Zweifel verfassungskonform auszulegen ist.
Die Benützung einer Straße zur Durchführung einer Versammlung im vorhin geschilderten engeren Sinn unterliegt also nicht der Bewilligungspflicht nach §82 StVO 1960, sondern nur der Anzeigepflicht nach dem VersG und allenfalls nach §86 StVO 1960. Die Versammlungsbehörde ist verhalten, bei Beurteilung der Frage, ob sie die Versammlung nach §6 VersG zu untersagen hat, auch auf die Interessen des Straßenverkehrs Bedacht zu nehmen und diese gegen das Interesse des Veranstalters an der Durchführung der Versammlung angemessen abzuwägen.
Als Ergebnis der bisherigen Überlegungen ist festzuhalten, daß dann, wenn der Veranstalter einer Versammlung (im hier gemeinten engeren Sinn) wegen Verletzung des §82 Abs1 iVm §99 Abs3 litd StVO 1960 bestraft würde, eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Versammlungsfreiheit vorläge.
b) Zu untersuchen ist demnach, ob im konkreten Fall eine Versammlung im engeren Sinn stattfand. Der Umstand allein, daß ein Informationsstand verwendet wurde, spricht weder für noch gegen diese Annahme: Einerseits kann im Rahmen einer Versammlung auch ein (Informations-)Tisch als "Versammlungsmobiliar" benützt werden; dies bedarf dann keiner behördlichen Bewilligung (vgl. Stolzlechner, Demonstrationsrecht und Straßenpolizeirecht, ZfV 1987,
S 389 ff.). Andererseits erfüllt das Aufstellen und Benützen eines Informationsstandes für sich allein noch nicht die oben (II.1.a.aa) wiedergebenen Voraussetzungen für eine Versammlung im hier gemeinten engeren Sinn.
Der VfGH hat in dem zwar in einem anderen rechtlichen Zusammenhang stehenden, aber gleichfalls das Aufstellen eines Informationsstandes betreffenden Erkenntnis VfSlg. 10608/1985 ausgehend von der oben zitierten Definition einer solchen Versammlung - ausgeführt:
"Allein schon daraus, daß darin" (nämlich in der Eingabe) "von '4 Teilnehmern' die Rede ist, war zu entnehmen, daß mit der beabsichtigten Aufstellung eines Informationsstandes keine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes durchgeführt werden sollte. Vor allem aber schloß die in Aussicht genommene Veranstaltungsdauer (jeweils zwei Tage) die Deutung aus, es seien mit den beiden Eingaben Versammlungen angemeldet worden."
Ähnlich verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Veranstaltung war für vier Tage jeweils von 10,00 bis 18,00 Uhr geplant. Ihr eigentlicher Zweck war nicht, die zufällig am Informationstisch vorüberkommenden Passanten zu einem gemeinsamen Wirken zu bewegen, sondern diese über ein bestimmtes Anliegen zu informieren und entsprechende Druckwerke zu verteilen. Die Veranstaltung war nicht etwa auf eine Manifestation, sondern darauf abgestellt, zufällig vorbeikommende Personen über ein bestimmtes Anliegen zu informieren. Diese Absicht wurde in der Folge zumindest am 29. April 1987 auch verwirklicht. Tatsächlich beschränkte sich die Veranstaltung darauf, daß zwei Personen von einem Imformationstisch aus an Passanten Flugzettel und Broschüren verteilten. Es kann also keine Rede davon sein, daß eine "gewisse Assoziation der Zusammengekommenen" entstanden wäre. Insgesamt gesehen beschränkte sich nämlich der geplante und effektuierte Zweck der Veranstaltung - wie dargetan - darauf, zufällig vorüberkommende Passanten zu informieren.
Die Veranstaltung entsprach sohin nicht den oben (II.1.a) dargestellten, für eine Versammlung im engeren Sinn typischen Merkmalen; sie war daher auch nicht von der Bewilligungspflicht nach §82 Abs1 StVO 1960 ausgenommen.
Der Bf. ist mithin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden.
2.a) Der Bf. behauptet auch eine Verletzung des Rechtes auf Meinungsäußerungsfreiheit und macht geltend, entweder habe die Behörde den §82 StVO 1960 denkunmöglich angewendet oder aber diese Gesetzesbestimmung sei wegen Verstoßes gegen die Meinungsäußerungsfreiheit verfassungswidrig.
b) Nach Art13 Abs1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf auch ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (vgl. VfSlg. 6166/1970). Eine nähere Bestimmung dieses Wesensgehaltes findet sich nunmehr in Art10 MRK. Diese Bestimmung bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung "right to freedom of expression", "droit a la liberte d'expression" - (Abs1) und stellt klar, daß dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen einschließt; sie sieht aber im Hinblick darauf, daß die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung unentbehrlich sind (zur richtigen deutschen Übersetzung des Art10 Abs2 MRK vgl. VfSlg. 6288/1970, S 690 f.).
Seitdem Art10 MRK Verfassungsrang hat, darf also die Freiheit der Meinungsäußerung nur aus den dort angeführten Gründen beschränkt werden (vgl. VfSlg. 10700/1985, 11404/1987).
c) Bei Beurteilung der anstehenden Frage ist davon auszugehen, daß - wie oben dargetan wurde - der Bf. keine Versammlung iS des VersG 1953 veranstaltet hat. §82 Abs1 StVO 1960 ist daher im vorliegenden Fall nicht etwa deshalb von vornherein unanwendbar, weil die Flugzettel und die anderen Druckwerke in wesentlichem Zusammenhang mit einer Versammlung verteilt wurden.
§82 Abs1 StVO bindet die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken an eine behördliche Bewilligung. Nach ihrem Wortlaut erfaßt diese Bestimmung auch das Verteilen von Flugzetteln und anderen (nicht periodischen) Druckwerken (vgl. §47 Abs1 Mediengesetz) auf der Straße.
Diese Bestimmung zielt nicht auf eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung ab (vgl. zB VfSlg. 10700/1985). Sie bewirkt - anders als etwa §3 Fremdenpolizeigesetz (vgl. VfSlg. 11455/1987) - nicht im Regelfall einen Eingriff in ein Grundrecht. Allerdings kann sie in manchen Fällen (etwa wenn die Straße zum Flugzettelverteilen benützt werden soll) das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit berühren (vgl. die in diese Richtung gehende neuere Judikatur, so etwa VfSlg. 10700/1985 und 11314/1987, 11404/1987; soweit aus der älteren Judikatur VfSlg. 5619/1967, 5663/1968, 8461/1978 - in Bezug auf die Meinungsäußerungsfreiheit ein anderes Ergebnis ableitbar ist, wird sie nicht aufrechterhalten). Die Regelung des §82 Abs1 und 5 StVO 1960 (wonach das Verteilen von Druckwerken auf Straßen mit öffentlichem Verkehr an eine behördliche Bewilligung gebunden ist) liegt ebenso wie jene des §99 Abs3 litd StVO 1960 (die für das Unterlassen eines entsprechenden Antrages eine Strafsanktion vorsieht) im Interesse der bestimmungsmäßigen Verwendung der Straße mit öffentlichem Verkehr (siehe §82 Abs5 StVO 1960), also im Interesse der öffentlichen Sicherheit und der Aufrechterhaltung der Ordnung und entspricht damit dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 MRK. Die Beschränkung der Verwendung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken kann in jenen Fällen, in denen dies zu einer Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit führt, durchaus in einem angemessenen Verhältnis zu dem vom Gesetz (siehe §82 Abs5 StVO) verfolgten Ziel der Wahrung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs stehen (vgl. zB VfSlg. 10700/1985). Der VfGH hat daher keine Bedenken dagegen, daß es der Gesetzgeber weitgehend den Organen der Vollziehung überläßt, im Einzelfall das Interesse an der Meinungsäußerungsfreiheit gegen jenes des Straßenverkehrs abzuwägen. Unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles bestehen daher gegen das angewendete Gesetz keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Gesetz und seine Vollziehung sind solange verfassungsrechtlich unbedenklich, als keine unverhältnismäßige Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit bewirkt wird. So könnte es etwa an sich verfassungswidrig sein, wenn das Bewilligungsverfahren verzögert oder für die Bewilligung unzumutbar hohe Gebühren vorgeschrieben würden.
d) Der konkrete Verwaltungsakt, der sich gegen die Meinungsäußerungsfreiheit richtet, ist nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH u.a. dann verfassungswidrig, wenn ein verfassungsmäßiges Gesetz denkunmöglich angewendet wurde (VfSlg. 3762/1960, 5463/1967, 6166/1970 und 6465/1971). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung liegt auch vor, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - hier also: die besonderen Schranken des Art10 MRK mißachtenden - Inhalt unterstellt (VfSlg. 10386/1985, 10700/1985).
Davon kann hier keine Rede sein: Der Bf. hat es verabsäumt, seiner - ihm verfassungsrechtlich unbedenklich auferlegten - Pflicht nachzukommen, eine Bewilligung nach §82 Abs1 StVO 1960 zu erwirken. Die Behörde hat, indem sie ihn deshalb bestraft hat, das Gesetz nicht denkunmöglich angewendet.
Der Bf. ist also auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.
3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
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