VfGH B950/09

VfGHB950/0922.2.2010

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags; kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung der Beschwerde als verspätet

Normen

VfGG §33
VfGG §33

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Mit am 22. Jänner 2010 zur Post gegebenem Schriftsatz

begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 15. Juni 2009.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass nach Abweisung des Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 3. September 2009 innerhalb von sechs Wochen die vormaligen Beschwerdevertreter eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und mit dem Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, verfasst und unterschrieben hätten. Laut Nachfrage beim Verfassungsgerichtshof am 19. Jänner 2010 sei die Beschwerde dort nicht eingelangt. Über anschließende Rückfrage des jetzigen Rechtsvertreters am selben Tag haben die vormaligen Rechtsvertreter mitgeteilt, sie hätten nunmehr festgestellt, die bereits unterschriebene Beschwerde sei aufgrund eines Kanzleiversehens nicht abgefertigt worden. Die vormaligen Rechtsvertreter seien in der Vergangenheit sowohl für den Beschwerdeführer als auch für seinen Zwillingsbruder, der denselben Nachnamen trägt, tätig gewesen. Noch vor Ablauf der Frist sei die in Rede stehende Beschwerde vollständig ausgeführt, unterschrieben und der seit neun Jahren als Kanzleikraft tätigen, äußerst zuverlässigen Mitarbeiterin mit dem Auftrag zur unverzüglichen Versendung übergeben worden. Diese habe in der Folge zum Versand freigegebene Poststücke abgefertigt. Dabei sei die in Rede stehende Beschwerde in den Akt des Zwillingsbruders des Beschwerdeführers gerutscht. Die zuständige Sekretärin sei aufgrund der Tatsache, dass sich im Akt des Beschwerdeführers keine Beschwerde mehr befand, davon ausgegangen, dass die Beschwerde bereits abgefertigt und versendet worden sei. Danach sei der Akt abgelegt worden. Dass die Beschwerde nicht versendet wurde, sei am 19. Jänner 2010 festgestellt worden.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen

die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde fiel am 19. Jänner 2010 weg. Mit dem am 22. Jänner 2010 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Bevollmächtigten des Antragstellers im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden: Der Umstand, dass zwei Mandanten mit demselben Nachnamen von einem Rechtsanwalt vertreten werden, verlangt vom Rechtsanwalt selbst und seinen Mitarbeitern einen besonders sorgfältigen Umgang mit den zu bearbeitenden Akten. Dass die Kanzleikraft des bevollmächtigten Rechtsanwaltes diese Sorgfalt nicht walten ließ und daher der auf Grund der Namensgleichheit des Antragstellers und seines Zwillingsbruders vorherzusehende Fehler, nämlich dass versehentlich ein Aktenbestandteil in den Akt des Zwillingsbruders gelangt, sich auch tatsächlich ereignen konnte, kann nicht als bloß geringfügiger Fehler gewertet werden, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen kann.

4. Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen war.

III. Die Beschwerde wurde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

V. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den

Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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