VfGH B731/85

VfGHB731/8528.11.1986

Art144 Abs1 B-VG; Hausdurchsuchung und Beschlagnahme aufgrund richterlichen Befehls als Akte der Gerichtsbarkeit einer Überprüfung durch den VfGH entzogen; Modalitäten und nähere Umstände der Hausdurchsuchung und Beschlagnahme keine selbständig bekämpfbaren Maßnahmen; Überschreitung des richterlichen Befehls nur dann, wenn beschlagnahmte Gegenstände ganz offenkundig nicht von ihm erfaßt wären - hier keine Überschreitung des richterlichen Befehls; Zurückweisung der Beschwerde wegen Unzuständigkeit des VfGH

Normen

B-VG Art144 Abs3
StGG Art9, Art10
VfGG §19 Abs3 Z2 lita
B-VG Art144 Abs3
StGG Art9, Art10
VfGG §19 Abs3 Z2 lita

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. a) Das BG Innsbruck erließ am 4. September 1985 zu Z Hs 1092/85 den folgenden Hausdurchsuchungsbefehl:

"In der Strafsache gegen A A v V, geboren am 20. 12. 1950 in Eindhoven, wohnhaft in M, ..., wegen §§47, 247, 250 und 240 des holländischen Strafgesetzbuches wird die Hausdurchsuchung in den Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten des G M, Innsbruck, ..., sowie Innsbruck, ..., zum Zwecke der Beschlagnahme der Gegenstände, die für das gegenständliche Strafverfahren von Bedeutung sind (Beweisgegenstände), gemäß §139 der österreichischen Strafprozeßordnung angeordnet.

Mit der Durchführung der angeordneten Hausdurchsuchung, Beschlagnahme und Vorerhebungen wird die Bundespolizeidirektion Innsbruck beauftragt.

Von einer der Hausdurchsuchung vorausgehenden Vernehmung dessen, bei dem sie vorgenommen werden soll, ist gemäß §140 Absatz 2 der österreichischen Strafprozeßordnung abzusehen und wolle ihm im Zuge der Amtshandlung eine Ausfertigung dieses Beschlusses ausgehändigt werden.

Das allfällige Beschlagnahmegut ist vorerst in polizeiliche Gewahrsame zu nehmen.

Bei der Amtshandlung ist nach §139 ff. der österreichischen Strafprozeßordnung vorzugehen und die Hausdurchsuchung unter möglichster Schonung des Betroffenen durchzuführen.

Begründung

A A v V ist dringend mehrerer Straftaten, und zwar der Unzucht mit Unmündigen und der Pornographie nach §§47, 247, 250 und 240 des holländischen Strafgesetzbuches verdächtig und ist gegen ihn diesbezüglich beim Landgericht Assen in Holland eine gerichtliche Voruntersuchung eingeleitet worden.

Auf Grund der bisherigen Erhebungen der holländischen Behörden besteht der begründete Verdacht, daß sich in der Wohnung bzw. in den Geschäftsräumlichkeiten des G M in Innsbruck pornographische Videobänder, Filme, Dias und Fotos, die vom Beschuldigten an diesen geliefert wurden und für die genannte Untersuchung von Bedeutung sind, befinden.

Zum Zwecke der Beschlagnahme solcher Beweisgegenstände war die Hausdurchsuchung bei dem Genannten sowie die Beschlagnahme allenfalls vorgefundener Gegenstände anzuordnen.

Von einer vorausgehenden Vernehmung von G M wurde gemäß §140 Abs2 der österreichischen Strafprozeßordnung abgesehen, da sonst die Gefahr bestünde, daß die zu beschlagnahmenden Gegenstände durch ihn verbracht würden."

b) Kriminalbeamte der Bundespolizeidirektion Innsbruck führten am 5. September 1985 zunächst in der Wohnung und sodann in den Geschäftsräumlichkeiten des Bf. eine Hausdurchsuchung durch und beschlagnahmten eine Videokassette (mit - angeblich - pornographischem Inhalt) und einige von den niederländischen Geschäftspartnern an den Bf. gerichtete Briefe, eine "Kinderpornobroschüre", und einen "Zeitungsausschnitt mit zwei mj. nackten Mädchen". Die Bundespolizeidirektion Innsbruck übergab diese Gegenstände dem BG Innsbruck.

2. Die vorliegende, auf Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG gestützte Beschwerde wendet sich gegen diese Maßnahmen. Der Bf. behauptet, die einschreitenden Kriminalbeamten hätten den richterlichen Befehl überschritten; so hätten sie Sachen (insbesondere auch Briefe) beschlagnahmt, die hievon nicht erfaßt gewesen seien; die Beamten hätten Kunden des Bf. aus dem Geschäft gewiesen; sie hätten ihm verwehrt, seinen Rechtsanwalt anzurufen.

Der Bf. behauptet, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit (Art8 StGG), auf Unverletzlichkeit des Hausrechtes (Art9 StGG) und auf Wahrung des Briefgeheimnisses (Art10 StGG) sowie in dem in Art6 litc MRK verankerten Recht, sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten, verletzt worden zu sein.

Er beantragt, diese Rechtsverletzungen kostenpflichtig festzustellen.

3. Die durch die Finanzprokuratur vertretene bel. Beh. (die Bundespolizeidirektion Innsbruck) legte den bezughabenden Verwaltungsakt Z II-3091/85 vor. Sie erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerde kostenpflichtig zurück-, in eventu abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Erfolgt eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme aufgrund eines richterlichen Befehles, so sind die Durchführungsmaßnahmen als Akte der Gerichtsbarkeit nicht vor dem VfGH bekämpfbar.

Unterläuft bei Durchführung einer gerichtlichen Anordnung eine durch diese nicht gedeckte Gesetzwidrigkeit, so bleibt die Hausdurchsuchung oder Beschlagnahme gleichwohl der Akt eines Gerichtes und deshalb einer Überprüfung durch den VfGH entzogen (vgl. zB VfSlg. 6829/1972, 10290/1984).

Das Gericht hat die Hausdurchsuchung zum Zweck der Beschlagnahme "der Gegenstände, die für das gegenständliche Strafverfahren von Bedeutung sind (Beweisgegenstände)" angeordnet. Unter diesem Strafverfahren war das in den Niederlanden gegen v V wegen Verdachtes der Unzucht mit Unmündigen und der Pornografie anhängige gerichtliche Strafverfahren gemeint. Unter dem Begriff "Gegenstände" konnten jedenfalls auch Briefe verstanden werden, zumal Art10 StGG das Briefgeheimnis für den Fall einer gerichtlichen Hausdurchsuchung ausdrücklich aufhebt.

Selbst wenn aufgrund der gerichtlichen Verfügung auch Gegenstände beschlagnahmt worden sein sollten, deren pornografischer Charakter oder sonstiger Zusammenhang mit der Strafsache v V in Zweifel gezogen werden könnte, so würde sich ihre Beschlagnahme noch immer als Durchführung des Gerichtsbeschlusses darstellen. Eine der Bundespolizeidirektion Innsbruck selbst zuzurechnende Überschreitung des richterlichen Befehls läge nämlich nur dann vor, wenn die beschlagnahmten Gegenstände ganz offenkundig nicht von ihm erfaßt wären (vgl. zB VfSlg. 6829/1972). Gerade das trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu. Beim Inhalt der beschlagnahmten Druckwerke und Briefe sowie des Videobandes war jedenfalls auf den ersten Blick die Annahme gerechtfertigt, sie könnten als Beweismittel im erwähnten Strafverfahren dienen. Die endgültige Entscheidung darüber obliegt dem Strafgericht.

Die Durchführung der Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme erfolgte sohin aufgrund eines richterlichen Befehles, sodaß diese Akte solche der Gerichtsbarkeit sind; als solche sind sie einer Überprüfung durch den VfGH entzogen (vgl. zB VfSlg. 10920/1984). Die Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme erfolgten, sind keine selbständig bekämpfbaren Maßnahmen. Welche rechtliche Bedeutung es hätte, wenn die Kriminalbeamten den Bf. gehindert hätten, mit seinem Rechtsanwalt zu telefonieren, braucht nicht erörtert zu werden, weil ein solches, vom Bf. behauptetes Verhalten nicht erwiesen ist.

Wenn daraus, daß der Bf. auch behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden zu sein, die - allerdings nicht näher substantiierte - Behauptung erschlossen werden könnte, daß er verhaftet worden sei, so hat das Verfahren nicht ergeben, daß dies tatsächlich geschehen wäre.

Die Beschwerde war daher insgesamt wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

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