VfGH B717/12

VfGHB717/1222.11.2012

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Kürzung des nach dem Salzburger Mindestsicherungsgesetz gewährten Mindeststandards infolge Anrechnung einer Erfolgsprämie für einen Werkstättenbesuch als Einkommen; Abzug des Wohnkostenanteils mangels Verpflichtung zur Wohnkostentragung nicht gleichheitswidrig

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I 96/2010 Art13 Abs3
Sbg MindestsicherungsG §3 Z6, §5 Abs1, §6 Abs4, §10 Abs3
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I 96/2010 Art13 Abs3
Sbg MindestsicherungsG §3 Z6, §5 Abs1, §6 Abs4, §10 Abs3

 

Spruch:

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Das Land Salzburg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin ist körperlich und geistig behindert, wohnt im Haus ihrer Eltern (Miteigentum der Eltern) und ist von Montag bis Freitag in der Werkstätte "Eichstraße" der Lebenshilfe Salzburg gemeinnützige GmbH beschäftigt. Dafür erhält sie monatlich eine "Erfolgsprämie" in Höhe von € 50,-, wovon € 11,- entsprechend einer Entscheidung der Gemeinschaft der Werkstättenbesucher in eine Gemeinschaftskassa einbezahlt werden.

2. Der Bezirkshauptmann von Salzburg-Umgebung hat der Beschwerdeführerin bescheidmäßig Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in der Höhe von € 288,92 für Dezember 2011 und in weiterer Folge in der Höhe von € 297,97 ab Jänner 2012 zuerkannt. In der zugrundeliegenden Berechnung wurde der Mindeststandard für volljährige Personen in Haushaltsgemeinschaft gemäß §10 Abs1 Z2 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung im Bundesland Salzburg (Salzburger Mindestsicherungsgesetz - MSG), LGBl. 63/2010, (im Folgenden: Sbg. MSG) herangezogen. Auf Grund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin keine Wohnkosten zu tragen habe und in der Werkstätte der Lebenshilfe Salzburg gemeinnützige GmbH wochentags eine Verpflegung in Form eines Mittagessens gewährleistet sei, würden einerseits der im Rahmen der Bedarfsorientieren Mindestsicherung vorgesehene "Wohnbedarf" und andererseits 20 % vom Lebensunterhaltsanteil des Mindeststandards in Abzug gebracht. Darüber hinaus werde die Erfolgsprämie von € 50,-, die für die Beschäftigung in der Werkstätte ausbezahlt würden, als Einkommen in Anrechnung gebracht.

3. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid ergangenen Berufungsentscheidung änderte die Sbg. Landesregierung den erstinstanzlichen Bescheid insofern ab, als der Beschwerdeführerin für den Monat Dezember 2011 ein Geldbetrag von € 310,- und für den Zeitraum ab Jänner 2012 eine monatliche Geldleistung von € 319,72 als Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuerkannt wurden. Dieser Betrag errechne sich aus dem monatlichen Mindeststandard für Lebensunterhalt und Wohnbedarf für volljährige Personen, die mit anderen Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben. Da die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Unterkunft im Hause der Eltern keinen Wohnbedarf im Sinne von §3 Z6 und §10 Abs3 Sbg. MSG habe, sei der Mindeststandard um den Wohnkostenanteil zu vermindern gewesen. Auf Grund der kostenfreien Mittagsverpflegung und damit einer teilweisen Abdeckung der Bedarfsgruppe "Nahrung" durch die Werkstätte der Lebenshilfe Salzburg gemeinnützige GmbH sei ein Abzug von weiteren 20 % des Richtsatzes erfolgt. Hinsichtlich der Anrechnung der monatlichen "Erfolgsprämie" auf den Mindeststandard als Einkommen führt die Sbg. Landesregierung im angefochtenen Bescheid aus, dass die "Erfolgsprämie" keinen in §6 Abs2 Sbg. MSG abschließend angeführten Ausnahmetatbestand erfülle. Das bedeute, dass die monatliche "Erfolgsprämie" vom anerkannten Bedarf in Abzug zu bringen sei.

4. Gegen den Bescheid der Sbg. Landesregierung erhob die Beschwerdeführerin gemäß Art144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und machte die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend.

4.1. Die Sbg. Landesregierung als belangte Behörde habe das Salzburger Mindestsicherungsgesetz insofern denkunmöglich angewendet, als sie dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte: Die Beschwerdeführerin hätte als volljährige Person, die mit anderen volljährigen Personen im gemeinsamen Haushalt lebt, Anspruch auf 75 % des monatlichen Mindeststandards gemäß §10 Abs1 Z2 Sbg. MSG. Dass ihr dabei der Wohnkostenanteil von 25 % in Abzug gebracht werde, weil sie tatsächlich keinen für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete oder Tilgung und Verzinsung von zur Finanzierung des Erwerbs der Errichtung eines Eigenheims aufgenommener Hypothekardarlehen und Abgaben (vgl. §3 Z6 Sbg. MSG) hätte, stelle eine unsachliche Differenzierung im Hinblick auf jene behinderten Menschen, die in einer betreuten Wohngemeinschaft leben würden, dar. Diesen Personen würde nämlich der Wohnkostenanteil nicht in Abzug gebracht. Auch die Eltern der Beschwerdeführerin hätten einen anteilig erhöhten Aufwand an Miete und Betriebskosten, zumal sie auch für eine ausreichend große Wohnungsmöglichkeit für die Beschwerdeführerin zu sorgen hätten. Dementsprechend entstünde nach Ansicht der Beschwerdeführerin in jenen gemeinsamen Haushalten, in denen Eltern ihr behindertes Kind zu Hause betreuen, ein anteilig höherer Aufwand an Miete und Betriebskosten, der durch den Wohnkostenanteil des Mindeststandards abgegolten werden müsste.

4.2. Des Weiteren hätte die Sbg. Landesregierung auch der Bestimmung des §6 Abs2 Z5 Sbg. MSG einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt: Gemäß §6 Abs1 Sbg. MSG sei bei der Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung das Einkommen der Hilfesuchenden unter bestimmten Voraussetzungen anzurechnen. Nicht zum Einkommen würden unter anderem Lehrlingsentschädigungen bis zu einer Höhe von € 150,- für Personen zählen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben (§6 Abs2 Z5 Sbg. MSG). Durch den Abzug der "Erfolgsprämie" in Höhe von € 50,-, welche die Beschwerdeführerin aus der Beschäftigung in der Werkstätte der Lebenshilfe Salzburg gemeinnützige GmbH erhalte, würde die Beschwerdeführerin gegenüber einer gesunden Person, die als Lehrling bis zu € 150,- monatlich verdiene und ebenfalls bei ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt wohne, anders behandelt werden, ohne dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt wäre. Im Sinne einer gleichheitskonformen Interpretation des Gesetzes hätte die belangte Behörde daher die "Erfolgsprämie" nicht vom Mindeststandard im Sinne des §10 Abs1 Z2 Sbg. MSG abziehen dürfen.

5. Die Sbg. Landesregierung als belangte Behörde

legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Bedenken der Beschwerdeführerin entgegentritt:

5.1. Die Beschwerdeführerin wohne unzweifelhaft im Haus ihrer Eltern. Bei erstmaliger Beantragung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung habe sie (vertreten durch ihren Vater) im Antragsformular den Punkt "Mitbewohnerin, dh keine finanzielle Beteiligung an den Miet- bzw. Betriebskosten" angekreuzt. Aus diesem Grund wäre der Beschwerdeführerin kein Wohnbedarfsanteil im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuerkannt worden. Im Berufungsverfahren vor der Sbg. Landesregierung hätte die Beschwerdeführerin ein Schriftstück vorgelegt, welches mit "Mietvertrag" betitelt gewesen wäre und eine monatlich von Seiten der Beschwerdeführerin an deren Mutter zu bezahlende Miete in Höhe von € 250,- auswies. Die Sbg. Landesregierung gelangte im Rahmen der Beweiswürdigung zur Auffassung, dass es sich bei diesem Schriftstück um einen "Scheinmietvertrag" handelte und die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht zur Tragung von Wohnkosten verpflichtet gewesen sei und daher kein Mietaufwand bestanden habe. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes sei daher bei bescheidmäßigem Abzug des Wohnbedarfs nicht erfolgt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung auch eines Wohnbedarfs im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht vorgelegen wären.

5.2. Nach Ansicht der Sbg. Landesregierung sei die Berücksichtung der Werkstättenprämie der Lebenshilfe als Einkommen bei der Berechnung des Mindeststandards zu Recht erfolgt, weil zwischen der Werkstättenprämie und der Lehrlingsentschädigung Unterschiede im Tatsächlichen vorlägen:

Der Landesgesetzgeber bezwecke mit dem Freibetrag für Lehrlingsentschädigungen in Höhe von € 150,-, für minderjährige Kinder aus Familien mit mindestsicherungsbeziehenden Eltern einen Anreiz zur Absolvierung einer Ausbildung zu schaffen, damit die Kinder daher perspektivisch nicht vom Erhalt öffentlicher Mittel abhängig seien. Mit der Beschäftigung der Beschwerdeführerin in der Werkstätte würden keine ökonomischen Interessen verfolgt, sondern die Tagesbetreuung und -strukturierung stünde im Mittelpunkt. Da die Kostentragung für die Einrichtung der Lebenshilfe Salzburg gemeinnützige GmbH überwiegend (die Beschwerdeführerin habe lediglich 20 % des bezogenen Pflegegeldes einzusetzen) durch das Land Salzburg erfolge, würden auch mittelbar die "Erfolgsprämien" durch öffentliche Mittel finanziert. Eine Anrechnung der "Erfolgsprämie" als Einkommen ohne Berücksichtigung eines Freibetrags wie bei Lehrlingsentschädigungen erfolge daher aus unterschiedlichen rechtspolitischen Interessen und begegne somit nach Ansicht der Sbg. Landesregierung keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken.

II. Rechtslage

1. Art13 Abs1 und 3 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung (im Folgenden: Mindestsicherungsvereinbarung), BGBl. I 96/2010, lautet:

"Artikel 13

Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln

(1) Bei der Bemessung von Leistungen nach den Art10 bis 12 sollen die zur Deckung der eigenen Bedarfe (bzw. jener der nach Art4 Abs2 zugehörigen Personen) zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, Einkünfte und verwertbares Vermögen berücksichtigt werden. Zu den Leistungen Dritter zählt auch jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw. des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin, der den für diese Person nach Art10 Abs3 Z1 lita vorgesehenen Mindeststandard übersteigt.

(2) [...]

(3) Folgende Einkünfte dürfen im Rahmen des Abs1

nicht berücksichtigt werden:

1. Freiwillige Zuwendungen der freien

Wohlfahrtspflege oder Leistungen, die von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, außer diese erreichen jeweils ein Ausmaß oder eine Dauer, dass keine Leistungen nach den Art10 bis 12 mehr erforderlich wären;

2. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich) und Kinderabsetzbeträge (§33 Abs4 Z3 lita EStG 1988);

3. Pflegegeld nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften oder andere pflegebezogene Geldleistungen.

(4) [...]

[...]"

2. Die maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes vom 7. Juli 2010 über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung im Bundesland Salzburg (Salzburger Mindestsicherungsgesetz - MSG), LGBl. 63/2010, lauten:

"Grundsätze

§2

(1) Auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung besteht ein Rechtsanspruch, soweit im

3. Abschnitt nicht Anderes bestimmt ist; auf die Zusatzleistungen nach dem 4. Abschnitt besteht kein solcher Anspruch.

(2) Die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind subsidiär. Soweit im Folgenden nicht Anderes bestimmt ist, sind die Leistungen vom Fehlen einer ausreichenden Deckung des jeweiligen Bedarfs durch eigenes Einkommen oder Vermögen oder durch Leistungen Dritter einschließlich des Bundes oder anderer Staaten sowie von der Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig.

(3) Die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind in der Form zu erbringen, die die zu erzielende Wirkung auf die kostengünstigste, wirtschaftlichste und zweckmäßigste Weise erreichen lässt.

(4) Die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind so zu wählen, dass sie den Hilfesuchenden so weit wie möglich befähigen, von weiterer Hilfe unabhängig zu werden oder zumindest zur Beseitigung seiner Armut oder sozialen Ausschließung beizutragen.

(5) Bei der Planung von Maßnahmen nach diesem Gesetz sind die gesellschaftlichen Entwicklungen und örtlichen Gegebenheiten sowie die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern zu berücksichtigen.

Begriffsbestimmungen

§3

Im Sinn dieses Gesetzes bedeuten die Begriffe:

1. [...]

6. Wohnbedarf: der für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderliche regelmäßig wiederkehrende Aufwand für:

a) Miete oder Tilgung und Verzinsung von zur Finanzierung des Erwerbs oder der Errichtung des Eigenheims aufgenommener Hypothekardarlehen,

b) allgemeine Betriebskosten und

c) Abgaben;

7. [...]

[...]

Berücksichtigung von Leistungen Dritter

§5

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten

Mindestsicherung sind nur soweit zu erbringen, als der Bedarf der Hilfe suchenden Personen für den Lebensunterhalt, den Wohnbedarf und den Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist. Dabei haben freiwillige Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen, die von Dritten ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, außer Betracht zu bleiben, es sei denn, sie sind nach Abs2 anzurechnen oder erreichen ein Ausmaß oder eine Dauer, dass keine Leistungen nach diesem Gesetz mehr erforderlich sind.

(2) Zu den Leistungen Dritter zählt auch das Einkommen der Personen, die mit der Hilfe suchenden Person in Bedarfsgemeinschaft leben, ausgenommen Kinder, soweit es den für diese Personen nach diesem Gesetz maßgeblichen Bedarf übersteigt. Dabei wird bei Hilfesuchenden, die mit anderen Personen im gemeinsamen Haushalt leben, das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft vermutet; das Nicht-Vorliegen einer solchen ist von der Hilfe suchenden Person glaubhaft zu machen.

(3) Hilfesuchende haben Ansprüche, bei deren

Erfüllung Leistungen nach diesem Gesetz nicht oder nicht im erhaltenen Ausmaß erforderlich wären, zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich unmöglich oder unzumutbar ist. Solange die Hilfe suchende Person alle gebotenen Handlungen zur Durchsetzung solcher Ansprüche unternimmt, dürfen ihr die zur unmittelbaren Bedarfsdeckung erforderlichen Leistungen weder verwehrt, gekürzt oder entzogen werden.

Einsatz des Einkommens

§6

(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist das Einkommen der Hilfesuchenden nach Maßgabe der folgenden Absätze zu berücksichtigen. Zum Einkommen zählen alle Einkünfte sowie eine allfällig gewährte (erweiterte) Wohnbeihilfe gemäß den Salzburger Wohnbauförderungsgesetzen.

(2) Nicht zum Einkommen zählen:

1. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, außer es handelt sich um Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich (§38j FLAG 1967);

2. Kinderabsetzbeträge (§33 Abs4 Z3 lita EStG 1988);

3. Pflegegelder nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften und andere pflegebezogene Geldleistungen für die Hilfe suchende Person;

4. Einkünfte aus Ferialbeschäftigungen;

5. Lehrlingsentschädigungen für Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen volljährigen Person im gemeinsamen Haushalt leben, bis zu einer Höhe von 150 €.

(3) Auf Grund einer Unterhaltsverpflichtung zu

leistende Zahlungen sind bei der Bemessung des Einkommens der Hilfe suchenden Person bis zur Grenze des Unterhaltsexistenzminimums gemäß §291b EO in Abzug zu bringen.

(4) Hilfesuchenden, die ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielen, ist für die damit verbundenen Aufwendungen ein Freibetrag einzuräumen. Dieser beträgt je nach Ausmaß der Beschäftigung in Prozent des Mindeststandards für Alleinstehende oder Alleinerziehende (§10 Abs1 Z1):

  1. 1. bei einer Beschäftigung bis zu 20 Wochenstunden

    9 %;

  1. 2. bei einer Beschäftigung über 20 Wochenstunden

    18 %.

Hilfe für den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf

§10

(1) Der monatliche Mindeststandard für die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs beträgt:

1. für Alleinstehende oder Alleinerziehende

744,01 €;

2. für Ehegatten, eingetragene Partner, in Lebensgemeinschaft lebende Personen oder volljährige Personen, die mit anderen Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben, je Person:

75 % des Betrages gemäß Z1;

[...]

(2) Die Mindeststandards nach Abs1 gebühren zwölfmal pro Jahr. Zusätzlich ist für minderjährige Personen gemäß Abs1 Z3 in den Monaten März, Juni, September und Dezember eine Sonderzahlung in Höhe von 50 % des Mindeststandards gemäß Abs1 Z3 zu gewähren, soweit diese am Stichtag der Sonderzahlung bereits seit mindestens drei Monaten Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen haben. Allfällige

13. und 14. Monatsbezüge minderjähriger Personen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind auf diese Sonderzahlung anzurechnen.

(3) Von den Mindeststandards gemäß Abs1 Z1 und 2

beträgt der Anteil zur Deckung des Wohnbedarfs 25 % (Wohngrundbetrag). Besteht kein oder ein geringerer Wohnbedarf oder ist dieser anderweitig gedeckt, sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25 %.

(4) Der Mindeststandard nach Abs1 Z1 verändert sich jährlich um den gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende nach §293 Abs1 ASVG. Die jährlichen Anpassungen erfolgen auf der Grundlage des Betrages, der sich aus der Anpassung für den Vorzeitraum ergeben hat, und werden jeweils mit 1. Jänner wirksam. Die Landesregierung hat die sich daraus ergebenden Mindeststandards gemäß Abs1 im Landesgesetzblatt kundzumachen."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Sbg. Landesregierung als belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bezug auf den Abzug des Wohnkostenanteils vom gewährten Mindeststandard den hier anwendbaren Rechtsvorschriften des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat:

2.1. §3 Z6 Sbg. MSG versteht unter Wohnbedarf den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete oder Tilgung und Verzinsung von zur Finanzierung des Erwerbs oder der Errichtung des Eigenheims aufgenommener Hypothekardarlehen, allgemeine Betriebskosten und Abgaben. §10 Abs3 zweiter Satz leg.cit. besagt, dass in jenen Fällen, in denen kein oder ein geringerer Wohnbedarf besteht oder dieser anderweitig gedeckt ist, die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren sind, höchstens jedoch um 25 %. Diese gesetzlichen Bestimmungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich, weil der Bezug von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf die individuelle Lebenssituation der Hilfe suchenden Person abstellt und daher der Lebensunterhalt und der Wohnbedarf nach den persönlichen Bedürfnissen zu bemessen ist. Die belangte Behörde, die in Vollziehung des §3 Z6 iVm §10 Abs3 zweiter Satz Sbg. MSG nach Qualifikation eines vorgelegten Schriftstückes als "Scheinmietvertrag" und nach Feststellung, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht zur Tragung von Wohnkosten verpflichtet ist, den Wohnkostenanteil vom gewährten Mindeststandard in Abzug gebracht hat, hat die Beschwerdeführerin insoweit nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3. Hinsichtlich der Berücksichtung der

"Erfolgsprämie", welche die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Beschäftigung in der Werkstätte der Lebenshilfe Salzburg gemeinnützige GmbH erhält, als Einkommen bei der Berechnung des Mindeststandards ist der belangten Behörde ein Verstoß gegen den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz zur Last zu legen:

3.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB

VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3.2. Die Sbg. Landesregierung führt in ihrer Gegenschrift aus, dass der Landesgesetzgeber mit Verankerung eines Freibetrags für Lehrlingsentschädigung in Höhe von € 150,- (vgl. §6 Abs2 Z5 Sbg. MSG) bestimmte rechtspolitische Interessen verfolge, die in Bezug auf ausbezahlte "Erfolgsprämien" von Behindertenwerkstätten nicht vorlägen und daher diese Einkommensart zulässigerweise ohne Berücksichtigung eines Freibetrags in Abzug zu bringen wären.

Der Sbg. Landesgesetzgeber kann aus verfassungsrechtlicher Sicht durch Verankerung eines Freibetrags für Lehrlingsentschädigung bestimmte Ziele verfolgen und die Schaffung eines Anreizes für die Absolvierung einer Ausbildung durch minderjährige Kinder aus mindestsicherungsbeziehenden Familien bezwecken. Das Salzburger Mindestsicherungsgesetz stellt in diesem Punkt eine im Vergleich zur Regelung des Art13 Abs3 der Mindestsicherungsvereinbarung günstigere Regelung über die Anrechnung von Einkommen dar.

Das Salzburger Mindestsicherungsgesetz sieht jedoch auch in §6 Abs4 eine Begünstigung bei der Berücksichtigung von Einkommen vor, indem Hilfesuchenden, die ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielen, für die damit verbundenen Aufwendungen ein Freibetrag eingeräumt wird, welcher sich nach zwei unterschiedlichen Prozentsätzen des Mindeststandards für Alleinstehende oder Alleinerziehende (§10 Abs1 Z1 Sbg. MSG) errechnet. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung besagen u. a., dass dieser Freibetrag für erwerbstätige Leistungsbezieher und -bezieherinnen jene Arbeitsanreize schaffen soll, die vielfach für eine erfolgreiche (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt notwendig oder zumindest aber hilfreich sind (Nr. 687 der Beilagen StenProt. des Sbg. Landtages; 2. Session der 14. GP). Die Sbg. Landesregierung als belangte Behörde hat es bei Erlassung des angefochtenen Bescheides unterlassen, das Vorliegen der Voraussetzungen des §6 Abs4 Sbg. MSG in Bezug auf die Beschwerdeführerin und die von ihr bezogene "Erfolgsprämie" zu prüfen, sondern hat lediglich in Vollziehung des §6 Abs1 Sbg. MSG die "Erfolgsprämie" in voller Höhe von € 50,- (obwohl lediglich € 39,- an die Beschwerdeführerin ausbezahlt werden) als Einkommen in Abzug gebracht.

Im Übrigen hat es die Sbg. Landesregierung

unterlassen, näher zu prüfen, ob diese Angelegenheit überhaupt auf Grund des §5 Abs1 zweiter Satz Sbg. MSG zur Gänze ausgenommen ist, weil es sich möglicherweise um eine Leistung Dritter handelt, die gar nicht als Einkommen qualifiziert werden darf.

Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin daher bei Erlassung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Anrechnung der "Erfolgsprämie" als Einkommen durch Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde, war der Bescheid aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-

sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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