Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ABGB §183 Abs1
AdelsaufhebungsG §1
IPR-G §13 Abs1
PStG §15
Vollzugsanweisung zum AdelsaufhebungsG. StGBl 237/1919 §2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ABGB §183 Abs1
AdelsaufhebungsG §1
IPR-G §13 Abs1
PStG §15
Vollzugsanweisung zum AdelsaufhebungsG. StGBl 237/1919 §2
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der 1941 als Erwin Karl G geborene Beschwerdeführer, ein österreichischer Staatsbürger, wurde 1994 in den USA von der deutschen Staatsangehörigen Anneliese Maria Edeltraut Luise Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen adoptiert und führte seither den Namen Ernst Albert Edward Philipp Ferdinand Erwin Karl Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzog zu Sachsen. Dieser Name wurde im Geburtenbuch registriert; auch ein Staatsbürgerschaftsnachweis und ein Reisepass lauten auf diesen Namen.
2.1. Aus Anlass einer im Zusammenhang mit einer Adoption durch den Beschwerdeführer gestellten namensrechtlichen Anfrage durch die österreichische Botschaft Madrid wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 21.1.2002 der von der amerikanischen Behörde festgelegte Name des Beschwerdeführers gemäß §15 Abs3 Personenstandsgesetz von Amts wegen berichtigt - der Familienname in:
Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen; die Vornamen in: Erwin Karl.
2.2. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres - aufgrund eines Devolutionsantrags - mit Bescheid vom 24.2.2003 als unbegründet ab. Begründend wird in diesem Bescheid ausgeführt, dass sich die Rechtswirkungen einer Adoption im Sinne des §26 des Internationalen Privatrechtsgesetzes (IPRG) zwar nach dem Personalstatut des Annehmenden richten, der Name einer Person jedoch - auch im Falle einer Adoption - gemäß §13 Abs1 IPRG nach dem jeweiligen Personalstatut zu beurteilen sei. Da gemäß §9 Abs1 IPRG das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates ist, dem die Person angehört, sei die Frage der Namensführung nach österreichischem Recht zu beurteilen.
Die Führung von Adelsbezeichnungen, Titeln und Würden sei in Österreich durch das Adelsaufhebungsgesetz untersagt; ein österreichischer Staatsbürger könne jedoch auf Grund einer rechtswirksamen Adoption durch eine deutsche Staatsangehörige, die eine frühere Adelsbezeichnung gemäß Art109 Abs3 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung als Bestandteil des Familiennamens führt, diesen Namen gemäß §13 Abs1 IPRG iVm. §183 Abs1 ABGB als Familiennamen führen. Die Regeln des österreichischen Rechts für den Erwerb eines Familiennamens gehen vom Familiennamen der Person aus, von der der Familienname abgeleitet wird; die österreichische Rechtsordnung kenne bei dieser Ableitung keine unterschiedlichen Regelungen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG), des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK), und des "Diskriminierungsverbotes (Art14 EMRK, Art12 EGV = früher Art6 EGV)" sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
II. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebenden Rechtsvorschriften lauten:
1. §15 Personenstandsgesetz, BGBl. Nr. 60/1983, lautet auszugsweise:
"Berichtigung
§15. (1) Eine Beurkundung ist zu berichtigen, wenn sie bereits zur Zeit der Eintragung unrichtig gewesen ist.
(2) Die Personenstandsbehörde hat selbst zu berichtigen
1. offenkundige Schreibfehler;
2. Angaben, die auf einer Eintragung in einem inländischen Personenstandsbuch beruhen, die berichtigt worden ist;
3. Angaben, deren Unrichtigkeit durch inländische Personenstandsurkunden nachgewiesen ist;
4. im Geburtenbuch die Angaben über den Wohnort, den Tag, den Ort und die Eintragung der Geburt der Eltern sowie über ihre Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft;
5. im Ehebuch die Angaben über den Wohnort, den Tag, den Ort und die Eintragung der Geburt der Verlobten sowie über ihre Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft; die Angaben über die Zeugen;
6. im Sterbebuch und im Buch für Todeserklärungen die Angaben über den letzten Wohnort, den Tag, den Ort und die Eintragung der Geburt des Verstorbenen sowie über seine Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft; bei Totgeburten alle Angaben.
(3) Kann eine Beurkundung nicht nach Abs2 berichtigt werden, hat über die Berichtigung die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag einer Partei (Abs7) oder von Amts wegen zu entscheiden.
(4) - (7) ..."
2. §§9 Abs1 und 13 Abs1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPR-Gesetz), BGBl. Nr. 304/1978, lauten:
"Personalstatut einer natürlichen Person
§9. (1) Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht."
"Name
§13. (1) Die Führung des Namens einer Person ist nach deren jeweiligem Personalstatut zu beurteilen, auf welchem Grund auch immer der Namenserwerb beruht."
3. §183 Abs1 ABGB, JGS Nr. 946/1811 idF BGBl. Nr. 25/1995, lautet:
§183. (1) Wird das Wahlkind nur von einer Person an Kindesstatt angenommen und erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen zum anderen Elternteil im Sinn des §182 Abs2 zweiter Satz, so erhält das Wahlkind den Familiennamen des Annehmenden. Die §§162a Abs2 bis 162d gelten entsprechend."
4. §1 des - im Verfassungsrang stehenden - Gesetzes vom 3. April 1919 über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 211/1919 idF BGBl. Nr. 1/1920, (Adelsaufhebungsgesetz), lautet:
"§1. Der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger werden aufgehoben."
§2 der - auf dem Adelsaufhebungsgesetz beruhenden - Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 18. April 1919, über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 237/1919, lautet:
"§2. Durch §1 des Gesetzes vom 3. April 1919, St.G.Bl. Nr. 211, sind aufgehoben:
1. das Recht zur Führung des Adelszeichens 'von';
2. das Recht zur Führung von Prädikaten, zu welchen neben den zugestandenen die Familien unterscheidenden Adelsprädikaten im engeren Sinne auch das Ehrenwort Edler sowie die Prädikate Erlaucht, Durchlaucht und Hoheit gezählt wurden;
3. das Recht zur Führung hergebrachter Wappennamen und adeliger Beinamen;
4. das Recht zur Führung der adeligen Standesbezeichnungen, wie z.B. Ritter, Freiherr, Graf und Fürst, dann des Würdetitels Herzog, sowie anderer einschlägiger in- und ausländischer Standesbezeichnungen;
5. das Recht zur Führung von Familienwappen, insbesondere auch der fälschlich 'bürgerlich' genannten Wappen, sowie das Recht zur Führung gewisser ausländischer, an sich nicht immer mit einem Adelsvorzuge verbundener Titel, wie z.B. Conte, Conta Palatino, Marchese, Marchio Romanus, Comes Romanus, Baro Romanus etc., selbst wenn es nichtadeligen Familien zukam."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Kern damit, dass auf den vorliegenden Fall gemäß §13 Abs1 IPRG österreichisches Recht anzuwenden sei und der Beschwerdeführer somit gemäß §183 Abs1 ABGB den Familiennamen seiner Adoptivmutter erhalte.
Da das österreichische Recht bei der Ableitung des Familiennamens keine unterschiedlichen Regelungen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts kenne, habe der Beschwerdeführer den Familiennamen seiner Wahlmutter als solchen - "Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin zu Sachsen" - zu übernehmen.
2.1. Gemäß §1 des Adelsaufhebungsgesetzes vom 3.4.1919 wird "der Adel … österreichischer Staatsbürger … aufgehoben". §2 Z4 der aufgrund dieses Gesetzes im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang - am 18.4.1919 - erlassenen Vollzugsanweisung präzisiert diese Bestimmung dahingehend, dass "das Recht zur Führung der adeligen Standesbezeichnungen, … sowie anderer einschlägiger in- und ausländischer Standesbezeichnungen" aufgehoben ist. Da das Adelsaufhebungsgesetz nur für österreichische Staatsbürger gilt, wurde in der Literatur der Schluss gezogen, dass mit den "anderen einschlägigen ausländischen Standesbezeichnungen" wohl nur "die gleichlautenden Standesbezeichnungen in Deutschland wie Ritter, Freiherr, Graf, Prinz, Fürst oder Herzog gemeint sein [konnten] …, die früher deutsche (…) Staatsbürger nach der Erlangung der österr. Staatsbürgerschaft zu führen beabsichtigten" (Brunner, 50 Jahre Aufhebung des Adels in Österreich, JBl. 1969, 139 ff.). Die Adelsführung steht gemäß §2 Adelsaufhebungsgesetz unter Strafdrohung, damit sei ein "verfassungs- und verwaltungsrechtliches Unikum" eingeführt worden.
2.2. Im Gegensatz dazu wurde in Art109 Abs3 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919 normiert, dass Adelsbezeichnungen nur mehr als Teil des Namens gelten und nicht mehr verliehen werden dürfen.
2.3. Diese Unterscheidung wurde in Österreich nach 1945 durch das Bundesministerium für Inneres dahingehend beachtet, dass ehemalige deutsche Staatsangehörige, die gemäß Art109 der Weimarer Reichsverfassung ihre ehemaligen Adelstitel als Bestandteil ihres Namens führten, nach Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft nur mehr ihren Familiennamen - ohne die ehemalige Adelsbezeichnung - führen durften. Diese Personen sollten sich demnach im Sinne der Vollzugsanweisung in Hinkunft einer Nenn- und Schreibweise ihres Familiennamens bedienen, die sich in ihrer Zusammensetzung von jener der übrigen Staatsbürger nicht mehr unterscheide; sie hätten also nur ihren Vornamen und ihren Zunamen (Geschlechtsnamen) zu führen. Der Adel österreichischer Staatsbürger sei nicht nur als Vorzug, sondern auch als bloßer Teil des Familiennamens aufgehoben worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hob mehrere dieser Bescheide auf; die ehemaligen reichsdeutschen Adelsbezeichnungen seien den Bestimmungen des Adelsaufhebungsgesetzes dann nicht unterworfen, wenn der Namensträger - ein ehemaliger adeliger deutscher Staatsangehöriger - erst nach dem Inkrafttreten des Art109 der Weimarer Reichsverfassung die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hat (VwSlg. 3476 A/54 ua.).
Mit der Frage der Namensführung eines österreichischen Staatsbürgers nach Adoption durch eine deutsche Staatsangehörige, die einen ehemaligen Adelstitel als Familiennamen führt, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof soweit ersichtlich noch nicht zu beschäftigen.
3.1. Im vorliegenden Fall ist der Verfassungsgerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, dass es sich beim Familiennamen der Annehmenden, einer deutschen Staatsangehörigen, um eine ehemalige Adelsbezeichnung handelt, die in Deutschland gemäß Art109 Abs3 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung als Teil des bürgerlichen Namens gilt.
Da es sich beim Wahlkind jedoch um einen (seit seiner Geburt) österreichischen Staatsbürger handelt, ist der belangten Behörde beizutreten, wenn sie der Auffassung ist, dass österreichisches Recht zur Anwendung kommt (§13 Abs1 IPRG). Die Behörde hat bei Erlassung des Bescheides und Anwendung des §183 Abs1 ABGB (wonach das Adoptivkind den Namen des bzw. der Annehmenden erhält) jedoch maßgebliche Verfassungsnormen übersehen:
3.2. Nach dem im Verfassungsrang stehenden und den Gleichheitsgrundsatz diesbezüglich ausführenden Adelsaufhebungsgesetz ist es unzulässig, ein (ehemaliges) Adelsprädikat - sei es "Prinzessin" oder, wie der Beschwerdeführer begehrt, "Prinz" - im Wege einer Adoption durch eine deutsche Staatsangehörige, die das Adelsprädikat zulässigerweise als Teil des Namens trägt, einem österreichischen Staatsbürger als Name weiterzugeben. Österreichische Staatsbürger sind nach diesem Verfassungsgesetz nämlich auch nicht berechtigt, Adelstitel ausländischen Ursprungs zu führen (vgl. Kolonovits, in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, AdelsaufhG §§1, 4, Rz. 8, mwH).
3.3. Da es die belangte Behörde aber unterlassen hat, das Adelsaufhebungsgesetz bei der Anwendung des §183 Abs1 ABGB entsprechend zu beachten, hat sie damit der den Bescheid tragenden Norm einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.
Der Bescheid war deshalb wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.
IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- sowie der Ersatz der gemäß §17a VfGG entrichteten Eingabengebühr im Betrag von € 180,-- enthalten.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)