Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom
7. September 2000 wurde einer Kommanditgesellschaft die
gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb
einer Tiefgarage erteilt. Gegen diese Bewilligung erhob unter anderem
die nunmehrige Beschwerdeführerin als Nachbar iSd §75 Abs2 GewO 1994
Berufung und stellte sodann mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2000 den
Antrag, "der ... am 2.10.2000 eingebrachten Berufung gegen den
Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, ... vom 7.9.2000, GZ MBA
4/5-Ba 11743/99 mit gesondertem, verfahrensrechtlichen Bescheid gemäß §78 Abs1 GewO aufschiebende Wirkung zuzuerkennen".
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. November 2000 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß nach dem klaren Wortlaut des §78 Abs1 GewO 1994 eine Antragslegitimation der Nachbarn auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der eingebrachten Berufung nicht vorgesehen sei.
Der dagegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erhobenen Berufung blieb der Erfolg versagt: Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies der Bundesminister die Berufung "als unzulässig ab": Wie aus der Regelung des §78 Abs1 dritter Satz GewO 1994 hervorgehe, habe die Behörde die Inanspruchnahme des Betriebsrechtes nur dann auszuschließen, wenn das Arbeitsinspektorat gegen den Genehmigungsbescheid berufen habe und aus der Berufungsbegründung eindeutig hervorgehe, daß aufgrund der besonderen Situation im Einzelfall trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Arbeitnehmern zu erwarten sei. Bei dieser Bestimmung handle es sich demnach um eine arbeitnehmerschutzrechtliche Regelung, nicht jedoch um eine Regelung, die dem Nachbarschutz dienen soll.
2. Aus Anlaß der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolgen "das Arbeitsinspektorat gegen den Genehmigungsbescheid berufen hat und", "des Arbeitsinspektorates" und "von Arbeitnehmern" im letzten Satz des §78 Abs1 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G319/01, hob er diese Gesetzesstellen wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip als verfassungswidrig auf.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
Die Beschwerdeführerin ist also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden (VfSlg. 10.404/1985, VfGH 10.6.1999, B622/98).
Der Bescheid war daher gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.
Der Kostenzuspruch stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag sind Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- und eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 181,68 enthalten.
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