VfGH B47/09

VfGHB47/091.12.2009

Keine Verletzung der Erwerbsausübungs- und Meinungsäußerungsfreiheit durch Versagung der Genehmigung für die Änderung des Firmenwortlauts einer Rechtsanwälte OEG; keine Verfassungswidrigkeit der Beschränkungen der Namensgebung von Rechtsanwaltsgesellschaften in der Rechtsanwaltsordnung

Normen

StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art10
RAO §1b Abs1
UGB §17 ff
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art10
RAO §1b Abs1
UGB §17 ff

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Antrag vom 22. Jänner 2007 erstattete die

L Rechtsanwälte OEG eine Änderungsmeldung an den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (im Folgenden: RAK Wien), wonach eine Änderung des Firmenwortlauts in "L Eversheds Rechtsanwälte OG" beabsichtigt sei. Am 20. März 2007 fand eine Anhörung durch den Ausschuss der RAK Wien statt. Mit Bescheid des Ausschusses der RAK Wien vom 22. Mai 2007 wurde die beantragte Änderungsmeldung nicht genehmigt.

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom 8. September 2008 keine Folge gegeben. Begründend wird ausgeführt, dass es sich bei dem beantragten Firmenbestandteil "Eversheds" weder um den Namen einer Person eines Gesellschafters, der Rechtsanwalt ist, oder eines ehemaligen Rechtsanwaltes, der auf die Rechtsanwaltschaft verzichtet hat und im Zeitpunkt der Verzichtleistung Gesellschafter war oder dessen als Rechtsanwalts-Gesellschaft oder Einzelunternehmen geführte Kanzlei von der Gesellschaft fortgeführt wird, noch um einen zulässigen Sachbestandteil handle.

2. Gegen diesen Bescheid der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die OBDK hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. 1. §1b Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868 idF BGBl. I 164/2005, (im Folgenden: RAO) lautet:

"§1b. (1) Die Firma oder die Bezeichnung einer Rechtsanwalts-Gesellschaft darf nur die Namen eines oder mehrerer der folgenden Personen enthalten: eines Gesellschafters, der Rechtsanwalt im Sinn des §21c Z1 lita ist, oder eines ehemaligen Rechtsanwalts, der auf die Rechtsanwaltschaft verzichtet hat und im Zeitpunkt der Verzichtleistung Gesellschafter war oder dessen als Rechtsanwalts-Gesellschaft oder Einzelunternehmen geführte Kanzlei von der Gesellschaft fortgeführt wird. Die Namen anderer Personen dürfen in die Firma nicht aufgenommen werden. §12 Abs1 EuRAG, BGBl. I Nr. 27/2000, gilt sinngemäß. Als Sachbestandteil ist nur ein Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufzunehmen. An die Stelle der Bezeichnung 'offene Gesellschaft' kann die Bezeichnung 'Partnerschaft' oder - sofern die Firma nicht die Namen aller Gesellschafter enthält - der Zusatz 'und (&) Partner', an die Stelle der Bezeichnung 'Kommanditgesellschaft' kann die Bezeichnung 'Kommandit-Partnerschaft' treten.

(2) ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet zunächst die Verfassungswidrigkeit des §1b Abs1 RAO wegen Verletzung der auch den Gesetzgeber bindenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

1.2. Nach Art10 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst. Art10 Abs2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind.

Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (s. zB EGMR 26.4.1979, Fall Sunday Times, EuGRZ 1979, 390; 25.3.1985, Fall Barthold, EuGRZ 1985, 173), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art10 Abs2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl. VfSlg. 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 und 16.555/2002).

1.3. Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Freiheit der Erwerbsbetätigung zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, dass Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (s. etwa VfSlg. 13.704/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.024/2000 und 16.734/2002).

1.4. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles aus folgenden Gründen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die genannte Bestimmung:

Der Zweck des §1b Abs1 RAO besteht darin, nur die Namen jener Person als Namensfirmen einer Rechtsanwalts-Gesellschaft zuzulassen, die als Rechtsanwälte Gesellschafter sind, als Gesellschafter auf die Rechtsanwaltschaft verzichtet haben oder deren Kanzlei von der Gesellschaft fortgeführt wird. Als Sachbestandteil ist nur ein Hinweis auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft aufzunehmen. So wird sichergestellt, dass die Allgemeinheit wahrheitsgemäß über den Gegenstand des Unternehmens und darüber informiert wird, wer im gegebenen Fall die Befähigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft innehat bzw. innehatte. Der Gesetzgeber trifft einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Rechtsanwalts-Gesellschaft an der freien Firmenbildung und dem Interesse der Allgemeinheit daran, wahrheitsgemäß über die Rechtsanwalts-Gesellschaft informiert zu werden. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Firmenbildung bei Rechtsanwalts-Gesellschaften von den allgemeinen Regeln der Firmenbildung der §§17 ff des Bundesgesetzes über besondere zivilrechtliche Vorschriften für Unternehmen (UGB) abzuweichen, auf einen Personenbezug der Firmenbezeichnung abzustellen und ausschließlich jene Zusätze für zulässig zu erklären, die auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft hinweisen. Da eine Rechtsanwalts-Gesellschaft durch die in Rede stehende Norm nicht gehindert ist, auf internationale Kooperationen in jeder anderen standesrechtlich zulässigen Weise hinzuweisen, ist ferner nicht erkennbar, dass die bekämpfte Regelung unverhältnismäßig sei.

Da die Regelungen über die Firmenbildung von Rechtsanwalts-Gesellschaften somit nach Auffassung des Gerichtshofes im öffentlichen Interesse liegen, sachlich gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig sind, stellen sie keine unverhältnismäßige Einschränkung der Freiheit der Erwerbsbetätigung oder des Rechtes auf freie Meinungsäußerung dar (vgl. VfSlg. 18.062/2007).

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde daher nicht in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen verletzt.

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich darüber hinaus durch den bekämpften Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Meinungsäußerung und Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt. Begründend führt sie aus, dass es sich bei dem mit "Eversheds International" gegründeten Netzwerk international tätiger Anwaltskanzleien um keine verbotene Sternsozietät handle und daher auch die Aufnahme der Fantasiebezeichnung "Eversheds" in die Firma zulässig sein müsse. Eine verfassungskonforme Interpretation des §1b Abs1 RAO müsse zu dem Ergebnis führen, dass die Verwendung der (nicht irreführenden) Fantasiebezeichnung "Eversheds" in der Firma der beschwerdeführenden Gesellschaft zulässig sei. Diese Ansicht würde dadurch bestätigt werden, dass anderen Rechtsanwaltskanzleien die Aufnahme von Fantasiebezeichnungen in ihre Firmen gestattet worden sei. Darüber hinaus stünde eine Einschränkung der Firmenbildung nicht im öffentlichen Interesse.

2.1. Ein Verwaltungsakt, der in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung eingreift, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann verfassungswidrig, wenn ein verfassungsmäßiges Gesetz denkunmöglich angewendet wurde (VfSlg. 3762/1960, 6166/1970, 6465/1971). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung liegt auch vor, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - hier also: die besonderen Schranken des Art10 EMRK missachtenden - Inhalt unterstellt (VfSlg. 10386/1985, 10700/1985, 12086/1989).

2.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen Bescheid verletzt, wenn dieser einem Staatsbürger den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt, ohne dass ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.470/1997, 15.449/1999; vgl. auch VfSlg. 15.431/1999).

2.3. Der belangten Behörde kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschrift davon ausgeht, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft angestrebte Firma den im Gesetz genannten Erfordernissen nicht entspricht, weil es sich bei dem Begriff "Eversheds" weder um einen gemäß §1b Abs1 1. und 2. Satz RAO zulässigen Namen, noch um einen gemäß §1b Abs1 4. Satz RAO zulässigen Sachbestandteil einer Firma handelt. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich eindeutig, dass eine Fantasiebezeichnung nicht zulässig ist (vgl. RV 1638 BlgNR

20. GP, 14; RV 59 BlgNR 21. GP, 22). Schließlich ist auch aus dem Beschwerdevorbringen, die für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften zuständigen Behörden hätten in vergleichbaren Fällen anders entschieden, für den Standpunkt der beschwerdeführenden Gesellschaft nichts zu gewinnen (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976, 9110/1979, 9169/1981, 9604/1983, 10.339/1985, 10.340/1985, 11.512/1987, 11.949/1989, 12.518/1990).

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde daher nicht in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Meinungsäußerung und Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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