VfGH B463/04

VfGHB463/0410.6.2006

Keine Gleichheitswidrigkeit der ORF-Gebührenbefreiung für Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen in der Fernmeldegebührenordnung; keine unsachliche Differenzierung zwischen den generell von der Rundfunkgebühr befreiten Pflegeheimen für derartige Personen und den bloß im Fall der Nichtüberschreitung eines bestimmten Haushalts-Nettoeinkommens befreiten betroffenen Personen selbst; kein Verstoß gegen das Verbot der Gleichbehandlung behinderter und nichtbehinderter Menschen bei sachlich gebotener Differenzierung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 dritter Satz
FernmeldegebührenO §47 Abs2, §48 Abs2
RundfunkgebührenG §2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 dritter Satz
FernmeldegebührenO §47 Abs2, §48 Abs2
RundfunkgebührenG §2

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin stellte am 10. November 2003 wegen ihrer Gehörlosigkeit einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen, der mit Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 7. Jänner 2004 abgewiesen wurde, weil ihr Haushalts-Nettoeinkommen die für die Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze überstiegen habe.

Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wurde auf die durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, geänderte Rechtslage in §48 Anlage zum Fernmeldegebührengesetz, Fernmeldegebührenordnung (im Folgenden: FGO), hingewiesen, wonach die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Gehörlose oder schwer hörbehinderte Personen nur mehr dann zulässig sei, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz nicht um mehr als 12% übersteige (§48 Abs1 und 2 iVm. §47 Abs2 Z2 lita FGO).

2. In der gegen diesen Bescheid gemäß Art144 B-VG eingebrachten Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und beantragt, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof leitete (ua.) aus Anlass dieser Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "lit. b" in §48 Abs2 FGO idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, ein.

Mit Erkenntnis vom 16. März 2006, G85, 86/05, hat der Verfassungsgerichtshof zu Recht erkannt, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

III. Über die - zulässige - Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. §§47 und 48 FGO, idF Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, lauten:

"§47.

(1) Über Antrag sind von der Entrichtung

zu befreien:

1. Bezieher von Pflegegeld oder einer vergleichbaren Leistung;

  1. 2. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994;

  1. 3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art der öffentlichen Hand,

  1. 4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,

  1. 5. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz,

  1. 6. Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1983,

  1. 7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.

(2) Über Antrag sind ferner zu befreien:

  1. 1. Von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernseh-Empfangseinrichtungen

a) Blindenheime, Blindenvereine,

  1. b) Pflegeheime für hilflose Personen, wenn der Rundfunk- oder Fernsehempfang diesen Personen zugute kommt.

2. Von der Rundfunkgebühr für Fernseh-Empfangseinrichtungen

a) Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen;

  1. b) Heime für solche Personen, wenn der Fernsehempfang diesen Personen zugute kommt.

§48.

(1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach §47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12% übersteigt.

(2) Die Bestimmungen des Abs1 finden auf die nach §47 Abs2 Z1 und Z2 litb anspruchsberechtigte Personengruppe keine Anwendung.

(3) Nettoeinkommen im Sinne des Abs1 ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge.

(4) Bei Ermittlung des Nettoeinkommens sind Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen.

(5) Übersteigt das Nettoeinkommen die für eine Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze nach Abs1, kann der Befreiungswerber als abzugsfähige Ausgaben geltend machen:

1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist,

2. anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988."

2. In der gegen diesen Bescheid gemäß Art144 B-VG eingebrachten Beschwerde wird im Wesentlichen behauptet, dass die angewendeten Bestimmungen der FGO idF des Budgetbegleitgesetzes 2003 verfassungswidrig seien, weil sie sowohl dem durch Art7 Abs1 dritter Satz B-VG garantierten Recht, nicht wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden, widersprechen, als auch weil Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen mit nicht hörbeeinträchtigten Personen gleichgestellt werden, wodurch (ua.) dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot des Art7 Abs1 B-VG widersprochen werde. Schließlich, weil die Gebührenbefreiung unterschiedslos nur mehr für Pflegeheime für Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen gelte, nicht aber für jene betroffenen Personen, deren Haushalts-Nettoeinkommen den Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage um mehr als 12% übersteigt.

3. Das Beschwerdevorbringen ist insoweit zutreffend, als für die Beurteilung der Sachlichkeit des §48 Abs2 FGO auch auf Art7 Abs1 dritter Satz B-VG, idF BGBl. I Nr. 87/1997, Bedacht zu nehmen ist. Wie der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. März 2006, G85, 86/06, festgestellt hat, ist der Gesetzgeber diesem Gebot dadurch nachgekommen, dass er die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen auf Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen erstreckt hat. Es kann ihm aber nicht entgegengetreten werden, wenn er diese Begünstigung auf Fälle sozialer Bedürftigkeit beschränkt und ab einer bestimmten Einkommenshöhe entfallen lässt.

In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof weiters festgestellt, dass die Befreiung von der Entrichtung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen lediglich den Pflegeheimen für Gehörlose und schwer hörbehinderte Personen zugute kommt und die dort lebenden Personen bloß indirekt von der Gebührenbefreiung für Fernsehempfangseinrichtungen profitieren. Da die Personen(gruppen), die in Pflegeheimen leben, heterogen sind, ist eine Bedachtnahme auf die persönliche Einkommenssituation wie sie §48 Abs1 FGO vorsieht, nicht möglich und eine typisierende Betrachtungsweise daher zulässig und sachlich gerechtfertigt.

4. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen wurde die Beschwerdeführerin nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt. Vollzugsfehler sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

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