VfGH B440/82

VfGHB440/8214.12.1982

Vereinsgesetz 1951; rechtmäßige Untersagung der beabsichtigten Bildung des Vereines "Arbeitsvermittlungsdienst"

Normen

B-VG Art133 Z1
B-VG Art144 Abs3
StGG Art12 / Vereinsrecht
ArbeitsmarktförderungsG §9 Abs5
ArbeitsmarktförderungsG §40
VerG §4
VerG §6 Abs1
B-VG Art133 Z1
B-VG Art144 Abs3
StGG Art12 / Vereinsrecht
ArbeitsmarktförderungsG §9 Abs5
ArbeitsmarktförderungsG §40
VerG §4
VerG §6 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Beschwerdeführer hat am 20. Juni 1982 beim Bundesministerium für Inneres die beabsichtigte Bildung eines Vereines mit dem Namen "Arbeitsvermittlungsdienst" mit dem Sitz in Wien angezeigt.

Nach §1 der vorgelegten Statuten soll der Verein seine Tätigkeit auf ganz Österreich erstrecken; die Errichtung von Zweigvereinen in allen Bundesländern ist beabsichtigt.

§2 der Statuten umschreibt den Vereinszweck wie folgt:

"Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt:

1. Der Arbeitsvermittlungsdienst soll unentgeltlich sein.

In Übereinstimmung mit der Europäischen Sozialcharta setzt sich der Verein 'Arbeitsvermittlungsdienst' die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines unentgeltlichen Arbeitsvermittlungsdienstes zum Ziel.

2. Der Arbeitsvermittlungsdienst soll öffentlich sein.

In Übereinstimmung mit dem Arbeitsmarktförderungsgesetz setzt sich der Verein für die Verwirklichung der bereits geschaffenen Grundlagen ein, wonach die Arbeitsmarktvermittlung und Berufsberatung ein Monopol der Arbeitsämter ist.

3. Der Arbeitsvermittlungsdienst soll in Selbstverwaltung der Arbeitslosen stehen.

In Erfüllung Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wonach jeder Mensch das Recht hat, an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen, bezweckt der Verein 'Arbeitsvermittlungsdienst' die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines gleichnamigen Hilfsdienstes der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter in Selbstverwaltung der Arbeitslosen.

4. Freie Arbeitsplätze sollen der Meldepflicht unterliegen.

Ergänzend zu den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, wonach die Behörden und Ämter die Träger der Sozialversicherung, die Urlaubskasse der Arbeiter in der Bauwirtschaft, die gesetzlichen Interessenvertretungen, sowie die Berufsvereinigungen der Dienstgeber und Dienstnehmer verpflichtet sind, die Landesarbeitsämter und die Arbeitsämter in der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, wonach weiters die Betriebsinhaber verpflichtet sind, den Landesarbeitsämtern und den Arbeitsämtern alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen, soll die gesetzliche Meldepflicht für freie Arbeitsplätze eingeführt werden, wozu der Verein 'Arbeitsvermittlungsdienst' den Gesetzgeber auffordern will."

§4 der Statuten trägt die Überschrift "Mitglieder". Er bestimmt:

"Die Mitglieder des Vereines gliedern sich in ordentliche und außerordentliche Mitglieder.

Ordentliche Mitglieder sind jene, die sich voll an der Vereinsarbeit beteiligen. Es sind in der Regel physische Personen, die zeitweise oder ständig arbeitslos sind oder auf Grund widriger Verhältnisse gezwungen wurden, zum Broterwerb einen nicht ihrer Qualifikation und ihren Erwartungen entsprechenden Arbeitsplatz einzunehmen.

Außerordentliche Mitglieder sind jene, die nach Erlangen des von ihnen erwünschten Arbeitsplatzes sich an der weiteren Vereinsarbeit (nur) beratend beteiligen wollen."

b) Der Bundesminister für Inneres hat mit Bescheid vom 27. Juli 1982 die beabsichtigte Bildung des Vereines "Arbeitsvermittlungsdienst" gemäß §6 Abs1 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl. 233, (im folgenden kurz: VG), untersagt.

Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Verein nach §2 der vorgelegten Statuten beabsichtige, eine Arbeitsvermittlung auszuüben; dies widerspreche dem Bundesgesetz vom 12. Dezember 1968, BGBl. 31/1969, betreffend die Arbeitsmarktförderung (Arbeitsmarktförderungsgesetz - AMFG).

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere jenes auf Vereinsfreiheit, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer trat im Administrativverfahren als Proponent des Vereines auf, dessen beabsichtigte Bildung untersagt wurde. Er ist beschwerdelegitimiert (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. a) Dem §6 Abs1 VG zufolge ist die beabsichtigte Bildung eines Vereines von der Behörde ua. dann zu untersagen, "wenn der Verein nach seinem Zwecke oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist".

Jeder Bescheid, der entgegen den Bestimmungen des VG, also ohne daß eine der in §6 VG umschriebenen Voraussetzungen vorliegt, die beabsichtigte Bildung eines Vereines untersagt, verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit (vgl. zB VfSlg. 8844/1980).

b) aa) Der Beschwerdeführer behauptet, die Behörde habe den im §2 der Statuten umschriebenen Vereinszweck "gründlich und eklatant" mißverstanden. Aus dieser Statutenbestimmung gehe nicht hervor, daß der Verein beabsichtige, eine konkrete Arbeitsvermittlungstätigkeit zu entfalten. Vielmehr ziele danach der Verein ausschließlich darauf ab, eine Änderung der Rechtslage auf dem Gebiete des Arbeitsvermittlungswesens in Österreich auf legale Art anzuregen und zu unterstützen.

bb) Vereinsstatuten sind im Zweifel gesetzeskonform und iS der Vereinsfreiheit auszulegen; sie sind nicht nach der subjektiven Absicht des Proponenten, sondern nach ihrem objektiven Sinn gleich einer generellen Rechtsvorschrift zu interpretieren (vgl. VfSlg. 8844/1980 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Vereinsbildung von der belangten Behörde zu Recht untersagt worden:

§2 der Statuten erlaubt zwar auch eine Tätigkeit des Vereines, wie sie vom Beschwerdeführer angegeben wird. Diese Tätigkeit ist aber keineswegs die einzige, die dem Wortlaut der Statuten zufolge vom Verein ausgeübt werden soll:

Dies ergibt sich schon aus dem vorgesehenen Vereinsnamen "Arbeitsvermittlungsdienst". (Der Vereinsname muß nach §4 Abs3 zweiter Satz VG idF BGBl. 102/1962 so beschaffen sein, daß er einen Schluß auf den Vereinszweck zuläßt.) Aber auch §2 Z1 der Statuten, wonach sich der Verein "die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines unentgeltlichen Arbeitsvermittlungsdienstes zum Ziel" setzt und §2 Z3, wonach "der Verein 'Arbeitsvermittlungsdienst' die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines gleichnamigen Hilfsdienstes der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter in Selbstverwaltung der Arbeitslosen bezweckt", kann nicht anders verstanden werden, als daß eine der wesentlichen Aufgaben des Vereines darin besteht, selbst laufend eine Arbeitsvermittlungstätigkeit zu entfalten.

Diesen Zweck könnte jedoch der Verein legal nicht durchsetzen. Entweder würde er nämlich von vornherein gegen §9 Abs5 AMFG verstoßen, wonach jede auf Arbeitsvermittlung gerichtete Tätigkeit grundsätzlich den Dienststellen der Arbeitsmarktverwaltung (§40 AMFG) vorbehalten ist. Oder aber er würde versuchen, das erwähnte Ziel im Rahmen des AMFG dadurch zu erreichen, daß er als juristische Person - und zwar als selbstverwaltete Organisation von Arbeitslosen - eine der Ausnahmen dieses Gesetzes für sich in Anspruch nimmt.

Dieses Vorhaben wäre aber aussichtslos:

So kommt die Ausnahmebestimmung des §9 Abs1 leg. cit. für den Verein nicht in Betracht, da sie nur für - vom Verein nicht beabsichtigte - Vermittlungstätigkeiten vorgesehen ist, die nur gelegentlich und unentgeltlich oder auf Einzelfälle beschränkt ausgeübt werden.

Ebenso ist es ausgeschlossen, daß eine der Ausnahmevorschriften des §17 AMFG für den Verein anwendbar wäre. Dem Abs1 zufolge ist Voraussetzung für die außerhalb der Arbeitsmarktverwaltung erlaubte Ausübung der Arbeitsvermittlung, daß diese von einer "karitativen Einrichtung maßgeblicher Bedeutung", von einer gesetzlichen Interessenvertretung oder einer kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung durchgeführt wird. Die Arbeitsvermittlung muß im Verhältnis zu den übrigen Aufgaben der erwähnten Institutionen geringfügig sein. Der zur Bildung angezeigte Verein "Arbeitsvermittlungsdienst" besitzt die erwähnte Bedeutung und die Kollektivvertragsfähigkeit nicht; die Arbeitsvermittlung wäre seine hauptsächliche Aufgabe; sie wäre also nicht relativ geringfügig.

Nach §17 Abs3 AMFG kann der Bundesminister für soziale Verwaltung auch anderen als den in Abs1 aufgezählten Einrichtungen die Durchführung der unentgeltlichen Arbeitsvermittlung für bestimmte Berufsgruppen übertragen. Da der zur Bildung angezeigte Verein aber eine umfassende Arbeitsvermittlung zum Ziel hat, also seine Tätigkeit nicht auf einzelne, spezifische Berufsgruppen abstellt, ist es auch ausgeschlossen, daß er nach dieser Vorschrift gesetzeskonform seinen statutenmäßigen Zweck erreicht.

cc) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Verein seinen Statuten zufolge (neben anderen Tätigkeiten) auch die Ausübung einer dem AMFG widersprechenden konkreten Arbeitsvermittlung bezweckt. Diese Gesetzwidrigkeit der beabsichtigten Vereinstätigkeit ist - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung - von der Vereinsbehörde zu beurteilen, auch wenn diese nicht zur Vollziehung des AMFG zuständig ist.

dd) Die Behörde hat daher zu Recht die Bildung des Vereines gemäß §6 Abs1 VG untersagt.

Der Beschwerdeführer ist also nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Vereinsfreiheit verletzt worden.

3. a) Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kommt angesichts der festgestellten Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht (vgl. zB VfSlg. 8141/1977).

b) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Beschwerdeführer ist demnach auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

c) Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

4. Da jede einfache Gesetzwidrigkeit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Vereinsrecht verletzt, tritt in diesen Fällen die in Art144 Abs1 B-VG festgelegte Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH ein, die nach Art133 Z1 B-VG die Zuständigkeit des VwGH ausschließt. Für die Kompetenz des VwGH bleibt neben der des VfGH kein Raum. Eine Abtretung der Beschwerde an den VwGH nach Art144 Abs3 B-VG ist sohin in diesen Fällen ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 2911/1955, 9366/1982).

Der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, war demnach abzuweisen.

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