Normen
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
ZustG §7
AVG §62
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
ZustG §7
AVG §62
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Der - 1985 zum Wehrdienst als tauglich befundene - Beschwerdeführer gab eine Zivildiensterklärung ab. Sie wurde von ihm am 11. April 1994 in Madison/USA zur Post gegeben und langte am 14. April 1994 beim Adressaten - dem Militärkommando Wien - ein.
Der Bundesminister für Inneres (BMI) fertigte in der Folge im Wege der Post ein an den Beschwerdeführer adressiertes, mit 26. September 1994 datiertes, als Bescheid bezeichnetes Schriftstück ab. Darin wird gemäß §5a Abs4 in Verbindung mit §5a Abs3 Z2 des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. 679, idF BGBl. 187/1994, festgestellt, daß die erwähnte Zivildiensterklärung wegen Fristversäumnis gemäß §76a Abs2 Z1 leg.cit. die Zivildienstpflicht nicht eintreten lassen könne.
2.a) Gegen dieses Schreiben, von dem der Einschreiter annimmt, es sei ein an ihn erlassener Bescheid, wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte, am 16. Februar 1995 zur Post gegebene Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Schreibens, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
b) Der Beschwerde war eine Ablichtung des bekämpften Schreibens des Bundesministers für Inneres vom 26. September 1994 angeschlossen.
Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit ihrer Erhebung wird in der Beschwerde ausgeführt, daß das angefochtene Schreiben ("Bescheid") dem Einschreiter "(zunächst) nicht wirksam zugestellt" und ihm erst am 6. Jänner 1995 bekannt geworden sei:
Es sei an die frühere Wiener Adresse des Einschreiters (nämlich die Anschrift seiner Eltern) adressiert gewesen und nicht an seine - auf der Zivildiensterklärung angegebene - aktuelle Anschrift in den USA. Als er erstmals nach dem Sommer 1994 wieder nach Österreich gekommen sei, sei ihm am 6. Jänner 1995 "der Bescheid" bekannt geworden.
3. Der BMI legte die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie einen Schriftsatz vor, in welchem er mit folgender Begründung darlegt, warum seines Erachtens das in Rede stehende Schreiben an den Beschwerdeführer nicht zugestellt und deshalb kein Bescheid erlassen worden sei:
"Zu Zahl 195.787/1-IV/10/94 vom 26.09.1994 wurde ein Bescheidentwurf erstellt, wonach die Eingabe des nunmehrigen Beschwerdeführers verfristet war. Die Reinschrift dieser Erledigung wurde am 03.10.1994 an die inländische Zustellanschrift in 'Holochergasse 19, 1150 Wien' abgefertigt und am 05.10.1994 laut Rückschein mit dem Namen 'Marschoun' übernommen. Dabei wurde vom Postbeamten am Rückschein das Wort 'Empfänger' angekreuzt. Nach Einlangen des Rückscheins wurde die Rechtskraft des Bescheides - wie sich später herausstellen sollte fälschlich - angenommen. Ein Vergleich der Unterschriften laut Eingabe vom 11.04.1994 und Rückschein zeigt, daß die Unterschriften nicht ident sind.
Tatsächlich übermittelte der Vater des nunmehrigen Beschwerdeführers mit Schreiben vom 24.10.1994 den Original-Bescheid vom 26.09.1994 mit eingeschriebener Postaufgabe beim Postamt 1150 Wien R 1487 B und wies auf den Auslandsaufenthalt seines Sohnes hin.
Eine weitere Zustellung des Bescheides erfolgte nicht. Noch am 15.02.1995 erklärte RA Dr. B unter gleichzeitiger Bekanntgabe seiner Vertretungsbefugnis, daß bislang der Bescheid nicht wirksam zugestellt wurde, da der Mandant im Ausland aufhältig sei. Gleichzeitig wurde um Abänderung des 'Bescheides' gemäß §68 Abs2 AVG ersucht, in eventu um Zustellung des Bescheides beim rechtsfreundlichen Vertreter. Beiden Anträgen wurde bisher nicht entsprochen; dem Antrag auf Aufhebung oder Abänderung nach §68 Abs2 AVG konnte nicht entsprochen werden, da dies den 'Erlaß' eines Bescheides zur Voraussetzung gehabt hätte und - wie oa. ersichtlich - ohne Zustellung von einem erlassenen Bescheid nicht ausgegangen werden konnte. Die Erledigung des zweiten Begehrens auf Zustellung der in der Beschwerde als 'Bescheid' betrachteten Konzeptreinschrift, die sich nach wie vor bei der Behörde befindet, wurde nicht vorgenommen, da der Akt in Folge Standortverlegung der Behörde verpackt und nicht greifbar war.
Noch ehe die Behörde beurteilen konnte, ob die seinerzeitige Eingabe des Beschwerdeführers beim Militärkommando Wien eine bedingte Zivildiensterklärung und daher allenfalls mangelhaft ist, oder ob diese Eingabe im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vorerst zur Verbesserung nach §13 Abs3 AVG dem Einschreiter retourniert werden muß, wurde gegen einen 'Nichtbescheid' Beschwerde beim VfGH erhoben. Auf Grund dieser sich aus der Aktenlage ergebenden Sachverhaltsdarstellung ist der Behörde nicht nachvollziehbar, was der Beschwerdeführer in seinen Beschwerdeausführungen (...) aus der Mitteilung, ihm sei 'der Bescheid vom 26.09.1994 am 06.01.1995, als er erstmals nach dem Sommer 1994 wieder nach Österreich kam, bekannt geworden', rechtlich ableiten möchte. Es wird zwar der Bescheidinhalt zitiert, da sich der Bescheid im Original aber nach wie vor bei der Behörde befindet, kann von einem erlassenen Bescheid nicht ausgegangen werden."
Der BMI begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge die Beschwerde "aus Zuständigkeitsgründen" zurückweisen und ersucht, "die Originalakten zur weiteren Durchführung des Verfahrens dem Bundesministerium für Inneres zu retournieren".
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die Auffassung der belangten Behörde, der Einschreiter habe Beschwerde gegen einen "Nichtbescheid" erhoben, ist zutreffend:
a) Ein auf die Erlassung eines Bescheides gerichteter Willensakt der Behörde tritt erst dann in die Rechtsordnung ein, wenn er nach außen gemäß den Regeln des AVG in Erscheinung tritt, wenn er also dem §62 AVG entsprechend entweder mündlich verkündet oder wenn eine schriftliche Ausfertigung zugestellt wurde (vgl. zB. VfSlg. 1847/1949, 3020/1956, 7934/1976, 11725/1988, 13111/1992; VfGH 28.2.1995 B2630/94, B20/95).
b) Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob das als Bescheid intendierte Schreiben des BMI vom 26. September 1994 gültig zugestellt wurde. Aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie der übereinstimmenden Angaben der Parteien dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens steht fest, daß das für den Beschwerdeführer bestimmte Schriftstück am 3. Oktober 1994 abgefertigt und am 5. Oktober 1994 vom Vater des Beschwerdeführers in Empfang genommen wurde (Rückschein "RSb"). Der Beschwerdeführer hielt sich damals für längere Zeit in den USA auf. Eine rechtswirksame Zustellung fand daher nicht statt.
Der Vater des Beschwerdeführers fertigte eine Ablichtung des Originalschriftstückes an und retournierte dieses dem BMI.
c) Als der Beschwerdeführer nach Österreich zurückkehrte, übergab ihm sein Vater die eben erwähnte Ablichtung.
Damit wurde aber der Zustellmangel vom 5. Oktober 1994 nicht geheilt.
Zwar besagt §7 des Zustellgesetzes ("Heilung von Zustellmängeln"):
"§7. Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist."
"Tatsächlich zugekommen" ist eine Sendung jedoch nur dann, wenn sie (d.h. die für ihn bestimmte Ausfertigung) den Empfänger selbst wirklich erreicht, d.h. wenn ihm das Schriftstück ausgehändigt wurde und er frei darüber verfügen kann; die Sendung muß dem Empfänger bewußt zukommen; es genügt nicht, wenn sie bloß in seine "Einflußsphäre" gelangt (zB in seinen Postkasten eingeworfen wird) oder von ihm hätte behoben werden können. Weiters ist nicht hinreichend, daß der Empfänger lediglich von dem Schriftstück Kenntnis erlangt, etwa durch Akteneinsicht (s. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Wien 1983, S 42, FN 7).
Essentielle Voraussetzung dafür, daß ein Zustellmangel geheilt wird, ist also, daß die an einen bestimmten Empfänger gerichtete Sendung (die an ihn adressierte Bescheidausfertigung) diesem im Original zukommt. Das bloße Erfahren ihres Inhaltes (sei es auch durch Empfangnahme einer Ablichtung des betreffenden Schriftstückes) genügt also nicht, um eine gültige Zustellung zu bewirken.
Partei des Verwaltungsverfahrens war im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer. Ihm wurde der Bescheid nach dem Gesagten nicht rechtswirksam zugestellt. Der (vorgesehene) Bescheid wurde demnach nicht erlassen; er ist nicht Bestandteil der Rechtsordnung.
Die vorliegende Beschwerde wendet sich sohin gegen ein rechtliches Nichts; es mangelt an einem tauglichen Beschwerdegegenstand.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
d) Der BMI wird nunmehr über die Zivildiensterklärung des Beschwerdeführers vom 11. April 1994 zu entscheiden haben. Auf die in diesem Zusammenhang maßgebende Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB. VfGH 12.10.1994, B1659/94) wird hingewiesen.
2. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
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