VfGH B413/2013

VfGHB413/201329.11.2014

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abschöpfung von Einnahmen des ORF aus dem Programmentgelt wegen Überschreitung der Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags auf Grund von Live-Übertragungen im Sport-Spartenprogramm; Abschöpfungsverfahren nicht als Strafverfahren zu qualifizieren; kein Vorliegen einer strafrechtlichen Anklage im Sinne der EMRK; Regelung im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Beihilfenrechts; keine Verletzung im Recht auf eine mündliche Verhandlung im Hinblick auf die nachprüfende Kontrolle des letztinstanzlichen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof

Normen

B-VG Art91
ORF-G §4b, §38a Abs1
EMRK Art6 Abs1 / Strafrecht
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
VwGG §39
B-VG Art91
ORF-G §4b, §38a Abs1
EMRK Art6 Abs1 / Strafrecht
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
VwGG §39

 

Spruch:

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Mit Bescheid vom 28. November 2012 ordnete die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) an, dass auf Grund der Live-Übertragungen der Spiele mit Beteiligung der österreichischen Nationalmannschaft bei der IIHF Eishockey-A-WM 2011 in der Slowakei im Sport-Spartenprogramm ORF SPORT PLUS, die gemäß dem Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 23. Mai 2012 als die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschreitend anzusehen seien, gemäß §38a Abs1 Z1 iVm Abs1 letzter Satz ORF-Gesetz, BGBl 379/1984 idF BGBl I 15/2012 (im Folgenden: ORF-G), Einnahmen aus Programmentgelt bzw. diesen gleichzuhaltenden Mitteln in der Höhe von € 153.768,15 abzuschöpfen seien. Dem ORF wurde mit Spruchpunkt 2. gemäß §38a Abs2 ORF-G aufgetragen, die nach Spruchpunkt 1. abgeschöpften Mittel binnen zehn Wochen nach Rechtskraft des Bescheides dem Sperrkonto nach §39c ORF-G zuzuführen und gesondert auszuweisen.

2. Die Berufung des ORF gegen diesen Bescheid wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 25. Februar 2013, Z611.805/0001-BKS/2012, gemäß §66 Abs4 AVG iVm §38a Abs1 Z1 ORF-G als unbegründet abgewiesen.

2.1. Dem Argument des Berufungswerbers, dass im vorliegenden Fall keine missbräuchliche Verwendung öffentlich-rechtlicher Mittel sowie keine Überschreitung formeller Grenzen gegeben sei, stehe der klare Wortlaut von §38a Abs1 Z1 ORF-G entgegen, der darauf abstelle, dass der Berufungswerber "Mittel aus Programmentgelt für Tätigkeiten herangezogen [habe], die die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschreiten". Bei den im Anschluss im Gesetz angeführten Beispielen, bei denen jedenfalls eine solche Überschreitung vorliege, handle es sich lediglich um eine demonstrative Aufzählung. Im Hinblick auf die Gesetzesmaterialien (Erläut. zu RV 611 BlgNR) sei der gesetzgeberische Wille eindeutig und der Frage, ob die angeordnete Abschöpfung auf eine Entscheidung der Europäischen Kommission oder andere bei der Auslegung unbestimmter gesetzlicher Vorgaben möglicherweise zu beachtende Umstände "zurückgehe", komme keine Bedeutung zu. Aus §1 Abs2 ORF-G ergebe sich vielmehr, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag die Aufträge der §§3 bis 5 umfasse. Der Bundeskommunikationssenat sah keinen Anlass, von der Auffassung der KommAustria abzuweichen, wonach das in §4b Abs4 ORF-G festgelegte Verbot von Premium-Sportbewerben im Sport-Spartenprogramm "gerade einen typischen Fall der 'Grenzziehung' des öffentlich - rechtlichen Auftrags im Sinne des §38a Abs1 Z1 ORF-G" darstelle. Soweit vertrauensschutzrechtliche Aspekte geltend gemacht worden seien, sei der KommAustria beizupflichten, dass das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers sowohl auf Grund des zeitlichen Ablaufs als auch aus materiellen Gründen ins Leere gehe.

2.2. Der Berufungswerber vor dem Bundeskommunikationssenat verweise zutreffend darauf, dass das ORF-G im Zusammenhang mit der Abschöpfung nicht darauf abstelle, ob diese unverhältnismäßige Auswirkungen entfalte. Dies sei aber gerade vor dem beschriebenen Hintergrund der Bestimmung (zweckwidrig verwendete Mittel sollen rückerstattet werden) auch vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt, sodass kein Platz für eine "korrigierende" Auslegung verbleibe.

2.3. Im Übrigen liege keine Unverhältnismäßigkeit vor. Vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlautes von §4b ORF-G sei nicht nachzuvollziehen, weshalb die Rechtsverletzung für den Berufungswerber nicht oder nicht leicht zu erkennen gewesen wäre. Der konkrete festgesetzte Abschöpfungsbetrag von € 153.768,15 sei nicht geeignet, ruinöse Auswirkungen auf den Berufungswerber zu entfalten. Die KommAustria stütze ihre Entscheidung auf die Annahme, dass für die Ermittlung der Höhe der nach §38a Abs1 Z1 ORF-G abzuschöpfenden Mittel das im Gutachten des Amtssachverständigen dargestellte Szenario einer Vollkostenrechnung (brutto) ohne Produktvergleich (absolut) heranzuziehen sei. Es treffe zu, dass §38a ORF-G auf eine strikt kostenseitige Betrachtung im Sinne der Mittelverwendung abstelle, was eine "Gegenverrechnung" mit den im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Handlung stehenden Erlösen ausschließe. Die Bestimmung ordne ausdrücklich an, dass den Mitteln aus Programmentgelt im Sinne der Bestimmung Mittel gleichzuhalten seien, die bei der Festlegung des Programmentgelts nach §31 Abs3 ORF-G in Abzug zu bringen wären. Aus historischen Überlegungen und dem eindeutigen Wortlaut ergebe sich, dass kein Platz dafür bleibe, "konnex-kommerzielle Erlöse" oder ähnliches bei der Bemessung des abzuschöpfenden Betrages zu berücksichtigen.

2.4. Mittels einer Vollkostenrechnung könne schlüssig die Frage beantwortet werden, welche Kosten einer einzelnen Ausstrahlung eines Spiels aus der Gesamtheit aller fraglichen Sendungen zurechenbar seien, ohne dass dabei die Kenntnis der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit vorausgesetzt sei. Daran vermöge der Verweis des ORF auf die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ABl. 2009 C-257/1, Rz 60 ff.) nichts zu ändern, da sich die dort angestellten Überlegungen nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen ließen. Es gehe ausschließlich um die Rückzahlung der fehlverwendeten Mittel, also jener Mittel, die konkret für Tätigkeiten herangezogen worden seien, die die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrages überschritten hätten. Der Bundeskommunikationssenat könne dem Gesetz nicht entnehmen, dass Kosten, die auch ohne diese Tätigkeiten für möglicherweise rechtskonforme Tätigkeiten angefallen wären, in Abzug zu bringen seien. Vielmehr habe eine finanzielle Bewertung sämtlicher für die konkrete Tätigkeit aufgewandter Ressourcen zu erfolgen. Es sei nicht vorgebracht worden, welche konkreten Kosten in diesem Sinn überhaupt in Abzug zu bringen wären. Die Ausstrahlung von Live-Streams im Internet könne nicht unabhängig von der Fernsehübertragung über Terrestrik und Satelliterfolgen, sodass die Kosten bereits für die Übertragung am Sport-Spartenprogramm entstünden und daher auch diesem in voller Höhe zuzurechnen seien. Es habe keine gesonderte Erfassung dieses Bereichs stattzufinden.

2.5. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens zu stand-alone kommerziellen Erträgen führt der Bundeskommunikationssenat aus, dass sich aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 50/2010 zu §31 ORF-G unzweifelhaft ergebe, dass Erträge aus den sogenannten stand-alone kommerziellen Aktivitäten bei der Ermittlung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags grundsätzlich außer Betracht bleiben. Die KommAustria habe ausgeführt, dass die Mittelverwendung in diesem Zusammenhang nicht unmittelbar zu einem Abzug der Mittel bei der Programmentgeltfestsetzung führe, anders als dies bei den sogenannten konnex-kommerziellen Erträgen der Fall sei. Wenn tatsächlich eine Ausschüttung von derartigen stand-alone kommerziellen Erträgen an die Stiftung erfolge, so sei diese wiederum bei der Ermittlung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags in Abzug zu bringen. Daher sei eine solche "freiwillige" Ausschüttung bei der Nettokostenberechnung nach §31 ORF-G entsprechend einzubeziehen, widrigenfalls das Programmentgelt nach der Formel des §31 Abs2 bis 5 ORF-G um genau diesen Betrag zu hoch angesetzt wäre. Die gegenteilige Sichtweise hätte zur Folge, dass man tatsächlich in den öffentlich-rechtlichen Bereich geflossene und damit verwendete Mittel bei der Gewinnermittlung herauszurechnen hätte. Dieses Ergebnis stünde aber im Widerspruch zur Zwecksetzung der Regelung, da §31 ORF-G vor dem Hintergrund des Nettokostenprinzips im Sinne der Randziffern 70 ff. der Rundfunkmitteilung zu sehen sei.

2.6. Aus all dem werde im Zusammenhang mit stand-alone kommerziellen Erträgen auch lediglich von einem, verglichen mit der Verwendung von kommerziellen Erträgen, die mit den öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten in Verbindung stehen, weiteren Verwendungsspielraum des ORF gesprochen. Werde von diesem weiteren Verwendungsspielraum nicht Gebrauch gemacht und werden die Erträge für den öffentlich-rechtlichen Bereich verwendet, seien sie auch bei der Nettokostenberechnung zu berücksichtigen. Es sei daher irrelevant, ob bzw. wie viel der im konkreten Fall verwendeten Mittel aus sogenannten stand-alone kommerziellen Erträgen stamme, da es sich auch bei einer freiwilligen Ausschüttung um Mittel handle, die bei der Festlegung des Programmentgelts nach §31 Abs3 ORF-G in Abzug zu bringen wären. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass der ORF es in der Hand hätte, durch entsprechende Zuordnung von Erlösen aus stand-alone kommerziellen Tätigkeiten im Nachhinein ein Abschöpfungsverfahren zu umgehen. Eine solche Zuordnung dürfe erst im Zuge der Jahresabschlussarbeiten durchgeführt werden, wenn im Rahmen einer Nettokostenrechnung eine endgültige Zuordnung von Kosten und deren Finanzierung vorgenommen werde.

2.7. Eine mündliche Verhandlung sei unterblieben, da es nur um rechtliche Fragen betreffend die Auslegung von §38a ORF-G gegangen sei und eine Klärung dieser Rechtsfragen in einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig gewesen sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde des ORF, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und im Recht auf ein faires Verfahren, sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

3.1. Abgesehen von den Fragen, die die Auslegung des einfachen Gesetzes beträfen, sei die beschwerdeführende Partei durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt. §38a ORF-G ordne eine Abschöpfung (scheinbar) ohne jedes Verhältnismäßigkeitskorrektiv an und sei daher unsachlich. Darüber hinaus sei fraglich, ob die Aufsichtsbehörde durch §38a ORF-G de facto zur Anordnung von Geldstrafen ermächtigt werde, die den Rahmen, den die Verfassung dem Gesetzgeber bei der Betrauung von Verwaltungsbehörden in diesem Zusammenhang setze, überschreite.

3.2. Die beschwerdeführende Partei sei in ihrem Recht auf Gleichheit verletzt, da die Auslegung durch die belangte Behörde dazu führe, dass die Norm die Abschöpfung ohne jede Bedachtnahme auf die Schwere der Rechtsverletzung anordne und die Rechtsfolge auch einträte, wenn die Rechtsverletzung nur aus geringem Verschulden eingetreten sei oder ex ante sogar nicht erkennbar gewesen sei. Es sei geboten, im Rahmen einer Abschöpfung nach §38a ORF-G Verhältnismäßigkeitserwägungen anzustellen betreffend Schwere, Zeitpunkt und Dauer der Rechtsverletzung, Grad des Verschuldens und allenfalls auf die wirtschaftlichen Folgen.

3.3. Gerade die im – dem Abschöpfungsverfahren vorgelagerten – Feststellungsverfahren zu Tage getretenen Erkenntnisse hätten den Gesetzgeber zur Novellierung des §4b ORF-G veranlasst und es sei ein neuer Absatz 5 eingefügt worden. Es handle sich im vorliegenden Fall nicht um eine missbräuchliche Verwendung öffentlich-rechtlicher Mittel und es gebe die Auffassung in der Literatur, dass nur die Überschreitung formeller Grenzen unter §38a Abs1 Z1 ORF-G subsumiert werden könne, was hier nicht vorliege.

3.4. Die KommAustria und die belangte Behörde seien Verwaltungsbehörden und es sei fraglich, ob der Gesetzgeber diese mit der Verhängung von Verwaltungsstrafen in beliebiger Höhe betrauen könne. Unter Hinweis auf Teile der Lehre und die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes behauptet die Beschwerde die Bedenklichkeit von Geldstrafen, die über € 108.000,- liegen, und verweist darauf, dass der Abschöpfungsbetrag deutlich über diesem Rahmen liege. Der Gesetzgeber wolle die Rechtsfolge des §38a ORF-G offenbar dem beihilfenrechtlichen Rückforderungsregime zuordnen, was wohl gegen das Vorliegen einer Strafe spräche, allerdings erfülle §38a ORF-G die beihilfenrechtliche Rückforderung nicht, da mit der Ausstrahlung eines bestimmten Inhaltes auf ORF Sport Plus notwendig verbunden sei, dass die erforderlichen Sendelizenzen erworben und bezahlt worden seien. Dieser Erwerb werde durch keine Norm des ORF-G untersagt, vielmehr sei nur eine bestimmte Verwendung der erworbenen Senderechte (eben durch Ausstrahlung auf ORF-Sport Plus) untersagt. In der Abschöpfungsanordnung liege eine Strafe, weil Mittel abgeschöpft würden, die denknotwendig schon verwendet worden seien und von denen im Zeitpunkt ihrer Verwendung nicht festgestanden sei, dass sie entgegen den Vorgaben des ORF-G verwendet würden. Zudem würden in der Auslegung der Regulierungsbehörden auch Mittel abgeschöpft, die gar nicht als Beihilfe anzusehen seien, da sie als kommerzielle Erträge vom ORF selbst erwirtschaftet worden seien. Es würde also mehr zurückgezahlt, als an öffentlich-rechtlichen Mitteln eingezahlt worden sei, was als pönaler Charakter zu deuten sei.

3.5. Die Voraussetzungen, unter denen die belangte Behörde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen, seien nicht vorgelegen, denn die beschwerdeführende Partei hätte in einer mündlichen Verhandlung zur Erhebung und Würdigung des Sachverhaltes und zur Lösung von Rechtsfragen beitragen können.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:

4.1. Es sei für die belangte Behörde nicht zu erklären, weshalb vor dem eindeutigen Wortlaut des §4b ORF-G für die beschwerdeführende Partei die Rechtsverletzung nicht oder nicht leicht zu erkennen gewesen sei, es liege auch keine Unverhältnismäßigkeit vor. Die Höhe des Abschöpfungsbetrages sei nicht geeignet, ruinöse Auswirkungen auf die beschwerdeführende Partei zu entfalten, deren Erlöse nur aus Werbung im Rundfunkbereich € 210,7 Mio betragen würden. Aus beihilfenrechtlicher Sicht wäre es problematisch, würde unrechtmäßiges Verhalten dadurch privilegiert, dass unrechtmäßig verwendete Mittel der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung stünden. Bei der Abschöpfung handle es sich um keine Strafe, Intention des Gesetzgebers sei gewesen – ergänzend zu der in §38 ORF-G bestehenden Möglichkeit der Sanktionierung im Wege von Verwaltungsstrafen – eine Möglichkeit vorzusehen, die rechtswidrige Mittelverwendung (bloß) rückgängig zu machen.

4.2. Erfolge eine Ausschüttung von stand-alone kommerziellen Erträgen an die Stiftung, so seien diese Mittel auch bei der Ermittlung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags in Abzug zu bringen. Bei der Nettokostenberechnung nach §31 ORF-G sei eine solche "freiwillige" Ausschüttung daher auch entsprechend einzubeziehen, andernfalls würde das Programmentgelt nach der Formel des §31 Abs2 bis 5 ORF-G genau um diesen Betrag zu hoch angesetzt. Eine andere Auffassung hätte zur Konsequenz, dass tatsächlich in den öffentlich-rechtlichen Bereich geflossene und damit verwendete Mittel bei der Gewinnermittlung herauszurechnen wären. Dies stünde im Widerspruch zum Zweck der Regelung, da §31 ORF-G gerade vor dem Hintergrund des Nettokostenprinzips im Sinne der Randziffern 70 ff. der Rundfunkmitteilung zu sehen sei.

4.3. Bei jedem anderen Auslegungsergebnis würde der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit eröffnet, durch entsprechende Zuordnung von Erlösen aus stand-alone kommerziellen Tätigkeiten im Nachhinein ein Abschöpfungsverfahren zu umgehen, da eine solche Zuordnung erst im Zuge der Jahresabschlussarbeiten durchgeführt werde, wenn im Rahmen einer Nettokostenrechnung eine endgültige Zuordnung von Kosten und deren Finanzierung vorgenommen werde. Durch die erfolgte freiwillige Ausschüttung von stand-alone kommerziellen Erträgen an die Stiftung könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass in diesem Fall mehr zurückgezahlt werde, als an öffentlichen Mitteln eingezahlt worden sei, sodass kein pönaler Charakter der Regelung erkennbar sei.

4.4. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren umfassend und richtig erhoben worden, die Auslegung der rechtlichen Fragen habe die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erfordert.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des BG über den Österreichischen Rundfunk (ORF-G), BGBl 379/1984 in der Fassung BGBl I 15/2012, lauten:

"§4b.(1) Der Österreichische Rundfunk hat nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit ein Fernseh-Spartenprogramm zu veranstalten, das der insbesondere aktuellen Berichterstattung über Sportarten und Sportbewerbe – einschließlich der Ausstrahlung von Übertragungen von Sportbewerben – dient, denen üblicherweise in der österreichischen Medienberichterstattung kein breiter Raum zukommt. In diesem Programm hat der Österreichische Rundfunk insbesondere:

1. die Bevölkerung umfassend über sportliche Fragen zu informieren (§4 Abs1 Z1);

2. das Interesse der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung zu fördern (§4 Abs1 Z15);

3. das Verständnis des Publikums für weniger bekannte Sportarten und ihre Ausübungsregeln zu fördern;

4. über Sportarten und -bewerbe zu berichten, die auch aus dem Blickwinkel des Breitensports von Interesse sind;

5. regionale Sportveranstaltungen zu berücksichtigen;

6. über gesundheitsbezogene Aspekte des Sports und die Gefahren des Dopings zu berichten;

7. Sportbewerbe zu übertragen, wenn eine solche Übertragung Voraussetzung für eine Veranstaltung von Sportbewerben in Österreich oder für das Antreten österreichischer Sportler oder Sportmannschaften bei internationalen Bewerben ist und eine solche Übertragung durch andere Fernsehveranstalter, deren Programme in Österreich empfangbar sind, nicht zu erwarten ist.

Es ist überwiegend über Sportarten und -bewerbe zu berichten, die in Österreich ausgeübt oder veranstaltet werden oder an denen österreichische Sportler oder Mannschaften teilnehmen.

(2) Das Programm ist über Satellitzu verbreiten und kann über digitale terrestrische Multiplex-Plattformen verbreitet werden. §25 Abs2 Z2 AMD-G bleibt unberührt. §20 Abs1 AMD-G ist anzuwenden. Für die Berechnung der Dauer der höchstzulässigen täglichen Werbezeit ist die Anzahl der täglich ausgestrahlten Programmstunden mit 1 Minute und 45 Sekunden zu multiplizieren. Innerhalb einer vollen Stunde darf der Anteil der Fernsehwerbung 20 vH nicht überschreiten. Unter Stunden sind die 24 gleichen Teile eines Kalendertages zu verstehen.

(3) Wird auf demselben Kanal ein weiteres Programm verbreitet, so ist für eine eindeutige Unterscheidbarkeit insbesondere mittels ständiger Kennzeichnung Sorge zu tragen.

(4) Sportbewerbe, denen in der österreichischen Medienberichterstattung breiter Raum zukommt (Premium-Sportbewerb), dürfen im Sport-Spartenprogramm nicht gezeigt werden. Zu diesen Sportbewerben zählen insbesondere:

1. Bewerbe der obersten österreichischen bundesweiten Herren-Profi-Fußballliga, soweit es sich nicht um Bewerbe der Nachwuchsklassen handelt;

2. Bewerbe europäischer grenzüberschreitender Herren-Profi-Fußballligen und Cup-Bewerben sowie Bewerbe von Herren-Profi-Fußballwelt- und Europameisterschaften, soweit es sich nicht um Bewerbe der Nachwuchsklassen oder um Qualifikationsspiele von geringem öffentlichen Interesse handelt;

3. Bewerbe des alpinen oder nordischen Schiweltcups und Bewerbe von alpinen oder nordischen Schiweltmeisterschaften;

4. Bewerbe von olympischen Sommer- und Winterspielen, sofern nicht ausnahmsweise diesen Bewerben in der österreichischen Medienberichterstattung kein breiter Raum zukommt;

5. Bewerbe der Formel 1.

Eine Ausstrahlung der im ersten Satz genannten Sportbewerbe in einem angemessenen Zeitabstand zum Bewerb, welcher dazu führt, dass die Qualifikation als Premium-Sportbewerb nicht mehr besteht, ist zulässig.

(5) Einem Sportbewerb, der in Österreich stattfindet oder an dem österreichische Sportler oder Mannschaften beteiligt sind, kommt jedenfalls dann kein breiter Raum in der österreichischen Medienberichterstattung zu, wenn private Rundfunkveranstalter das Übertragungsrecht, insbesondere nachdem der ORF dieses privaten Rundfunkveranstaltern zeitgerecht, diskriminierungsfrei und transparent angeboten hat, zu marktüblichen Konditionen erwerben hätten können und der ORF das Vorliegen dieser Voraussetzungen glaubhaft macht. Dies gilt nicht für die in Abs4 Z1 bis 5 angeführten Sportbewerbe.

(6) Für das Sport-Spartenprogramm ist ein Angebotskonzept (§5a) zu erstellen."

"§38. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer – soweit die nachfolgend genannten Bestimmungen auf seine Tätigkeit Anwendung finden – nach diesem Bundesgesetz ein Programm veranstaltet, einen Abrufdienst anbietet oder sonst ein Online-Angebot bereitstellt und dabei

1. die Programmgrundsätze des §10 Abs1, Abs2 oder Abs11 bis 13 verletzt;

2. §13 Abs4, §13 Abs1 bis 6, §14 Abs1, 3 bis 5 und 9 oder den §§15 bis 17 zuwiderhandelt;

3. entgegen §4a kein Qualitätssicherungssystem betreibt, keine Programmstrukturanalyse oder kein Publikumsmonitoring durchführt oder §4a Abs7 verletzt;

4. entgegen §7 keinen Bericht vorlegt;

5. entgegen §6 keine Auftragsvorprüfung durchführt;

6. entgegen §8a kommerzielle Tätigkeiten nicht organisatorisch oder rechnerisch von den Tätigkeiten im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags trennt, Mittel aus dem Programmentgelt für kommerzielle Tätigkeiten heranzieht oder §8a Abs6 zuwiderhandelt;

7. §9b zuwiderhandelt;

8. entgegen §31b keine Auskunft erteilt oder Informationen nicht online stellt;

9. entgegen §31c Abs2 nicht dem Grundsatz des Fremdvergleiches entspricht; 10. entgegen §39 Abs5 keine Trennungsrechnung erstellt.

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 36 000 Euro zu bestrafen, wer den §38a Abs3, §38b Abs2 oder §40 Abs5 zuwiderhandelt.

(3) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs1 liegt nicht vor, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

(4) Verwaltungsstrafen sind durch die Regulierungsbehörde zu verhängen. Die Strafgelder fließen dem Bund zu."

"Abschöpfungsverfahren

§38a. (1) Die Regulierungsbehörde hat unbeschadet einer Entscheidung gemäß §§37 oder 38 mit Bescheid die Abschöpfung von Einnahmen aus Programmentgelt anzuordnen, wenn der Österreichische Rundfunk

1. Mittel aus Programmentgelt für Tätigkeiten herangezogen hat, die die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschreiten, insbesondere für die eine Auftragsvorprüfung durchzuführen gewesen wäre, aber nicht durchgeführt wurde oder bei denen die Behörde nach Durchführung der Auftragsvorprüfung eine negative Entscheidung erlassen hat, in der Höhe dieser Mittel, oder

2. durch ein Verhalten gemäß §31 c den Bedarf nach Finanzierung aus Programmentgelt erhöht hat, ohne dass dies zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags erforderlich gewesen wäre, im Ausmaß des erhöhten Programmentgelts, oder

3. eine Bildung oder Dotierung einer Sonderrücklage entgegen den Bestimmungen des §39a vorgenommen hat.

Mitteln aus Programmentgelt im Sinne dieser Bestimmung sind Mittel gleichzuhalten, die bei der Festlegung des Programmentgelts nach §31 Abs3 in Abzug zu bringen wären.

(2) Aufgrund einer mit Bescheid angeordneten Abschöpfung hat der Österreichische Rundfunk die Mittel in der angeordneten Höhe dem Sperrkonto gemäß §39c zuzuführen und gesondert auszuweisen. Übersteigen die derart abgeschöpften Mittel 0,5 vH der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrages, hat der Österreichische Rundfunk spätestens im darauffolgenden Jahr gemäß den Bestimmungen des §31 das Programmentgelt neu festzulegen und die gemäß Abs1 abgeschöpften Mittel von den Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags in Abzug zu bringen (§31 Abs5).

[...]"

"Abschöpfung der Bereicherung

§38b.(1) Stellt die Regulierungsbehörde fest, dass der Österreichische Rundfunk durch eine gegen die Bestimmungen der §§13 bis 17 verstoßende rechtswidrige Handlung einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat oder die Einnahmengrenze nach §18 Abs1 überschritten wurde, kann sie einen Betrag in der Höhe des erlangten wirtschaftlichen Vorteils festsetzen und für abgeschöpft erklären.

(2) Der Österreichische Rundfunk hat der Regulierungsbehörde auf Anfrage alle Informationen zur Verfügung zu stellen, ihr alle Auskünfte zu erteilen und ihr Einsicht in alle Aufzeichnungen und Bücher zu gewähren, soweit dies erforderlich ist, um den Abschöpfungsbetrag feststellen zu können. Soweit die Regulierungsbehörde den Abschöpfungsbetrag aus Informationen, Auskünften, Aufzeichnungen oder Büchern nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie ihn zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(3) Der abgeschöpfte Betrag fließt dem Bund zu."

Die Gesetzesmaterialien (Erläut. zur RV 611 BlgNR, 24.GP) führen zu §38a und §38b ORF-G aus:

"Zu §38a:

Jene im vorliegenden Entwurf vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen, die darauf abzielen, eine Verwendung von Mitteln aus Programmentgelt für kommerzielle Zwecke hintanzuhalten, können nur wirksam sein, wenn ihre Durchsetzung auch entsprechend gesichert ist. Es bestehen einerseits entsprechende Sanktionsmöglichkeiten durch die Verhängung von Verwaltungsstrafen gemäß §38. Im Sinne der Zielsetzung und gewöhnlichen Methodik des Beihilfenrechts, einen rechtswidrig gewährten finanziellen Vorteil wieder rückgängig zu machen, ist es aber auch im gegebenen Zusammenhang erforderlich, das im ORF-G vorgesehene Sanktionssystem dadurch zu ergänzen, dass nicht-pönale Konsequenzen an eine untersagte Quersubventionierung dadurch geknüpft werden, dass ein[e] rechtswidrige Mittelverwendung rückgängig gemacht wird. Wenn nämlich der Österreichische Rundfunk Mittel, die ihm aus Programmentgelt gewährt werden, für Zwecke heranzieht, die nicht im öffentlichen Auftrag liegen, so geht die Zweckwidmung der Mittel fehl und der Grund für die beihilfenrechtliche Privilegierung fällt weg. Ebenso wie im Fall einer unrechtmäßigen Gewährung einer Beihilfe an sich ist daher eine Rückzahlung dieser fehlverwendeten Mittel vorzusehen. Da es sich bei diesem Vorgang nicht um eine Sanktion handelt, sondern bloß um einen 'Actus Contrarius', um eine beihilfenrechtskonforme Situation herzustellen, kommt es dabei auch nicht darauf an, ob den Österreichischen Rundfunk ein Verschulden trifft. Den Mitteln aus Programmentgelt werden im Lichte der komplementären Finanzierung jene Mittel gleichgehalten, die bei der Berechnung des Programmentgelts nach §31 Abs3 in Abzug zu bringen wären. Dies betrifft insbesondere kommerzielle Erträge. Es ist daher irrelevant, aus welchem Titel die unrechtmäßig verwendeten Mittel stammen.

§38a sieht aus den genannten Gründen für bestimmte Fälle eine Abschöpfung von Programmentgelt vor. Diese Abschöpfung erfolgt aufgrund einer bescheidmäßigen Anordnung der Regulierungsbehörde durch Zuführung der Mittel auf das Sperrkonto gemäß §39c.

Abs1 normiert drei Tatbestände, die zu einer Abschöpfung von Einnahmen aus Programmentgelt führen können. Z1 erfasst alle jene Fälle, in denen Mittel aus Programmentgelt für Tätigkeiten verwendet wurden, die die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschreiten (siehe dazu auch §8a Abs2). Zu beachten ist dabei, dass nicht jeder Verstoß einer Tätigkeit gegen den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu einer Abschöpfung führt. Eine solche Abschöpfung findet dann nicht statt, wenn die Tätigkeit an sich trotz des Verstoßes innerhalb der für den öffentlich-rechtlichen Auftrag gezogenen Grenzen liegt. So bedeutet beispielsweise eine Verletzung des Objektivitätsgebots in Fernsehnachrichten in einem gemäß §3 Abs1 ausgestrahlten Programm unzweifelhaft eine Verletzung des öffentlich-rechtlichen Auftrags; dessen Grenzen wurden durch eine solche Verletzung aber nicht überschritten. Jedenfalls eine solche Grenzüberschreitung liegt vor, wenn entgegen einer gesetzlichen Anordnung eine Auftragsvorprüfung nicht durchgeführt wurde oder ein Angebot entgegen einer negativ abgeschlossenen Auftragsvorprüfung eingeführt wurde.

Der zweite Tatbestand erfasst jene Fälle, in denen durch einen Verstoß gegen die Vorschriften des §31c ein Mehrbedarf an öffentlichen Mitteln aus Programmentgelt entstanden ist, der beihilfenrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann. Auch in diesem Fall geht es also darum, einen ungerechtfertigen wirtschaftlichen Vorteil durch Abschöpfung des entsprechenden Betrages wieder rückgängig zu machen. Durch wettbewerbswidriges oder gegen die Transparenzvorschriften verstoßendes Verhalten wurde der Bedarf an Mitteln aus Programmentgelt ungerechtfertigt erhöht (z. B. indem überhöhte Beträge für den Erwerb von Sportrechten entrichtet wurde[n], auf Werbeeinnahmen aufgrund von Werbeeinnahmen verzichtet wurde, unrechtmäßige Transferpreise im Verhältnis öffentlich-rechtlicher zu kommerzieller Tätigkeitsbereiche angesetzt wurden, kommerzielle Aktivitäten, die nicht den Grundsätzen des marktwirtschaftlich handelnden Investors entsprechen[,] aufgenommen wurden oder Programmentgelt für kommerzielle Tätigkeiten zweckentfremdet wurde[]).

Der dritte Fall erfasst die rechtswidrige Bildung von Sonderrücklagen; die Regulierungsbehörde hat im Rahmen der Jahresprüfung hier entsprechend die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überwachen. Zur Auflösung der Sonderrücklagen außerhalb der Zweckbindung auf das Sperrkonto vgl. auch §39a.

Da eine Neufestsetzung des Programmentgelts mit einem erheblichen Aufwand sowohl auf Seiten des ORF als auch auf Seiten der Regulierungsbehörde verbunden ist, ist eine 'Bagatellgrenze' in Höhe von 0,5% der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrages vorgesehen. Nur wenn der aus dem Titel der Abschöpfung auf dem Sperrkonto ausgewiesene Betrag diese Prozentgrenze überschreitet, ist eine sofortige Neufestsetzung erforderlich. Ansonsten sind die Mittel aufgrund der allgemein geltenden Regel des §31 Abs5 bei der Neufestsetzung des Programmentgelts ohnedies spätestens nach fünf Jahren in Abzug zu bringen.

Abs2 sieht vor, dass der ORF der Regulierungsbehörde auf Anfrage alle Informationen zur Verfügung zu stellen bzw. Einsicht in alle Aufzeichnungen und Bücher zu gewähren hat, damit diese den Abschöpfungsbetrag feststellen kann. Erst durch diese Regelung kann die Vorschrift über die Abschöpfung wirksam gestaltet werden; ohne entsprechende Informationen wäre es der Regulierungsbehörde nicht möglich, einen Abschöpfungsbetrag festzulegen. Um dem Fall vorzubeugen, dass die vom ORF vorgelegten Informationen bzw. die Aufzeichnungen und Bücher die Berechnung des Abschöpfungsbetrags nicht ermöglichen, kann die Regulierungsbehörde diesen auch schätzen. Diese Regelung orientiert sich an der vergleichbaren Regelung in §84 Bundesabgabenordnung. Entsprechend der Vorbildbestimmung enthält Abs3 nähere (demonstrative) Regelungen darüber, in welchen Fällen die Behörde eine Schätzung vorzunehmen hat. Bei der Sonderrücklage ergibt sich die Höhe der Abschöpfung in der Regel aus dem dotierten Betrag.

Abs4 trägt der Tatsache Rechnung, dass manche Tatbestände des §31c, insb. dessen Abs1, deckungsgleich mit dem Tatbestand des Art82 EG sein können; das kann dann der Fall sein, wenn dem ORF auf dem sachlich und örtlich relevanten Markt eine marktbeherrschende Stellung zukommt. Die Abschöpfung nach §38a soll keine Sanktion sein, sondern ein bloßes Rückgängigmachen eines beihilfenrechtswidrig erlangten Vorteils. Nun zieht aber auch Art82 EG erhebliche finanzielle Folgen für das betreffende Unternehmen nach sich, und zwar durch die Möglichkeit, eine Geldbuße zu verhängen. Diese Geldbuße verfolgt aufgrund ihrer Höhe u.a. den Zweck, den durch die Wettbewerbsverfälschung erzielten Vorteil rückgängig zu machen. Im Sinne der Sachlichkeit der Vorschrift soll die Abschöpfung gemäß §38a daher dann nicht durchgeführt werden, wenn der Tatbestand des Art82 EG erfüllt ist und daher die für diesen Fall vorgesehenen Rechtsfolgen eingreifen.

Zu §38b:

Mit den Bestimmungen des §38b wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass der ORF aus Rechtsverletzungen keinen wirtschaftlichen Vorteil lukrieren darf. Die Bestimmung orientiert sich inhaltlich an §111 TKG 2003. Es handelt sich um keine Strafe."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

2. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus der Sicht des Beschwerdefalles – nicht entstanden:

2.1. In der Beschwerde wird behauptet, dass §38a ORF-G gegen Art6 EMRK iVm Art91 B‑VG verstoße, weil es verfassungswidrig sei, wenn eine Behörde wie der BKS – dessen Tribunalqualität nicht in Abrede gestellt wird – zur Verhängung hoher Geldstrafen ermächtigt würde.

2.2. Voraussetzung einer Prüfung des §38a ORF-G am Maßstab der genannten Verfassungsbestimmungen ist, dass die Regelung von deren Anwendungsbereich erfasst ist, mithin, dass sie tatsächlich zur Verhängung von "Strafen" iSv Art6 EMRK und Art91 Abs2 B‑VG ermächtigt.

2.3. Das Vorliegen einer "strafrechtlichen Anklage" nach Art6 Abs1 EMRK ist nach der im Fall Engel beginnenden Rechtsprechung des EGMR nach der Einordnung im innerstaatlichen Recht, nach der Natur des Vergehens und schließlich nach der Art und Schwere der Strafe zu beurteilen (EGMR 23.11.1976, Fall Engel ua., Appl. 5100/71 ua.).

2.3.1. Das Abschöpfungsverfahren ist nach österreichischem Recht nicht als Strafverfahren zu qualifizieren. Die Anordnung der Abschöpfung von Einnahmen nach §38a ORF-G wird "unbeschadet" der Verhängung von Verwaltungsstrafen nach §38 getroffen, auf das Verfahren ist das AVG bzw. das VwGVG, nicht aber das VStG anzuwenden.

2.3.2. Auch die Natur des Vergehens ist nicht strafrechtlich iSv Art6 EMRK. Der Strafrechtscharakter könnte gestützt auf dieses Kriterium dann angenommen werden, wenn der Adressatenkreis der Regelung die Allgemeinheit ist und Art und Ziel der Sanktion dergestalt sind, dass sie auf Abschreckung und Repression gerichtet sind. Hinsichtlich des Adressatenkreises ist festzuhalten, dass sich die Bestimmung nur an einen einzigen Rundfunkveranstalter, den ORF, richtet. Die Erläuterungen führen ausdrücklich aus, dass das im ORF-G vorgesehene Sanktionssystem dadurch zu ergänzen sei, dass nicht-pönale Konsequenzen an eine untersagte Quersubventionierung dadurch geknüpft werden, dass eine rechtswidrige Mittelverwendung rückgängig gemacht werde. Es handle sich nicht um eine Sanktion, sondern bloß um einen "actus contrarius", um eine beihilfenrechtskonforme Situation herzustellen, und es komme nicht darauf an, ob den ORF ein Verschulden treffe (Erläut. zu §38a zur RV 611 BlgNR, 24. GP).

2.3.3. Das dritte Kriterium der Höhe der Sanktion könnte wegen der Schwere der nachteiligen Konsequenzen die Anwendbarkeit von Art6 EMRK begründen, die jedoch im Fall von Geldstrafen nicht betragsmäßig feststehe, vielmehr von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Voraussetzung ist aber stets, dass die drohenden negativen finanziellen Auswirkungen als Reaktion auf qualifiziert schuldhaftes und rechtwidriges Verhalten drohen (so ist ein zugesprochener Schadenersatzbetrag keine Strafe iSv Art6 EMRK). §38a ORF-G macht deutlich, dass die Abschöpfung der Beiträge unabhängig von einem schuldhaften Verhalten verfügt wird. Die Erläuterungen zu §38a ORF-G betonen, dass das Instrument der Abschöpfung dazu dient, eine Verwendung von Mitteln aus Programmentgelt für kommerzielle Zwecke hintanzuhalten. Zu §38b ORF-G führen die Erläuterungen aus, dass die Bestimmung sich inhaltlich an §111 TKG 2003 orientiert und es sich um keine Strafe handelt (Erläut. zur §38a zur RV 611 BlgNR, 24. GP). Auch die Höhe des Abschöpfungsbetrags vermag die Anwendbarkeit von Art6 EMRK in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu begründen.

2.4. Angesichts des Umstandes, dass das Abschöpfungsverfahren keine strafrechtliche Anklage iSv Art6 EMRK zum Gegenstand hat, kommt auch die Anwendbarkeit des Art91 B‑VG nicht in Betracht. Die Annahme eines "strafrechtlichen Kernbereichs" gerichtlicher Zuständigkeit wäre nur in Fällen denkbar, in denen wenigstens eines der beiden "Engel" - Kriterien der innerstaatlichen strafrechtlichen Qualifikation oder strafrechtlichen Natur des Vergehens erfüllt ist. Dies ist im Fall von Entscheidungen auf Grund von §38a ORF-G nicht der Fall (siehe oben 2.3.1. und 2.3.2.). Auch ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot, den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit den Gerichten vorzubehalten, liegt daher nicht vor.

3. Die beschwerdeführende Partei macht ferner der Sache nach geltend, dass §38a ORF-G gegen Art7 Abs1 B‑VG und Art2 StGG verstoße, weil die Bestimmung – bei dem von der belangten Behörde zugrunde gelegten Verständnis – zu unverhältnismäßigen Maßnahmen der Abschöpfung ermächtige.

3.1. Die gesetzliche Regelung des §38a ORF-G wurde mit der ORF-G-Novelle BGBl I 50/2010 eingefügt und sollte den Vorgaben aus der Kommissionsentscheidung im Beihilfeverfahren E2/2008 Rechnung tragen. In diesem Verfahren hat die Kommission die Untersuchungen in der Sache eingestellt unter der Voraussetzung der Sicherstellung der künftigen Vereinbarkeit der öffentlichen Finanzierung des ORF durch verschiedene Zusicherungen Österreichs, die insbesondere die Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und die Einführung von entsprechenden Kontrollorganen betrafen. Weitere Zusicherungen wurden zur Transparenz der öffentlichen Finanzierung des ORF erklärt, ferner in Bezug auf die Sanktionen, die bei wettbewerbswidrigem Verhalten des ORF und bei nicht ordnungsgemäßer Verwendung öffentlicher Mittel ein Rückzahlungsverfahren umfassen, einschließlich der Einzahlung der Mittel auf ein Sperrkonto (Rz 239 der Entscheidung K (2009) 8113 end. vom 28.10.2009). Die Durchführung dieser Maßnahmen wurde verbindlich gemacht (Rz 268).

3.2. §38a Abs1 ORF-G sieht nun u.a. vor, dass bei Heranziehung von Mitteln aus dem Programmentgelt, die für Tätigkeiten jenseits des öffentlich-rechtlichen Auftrags herangezogen wurden, eine Abschöpfung in der "Höhe dieser Mittel" anzuordnen ist. Mit dieser Anordnung wird der Entscheidung der Kommission Rechnung getragen, eine Abschöpfung nur eines Teils der Mittel wäre nicht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union (zum Zusammenhang des Abschöpfungsverfahrens mit den Vorgaben aus dem Beihilfeverfahren und zu den Tatbeständen des §38a Abs1 ORF-G siehe Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze3, 2011, 352 ff.).

3.3. Die beschwerdeführende Partei ist mit dem Hinweis im Recht, dass die Rechtsfolge der Abschöpfung unabhängig von der Schwere der Rechtsverletzung und einem allfälligen Verschulden eintritt. Dies ist jedoch keine Besonderheit des ORF-G, sondern entspricht den europarechtlichen Vorgaben des Beihilferechts (vgl. auch §111 TKG 2003). Auf die genannten Gesichtspunkte ist vielmehr in einem – unabhängig von der beihilferechtlich herbeigeführten Sanktion – durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren Bedacht zu nehmen.

3.4. Zwar können die Beträge, die abgeschöpft werden, erheblich sein, wie der vorliegende Fall zeigt. Stets handelt es sich jedoch um Beträge, die dem ORF aus dem Programmentgelt zugeflossen sind und die er für Tätigkeiten außerhalb des öffentlich-rechtlichen Auftrags verwendet hat, mit der Konsequenz, dass er regelmäßig auch hiefür Einnahmen etwa aus Werbung erzielt hat. Dass eine Tätigkeit insgesamt nicht kostendeckend war und isoliert gesehen sogar zu finanziellen Verlusten des ORF geführt hat, macht die Regelung – zumal vor dem Hintergrund einer hinreichend detaillierten Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags insbesondere durch den im Beschwerdesachverhalt maßgeblichen §4b ORF-G – nicht verfassungswidrig.

4. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

4.1. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die beschwerdeführende Partei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

4.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

4.3. Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor: Die belangte Behörde hat sich mit dem Berufungsvorbringen im Einzelnen sorgfältig auseinandergesetzt und die Auslegung der den angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Bestimmungen anhand der Gesetzesmaterialien ausführlich begründet. Die Überprüfung des Bescheids hat nicht ergeben, dass die belangte Behörde willkürlich gehandelt hat, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Abschöpfungsbetrages.

5. Die beschwerdeführende Partei macht ferner eine Verletzung von Art6 EMRK und von Art47 Abs2 Grundrechte-Charta geltend, weil die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe.

5.1. Art6 Abs1 EMRK gewährleistet in Verfahren über eine strafrechtliche Anklage oder über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen u.a. ein Recht auf mündliche Verhandlung. Zwar bildet der Gegenstand des Abschöpfungsverfahrens nach §38a ORF-G keine "strafrechtliche Anklage" (siehe oben 2.3.). Allerdings betreffen die nach dieser Bestimmung verfügten Abschöpfungen vermögenswerte Rechte nach der Rechtsprechung des EGMR und daher zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, weshalb Art6 EMRK anwendbar ist.

5.2. Das Recht auf eine mündliche Verhandlung ist jedoch allein schon deshalb nicht verletzt, weil die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben konnte und dort auf Grund der mit Art6 EMRK im Einklang stehenden gesetzlichen Bestimmung des §39 VwGG die Durchführung einer mündliche Verhandlung vor einem Gericht erwirken konnte, das hinsichtlich seiner Kognitionsbefugnis für die Zwecke von Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen den Anforderungen des Art6 EMRK entspricht. Damit ist aber nicht nur gewährleistet, dass jedenfalls in der nachprüfenden Kontrolle des letztinstanzlichen Bescheides mit dem Verwaltungsgerichtshof ein Gericht entscheidet, das bei verfassungskonformer Wahrnehmung seiner Zuständigkeit den Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiliches Tribunal nach Art6 EMRK genügt (VfSlg 18.446/2008; EGMR 21.9.1993, Fall Zumtobel, Serie A Nr 268 = ÖJZ1993, 782 ff. = JBl 1994, 396 [Z31 f]; im Ergebnis ebenso bereits VfSlg 7284/1974), sondern auch, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art6 EMRK eine mündliche Verhandlung stattfindet (vgl. insbesondere §39 Abs1 Z6 VwGG).

6. Art47 Abs2 GRC gewährleistet ein Art6 Abs1 EMRK vergleichbares Recht auf eine mündliche Verhandlung. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das zugrunde liegende Verfahren einen Sachverhalt betrifft, in dem die Behörden und Gerichte in Durchführung des Unionsrechts handeln (VfSlg 19.632/2012).

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B‑VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (zB VfSlg 17.873/2006 mwN).

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