VfGH B388/61

VfGHB388/6123.6.1962

Rechtssatz

Eine Reihe von Bestimmungen des Kärntner Campingplatzgesetzes dienen dem Schutze der Gesundheit. Die einschlägigen Bestimmungen des CampingplatzG fallen aber nicht unter den Begriff der - allgemeinen - Sanitätspolizei (Slg. 3650/1959) .

Die bloße Raumvermietung (Miethausbesitz) kann im allgemeinen nicht als Gewerbe i. S. des § 1 a P. 29 der Gewerbeordnung angesehen werden. Zur bloßen Raumvermietung muß noch irgendeine Dienstleistung oder Haftung hinzutreten. Auch die mietweise Bereitstellung von Grundstücken für Campingzwecke fällt nicht darunter. Die Leistungen, die das CampingplatzG LGBl. für Krnt. Nr. 46/1959, dem Campingplatzunternehmer aufträgt (Bereitstellung von Trinkwasser, Waschanlagen, Abfallbehälter, Klosettanlagen, Kochstätte, Löschgeräte, Beleuchtung, Hinweistafeln) , sind keine gewerbebegründenden Dienstleistungen und Arbeiten i. S. des Art. IV Abs. 1 KP zur GewO, denn sie gehen nicht über die Leistungen hinaus, die auch der Eigentümer eines Miethauses erbringt und die niemals als gewerbebegründend betrachtet worden sind.

Die Vorschrift eines Landesgesetzgebers, die den Parteibegriff des {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 8, § 8 AVG} einengte, wäre verfassungwidrig, weil die Vorschriften des AVG auch den Landesgesetzgeber binden.

Für die Bestimmung der Rechtsstellung eines Anrainers in einem Verwaltungsverfahren müssen jedenfalls auch die Bestimmungen des Zivilrechtes in Betracht gezogen werden. Wenn sich aus ihnen ergäbe, daß nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens die Rechtsstellung eines Anrainers eine Änderung erfahren hat, so kommt ihm die Stellung einer Partei in diesem Verwaltungsverfahren zu. Wenn eine landesgesetzliche Verwaltungsvorschrift dem Anrainer in einem solchen Falle trotzdem die Parteistellung absprechen sollte, so wäre sie insoweit wegen Widerspruches zu einer Vorschrift des zuständigen Bundesgesetzgebers verfassungswidrig, wenn die landesgesetzliche Vorschrift die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung ausschlösse.

Für die Beantwortung der Frage, inwieweit im einzelnen Falle eine Beteiligung vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses gegeben ist, sind grundsätzlich die in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit anzuwendenden Verwaltungsvorschriften maßgebend. Es ist festzuhalten, daß auch aus anderen Vorschriften als aus der konkreten Verwaltungsvorschrift die Parteieigenschaft i. S. des {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 8, § 8 AVG} erschlossen werden kann. In zahlreichen Fällen enthält die Verwaltungsvorschrift keine Bestimmung über die Parteien des Verwaltungsverfahrens. Um die Parteieigenschaft einer Person zu ermitteln, ist es erforderlich, alle auf die Angelegenheit Bezug habenden Rechtsvorschriften zu prüfen.

Nach bürgerlichem Rechte kann jeder Grundstückseigentümer das ihm gehörige Grundstück nach Willkür benützen ({Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 362, § 362 ABGB}) ; auch der Nachbar, für den das gleiche gilt, kann ihn hiebei nicht hindern.

Allerdings ist die Ausübung des Eigentums durch die Vorschriften der §§ 364, 364 a, 364 b und 364 c ABGB beschränkt. Insbesondere kann nach § 364 Abs. 2 der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Dieser Untersagungsanspruch des Eigentümers gegen seinen Nachbarn besteht jedoch nicht in den Fällen des § 364 a ABGB. Wenn danach die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder "eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund" in einer Weise, die das zur Duldung verpflichtende Maß nach {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 364, § 364 Abs. 2 ABGB} überschreitet, verursacht wird, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.

Die Materie, die vom CampingplatzG geregelt wird, ist keinem dem Bunde vorbehaltenen Kompetenztatbestand zuzuordnen und fällt, da auch die Kompetenzgründe der Art. 11 und 12 B-VG ausscheiden, in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder nach Art. 15 Abs. 1 B-VG, wobei es, da sich dieser Kompetenztatbestand nicht aus einzelnen selbständigen Tatbeständen zusammensetzt, müßig wäre, zu untersuchen, ob hier Baurecht, Naturschutz, Fremdenverkehr oder eine ähnliche Angelegenheit gegeben ist. Der VfGH hat demnach keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen das CampingplatzG.

Wäre ein nach den Bestimmungen des CampingplatzG genehmigter Campingplatz eine "behördlich genehmigte Anlage" i. S. des § 364 a ABGB, so wäre dem Anrainer mit der Genehmigung das Untersagungsrecht gegen Immissionen genommen und er auf das Recht des Schadenersatzes beschränkt. Die dem Grundeigentümer erteilte Bewilligung hätte dann die Rechtsstellung des Anrainers verändert; ihm könnte dann ein rechtliches Interesse an der Teilnahme an dem Bewilligungsverfahren nicht abgesprochen werden, woraus sich seine Parteistellung gemäß {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 8, § 8 AVG} ergäbe. Bloß baupolizeilich genehmigte Bauwerke sind keine behördlich genehmigten Anlagen i. S. des § 364 a ABGB. Hieran anknüpfend ist festzustellen, daß der Inhalt der Bewilligungen nach dem CampingplatzG nicht über den Inhalt eines Baukonsenses hinausgeht. Hiezu kommt, daß nach dem Gesetze durch den Campingbetrieb die Nachbarschaft nicht belästigt werden darf (§ 2 Abs. 1) . Diese Bestimmung schließt es aus, einen bewilligten Campingplatz als eine "behördlich genehmigte Anlage" i. S. des § 364 a ABGB mit einem sich hieraus ergebenden Verlust des Rechtes der Abwehr von Immissionen anzusehen. Aus den Bestimmungen des Zivilrechtes ist daher eine Parteistellung nicht ableitbar.

Wege-Servitutsrechte werden durch die Erteilung einer Bewilligung nach dem CampingplatzG in keiner Weise berührt. Zur Durchführung der Servitutsrechte stehen die gleichen rechtlichen Mittel zu Gebote, die zu Gebote gestanden wären, wenn der Campingplatz vor Erlassung des Gesetzes ohne behördliche Bewilligung errichtet worden wäre. Der Umstand, daß das Gesetz in dem nach seinen Bestimmungen durchzuführenden Verwaltungsverfahren auch Servitutsberechtigten keine Parteistellung eingeräumt hat, begründet demzufolge keinen Widerspruch zu {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 8, § 8 AVG} und damit keine Verfassungswidrigkeit.

Die Bestimmungen des Gesetzes über die Lage und Beschaffenheit eines Campingplatzes, über die sanitären und die sonstigen Einrichtungen ( §§ 2 bis 5) dienen dem Schutze der Allgemeinheit und haben polizeilichen Charakter. Wenn das Gesetz z. B. anordnet, daß der Campingplatz so gelegen sein muß, daß durch den Campingbetrieb die Erholung jener Fremden, die den Campingplatz nicht benützen, nicht beeinträchtigt und die Nachbarschaft nicht belästigt werden darf ( § 5 Abs. 2) und daß die Kochstätte auf dem Campingplatz so angelegt werden muß, daß ein Übergreifen von Bränden auf die Umgebung ausgeschlossen ist, so werden damit weder für die in der Nähe des Campingplatzes Erholung suchenden Fremden noch auch für die Personen, die zur "Nachbarschaft" gehören noch auch für die in der "Umgebung " wohnenden Personen subjektive öffentliche Rechte begründet. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verwendung eines Grundstückes als Campingplatz vorhanden sind, hat somit die Behörde ausschließlich gegenüber der ansuchenden Partei zu prüfen und zu entscheiden.

In dem Umstand, daß eine bestimmte Person zu einer Augenscheinsverhandlung geladen worden war und an ihr teilgenommen hat, ist keine Anerkennung ihrer Parteieigenschaft gelegen.

Keine Angabe — Campingplatzgesetz Kärnten Eigentum Gesundheitswesen Gewerbe Garagen Gewerbeordnung Kundmachungspatent Vermietung Verwaltungsverfahren Parteien und sonstige Beteiligte

 

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §362, ABGB §362
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §364, ABGB §364
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §364, ABGB §364 Abs2
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §364 A, ABGB §364a
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §364 B, ABGB §364b
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §364 C, ABGB §364c
Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz §8, AVG §8
Bundes-Verfassungsgesetz Art11, B-VG Art11
Bundes-Verfassungsgesetz Art12, B-VG Art12
Bundes-Verfassungsgesetz Art15, B-VG Art15 Abs1
GewO

B388/61VfGH23.06.1962

Dokumentnummer

JFR_19620623_61B00388_01

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