VfGH B3670/96

VfGHB3670/9630.9.1997

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Versagung der Parteistellung für den geschiedenen Vater im Verfahren zur Namensänderung seiner ehelichen minderjährigen Tochter; Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Äußerung im Namensänderungsverfahren seiner Tochter aufgrund der zivilrechtlichen Regelungen des Kindschaftsrechts

Normen

B-VG Art83 Abs2
AVG §8
NamensänderungsG §8
NamensrechtsänderungsG
ABGB §154 Abs2
ABGB §178 Abs1
B-VG Art83 Abs2
AVG §8
NamensänderungsG §8
NamensrechtsänderungsG
ABGB §154 Abs2
ABGB §178 Abs1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines bevollmächtigten Vertreters die mit S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Eingaben vom 1.8.1995 beantragten die minderjährigen Kinder des nunmehrigen Beschwerdeführers - sie entstammen der mittlerweile geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers mit der Kindesmutter -, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, beim Magistrat der Stadt Wien die Änderung ihrer Familiennamen.

Nach ihrer Wiederverheiratung hat die Mutter den Namen ihres nunmehrigen Ehemannes als gemeinsamen Familiennamen angenommen. Durch die beantragte Namensänderung sollte auch der Name der Kinder auf diesen Namen geändert werden.

In weiterer Folge bewilligte der Magistrat der Stadt Wien nach Einholung einer Stellungnahme durch den nunmehrigen Beschwerdeführer, in der sich dieser gegen die beantragte Namensänderung aussprach, die beantragten Namensänderungen.

Die dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufungen wurden mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des Landeshauptmannes von Wien mangels Parteistellung des Beschwerdeführers mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, daß dem Beschwerdeführer Parteistellung im Namensänderungsverfahren seiner minderjährigen Kinder aufgrund der Bestimmung des §8 Namensänderungsgesetzes, BGBl. 195/1988 (im folgenden NÄG 1988) idF des Namensänderungsgesetzes BGBl. 25/1995, nicht mehr zukomme.

2. Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt und hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

3. Der Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1993), indem sie etwa zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

Die für den vorliegenden Beschwerdefall wesentliche Bestimmung im NÄG 1988 idF des Namensrechtsänderungsgesetzes BGBl. 25/1995 lautet:

"Parteien

§8. (1) Die Stellung einer Partei kommt in einem Verfahren auf Änderung des Familiennamens oder Vornamens jedenfalls zu

1. dem Antragsteller;

2. der Person, die im Sinn des §3 Abs1 Z3 in ihren berechtigten Interessen berührt ist.

(2). Lassen sich Parteien nach Abs1 Z2 nicht nach §5 ermitteln, ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und im Sinn des §41 AVG bekanntzumachen."

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des ABGB lauten wie folgt:

"Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern

§139. ...

...

§154. (1) ...

(2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, ... betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils. ...

(3) ...

Mindestrechte der Eltern

§178. (1) Soweit einem Elternteil die Obsorge nicht zukommt, hat er, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr, das Recht, von außergewöhnlichen Umständen, die die Person des Kindes betreffen, und von beabsichtigten Maßnahmen zu den im §154 Abs2 und 3 genannten Angelegenheiten von demjenigen, dem die Obsorge zukommt, rechtzeitig verständigt zu werden und sich zu diesen, wie auch zu anderen wichtigen Maßnahmen, in angemessener Frist zu äußern; dem Vater eines unehelichen Kindes, dem die Obsorge nie zugekommen ist, steht dieses Recht nur bezüglich wichtiger Maßnahmen der Pflege und Erziehung zu. Diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.

(2) ..."

2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen vom 4. Dezember 1996 B1481/96 und vom 23. Jänner 1997 B3036/95 (diese betrafen jeweils eheliche Kinder) dargelegt hat, steht einem Elternteil gemäß §8 Abs1 NÄG iVm §8 AVG Parteistellung im Rahmen des §178 Abs1 ABGB zu. Der Verfassungsgerichtshof hat dies in den genannten Entscheidungen wie folgt begründet:

"Nach dem Wortlaut des §8 Abs1 NÄG und insbesondere am Wort 'jedenfalls' zeigt sich, daß die Aufzählung der Parteien in §8 Abs1 NÄG durch den Gesetzgeber nicht erschöpfend erfolgt ist (so bereits die Erläuternden Bemerkungen zu §8 NÄG aF RV 467, 17. GP, 11). Da den Eltern eines minderjährigen Kindes im Gegensatz zum NÄG aF nunmehr Parteistellung nicht mehr explizit zukommt, ist daher unter Anwendung des §8 AVG zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer im Namensänderungsverfahren seiner minderjährigen Tochter "vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses" Parteistellung zukommt. §8 AVG enthält selbst keine Bestimmung darüber, wann ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse besteht. Es ist daher bei der Beurteilung dieser Frage nicht nur von den Bestimmungen des NÄG, sondern von der Rechtsordnung insgesamt einschließlich des Privatrechtes auszugehen, soweit diese Rechtsvorschriften in einer Beziehung zur konkreten Angelegenheit stehen.

So judizierte der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum NÄG aF, daß dem Elternteil, dem die Obsorge für das Kind nicht zukommt, aus §178 Abs1 iVm §154 Abs2 ABGB ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Namensänderungsverfahren erfließt und hat die Parteistellung, die diesem Elternteil nach dem NÄG aF bereits explizit aus dem Gesetz erwuchs, in dem durch §178 Abs1 ABGB eingeschränkten Umfang verstanden (s. zB VwGH 21.9.1994, 93/01/1289 und 15.12.1993, 93/01/0876).

Da §178 Abs1 iVm §154 Abs2 ABGB durch das Namensrechtsänderungsgesetz, BGBl. 25/1995, keine Änderung erfahren hat, steht dem Beschwerdeführer, dem aufgrund dieser Bestimmung sohin ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Namensänderungsverfahren seiner minderjährigen Tochter erwächst, gemäß §8 Abs1 NÄG iVm §8 AVG Parteistellung im Rahmen des §178 Abs1 ABGB zu."

Die belangte Behörde hat sohin dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Dadurch wurde dieser im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,- enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte