Normen
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK 7. ZP Art4
DSt 1990 §16
RAO §9 ff
RL-BA 1977 §9b, §43
StGB §31, §40, §153
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK 7. ZP Art4
DSt 1990 §16
RAO §9 ff
RL-BA 1977 §9b, §43
StGB §31, §40, §153
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Februar 2003 wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens der Untreue gemäß §153 Abs1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 18. Februar 2004 wurde die Strafe auf drei Jahre unbedingt herabgesetzt.
1.2. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 15. Februar 2005 wurde er schuldig erkannt, er habe
"1. den am 31. August 1995 gegenüber der C-Bankverein übernommenen Treuhandauftrag zugunsten der C-Bankverein zur Beibringung einer Bankgarantie über [ATS] 20,000.000,-- zur Sicherstellung der C-Bankverein hinsichtlich eines seiner Mandantschaft ... gewährten Kredites zu bewirken weder bis zum ursprünglich vereinbarten Termin 15. März 1996, noch bis zum verlängerten Termin 30. April 1996, noch bis dato erledigt;
2. bezügliche Urgenzschreiben, insbesondere die Aufforderung der C-Bankverein vom 29. März 1996, die Erklärung abzugeben, dass sich der Treuhandbetrag noch in seiner Verwahrung befinde, nicht beantwortet;
3. entgegen den klaren Treuhandbedingungen über den Treuhandbetrag von [ATS] 28,000.000,-- disponiert und diesen Treuhandbetrag nicht auf einem Anderkonto verwahrt;
4. trotz aufrechten Treuhandauftrages nicht die Erfüllung desselben sichergestellt."
Er habe dadurch die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen und wurde gemäß §16 Abs1 Z4 Disziplinarstatut 1990 (im Folgenden: DSt 1990) zur Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte verurteilt.
1.3. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 25. Juli 2005 teilweise Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis in Punkt 4. sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, der Beschwerdeführer sei schuldig,
"4. in Bezug auf einen Betrag von [ATS] 8,000.000,-- trotz aufrechten Treuhandauftrages nicht die Erfüllung desselben sichergestellt zu haben.
Er hat auch hierdurch, ebenso wie zu den aufrecht bleibenden Schuldsprüchen nach den Punkten 1. bis 3. des angefochtenen Erkenntnisses, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen und wird hiefür gemäß §16 Abs1 Z4 DSt [1990] zur Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte verurteilt."
2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Verbot der Doppelbestrafung sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen der Beschwerde entgegentritt und deren Abweisung beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil ein konkreter Vorwurf, worin die Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des Standes zu erblicken sei, fehle. Außerdem werde er durch den angefochtenen Bescheid mit Erschwerungsgründen, welchen eine gesetzliche Grundlage fehle, belastet. Der Gesetzgeber habe eine analoge Anwendung des StGB nicht gewollt.
2.2.1. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Vorwurf die - sich aus den allgemeinen Bedingungen für eine treuhändige Abwicklung von Immobilientransaktionen ergebenden - standesrechtlichen Verpflichtungen für Rechtsanwälte betrifft (§9b und §43 Abs5 RL-BA). Nach Auffassung der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer seine Berufspflichten verletzt sowie Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt (§§9 ff. RAO), weil er aufgrund seines Verhaltens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Der belangten Behörde kann - aus verfassungsrechtlicher Sicht - nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass schwerwiegende strafrechtliche Verfehlungen mit besonderer negativer Öffentlichkeitswirkung verbunden sind. Dies trifft umso mehr zu, wenn die Straftat in einem direkten Bezug zum Beruf steht, zumal die Ehre, das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit eines ganzen Berufsstandes in der Öffentlichkeit in Frage gestellt werden.
2.2.2. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, eine analoge Anwendung des StGB sei unzulässig, ist ihm entgegenzuhalten, dass die §§31 und 40 StGB gemäß §16 Abs5 DSt 1990 sinngemäß gelten.
§16 Abs6 DSt 1990 räumt den Disziplinarbehörden bei der Festsetzung von Strafen ein (Auswahl-)Ermessen ein, wobei unter anderem die Größe des Verschuldens Berücksichtigung finden soll. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers als eine besondere Vertrauensverletzung im Hinblick auf die Folgen für den gesamten Rechtsanwaltsstand, die Nachteile für die rechtsuchende Bevölkerung und die Höhe des Treuhandbetrages wertet.
Sie hat jedenfalls keinen so schweren Fehler begangen, dass der Bescheid wegen Verkennens der Rechtslage mit Willkür belastet wäre.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
3.1. Unter dem Titel des Art6 EMRK rügt der Beschwerdeführer, dass gegen jemanden, der gerichtlich bestraft worden sei, kein Disziplinarverfahren wegen derselben strafbaren Handlung eingeleitet werden dürfe. Die dem Beschwerdeführer zuzurechnende Schuld finde ihren Niederschlag bereits in der strafgerichtlich verhängten Strafe.
3.2. Im Erkenntnis VfSlg. 15.543/1999 führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass es ein legitimes Interesse einer Standesgemeinschaft darstelle, sich im Falle gerichtlicher Verurteilungen - denen Verhaltensweisen des Betroffenen zugrunde liegen, von denen auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht - in Wahrnehmung des sogenannten "disziplinären Überhanges" disziplinarrechtliche Reaktionen vorzubehalten. Dies ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ein eigener - eine gesonderte disziplinäre Bestrafung rechtfertigender - Aspekt, der weder gegen Art6 EMRK noch gegen Art4 des 7. ZP-EMRK verstößt.
In den Erkenntnissen VfSlg. 15.586/1999, 15.847/2000, 16.960/2003, hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass dies auch für das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte gilt. Der Gerichtshof sieht angesichts des vorliegenden Beschwerdefalles keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art6 EMRK verletzt.
4.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt, weil der Ausspruch eines verfassungsrechtlich nicht gedeckten Berufsverbotes gegen Art5 StGG verstoße.
4.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzt, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Berufsverbot ist durch §16 Abs6 DSt 1990, nach dem bei der Verhängung einer solchen Strafe insbesondere auf die Größe des Verschuldens und auf den daraus entstandenen Nachteil, vor allem für die rechtsuchende Bevölkerung, Bedacht zu nehmen ist, gedeckt. Die belangte Behörde hat die Bestimmung nicht denkunmöglich angewendet.
Somit wurde der Beschwerdeführer auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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