VfGH B1664/08

VfGHB1664/088.6.2010

Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Auswahlentscheidung der Behörde bei Besetzung einer Leiterstelle einer Volksschule; in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
LDG 1984 §26
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
LDG 1984 §26

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin in

einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol. Ihre Dienststelle ist die Volksschule Neuarzl. Sie bewarb sich - neben zwei weiteren Mitbewerberinnen - um die im "Boten für Tirol" vom 16. April 2008 ausgeschriebene Leiterstelle an der Volksschule Angergasse.

2. Das Schulforum der Volksschule Angergasse sprach sich in seiner Sitzung am 25. Mai 2008 mehrheitlich für die Beschwerdeführerin aus. Das Kollegium des Bezirksschulrates Innsbruck beschloss in seiner Sitzung am 11. Juni 2008 mehrheitlich einen Besetzungsvorschlag, in dem die Beschwerdeführerin nach der ernannten Mitbewerberin an zweiter Stelle gereiht war. Der Zentralausschuss der Lehrer an allgemein bildenden Pflichtschulen Tirols schloss sich dem Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates mit Schreiben vom 24. Juni 2008 nicht an und schlug vor, die Leiterstelle an der Volksschule Angergasse an die Beschwerdeführerin zu verleihen. Der Landesschulrat stimmte der Reihung des Bezirksschulrates mit Schreiben vom 25. Juni 2008 nicht zu.

3. Die Tiroler Landesregierung wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. August 2008 u.a. das Bewerbungsgesuch der Beschwerdeführerin ab. Begründend wird in dem Bescheid im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Nach Ausschreibung der Leiterstelle an der Volksschule Angergasse im 'Boten für Tirol' vom 16.04.2008 haben sich fristgerecht Volksschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [H-P], Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [P] und Volksschuldirektorin Dipl.-Päd.in [R] beworben.

Nach §26 Abs6 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 ist vom landesgesetzlich hiezu berufenen Organ aus den Bewerbungsgesuchen ein Besetzungsvorschlag zu erstatten. Nach §26 Abs7 des genannten Gesetzes sind bei mehr als drei in Betracht kommenden Bewerbern drei, bei drei oder weniger solchen Bewerbern alle diese in den Besetzungsvorschlag aufzunehmen und zu reihen.

Das Kollegium des Bezirksschulrates Innsbruck hat in seiner Sitzung am 11.06.2008 folgenden Besetzungsvorschlag beschlossen:

  1. 1. Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [P]
  2. 2. Volksschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [H-P]
  3. 3. Volksschuldirektorin Dipi.-Päd.in [R]

Die Beschlussfassung des Kollegiums des Bezirksschulrates erfolgte mehrstimmig. Der Zentralausschuss hat sich dem Vorschlag nicht angeschlossen und vorgeschlagen, die Leiterstelle an Volksschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [H-P] zu verleihen. In der Begründung führte der Zentralausschuss aus, dass alle drei Bewerberinnen über hervorragende Qualifikationen und ausgezeichnete fachspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen würden. Nach den formalen Kriterien des §26 LDG wären Volksschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [H-P] und Volksschuldirektorin Dipl.-Päd.in [R] vorzureihen. Ein um ca. fünf Jahre früherer Vorrückungsstichtag und das Votum des Schulforums würden den Zentralausschuss dazu veranlassen, Volksschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [H-P] für die Leitung der Volksschule Angergasse vorzuschlagen. Der Landesschulrat für Tirol hat dem Reihungsvorschlag des Kollegiums ebenfalls nicht zugestimmt, da auf Grund des Vorrückungsstichtages und der Qualifikation eine Umreihung erforderlich sei. Das Schulforum der Volksschule Angergasse hat sich für Volksschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [H-P] ausgesprochen. Bei der Auswahl und Reihung im Besetzungsvorschlag ist nach §26 Abs7 LandeslehrerDienstrechtsgesetz 1984 zunächst auf die in der Ausschreibung allenfalls angeführten zusätzlichen fachspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten, dann auf die Leistungsfeststellung sowie auf den Vorrückungsstichtag und auf die in dieser Schulart zurückgelegte Verwendungszeit Bedacht zu nehmen.

Als fachspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, die von den Bewerbern erwartet werden, wurden in der Ausschreibung der schulfesten Leiterstelle angeführt:

Was diese Kenntnisse und Fähigkeiten anlangt, ist bei den in den Reihungsvorschlag Aufgenommenen punktuell hervorzuheben:

[TABELLE AUS TECHNISCHEN GRÜNDEN NICHT DARSTELLBAR]

Alle Bewerberinnen haben den von ihnen zu erwartenden Arbeitserfolg durch besondere Leistungen erheblich überschritten.

Die Zweitgereihte hebt sich gegenüber ihren Mitbewerberinnen in Bezug auf den Vorrückungsstichtag ab (07.11.1972 gegenüber 15.11.1982 bei Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [P] bzw. 06.07.1977 bei Volksschuldirektorin Dipl.-Päd.in [R]). Auch beim Kriterium 'an der betreffenden Schulart zurückgelegte Verwendungszeit' übertrifft die Zweitgereihte mit 26 Jahren 5 Monaten ihre Mitbewerberinnen (19 Jahre 11 Monate bei Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [P] und 18 Jahre 10 Monate bei Volksschuldirektorin Dipl.-Päd.in [R]).

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden den Bewerberinnen in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Nur die Drittgereihte hat vom eingeräumten Recht zur Stellungnahme Gebrauch gemacht. Sie bemängelte, dass in Bezug auf die fachlichen, pädagogischen und organisatorischen Fähigkeiten, die nach §26 LDG an der Spitze der Auswahlkriterien stünden, insbesondere die in ihrer Bewerbung angeführten schulleiterspezifischen Qualifikationen vom Kollegium des Bezirksschulrates nicht berücksichtigt worden seien.

Die Landesregierung hat wie folgt erwogen:

Was die in der Ausschreibung angeführten zusätzlichen Kenntnisse und Fähigkeiten betrifft, ist insgesamt von Vorteilen für die Erstgereihte auszugehen:

Im Verhältnis zu beiden Mitbewerberinnen ist angesichts der stetig zunehmenden Bedeutung der Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Volksschulen (Integration) bedeutsam, dass die Erstgereihte über die weitaus größte Erfahrung in diesem Bereich verfügt. Hier hebt sich die Erstgereihte im Hinblick auf ihre Sonderschulausbildung von der Drittgereihten zusätzlich ab.

Der weitere Vergleich mit der Drittgereihten zeigt, dass die Erstgereihte bereits 14 Jahre als Besuchsschullehrerin tätig ist; während die Drittgereihte lediglich sechs Jahre (bis 2002) als solche tätig war. Diesem Vorteil der Erstgereihten ist allerdings die Tatsache gegenüber zu stellen, dass die Drittgereihte auf nahezu sechs Jahre Erfahrung als Leiterin einer Kleinschule verweisen kann.

Was den Vergleich mit der Zweitgereihten anlangt, ist zu berücksichtigen, dass diese seit rund sechs Jahren einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule (Pädagogische Akademie des Bundes in Tirol, Pädagogische Hochschule Tirol) zur Dienstleistung zugewiesen ist und sich daher seither in einem beruflichen Umfeld abseits von den für Volksschulen geltenden organisationsrechtlichen und dienstrechtlichen Vorschriften bestimmten Rahmenbedingungen bewegt hat.

Angesichts der beschriebenen Vorteile der Erstgereihten in Bezug auf die Ausschreibungskriterien treten die Unterschiede zu den Mitbewerberinnen in punkto Vorrückungsstichtag und Verwendungszeit an der Schulart in den Hintergrund. Bei allen drei Bewerberinnen handelt es sich um überaus erfahrene Lehrerinnen. Der 'ungünstigste' Vorrückungsstichtag (jener der Erstgereihten) liegt mehr als 25 Jahre zurück, die 'kürzeste' Verwendungszeit an Volksschulen (jene der Drittgereihten) liegt bei mehr als 18 Jahren.

Das Votum des Schulforums vermag ein Abgehen vom Reihungsvorschlag nicht zu rechtfertigen, da das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 dem Schulforum als dem Organ der Schulpartnerschaft lediglich ein (dem Vorschlagsrecht nicht vergleichbares) Recht zur Anhörung und Stellungnahme einräumt.

Die vom Kollegium des Bezirksschulrates vorgenommene Reihung findet daher im LDG 1984 Deckung, weshalb dem Reihungsvorschlag zu folgen und die Leiterstelle an der Volksschule Angergasse an Sonderschuloberlehrerin Dipl.-Päd.in [P] zu verleihen ist."

4. In der gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung erhobenen Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch den Bescheid geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochten Bescheides begehrt. In der Beschwerde wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Die Begründung des beschwerdegegenständlichen Bescheides enthält eine Auflistung der Eignung der Mitbewerberinnen und meiner Eignung, wobei wesentliche Lehrgänge und Zusatzqualifikationen, die ich absolviert habe, verschwiegen und dementsprechend bei der Gegenüberstellung nicht berücksichtigt werden. So werden beispielsweise meine Tätigkeiten in der Lehrerfortbildung und in der Lehrerweiterbildung (Seminarleiterin, Referentin, Leiterin einer Arbeitsgemeinschaft), Teilnahme an Projekten der Schulentwicklung, einschlägige Veröffentlichungen und Erstellung von Unterrichtsmitteln, aber auch meine Führungserfahrungen sowie administrativen Erfahrungen als Klassenvorstand, Kustos und als Leitervertreterin schlichtweg übergangen. Die belangte Behörde erweckt damit den Anschein, ich sei weniger qualifiziert als die Beteiligte. Die Erwägungen der belangten Behörde zur Eignungsfrage erschöpfen sich in der folgenden Passage, die an die Bemerkung anknüpft, dass insgesamt von Vorteilen für die Erstgereihte auszugehen sei:

[Es folgte eine auszugsweise Wiedergabe der Erwägungsgründe aus dem Bescheid der Landesregierung.]

Die Begründung enthält somit keine auch nur annähernd ausreichende Abwägung der Eignungen. Die grobe Aufzählung der Qualifikationen genügt den - aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden - Anforderungen an die Begründung eines derartigen Bescheides nicht. Im Sinne der ständigen Judikatur des Hohen Verfassungsgerichtshofes bedeutet das objektive Entscheidungswillkür, weil einer solchen 'Begründung' kein inhaltlicher Begründungswert zukommt. Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung nicht von objektiven Erwägungen leiten lassen.

Sie hat es verabsäumt, bei der von ihr zu treffenden Auswahlentscheidung, die für und gegen mich sprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und dem grö[ß]eren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart mein Übergehen zu begründen. Der Bescheidbegründung ist lediglich zu entnehmen, dass ich mich infolge meiner Dienstzuteilung an einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule in einem beruflichen Umfeld abseits den für Volksschulen geltenden Vorschriften bestimmten Rahmenbedingungen bewegt hätte. Die Begründung ist weder schlüssig noch nachvollziehbar und ist zweifellos nicht sachlich-denkrichtig.

Bei Anstellung eines Eignungsvergleiches hätte die belangte Behörde zur Überzeugung kommen müssen, dass ich wesentlich mehr Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderungen habe und über mehr Zusatzqualifikationen verfüge als die ernannte Mitbewerberin. Weiters bin ich klassenführende Lehrerin an der Praxisvolksschule der PHT, die die künftigen Landeslehrer/innen ausbildet und auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet, entsprechend dem Lehrplan und den allgemeinen schulischen Verordnungen und Gesetzen, womit ich bereits meine Führungs- und Leiterqualifikationen unter Beweis stelle. Dass ich mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut wurde, ist unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass mit einer solchen Funktion zweifellos nur jemand beauftragt wird, der über die entsprechende besonders hohe Qualifikation verfügt und diese Funktion übe ich bestens aus. Diese Erfahrung ist jedenfalls wesentlich größer einzustufen als jene der anderen Beteiligten. Die diesbezüglichen Überlegungen der belangten Behörde sind offensichtlich fadenscheinig und in Anseh...ung der gegenständlichen Planstelle inadäquat, sodass deren Heranziehung klar die Willkürbehandlung aufzeigt.

Die Praxisvolksschule der PHT ist organisations- und dienstrechtlich weitgehend jeder anderen Volksschule gleichgestellt.

Das behördliche Argument, durch meine PHT Tätigkeit hätte ich mich in einem beruflichen Umfeld bewegt, welches abseits der organisatorischen und dienstrechtlichen Rahmenbedingungen der Volksschulen gelegen ist, stellt eine direkte Willkürausübung dar. Es handelt sich dabei eindeutig um eine höher qualifizierte Tätigkeit als es eine übliche Volksschullehrertätigkeit ist. Soweit sie im Sinne der behördlichen Argumentation 'aus dem Rahmen fällt', ist das qualifikationsfördernd. Das gilt sogar auch für die organisatorischen und dienstrechtlichen Besonderheiten, die einerseits so begrenzt sind, dass sie gewiss keine 'Berufsfremdheit' bewirkten (Dienstzuteilung als Landeslehrer, Organisationsgrundstrukturen einer Volksschule), soweit sie aber andererseits doch Variabilität inkludieren, der geistigen Beweglichkeit nur förderlich sein konnten.

Wie aus den obigen Ausführungen unmittelbar zu ersehen ist, werden andererseits sämtliche für mich sprechende Qualifikationskriterien zur Gänze ignoriert. Gleichzeitig erhebt die belangte Behörde bei der ernannten Mitbewerberin das Kriterium 'Erfahrung in der Integration' als ausschlaggebenden Faktor für deren Ernennung. Dieses Qualifikationskriterium war jedoch in der Ausschreibung nicht gefordert und hätte daher bei der Auswahlentscheidung keine entscheidungswesentliche Berücksichtigung finden dürfen. Somit ergibt sich zu einem ganz wesentlichen Teil, dass die belangte Behörde bewusst meine Qualifikationen außer Betracht gelassen hat und es unterließ, alle in Betracht kommenden Kriterien für ihre Entscheidungsauswahl heranzuziehen, weil sie im obigen Sinne erkannte, dass mit deren Erwähnung eine Beurteilung offenkundig unvereinbar sein würde, wonach die ernannte Mitbewerberin über die weitaus größte Erfahrung auf dem Gebiet des sonderpädagogischen Förderbedarfes an Volksschulen verfügt.

Sie hat es deshalb vorgezogen, zu meinen diesbezüglichen Qualifikationsnachweisen gänzlich zu schweigen, darüber weder ein Ermittlungsverfahren durchzuführen noch begründend darüber etwas zu sagen. Weiters hat sie nur in offensichtlicher Umkehrung der Tatsachen einen Nachteil punkto 'berufliches Umfeld' angedichtet, der in Wahrheit ein Vorteil ist und sie hat, um die Erstgereihte auch tatsächlich ernennen zu können, neue Qualifikationen hinzuerfunden.

Bei jeder sachbezogenen Entscheidungsfindung hätte zwingend ich anstelle der Erstgereihten ernannt werden müssen. Ich werde somit durch den beschwerdegegenständlichen Bescheid im verfassungsgesetzlich geschützten Gleichheitsrecht verletzt, weil die belangte Behörde Willkür geübt hat."

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. zB VfSlg. 13.007/1992 mwH) - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides willkürlich vorgegangen sei.

2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Derartige in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind der belangten Behörde unterlaufen:

2.1. Es war jedenfalls Aufgabe der belangten Behörde, für jede in den Besetzungsvorschlag aufgenommene Bewerberin die in §26 Abs7 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984, BGBl. 302 idF BGBl. I 53/2007, angeführten Kriterien - es sind dies zunächst die in der Ausschreibung allenfalls angeführten zusätzlichen fachspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten, dann die Leistungsfeststellung, ferner der Vorrückungsstichtag und überdies die in der betreffenden Schulart zurückgelegte Verwendungszeit - zu ermitteln. Es oblag ihr ferner, auch die in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich umschriebenen, nach dem Sinn des Gesetzes in Betracht kommenden und insbesondere für die Leitung der Schule bedeutsamen Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber zu ermitteln, die für jeden Bewerber gewonnenen Ergebnisse gegen die aus §26 Abs7 LDG 1984 ersichtlichen Kriterien abzuwägen und schließlich die daraus resultierenden Gesamtbeurteilungen der einzelnen Bewerber einander gegenüberzustellen (s. dazu etwa VfSlg. 12.102/1989, 12.477/1990, 15.114/1998).

Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen, ob die von der belangten Behörde getroffene Auswahl in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, wohl aber, ob die Behörde bei dieser Auswahl von sachlichen Erwägungen geleitet war und ihr keine in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensmängel unterlaufen sind, ihr somit iS der oben dargelegten Rechtsprechung nicht Willkür vorzuwerfen ist.

2.2. Die von der belangten Behörde getroffene Auswahlentscheidung wird im Wesentlichen damit begründet, dass die ernannte Mitbewerberin im Verhältnis zu beiden Mitbewerberinnen über die weitaus größte Erfahrung in der Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf verfügt. Die Behörde hat jedoch lediglich die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten der ernannten Mitbewerberin denen der im Vorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates drittgereihten Bewerberin gegenübergestellt. Die belangte Behörde hat sich jedoch ohne jede Begründung über den Umstand hinweg gesetzt, dass die Beschwerdeführerin in den Schuljahren 1978/79/80 einen Speziallehrgang für Behindertenarbeit der Caritas Socialis der Erzdiözese Wien absolvierte, anschließend bei der Lebenshilfe Lienz haupt- und nebenberuflich arbeitete und die Lehramtsprüfung für Sonderschulen im Juni 2006 ablegte; sie hat demnach die Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschwerdeführerin in diesem Punkt nicht entsprechend abgewogen. Vielmehr scheint die belangte Behörde die Beschwerdeführerin lediglich aus dem Umstand, dass sie seit rund "sechs Jahren einer in der Verwaltung des Bundes

stehenden Schule ... zur Dienstleistung zugewiesen ist und sich daher

seither in einem beruflichen Umfeld abseits von den für Volksschulen geltenden organisationsrechtlichen und dienstrechtlichen Vorschriften bestimmten Rahmenbedingungen bewegt hat", nicht mit der Leiterstelle betraut zu haben.

Die belangte Behörde ist mithin in einem - aus der Sicht der belangten Behörde - entscheidungsrelevanten Punkt ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und abzuwägen und dem größeren Gewicht der Gründe den Ausschlag geben zu lassen (vgl. VfSlg 12.477/1990, 15.114/1998).

2.3. Eine derartige Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch nicht etwa dadurch behoben werden, dass die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegt (vgl. zB VfSlg. 10.997/1986, 12.141/1989, 13.166/1992).

3. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie Eingabengebühr in der Höhe von € 220,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte