VfGH B1661/88

VfGHB1661/8813.10.1990

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen der Androhung der gerichtlichen Geltendmachung einer erhöhten Kostenforderung im Falle der Nichtbezahlung des ursprünglich vereinbarten Honorars; gleichheitswidrige Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen Androhung einer Ehrenbeleidigungsklage gegenüber einem Beamten; Anlaßfallwirkung der teilweisen Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Werbeverbots für Rechtsanwälte

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt DSt 1872 §2 RL-BA 1977 §2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt DSt 1872 §2 RL-BA 1977 §2

 

Spruch:

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit ein Schuldspruch im Verfahren D 96/79 ergangen ist, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Soweit ein Schuldspruch in den Verfahren D 27/79 und D 120/82 ergangen ist, wurde der Beschwerdeführer durch den Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid wird insoweit sowie im Strafausspruch und im Kostenspruch aufgehoben.

II. Im übrigen ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.

III. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem eine Mehrzahl von Disziplinarverfahren abschließenden Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (in der Folge: OBDK) vom 18. April 1988, Z Bkd 19/88-23, wurde den Schuldberufungen des Kammeranwaltes und des Disziplinarbeschuldigten teilweise Folge gegeben, sodaß Dr. E W von der OBDK hinsichtlich eines Vorwurfes, von dem er in erster Instanz freigesprochen worden war (D 113/82 Z2) für schuldig erkannt und hinsichtlich einer Reihe von Vorwürfen, wegen denen er in erster Instanz verurteilt worden war (D 104/78, D 75/78 litc, D 131/83 und D 56/81), freigesprochen wurde. Im übrigen wurde das Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Juni 1986 mit der Maßgabe bestätigt, daß hinsichtlich der Schuldsprüche zu den Verfahren D 174/84 und D 75/78 litd, e und f die Qualifikation der Berufspflichtenverletzung aus dem Spruche ausgeschieden und die Strafe statt mit einer zeitlich befristeten Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit einer Geldbuße in der Höhe von S 180.000,-- neu bemessen wurde.

Demnach wurde der Disziplinarbeschuldigte - was zur Übersichtlichkeit der weiteren Darstellung zusammenfassend wiedergegeben wird - für schuldig erkannt, daß er:

1. D 174/84: "in der Zeit von Jänner 1981 bis Februar 1982 gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien als Verwaltungsstrafbehörde durch unwahre bzw. unvollständige Angaben, nämlich irreführende Selbstbeschuldigung, die Wahrheitsfindung dieser Behörde bei Verfolgung eines Verwaltungsstrafdeliktes behindert und erschwert hat";

2. D 75/78 litd: (als für die Vertretung der Eheleute I und

F K in einer Verkehrsunfallsache im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung in den Jahren 1977 und 1978 betrauter Anwalt) "trotz einer bereits vorgelegten Kostenabrechnung, aus der nicht hervorgeht, daß sie unpräjudiziell einer späteren Erhöhung gestellt wurde, später höhere Kosten begehrt und seine Ankündigung, im Falle der Erstattung einer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer wegen der Ablehnung der von seiner Seite aus gepflogenen Abrechnung durch seine Klienten klagsweise gegen diese vorzugehen, nach Erstattung der Disziplinaranzeige durch die Einbringung einer Klage zu 29 C 597/78 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien wahrgemacht hat";

3. D 75/78 lite: "bei der Geltendmachung eines der Höhe nach angemessenen Kostenbetrages in der Höhe von S 16.000,-- gegenüber der Rechtsschutzversicherung seiner Klientin, der Z Versicherungs-AG, dieser ein Kostenverzeichnis (ohne Datum) übermittelt hat, in dem um S 8.766,64 überhöhte Kosten verzeichnet waren";

4. D 75/78 litf: "und seinen Klienten gegenüber ein überhöhtes Kostenbegehren von S 4.646,-- gestellt und dieses schriftlich geltend gemacht hat";

5. D 126/85: "in der Strafsache zu 5e Vr 6484/84, Hv 7060/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen den von ihm als Verfahrenshelfer vertretenen J P nach Zustellung des Urteiles vom 31.1.1985 am 13.3.1985 zwar dessen Kopie J P übersandt, jedoch nach Einlangen des Schreibens des J P vom 20.3.1985 am 25.3.1985 keinerlei Schritte zur Klärung der Frage unternommen hat, ob das genannte Urteil rechtskräftig oder ob die von J P offensichtlich gewünschte Einbringung von Rechtsmitteln noch möglich ist und in der Folge auch keine Rechtsmittel ausgeführt" hat;

6. D 96/79: "in seiner Eingabe vom 20.2.1979 an die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt Wien, dem Polizeibeamten Magister D K, der ihm einen Ladungsbescheid als Beschuldigter zustellte, einer Ehrenbeleidigung bezichtigt und ihm diesbezüglich gerichtliche Schritte angedroht hat";

7. D 27/79 Z1 litb und c, Z2: "es unterlassen hat, bei seinen Kontakten und Gesprächen mit Pressevertretern die gebotene Zurückhaltung zu üben, die sichergestellt hätte, daß in der 'Kronen-Zeitung' nicht Artikel über ihn und Dr. J W mit Bildern aus der Privatsphäre und wörtlichen Zitaten, die eine Hervorhebung ihrer Person enthalten, erscheinen konnten, und auch keine Maßnahmen ergriffen hat, um das Erscheinen derartiger Veröffentlichungen hintanzuhalten, die geeignet sind, den Eindruck zu erwecken, daß sie (Dr. E und Dr. J W) ihren beruflichen Wirkungskreis mit Mitteln erweitern, die Würde und Ansehen des Standes widerstreiten, und zwar

a) (Z.1) litb und c) gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Dr. J W, Rechtsanwalt in Wien:

Bericht in der 'Kronen-Zeitung' vom 29.11.1978 über ein Kanzlei-Rendezvous;

Bericht in der 'Kronen-Zeitung' vom 19.11.1979 über die Feier des dritten Jahrestages der Kanzleigründung des Beschuldigten und seines Bruders Rechtsanwalt Dr. J W;

b) (Z.2)

Bericht samt Lichtbild in der 'Kronen-Zeitung' vom 2.10.1979 über das Motorrad mit dem Schriftzug 'Poldi';"

8. D 120/82 Z1: "am 21.10.1982, gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Dr. J W, Rechtsanwalt in Wien, das Erscheinen von Berichten in den Rubriken 'Leute von Heute' (im Kurier) und 'Adabei' (in der Kronen-Zeitung) über das in seiner Kanzlei veranstaltete Fest veranlaßt oder nicht verhindert und hiedurch unzulässige Werbung betrieben hat";

9. D 113/82 Z2: "gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Dr. J W, Rechtsanwalt in Wien, einer dem Anwaltsstande unwürdigen Zweitbeschäftigung nachgeht".

1.2. Hinsichtlich des Schuldspruches in der Disziplinarsache D 113/82 Z1 (Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch, daß der Disziplinarbeschuldigte "sich gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Dr. J W, Rechtsanwalt in Wien, für die Ausgabe Oktober 1982 auf den Seiten 6, 7 und 23 der Zeitschrift 'Wiener' zu Werbezwecken fotografieren und beschreiben hat lassen") hat der Disziplinarbeschuldigte seine Berufung bei der Verhandlung vor der OBDK zurückgezogen, sodaß dieser Schuldspruch rechtskräftig wurde; Gegenstand des Erkenntnisses der OBDK vom 18. April 1988 war dieser Schuldspruch somit nur insofern, als auf ihn bei der Bemessung der Bestrafung Bedacht zu nehmen war.

1.3. Die Schuldsprüche werden im angefochtenen Bescheid im wesentlichen wie folgt begründet:

Zum Schuldspruch zu Faktum 1. (D 174/84):

Die OBDK folgte dem Vorwurf, daß seitens des Disziplinarbeschuldigten zunächst eine Selbstbeschuldigung erfolgte und erst, als die Sache bereits verjährt war, der Behörde gegenüber jener Mann genannt wurde, der tatsächlich das Fahrzeug benützt hatte. Von einem Rechtsanwalt müsse erwartet werden, daß er vor Abgabe eines Schuldgeständnisses den ihm gegenüber in der Strafverfügung erhobenen Vorwurf genau prüft.

Zum Schuldspruch zu den Fakten 2. bis 4. (D 75/78 litd, e und f):

"Hingegen ist in den anderen drei Punkten nach Ansicht der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission der Schuldspruch gerechtfertigt, im Fall der litb) schon deshalb, weil der Beschuldigte selbst in seiner ersten Verantwortung zugegeben hat, daß er nur im Falle eines Vergleiches bereit sei, von den bisherigen Kosten auszugehen, im Falle eines Disziplinarverfahrens aber die höheren Kosten auch gerichtlich einfordern würde. Dies ist ein unangemessenes Mittel, dessen sich ein Rechtsanwalt nicht bedienen darf. Was litc) anlangt, so vertritt die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission die Auffassung, daß es gegen die Standespflichten eines Rechtsanwaltes verstößt, wenn der Versicherung - wenn auch über Aufforderung des Klienten - eine überhöhte Rechnung gelegt wird. Der Beschuldigte hat dies in der mündlichen Berufungsverhandlung selbst mit den Worten umschrieben 'er sollte der Versicherung eine saftige Rechnung legen', offenbar um einen Spielraum für Vergleichsgespräche zu schaffen. Immerhin war die verrechnete Kostensumme von etwa S 31.000,-- um fast S 9.000,-- überhöht. Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Ehre und das Ansehen des Berufsstandes. Was litd) - die Kostenforderung gegenüber dem eigenen Klienten - anlangt, so muß diese im Zusammenhang mit dem Vorwurf zu litb) gesehen werden. Wenn Kosten berechnet und Kostennoten gelegt wurden und dann dem Klienten angekündigt wird: 'wenn Du etwas bei der Disziplinarbehörde unternimmst, dann werde ich meine vollen Kosten einklagen', dann muß ein Rechtsanwalt besondere Sorgfalt bei der Einbringung der Klage anwenden. Er darf nicht fast S 9.000,-- einklagen, wenn davon mehr als die Hälfte nicht gerechtfertigt sind. Auch diese Handlung verstieß daher gegen Ehre und Ansehen des Berufsstandes."

Zum Schuldspruch zu Faktum 5. (D 126/85):

In der in Rede stehenden Strafsache sei der Disziplinarbeschuldigte als Verfahrenshelfer eingeschritten und habe nach Zustellung des Urteiles dieses zwar weitergeleitet, jedoch keinerlei Schritte zur Klärung der Frage unternommen, ob die von seinem Klienten offensichtlich gewünschte Einbringung eines Rechtsmittels noch möglich sei. Hier sei dem Disziplinarbeschuldigten eine grobe Sorgfaltsverletzung vorzuwerfen.

Zum Schuldspruch zu Faktum 6. (D 96/79):

Die Bundespolizeidirektion Wien habe dem Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren eine Ladung als Beschuldigter mit der Aufforderung zur Beibringung von Beweismitteln für seine Angaben bei der Lenkererhebung (Vorhalt nach §103 Abs2 KFG) zugestellt. Der Disziplinarbeschuldigte habe den Polizeibeamten deshalb einer Ehrenbeleidigung bezichtigt und ihn mit gerichtlichen Schritten bedroht. "Wenngleich eingeräumt werden kann, daß es vielleicht nicht ganz richtig war, eine Ladung als Beschuldigter zuzustellen, in der in einer weiteren Zeile stand, daß die Frage überprüft werden solle, wer tatsächlich der Lenker war, muß von einem Rechtsanwalt verlangt werden, daß er sich gegenüber Behörden besonders in eigener Sache zurückhält und nur sachlich argumentiert. Ein mögliches Versehen des Beamten bei der Ausstellung der Ladung durfte daher nicht mit der Androhung einer Ehrenbeleidigungsklage beantwortet werden."

Zu den Schuldsprüchen zu den Fakten 7. (D 27/79 Z1 litb und c und Z2):

Der Beschuldigte habe im Zuge des im Verfahren D 103/78 vorgeworfenen Verhaltens erkennen müssen, daß sich der Journalist R S, der mit ihm befreundet ist und wiederholt zu Privatveranstaltungen eingeladen wurde, an das Ersuchen, keine Berichte und Artikel über die Privatsphäre des Disziplinarbeschuldigten zu veröffentlichen, nicht halten werde. Er habe daher damit rechnen müssen, daß weiterhin Artikel und Berichte - ergänzt durch Lichtbilder - veröffentlicht werden, wenn er es zuläßt, daß Journalisten, darunter auch R S, an von ihm veranstalteten Festen teilnehmen (Z1 litb und c). Zum Faktum Z2 habe sich ergeben, daß das inkriminierte Bild mit Willen und Wissen des Disziplinarbeschuldigten zustande gekommen sei und es daher auch nur mit seinem Wissen und Willen in die Hände des Journalisten gelangt sein konnte. "Immerhin waren zum Kanzleirendezvous, über das die Kronenzeitung am 29. November 1978 berichtete, nicht weniger als 11 Journalisten geladen. Besonders gravierend erschien der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission der Bericht samt Lichtbild in der 'Kronen-Zeitung' vom 2. Oktober 1979 mit dem Schriftzug 'POL-DI' auf dem Motorrad des Beschuldigten, wobei im Bericht hervorgehoben wurde, daß bei dieser Art der Ausstattung des Motorrades und der Kleidung des Beschuldigten als Motorradfahrer mit weißen Handschuhen, Helm und schwarzer Lederweste etc. die anderen Verkehrsteilnehmer der Auffassung sein könnten, es handle sich bei dem Motorradfahrer um einen Polizeibeamten."

Zum Schuldspruch zum Faktum 8. (D 120/82 Z1):

"Hier liegen zwar Aussagen von Anwaltskollegen vor, wonach sich der Beschuldigte und sein Bruder gegen Veröffentlichungen gewendet haben; mit Rücksicht darauf, daß aber auch hier offenbar 'gestellte Fotos' veröffentlicht werden konnten, erschien dies dem Senat nur als eine bloße Alibihandlung, sodaß auch hier die unzulässige Werbung als erwiesen angenommen wurde."

Zum Schuldspruch zum Faktum 9. (D 113/82 Z2):

"Veröffentlichung im 'Wiener'. Wenn man die Mode-Bilder betrachtet, so kann der Eindruck einer eines Rechtsanwaltes unwürdigen Zweitbeschäftigung des Beschuldigten als 'Dressman' entstehen. Dabei muß man auch die Breitenwirkung einer derartigen Bildreportage und den Leserkreis berücksichtigen. Dies mußte auch dem Beschuldigten klar sein".

2.1. Gegen die mit diesem Erkenntnis erfolgten disziplinären Verurteilungen des Beschwerdeführers wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen und verfassungswidriger Gesetzesstellen behauptet werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der Beschwerdeführer stellt zunächst die Verfassungskonformität disziplinärer Verfahren nach dem Disziplinarstatut (in der Folge: DSt) an sich in Frage, weil §29 Abs3 DSt und damit das folgende Disziplinarverfahren insgesamt gegen mehrere Verfassungsbestimmungen verstießen. Zusätzlich belaste das Fehlen einer festen Geschäftsverteilung Disziplinarverfahren mit Verfassungswidrigkeit. Im Hinblick darauf, daß gleiche Bedenken im Beschwerdefall B1660/88 erhoben und in dem am 27. September 1990 ergangenen Erkenntnis näher wiedergegeben und als nicht zutreffend beurteilt wurden, genügt es auf dieses - beiliegende - Erkenntnis zu verweisen.

3.2. Zu den Schuldsprüchen wegen der Fakten 1. (D 174/84) und

5. (D 126/85) wird in der Beschwerde nichts Konkretes vorgebracht; auf Beschwerdevorwürfe kann daher mangels behaupteter Rechtsverletzung nicht eingegangen werden. Ebensowenig ist von Amts wegen ein Anhaltspunkt für die Annahme eines eventuellen Verstoßes gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen hervorgekommen.

3.3.1. Was die Verurteilungen hinsichtlich der Fakten 2. bis 4. betrifft, wird in der Beschwerde der Vorwurf einer Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erhoben. Im wesentlichen bringt der Beschwerdeführer vor:

"Unbestritten ist, daß der Betrag, dessen Einforderung ich für den Fall einer Disziplinaranzeige ankündigte, mir zustand. Eine Verpflichtung für mich zum Verzicht auf einen Teil meines Honorars ist gesetzlich nicht vorgesehen.

... Wenn mich der angefochtene Bescheid schuldig erkennt und mit einer Geldbuße belegt, daß ich einem Klienten (auf die mir zustehenden Kosten) keinen Kostennachlaß gewährt hätte, so ist das Erkenntnis der belangten Behörde gesetzlos.

...

Zur Begründung der Verletzung (des) Artikel(s) 7 Abs1 B-VG ist auszuführen, daß mich die belangte Behörde wegen der mir unterlaufenen Überklagung schuldig erkannt hat, wobei ich nach Rechtsansicht der belangten Behörde in eigener Sache und zum Unterschied von allen anderen Klägern im Falle der Klagsabweisung von einer doppelten Sanktion betroffen wäre.

Dies bedeutet, daß dann, wenn sich mein Klagsbegehren zur Gänze oder zum Teil als nicht berechtigt herausstellen sollte, ich als Rechtsanwalt in eigener Sache schlechter gestellt wäre, als jeder andere Kläger, da ich bei der Einbringung der Honorarklage nicht nur das Kostenrisiko, sondern auch immer das Risiko einer Disziplinarstrafe zu tragen hätte."

3.3.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich diesen Darlegungen schon deshalb nicht anzuschließen, weil sie an der Begründung des angefochtenen Bescheides, warum der Beschwerdeführer ein Disziplinarvergehen zu vertreten habe, vorbeigehen. Dies wird ihm auch in der Gegenschrift der belangten Behörde entgegengehalten. Als disziplinär wird keineswegs die Verweigerung eines Nachlasses oder die gerichtliche Geltendmachung von Kosten an sich angesehen; auch eine Überklagung wird von der belangten Behörde, wie sich aus dem Zusammenhang des angefochtenen Bescheides ergibt, keineswegs ausnahmslos als Disziplinarvergehen gewertet. Als Disziplinarverstoß lastet die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vielmehr an - wie sich aus Sinn und Wortlaut des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei ergibt -, daß er einen unzulässigen Druck auf seine Klienten ausgeübt habe, indem er seine Bereitschaft, sich mit dem ursprünglich in Rechnung gestellten Honorar zu begnügen, davon abhängig machte, daß gegen ihn keine Disziplinaranzeige erstattet werde, jedoch andernfalls die gerichtliche Geltendmachung erhöhter Kostenforderungen in Aussicht stellte und diese Androhung auch in die Tat umsetzte. Nur unter diesen Aspekten lastet die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zusätzlich an, daß er die Zahlung überhöhter Kosten von seinen Klienten und von deren Rechtsschutzversicherung forderte, weil - so die belangte Behörde - unter den gegebenen Umständen die Berechnung der Honorarforderung besonderer Genauigkeit bedurft hätte. Daß die Honorarverrechnung tatsächlich überhöht war, wird auch in der Beschwerde damit zugegeben, daß dort der Beschwerdeführer dem angefochtenen Bescheid eine Verletzung des Gleichheitsgebotes "wegen der mir unterlaufenen Überklagung" anlastet. Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde offenkundig nicht der Vorwurf gemacht werden, unvertretbare Sachverhaltsfeststellungen getroffen zu haben. Der belangten Behörde kann aber auch nicht angelastet werden, die Rechtslage in gehäuftem Maße verkannt zu haben: §2 RL-BA 1977 (zweiter und dritter Satz) gebietet dem Rechtsanwalt, nur solche Mittel anzuwenden, die mit Gesetz, Anstand und Sitte vereinbar sind, und verbietet ihm, Ansprüche mit unangemessener Härte zu verfolgen und sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel anzukündigen oder anzuwenden. Daß diese Standesregel im Gesetz keine Deckung finde, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde unter den Aspekten seines Prüfungsmaßstabes auf dem Boden dieser Standesauffassung nicht entgegentreten, wenn sie im festgestellten Sachverhalt die Verwirklichung eines Disziplinarvergehens erblickte. Daran ändert nichts, daß der Beschwerdeführer bei der Geltendmachung seiner Kosten in eigener Sache vorgegangen ist, weil der Konnex der inkriminierten Verhaltensweisen mit seiner Berufsausübung evident ist.

3.4.1. Gegen den Schuldspruch zum Faktum 6. (D 96/79) bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die ihm angelastete Drohung gegen einen Polizeibeamten, eine Ehrenbeleidigungsklage einzubringen, gerechtfertigt gewesen sei, weil ihm dieser Beamte zu Unrecht eine Ladung als Beschuldigter an seine Kanzleiadresse zugestellt habe. Damit sei ihm eine verwaltungsstrafgesetzwidrige Handlung vorgeworfen worden. In objektiver Hinsicht habe der Beamte somit den Tatbestand des §111 StGB verwirklicht. Im angefochtenen Bescheid werde "die krasse Fehlleistung des Beamten als mögliches Versehen verharmlost und entschuldigt", von ihm jedoch gefordert, er hätte sich "in eigener Sache zurückhalten müssen"; dabei übersehe die belangte Behörde, daß auch Beamte strengen Dienstvorschriften unterliegen, "deren gravierende Verletzung durch eine völlig unzutreffende Ladung als Beschuldigter schon so weit ins Gewicht fällt, daß sie eine Retorsionshandlung rechtfertigt". Der Beschwerdeführer meint, es gebe nach seinem Dafürhalten keinen sachlich gerechtfertigten Grund, weshalb sich ein Rechtsanwalt nicht gegen üble Nachrede mit den im Strafgesetzbuch normierten Rechten zur Wehr setzen dürfe.

3.4.2. Der Beschwerdeführer ist mit diesen Vorwürfen im Ergebnis im Recht. Der angefochtene Bescheid stützt sich ausschließlich auf die Ansicht, es müsse "von einem Rechtsanwalt verlangt werden, daß er sich gegenüber Behörden besonders in eigener Sache zurückhält und nur sachlich argumentiert". Ein mögliches Versehen des Beamten hätte daher mit der Androhung einer Ehrenbeleidigungsklage nicht beantwortet werden dürfen. Wenn die belangte Behörde damit die Auffassung vertritt, daß die Inanspruchnahme des Instituts der Privatanklage oder deren Ankündigung deshalb unsachlich und damit standeswidrig sei, weil sie von einem Rechtsanwalt ausgeht, ist dies gleichheitswidrig. Ob die Androhung einer Privatanklage durch einen Rechtsanwalt unsachlich ist oder zulässig und vertretbar, kann immer nur von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Solche Umstände wurden von der belangten Behörde im konkreten Fall jedoch nicht festgestellt. Damit hat sie aber den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3.5.1. Zur Verurteilung hinsichtlich der Fakten 7. (D 27/79 Z1 litb und c, Z2) und 8. (D 120/82 Z1) wird der Beschwerdevorwurf erhoben, der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art13 StGG; §45 RL-BA 1977 erscheine in bezug auf Art8 und 10 MRK verfassungswidrig.

Zusammengefaßt wird geltend gemacht:

Tatsache sei, daß die Person des Beschwerdeführers in Pressekreisen auf ein gewisses Interesse stoße, weil seine Eltern bekannte Schauspieler waren und daher in intensiven Kontakten zu Presseleuten standen. Dadurch habe sich auch eine persönliche Freundschaft des Beschwerdeführers zu einigen Journalisten entwickelt, weshalb er sie zu von ihm veranstalteten privaten Festen eingeladen habe. Einige von ihnen haben ohne sein Zutun und teilweise auch gegen sein ausdrückliches Ersuchen Berichte geschrieben und diese zugleich mit privat aufgenommenen Fotos in Zeitungen veröffentlicht. Soweit der angefochtene Bescheid ihm diese Tatumstände zur Schuld anrechne, stehe er mit Art13 StGG nicht im Einklang. Art13 StGG gewährleiste jedermann das Recht, seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern, und normiere, daß die Presse nicht unter Zensur gestellt werden dürfe. Der in dieser Vorschrift enthaltene Gesetzesvorbehalt werde durch das Mediengesetz ausgefüllt, welches den als Journalisten tätigen Personen die uneingeschränkte und unbeeinflußbare Ausübung ihres Berufes garantiere. Daraus ergebe sich, daß ihm persönlich eine Beeinflussung von Veröffentlichungen in diversen Medien rechtlich und faktisch gar nicht möglich gewesen sei. Der angefochtene Bescheid stütze sich in diesem Punkt offenkundig auf §45 RL-BA 1977, wonach Rechtsanwälten untersagt sei, ihre Person reklamehaft herauszustellen. Eine derartige Pflicht könne dem Rechtsanwalt durch Verordnung aber nur insoweit überbunden werden, als er dadurch nicht gezwungen wäre, in gesetzlich oder verfassungsmäßig geschützte Rechte Dritter einzugreifen. Daraus ergebe sich für §45 RL-BA 1977, daß der angefochtene Bescheid diese Bestimmung denkunmöglich anwende, weil es nicht Pflicht des Beschwerdeführers sein könne, Journalisten in der Ausübung ihres Berufes einzuschränken. Das gleiche gelte auch hinsichtlich jenes Fotos, das den Beschwerdeführer auf einem Motorrad mit dem Schriftzug "POL-DI" im Motorraddreß zeige, und des dazugehörigen Berichtes in der "Kronen-Zeitung". Es entziehe sich der Kenntnis des Beschwerdeführers, auf welche Weise und durch wen dieses rein private Foto in die Zeitung kam.

Was die Veröffentlichung von Bildern betreffe, übersehe schließlich die belangte Behörde, daß der Hersteller einer Fotografie ein besonderes Verwertungsrecht gemäß den §§73 ff. des Urheberrechtsgesetzes besitze. Dieses besondere Verwertungsrecht sei zweifellos ein vermögenswertes Privatrecht und genieße daher den Schutz des Art5 StGG. Soweit die Behörde dem Beschwerdeführer zur Last lege, er hätte nicht in ein vermögenswertes Privatrecht eines anderen eingegriffen, wende sie die Bestimmungen des Disziplinarstatutes verfassungswidrig an bzw. unterstelle sie diesen einen verfassungswidrigen Inhalt.

3.5.2. Mit dem Vorwurf der Gesetzwidrigkeit des §45 RL-BA 1977 ist die Beschwerde hinsichtlich des zweiten Halbsatzes dieser Bestimmung im Recht: Der Verfassungsgerichtshof beschloß (auch) aus Anlaß dieser Beschwerde, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §45 RL-BA 1977 einzuleiten, und sprach mit Erkenntnis vom 27. September 1990, V95,96/90, aus, daß der zweite Halbsatz dieser Verordnungsstelle gesetzwidrig war.

Die belangte Behörde hat in den Disziplinarfällen D 27/79 Z1 litb und c sowie Z2 und D 120/82 Z1 den zweiten Halbsatz des §45 RL-BA 1977 und damit eine Verordnung, die gesetzwidrig war, angewendet. Da es nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen ist, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war, wurde dieser durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).

3.6. Was schließlich den Schuldspruch zum Faktum 10. (D 113/82 Z2) betrifft, gilt gleiches, wie im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1990, B1660/88, zu Faktum 6. dargelegt wurde. Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt wurde. Hiezu genügt es, auf die Ausführungen zu 3.4.1. und 3.4.2. des beiliegenden Erkenntnisses zu verweisen.

4. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Schuldsprüche in den Verfahren D 96/79 (Faktum 6), D 27/79 (Faktum 7) und D 120/82 (Faktum 8) sowie hinsichtlich des Strafausspruches und des Kostenspruches aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens (teils Abweisung, teils Stattgebung) waren Kosten nicht zuzusprechen (§43 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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