VfGH B153/80

VfGHB153/8017.12.1982

Oö. Raumordnungsgesetz; Verletzung von Rechten im Anlaßfall wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (nach Aufhebung des §2 Abs6 Z3 zweiter Satz als kompetenzwidrig)

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 22. März 1979 wurde das durch die Straßenzüge Promenade-Herrenstraße-Spittelwiese und Landstraße umgrenzte Gebiet gemäß §26 Abs4 des Gesetzes vom 23. März 1972 über die Raumordnung im Lande OÖ (Oö. Raumordnungsgesetz - Oö. ROG), LGBl. 18/1972 in der Fassung der Nov. LGBl. 15/1977, als Gebiet für Geschäftsbauten (§16 Abs12 Oö. ROG) für geeignet erklärt.

Dieser Verordnung des Gemeinderates lag ein Amtsbericht zugrunde, demzufolge eine Versicherungsgesellschaft das Areal des ehemaligen "Schwechater-Hofes" erworben habe und beabsichtige, die bestehenden Objekte abzutragen und einen Neubau zu errichten. In diesem Neubau solle im Erdgeschoß auch ein Großgeschäft für Herrenoberbekleidung mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 1.850 Quadratmeter etabliert werden. Der vorgesehene Standort biete für ein Herrenoberbekleidungsgeschäft einen genügend großen Einzugsbereich, der durch die bestehenden Geschäfte in der Landstraße nicht ausreichend abgedeckt sei. Außerdem habe nach den §§21 und 22 des Oö. Landesraumordnungsprogramms, LGBl. 30/1978, die Stadt Linz als überregionales Zentrum im Rahmen der örtlichen Raumplanung auch für die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung eines die Planungsregion sogar wesentlich übersteigenden Landesteiles mit Gütern und Dienstleistungen des spezialisierten höheren Bedarfes zu sorgen. Der für die Westseite der Landstraße geltende Regulierungsplan aus dem Jahre 1889 sei als überarbeitungsbedürftig anzusehen. Der Block Landstraße, Promenade-Herrenstraße und Spittelwiese solle sowohl als "Gebiet für Geschäftsbauten" und gleichzeitig auch als "Kerngebiet" gewidmet werden. Diese Maßnahme sei "in der bestehenden Struktur begründet". Da die Stadt Linz keinen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan besitze, sei zur Realisierung des geplanten Bauvorhabens der Versicherungsgesellschaft die Erlassung der Verordnung erforderlich.

Mit Schreiben vom 29. März 1979 legte die Landeshauptstadt Linz die Verordnung der Oö. Landesregierung mit der Bitte um Erteilung der Genehmigung vor.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1979 brachte die Landesregierung der Landeshauptstadt Linz gemäß §45 Abs3 AVG eine Stellungnahme der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für OÖ zur Kenntnis, in welcher im wesentlichen zum Ausdruck gebracht wurde, daß Linz in hinreichendem Maße mit Oberbekleidungsbetrieben versorgt sei, welche auch in der Lage seien, sowohl den örtlichen als auch den überörtlichen Bedarf vollständig zu decken. Die Landeshauptstadt Linz hat sich hiezu mit Schreiben vom 16. Juli 1979 geäußert und darin jene Argumente dargelegt, welche ihrer Auffassung nach die Stellungnahme der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft für OÖ als unzutreffend erscheinen lassen.

Nachdem die Landeshauptstadt Linz gemäß §21 Abs7 Oö. ROG eine weitere Stellungnahme abgegeben hatte, versagte die Landesregierung mit Bescheid vom 4. Februar 1980 die Genehmigung aus den Gründen des §21 Abs6 lita und e Oö. ROG.

Der Bescheid wurde damit begründet, die Erklärung eines derart umfangreichen Gebietes als Gebiet für Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf, wie es das von der Verordnung erfaßte Gebiet darstelle, bedürfe nach Auffassung der Aufsichtsbehörde jedenfalls einer so ausreichenden Begründung und Erläuterung der von der Gemeinde betriebenen Raumforschung und der von ihr vorgenommenen Abwägung aller Interessen und Bedürfnisse, daß die Aufsichtsbehörde in die Lage versetzt sei, die auf die Raumordnungsgrundsätze des §2 Abs6 Z3 Oö. ROG abzielenden diesbezüglichen Planungsabsichten der Gemeinde zu prüfen und nachzuvollziehen. Einen dermaßen zureichenden Aufschluß über die Planungsabsichten hinsichtlich des gesamten als für Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf geeignet erklärten Gebietes gebe aber weder der dem Beschluß des Gemeinderates zugrundeliegende Amtsbericht noch die Stellungnahme der Landeshauptstadt Linz zu den ihr mitgeteilten Versagungsgründen. Vielmehr komme in dieser Stellungnahme und im Amtsbericht zum Ausdruck, daß die Stadt Linz im Hinblick auf die Problematik der Raumordnung des Gebietes des Stadtzentrums für den Geltungsbereich der gegenständlichen Verordnung offenbar neben der Widmung "Gebiete für Geschäftsbauten" die Widmung "Kerngebiet" (§16 Abs6 bzw. Abs12 Oö. ROG) habe festlegen wollen. Diesen Schluß lasse auch ein der Aufsichtsbehörde vorgelegter Plan zu, in dem für das fragliche Gebiet die Widmung "Kerngebiet-Geschäftsgebiet" aufscheine. Abgesehen von der mangelnden Transparenz der Entscheidungsmotive des Verordnungsgebers müsse festgestellt werden, daß die von der Landeshauptstadt Linz gehegten Planungsabsichten mit dem Wortlaut der vom Gemeinderat beschlossenen Verordnung offensichtlich nicht übereinstimmten, weil nach der Verordnung das gesamte Gebiet als "Gebiet für Geschäftsbauten (§16 Abs12 leg. cit.) geeignet erklärt" worden sei.

Auf Grund dieser Erwägungen kam die Aufsichtsbehörde unter Hinweis auf das Erk. VfSlg. 8280/1978 zur Auffassung, daß die zur Genehmigung vorgelegte Verordnung gesetzwidrig sei, weil die vom Gemeinderat getroffene Planungsentscheidung die notwendige Transparenz vermissen lasse und die Entscheidungsgrundlagen für das Zustandekommen der Verordnung so mangelhaft seien, daß eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Oö. ROG im Zusammenhang mit der Errichtung von Geschäftsbauten für den überörtlichen Bedarf vorgegebenen Ziele (§2 Abs6 Z3 Oö. ROG) entspreche, nicht möglich sei. Der Verordnung müsse daher bereits aus diesen Erwägungen die Genehmigung versagt werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Landeshauptstadt Linz die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie die Verletzung des "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes der Gemeinde auf Besorgung der behördlichen Aufgaben in den Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei und der örtlichen Raumplanung im eigenen Wirkungsbereich" geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet und mit Erk. vom 14. Oktober 1982, G34/81, den zweiten Satz der Z3 des §2 Abs6 Oö. ROG wegen Kompetenzwidrigkeit als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Die belangte Behörde hat die Versagung der Genehmigung der Verordnung damit begründet, daß eine Prüfung der Verordnung auf ihre Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Z3 des §2 Abs6 Oö. ROG nicht möglich sei. Die belangte Behörde wird dies nach Aufhebung des zweiten Satzes der genannten Gesetzesbestimmung neuerlich zu beurteilen haben.

Die beschwerdeführende Landeshauptstadt Linz ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid ist infolgedessen aufzuheben.

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