VfGH B1504/2013 ua

VfGHB1504/2013 ua26.9.2014

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung von Schulerhaltungsbeiträgen; Kostentragungsregel des Stmk PflichtschulerhaltungsG 2004 betreffend den Aufteilungsschlüssel für Schulerhaltungsbeiträge auf die zum Schulsprengel gehördenen Gemeinden sachlich und nicht exzessiv

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Stmk PflichtschulerhaltungsG 2004 §30 Abs3
F-VG 1948 §2, §3, §4
FAG 2008
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Stmk PflichtschulerhaltungsG 2004 §30 Abs3
F-VG 1948 §2, §3, §4
FAG 2008

 

Spruch:

I. Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerden und Vorverfahren

1. Der beschwerdeführenden Marktgemeinde wurden mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid Schulerhaltungsbeiträge für das Jahr 2012 in der Höhe von € 50.502,21 und mit dem im Instanzenzug zweitangefochtenen Bescheid Schulerhaltungsbeiträge für das Jahr 2013 in der Höhe € 66.190,– vorgeschrieben. Mit dem im Instanzenzug ergangenen drittangefochtenen Bescheid wurden der beschwerdeführenden Marktgemeinde Schulerhaltungsbeiträge für die Generalsanierung der Neuen Mittelschule Preding in der Höhe von € 682.268,– vorgeschrieben.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerden, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, konkret des §30 Abs3 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004 (StPEG 2004), LGBl 71/2004 in der Fassung LGBl 82/2012, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die bezughabenden Akten vor. Von der Erstattung einer Gegenschrift sah es ab.

4. Die belangte Behörde hat sich an den Verfahren nicht beteiligt.

II. Rechtslage

§30 Abs1 bis 3 StPEG 2004 lauten:

"§30 (1) Zum Zwecke der Aufteilung der Schulerhaltungsbeiträge auf die eingeschulten Gemeinden sind die Schulerhaltungsbeiträge der zum Pflichtsprengel gehörenden und der zum Berechtigungssprengel gehörenden Gemeinden getrennt zu ermitteln.

(2) Für die Ermittlung der Beiträge der zum Pflichtsprengel gehörenden Gemeinden hat der ordentliche und außerordentliche Schulsachaufwand, für die Ermittlung der Beiträge der zum Berechtigungssprengel gehörenden Gemeinden der ordentliche Schulsachaufwand zur Gänze und der außerordentliche Schulsachaufwand zur Hälfte als Grundlage zu dienen.

(3) Die Aufteilung der Schulerhaltungsbeiträge nach Abs1 und 2 auf die zum Schulsprengel gehörenden Gemeinden hat unter Berücksichtigung der Zahl der die Schule besuchenden Kinder, der Zahl der Wohnbevölkerung und der Finanzkraft gemäß §32 dieses Gesetzes aller eingeschulten Gemeinden im Verhältnis 20:20:60 zu erfolgen. Ist eine Gemeinde zu mehreren Schulen eingeschult, so ist nur der dem jeweils eingeschulten Bevölkerungsteil entsprechende Teil der Finanzkraft zugrunde zu legen."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §187 und §404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen zulässigen Beschwerden erwogen:

1.1. Die beschwerdeführende Marktgemeinde begründet ihre Bedenken gegen §30 Abs3 StPEG 2004 im Wesentlichen damit, dass der Aufteilungsschlüssel für Schulerhaltungsbeiträge gemäß §30 Abs3 StPEG 2004 gegen das Sachlichkeitsgebot verstoße. Dies führe für die Marktgemeinde zu einer unvertretbaren Diskrepanz zwischen der Höhe der vorgeschriebenen Schulerhaltungsbeiträge im Verhältnis zur Anzahl der Schüler, die tatsächlich die Schule besuchen. Die relativ starke Gewichtung der Finanzkraft (60 %) im Aufteilungsschlüssel führe bei der beschwerdeführenden Marktgemeinde zur Vorschreibung von Schulerhaltungsbeiträgen, die sachlich nicht gerechtfertigt seien und die beschwerdeführende Marktgemeinde außerdem unverhältnismäßig hart träfen. Würde man bei der Ermittlung, wie in anderen Bundesländern üblich, von einer Kopfquote ausgehen, wären die Schulerhaltungsbeiträge für die Marktgemeinde angesichts der geringen sprengelfremden Schüleranzahl (im konkreten Fall nur fünf Schüler) wesentlich geringer. Es bestehe daher für die beschwerdeführende Gemeinde kein sachlicher Grund, warum nicht auch in der Steiermark die Kopfquote als Berechnungsfaktor maßgeblich sein solle.

1.2. Vorweg ist auf das Erkenntnis VfSlg 18.785/2009 hinzuweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof §30 Abs3 StPEG 2004 als verfassungsrechtlich unbedenklich ansah.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof hält in umfangreicher Judikatur fest, dass dem Gesetzgeber ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zusteht und er insbesondere in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist (VfSlg 15.432/1999 mwN). Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines Zieles etwa aus wirtschafts‑ oder sozialpolitischen Gründen zweckmäßig ist.

Dieser Gestaltungsspielraum steht dem Gesetzgeber allerdings nur in dem Rahmen zu, als die Bestimmung nicht "exzessiv" ist (VfSlg 5862/1968, 7864/1976, 8142/1977, 9583/1982, 9641/1983, 10.478/1985 bzw. 10.602/1985). Dies gilt insbesondere für Kostentragungsregeln wie §30 Abs3 StPEG 2004, die dem besonderen finanzverfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (einschließlich dem daraus erfließenden Sachlichkeitsgebot) des §4 F‑VG unterliegen (vgl. VfSlg 10.633/1985). Von einem derartigen Exzess kann jedoch bei dem von §30 Abs3 StPEG 2004 festgelegten Aufteilungsschlüssel, der eine Festlegung der Schulerhaltungsbeiträge zu 60 % von der Finanzkraft einer Gemeinde abhängig macht, daneben jedoch auch die Einwohnerzahl und die Zahl der die Schule besuchenden Kinder mit jeweils 20 % einfließen lässt, keine Rede sein.

2. Die beschwerdeführende Marktgemeinde behauptet ferner, dass die starre Gesetzeslage des §30 Abs3 StPEG 2004 in einem erheblichen Spannungsverhältnis zur Möglichkeit der freien Schulwahl gemäß §23 Abs2 StPEG 2004 stehe. Dass sich aus dem systematischen Zusammenhang zwischen §23 Abs2 und §30 Abs3 StPEG 2004 ein "Exzess" im oben beschriebenen Sinn ergeben würde, wurde von der beschwerdeführenden Marktgemeinde nicht behauptet und ist für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar.

3. Die beschwerdeführende Gemeinde behauptet auch eine Verletzung des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG durch §30 Abs3 StPEG 2004. Der Aufteilungsschlüssel stelle nicht das gelindeste Mittel zur Zielerreichung dar. Die Bestimmung sei überschießend, weil ein gelinderes Mittel zur Zielerreichung denkbar und tunlich wäre.

Hier genügt es, auf die obenstehenden Ausführungen zu verweisen, wonach die durch §30 Abs3 StPEG 2004 getroffene Regelung sachlich und nicht exzessiv ist. Damit genügt sie auch dem aus dem Eigentumsrecht erfließenden Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dass die Bestimmung im öffentlichen Interesse gelegen ist, steht außer Zweifel. Sie berührt auch nicht den Wesensgehalt des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums (vgl. zB VfSlg 15.367/1998 mwN).

4. Als weitere Bedenken gegen die Bestimmung des §30 Abs3 StPEG 2004 führt die beschwerdeführende Marktgemeinde auch die Unvereinbarkeit mit dem Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl I 103/2007 idF BGBl I 165/2013, an. Dazu ist nochmals daran zu erinnern, dass es sich aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht bei §30 Abs3 StPEG 2004 um eine besondere Kostentragungsregel im Sinn des §2 F‑VG handelt. Im Übrigen betrifft §30 Abs3 StPEG die Aufteilung von Kosten zwischen Gemeinden. Dazu enthält das FAG 2008 keine Regelungen und bestünde dafür nach §3 Abs1 F‑VG auch gar keine Kompetenz des Bundesgesetzgebers.

5. 1. Die beschwerdeführende Gemeinde macht darüber hinaus gravierende Mängel in der Begründung der angefochtenen Bescheide geltend, die die Bescheide als willkürlich erscheinen ließen und daher eine Verletzung im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger bewirken würden.

5.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

5.3. Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor: Die belangte Behörde hat sich in den angefochtenen Bescheiden mit allen wesentlichen von der beschwerdeführenden Gemeinde vorgebrachten Berufungsgründen auseinandergesetzt. Ob die angefochtenen Bescheide in jeder Hinsicht dem Gesetz entsprechen, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Gemeinde in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

3. Die Beschwerden sind daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte