VfGH B1427/2011

VfGHB1427/201121.2.2014

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtaufnahme der Arzneispezialität Zebinix in den gelben Bereich des Erstattungskodex infolge nachvollziehbarer Beurteilung des Präparates als weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
StGG Art5, Art6 Abs1 / Erwerbsusübung
AEUV Art34
ASVG §31 Abs3 Z12, §351c, §351f, §351h, §351i
Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG §23, §24
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
StGG Art5, Art6 Abs1 / Erwerbsusübung
AEUV Art34
ASVG §31 Abs3 Z12, §351c, §351f, §351h, §351i
Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG §23, §24

 

Spruch:

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Mit Schriftsatz vom 9. November 2009 beantragte die beschwerdeführende Partei die Aufnahme von Zebinix 800 mg Tabletten (in der Folge: Zebinix) mit dem Wirkstoff Eslicarbazepinacetat in den gelben Bereich des Erstattungskodex. Die beschwerdeführende Partei stufte Zebinix als neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirk­prinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind (§23 Abs2 Z6 VO‑EKO), ein und schrieb der Arznei einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten (§24 Abs2 Z5 VO‑EKO) zu. Die Auf­nahme wurde schließlich zu einem Fabriks-/Depotabgabepreis von € 179,88 und mit folgender Ver­wendung beantragt:

"Zusatzbehandlung von therapierefraktären partiellen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei erwachsenen Patienten mit Epilepsie. Diagnose­stellung, Erstverordnung und regelmäßige Kontrolle durch den Facharzt - Zebinix eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitgenehmigung für 12 Monate (L12)".

2. Nach den insoweit unbestritten gebliebenen Feststellungen in der ange­fochtenen Entscheidung ist Zebinix ein Antiepileptikum, das als aktiven Inhaltsstoff Eslicarbazepinacetat ent­hält, welches nach Einnahme rasch in den eigentlichen Wirkstoff Eslicarbazepin umgewandelt wird. Eslicarbazepin ist auch der Hauptmetabolit von Oxcarbazepin; Präparate, die Oxcarbazepin als Wirkstoff enthalten, sind im grünen Bereich des Erstattungskodex enthalten (Präparate "Trileptal" und "Oxcarbazepin" und "Arcana"). Nach der 4. Ebene des ATC-Codes sind sowohl Oxcarbazepin (N03AF02) als auch Eslicar­bazepin(acetat) (N03AF04) in derselben Wirkstoffgruppe (N03AF: Nervensystem> Antiepileptika>, Anti­epileptika> Carboxamid-Derivate) eingeordnet.

3. Mit Bescheid vom 29. April 2010 wies der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) den Antrag ab und verfügte die Streichung der beantragten Arzneispezialität aus dem roten Bereich des Erstattungskodex. Der Nachweis für einen Patientennutzen gemäß §24 Abs2 Z5 VO‑EKO habe nicht erbracht werden können; aus medizinischer Sicht sei das Produkt wie das Vergleichsprodukt Oxcarbazepin im grünen Bereich zu führen. Aus­gehend von der medizinisch-therapeutischen Einstufung gemäß §24 Abs2 Z2 VO‑EKO sei ein Preisunterscheid von 10 % zum Vergleichsprodukt, somit ein Fabriks-/Depotabgabepreis von € 14,85 wirtschaftlich.

4. Gegen diesen Bescheid des Hauptverbandes erhob die beschwerde­führende Partei Beschwerde gemäß §351i Abs1 Z1 lita ASVG bei der Unabhängigen Heilmittel­kommission. Im Wesentlichen wurde darin bemängelt, dass vom Hauptverband eine unzulässige Regelverwendung vorgeschlagen und die pharmako­logische/medizinisch-therapeutische Evaluation insbesondere im Zusammenhang mit den vorlegten Unter­lagen unrichtig vorgenommen worden sei. Weiters sei auch die gesundheitsökonomische Evaluation mangelhaft vorge­nommen worden.

5. Mit Bescheid vom 15. Februar 2011 gab die Unabhängige Heilmittel­kommission der Beschwerde der beschwerdeführenden Partei statt und hob den Bescheid des Haupt­verbandes auf. Der Hauptverband habe sich mit zwei von der beschwerdeführenden Partei zur Untermauerung ihres Vorbringens vorge­legten Expertisen in Bezug auf die Quantifizierung des therapeutischen Nutzens im Vergleich zu therapeutischen Alternativen nicht ausreichend auseinanderge­setzt; die vom Hauptverband vorgeschlagene be­stimmte Verwendung habe system­widrig die Zulassung der Arzneispezialität überschritten.

6. Im zweiten Rechtsgang teilte die beschwerdeführende Partei dem Haupt­verband in einer Stellungnahme vom 19. April 2011 mit, dass die im ersten Rechtsgang strittige Einstufung nach §23 Abs2 Z5 VO‑EKO ("Die beantragte Arznei­spezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex ange­führten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip") nunmehr akzeptiert und der Antrag bezüglich der bestimmten Verwendung (sog. "Regel­text") dahin modifiziert werde, dass eine Einschränkung auf Patienten erfolge, bei denen "mit Therapiealternativen aus dem Grünen Bereich nicht das Aus­langen gefunden werden kann"; ferner wurden zwei neue Szenarien zur Preis­gestaltung angeboten.

7. Mit Bescheid vom 8. Juni 2011 wies der Hauptverband den Antrag der beschwerdeführenden Partei erneut ab und verfügte die Streichung von Zebinix aus dem roten Bereich des Erstattungskodex. Der Nachweis für einen Patienten­nutzen gemäß §24 Abs2 Z5 VO‑EKO habe nicht erbracht werden können, weshalb aus medizinischer Sicht das Produkt wie das Vergleichsprodukt Oxcarbazepin im grünen Bereich angeführt werden solle.

7.1. Ausgehend von der medizinisch-therapeutischen Einstufung gemäß §24 Abs2 Z2 VO‑EKO sei ein Preisunterschied von 10 % zum Vergleichs­produkt, somit ein Fabriks-/Depotabgabepreis von € 14,85 wirtschaftlich. Hiebei wurden, dem Bescheid der Unabhängigen Heilmittelkommission vom 28. Oktober 2010 folgend, alle von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachten Unter­lagen ge­würdigt und die vom Hauptverband vorgeschlagene bestimmte Verwendung mit dem Umfang der Zulassung der Arzneispezialität begrenzt.

7.2. Gegen diesen Bescheid des Hauptverbandes erhob die beschwerde­führende Partei abermals Beschwerde gemäß §351i Abs1 Z1 lita ASVG an die Unab­hängige Heilmittel­kommission. Die belangte Behörde wies diese Beschwerde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid ab.

7.3. Die beschwerdeführende Partei wandte sich im Zusammenhang mit der medizinisch-therapeutischen Evaluation in Bezug auf die Patientengruppe gegen die Heranziehung von Oxcarbazepin‑Präparaten aus dem grünen Bereich als Bezugspunkt der (medizinisch-therapeutischen und gesundheitsökonomischen) Vergleiche. Die belangte Behörde räumte in diesem Zusammenhang zwar ein, dass der Vorschlag der beschwerdeführenden Partei für die Verschreibungsregel tatsächlich alle Patienten von der Verschreibung ausgeschlossen hätte, welche die im Verfahren vom Hauptverband festgelegte thera­peutische Alternative (Oxcarbazepin) erhalten könnten. Es sei jedoch vom Hauptverband die Ver­schreibungsregel so festgelegt worden, dass die beantragte Spezialität zur "Zu­satzbehandlung bei Erwachsenen mit partiellen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung, die durch andere Antiepileptika ungenügend kontrolliert sind" vorgesehen sei. Damit umfasse der vom Hauptverband festge­legte Regeltext – gemäß der Indikation in der (arzneimittelrechtlich) zuge­lassenen Fachinformation – sehr wohl Patienten, die an sich Oxcarbazepin als Antiepileptikum (als Zusatztherapie) erhalten konnten, womit die Beurteilung in gesundheitsökonomischer Hinsicht im Vergleich zu Oxcarbazepin‑Präparaten des grünen Bereiches zulässig sei. Die Begründung des Hauptverbandes in dem an­gefochtenen Bescheid sei daher durchaus nachvollziehbar.

7.4. Es sei vielmehr seitens der beschwerdeführenden Partei keine nachvoll­ziehbare Begründung für die vorgeschlagene Einschränkung auf solche Patienten vorge­legt worden, die mit keinem der im grünen Bereich des Erstattungskodex angeführten Antiepileptika (auch in Kombination) aus­reichend behandelbar seien. Die vom Unternehmen beantragte Regelverwendung erscheine daher "ausschIießlich ökonomisch motiviert, indem damit der gesundheits­ökonomische Vergleich gerade mit Oxcarbazepin-Präparaten des Grünen Bereichs ausge­schlossen werden sollte". Zwar könne eine Regelverschreibung enger gefasst sein, als es der zugelassenen Indikation eines Präparates entspreche. Eine Ein­schränkung des Regeltextes gegenüber der zugelassenen Indikation, wie hier beantragt worden sei, könne aber nur in nachvollziehbar begründeten Fällen erfolgen.

7.5. Zum Einwand der beschwerdeführenden Partei, dass sich der Hauptverband nicht mit einer speziellen therapeutischen Situation auseinandergesetzt habe, die in einem schon im ersten Rechtsgang vorgelegten Gut­achten von Univ.-Prof. Dr. P. thematisiert worden sei, führt die belangte Behörde aus, dass diese Gut­achten Patienten beträfen, bei denen Carbamazepin zu Exanthemen (Haut­aus­schlägen) geführt habe und bei denen Oxcarbazepin keine Alternative dar­stellen würde, während Eslicarbazepin (der Wirkstoff von Zebinix) noch einsetz­bar wäre.

7.6. Diese Patienten stellten eine (sehr kleine) Untergruppe jener Patienten dar, die mit Zebinix potentiell behandelt werden könnten (sowohl in der Regeltext­version, die von der beschwerdeführenden Partei beantragt, wie auch in der Regeltextversion, die vom Hauptverband festgesetzt worden sei). Für die Zu­lässigkeit des Heranziehens der in der pharmakologischen Evaluation nach §23 VO‑EKO festgelegten therapeutischen Alternative (hier Oxcarbazepin) könne jedoch nur die Gesamt­heit der Patienten, die von der Verschreibungsregel umfasst sind, eine Rolle spielen. Darüber hinaus bezweifelte die belangte Behörde mit näherer Be­gründung die gebotene Wissenschaftlichkeit der Grundlagen des Gutachtens. Im Übrigen würde die Argumentation der beschwerdeführenden Partei auch zur Folge haben, dass auch unter der von ihr selbst beantragten Verschreibungs­regel (bei der nicht nur Oxcarbazepin, sondern alle Antiepileptika des grünen Bereiches des Erstattungskodex als therapeutische Alternativen ausgeschlossen wären) der therapeutische (Zu­satz‑)Nutzen von Zebinix in der medizinisch-therapeutischen Evaluation mit den Präparaten des gelben Bereiches hätte verglichen werden müssen, wofür von der beschwerde­führenden Partei selbst keine Daten oder Belege vorgelegt worden seien.

7.7. Wegen des Fehlens von direkten Vergleichsstudien (sog. "head-to-head"-Vergleiche zwischen Antiepileptika) müsse auf indirekte Vergleiche separater klinischer Studien zu den zu vergleichenden Wirkstoffen bzw. Präparaten zurück­gegriffen werden. Um aus Vergleichen zweier unabhängig von­einander durchgeführter klinischer Studien Schlussfolgerungen ziehen zu können, müssten nach den Kriterien der Wissenschaft, wie sie vom ASVG (§351g Abs2 letzter Satz) und von der VO‑EKO (§22 Abs2) gefordert würden, bestimmte Vorbe­dingungen gegeben sein. So müssten die Patienten­populationen der zu ver­gleichenden Studien auch vergleichbar sein (in Hinsicht insbesondere auf Schweregrad der Erkrankung, auf demografische Eigen­schaften, auf gleichzeitig vorliegende andere Er­krankungen, auf andere Medikationen etc.). Die Stellung­nahme der European Medicines Agency (EMA) im European Public Assessment Report (EPAR) zu Zebinix sei in ihrer Gesamtheit so zu verstehen, dass aus Sicht der Zulassungs­behörde die zum Zeitpunkt der Abfassung des EPAR vor­liegenden Einzelstudien für schlüssige Ergebnisse nicht ausreichend gewesen seien. Inso­weit sei der Hinweis des Hauptverbandes in der ange­fochtenen Entscheidung durchaus zutreffend und nachvollziehbar.

7.8. Der Hauptverband habe sich darüber hinaus nicht nur auf diese Ein­schätzung der EMA allein gestützt, sondern sei auch auf die Argumente eingegangen, die in der von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten schriftlichen Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr. T. angeführt worden seien. In diesem Zusammenhang habe der Hauptverband darauf hingewiesen, dass die angeführten klinischen Studien teilweise nicht an Epilepsie‑Patienten, sondern an gesunden Versuchs­personen durchgeführt worden seien. Studien seien auch nicht in verblindeter (oder nur in einfach verblindeter) Form durchgeführt worden, und es hätten Unterschiede in den Patientencharakteristika ("baseline characteristics") be­standen. Der Hauptverband habe somit auf Probleme der zum derzeitigen Zeitpunkt vorgelegten Publikationen für den indirekten Vergleich hingewiesen und damit in nachvollziehbarer Weise argumentiert, warum er auch nach Würdigung der Stellung­nahme von Univ.-Prof. Dr. T. der Einschätzung der EMA bezüglich des therapeutischen Nutzens von Zebinix im Vergleich zu Oxcarbazepin gefolgt sei.

7.9. Ausgehend von der medizinisch-therapeutischen Einstufung sei die gesund­heitsökonomische Evaluation nicht zu beanstanden. Der Ver­gleich mit den Präparaten des grünen Bereichs des Erstattungskodex sei vor dem Hintergrund der vom Hauptverband festgelegten Verschreibungsregel zulässig: Der Haupt­verband habe in seinem Bescheid die Einordnung in den gelben Bereich des Erstattungskodex abgewiesen und eine Aufnahme in den grünen Bereich als sinnvoll bezeichnet. Die Ablehnung der vom Unternehmen selbst beantragten Einordnung in den gelben Bereich sei auch nachvollziehbar mit dem im ASVG (§31 Abs3 Z12 litb) für diesen Bereich des Erstattungskodex genannten Erfordernis eines Nachweises eines wesentlichen thera­peutischen Nutzens begründet worden, welcher aus den oben genannten Gründen als nicht erbracht beurteilt worden sei. Die Berechnung des als wirt­schaftlich anzusehenden Preises, wie sie vom Hauptverband durchgeführt wurde (10 % unter dem günstigsten im grünen Bereich angeführten Oxcarbazepin-Präparat gemäß §25 Abs2 Z2 VO‑EKO iVm §1 der Ökonomischen Be­urteilungs­kriterien der Heil­mittelevaluierungskommission), sei daher als nachvollziehbar einzustufen.

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in den verfassungs­gesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B‑VG) und auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK, teilweise wegen Anwendung verfassungswidriger Rechtsvorschriften, sowie auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt; sie macht ferner unionsrechtliche Verstöße, insbesondere gegen die Warenverkehrsfreiheit und gegen die Transparenzrichtlinie, geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

9. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Er­stattung einer Gegenschrift ab; der Hauptverband erstattete eine Äußerung, in der er den Beschwerde­ausführungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Rechtslage

1. Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des All­gemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:

2. Gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger:

"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Ab­gabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zuge­lassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzu­nehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch­therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheits­organisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach §351c Abs1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontroll­ärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach §31 Abs5 Z13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arznei­spezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arznei­spezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesund­heitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maß­gabe der Richtlinie nach §31 Abs5 Z13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Auf­nahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Alters­stufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.

d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.

Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Be­hand­lung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Ver­schreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Er­stattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Haupt­verband in der Verordnung nach §351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."

3. Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:

"Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zu­lassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit ange­schlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Er­stattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Er­stattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Er­stattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) – (6) […]

(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:

1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU Durchschnittspreis nicht über­schreiten.

2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt werden kann, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Die Preiskommission hat spätestens alle sechs Monate eine Preisevaluierung durchzuführen. Wird dabei festgestellt, dass der vorläufige österreichische Er­stattungspreis über dem ermittelten EU Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurück­zuzahlen.

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungs­kodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungs­kodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

(10) […]

Entscheidung des Hauptverbandes

§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu ent­scheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten die selben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechts­mittelfristen nach §351i Abs3 zu belehren.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Haupt­verband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist."

"Streichung aus dem Erstattungskodex

§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs3 Z12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraus­setzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Er­stattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Haupt­verband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unter­nehmen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arznei­spezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Ver­ordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.

(2) In der Verordnung nach Abs1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Er­stattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,

1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arznei­spezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2. ob und welcher therapeutische Mehrwert (Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch be­wertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufge­nommen werden oder dort verbleiben kann,

3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen einge­leitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und

4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendig­keiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Be­wertungen zu entsprechen.

(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozial­versicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.

(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnitt­lichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Haupt­verband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Ver­ordnung ist im Internet zu veröffentlichen.

(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Er­stattungskodex aufgenommen wurden.

Einrichtung und Zusammensetzung

der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundes­ministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heil­mittelkommission einzurichten.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vor­sitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Nahe­verhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegen­über dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.

(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unab­hängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:

1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,

2. Österreichische Ärztekammer,

3. Österreichische Apothekerkammer,

4. Wirtschaftskammer Österreich,

5. Gesundheit Österreich GmbH,

6. Bundesarbeitskammer,

7. Hauptverband.

Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die erforderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.

(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittel­kommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittel­kommission verhindert ist.

(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stell­vertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg. Der Bundesminister für Gesundheit hat das Recht, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung zu unterrichten.

(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraus­setzungen nach Abs2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied

1. dies beantragt oder

2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu er­füllen.

Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet

1. über Beschwerden des Antragstellers,

a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde;

2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Haupt­verbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde.

(3) Beschwerden nach den Abs1 und 2 sind binnen 30 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Hauptverbandes bei der Unabhängigen Heilmittel­kommission einzubringen. Gleichzeitig sind die Beschwerden dem Hauptverband zur Kenntnis zu bringen. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach §351c Abs10 Z1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. Sie können sich nur auf Sachverhalte und Umstände beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Haupt­verband bereits eingebracht worden sind. Die Unabhängige Heilmittel­kommission darf sich bei ihrer Entscheidungsfindung nicht auf Sachverhalte und Umstände stützen, die nach der Entscheidung des Hauptverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Hauptverband eingebracht werden. Allfällige Fragen patentrechtlicher Art sind nicht Gegenstand des Ver­fahrens vor der Unabhängigen Heilmittelkommission.

(4) Die Unabhängige Heilmittelkommission hat die Entscheidung des Haupt­verbandes, mit der

1. der Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungs­kodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

2. eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll oder

3. die Verschreibbarkeit einer Arzneispezialität geändert werden soll,

aufzuheben, wenn der Hauptverband im Verfahren sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; dabei sind alle in der Beschwerde vor­gebrachten Argumente zu würdigen. Der Hauptverband hat sodann innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu ent­scheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach §351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Ent­scheidung des Hauptverbandes auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) einer Arzneispezialität nach §351c Abs1 aufgehoben, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Haupt­verband die Frist nach §351c Abs1 neu zu laufen. Der Hauptverband ist bei seiner neuerlichen Entscheidung an die in der Aufhebungsentscheidung ge­äußerte Auffassung der Unabhängigen Heilmittelkommission gebunden.

(5) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auf Antrag selbst über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex, wenn der Haupt­verband nicht fristgerecht entschieden hat. Die Unabhängige Heilmittel­kommission hat innerhalb von 180 Tagen nach Einlangen dieses Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt.

(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."

4. §§23 bis 25 der vom Hauptverband erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG – VO‑EKO, Verlautbarung 106/2008, lauten auszugsweise folgendermaßen:

"Pharmakologische Evaluation

§23. (1) Ziel der pharmakologischen Evaluation ist:

1. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alter­nativen,

2. Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

(2) Der Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität ist dabei wie folgt festzulegen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirk­stoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten (wirk­stoffgleiches Nachfolgeprodukt).

2. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Er­stattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirk­stoffstärke.

3. Die beantragte Arzneispezialität hat eine neue Kombination von Wirkstoffen, die bereits im Erstattungskodex angeführt sind.

4. Bei der beantragten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Dar­reichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes oder einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffkombination.

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Er­stattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip.

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind.

7. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige medikamentöse Be­handlung einer Erkrankung möglich, welche bisher nichtmedikamentös be­handelt wurde.

8. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige Behandlung einer Erkrankung möglich.

Medizinisch-therapeutische Evaluation

§24. (1) Ziel der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist:

1. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten/Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommt,

2. Die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten/Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (§23 Abs1),

3. Die Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben bei vorgelegten pharmakoökonomischen Studien.

(2) Die beantragte Arzneispezialität ist dabei im Rahmen einer Gesamtbe­trachtung einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs1), weil es sich um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt gemäß §23 Abs2 Z1 handelt.

2. Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arznei­spezialitäten (§23 Abs1).

3. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Be­handlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

4. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs1).

(3) Bei der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist auf die interne und externe Validität der Evidenz, welche den therapeutischen Nutzen für Patienten/ Patientinnen belegen soll, Bedacht zu nehmen. [...]

Gesundheitsökonomische Evaluation

§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Kranken­be­handlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der be­antragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollzieh­bar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten/Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.

(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:

1. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Voraussetzungen nach §351c Abs10 Z1 ASVG iVm §609 Abs20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.

a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlich­keit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.

b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Original­produktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Er­stattungskodex zu streichen.

c) Gemäß §351c Abs10 Z2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewähr­leisten.

2. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität aus­reichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit dem im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z1 ASVG).

3. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z2 ASVG).

4. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszu­gehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität an­gemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs9 Z2 ASVG).

5. Bei der Fallgruppe nach §24 Abs2 Z5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheits­ökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen (§351c Abs9 Z2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmako­ökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig ver­zichten.

(3) – (6) [...]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei wendet sich zunächst mit der Behauptung der Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gegen die kollegiale Zusammensetzung der belangten Behörde, und zwar mit der Begründung, es habe an dem Bescheid mit dem Leiter der Abteilung "EBM/HTA" ("Evidence Based Medicine" bzw. "Health Technology Assessment") des Haupt­verbandes ein be­fangener Organwalter mitgewirkt.

1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zu­ständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegial­behörde entschieden hat (zB VfSlg 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000 und 16.572/2002). Im Hinblick auf ihr diesbezügliches Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei, dass selbst die Mitwirkung eines befangenen Organwalters keine Verletzung dieses Rechts bewirken würde (s. etwa VfSlg 16.467/2002, 16.959/2003).

1.2. Auch wenn das Beschwerdevorbringen dahin gehend gedeutet wird, dass damit eine Verletzung der Garantien des Art6 EMRK geltend gemacht werden sollte, so ist auch eine solche aus folgenden Erwägungen nicht zu erkennen:

Der Verfassungsgerichtshof hat die Unabhängige Heilmittelkommission bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 17.686/2005 (diesem folgend VfSlg 17.701/2005) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art133 Z4 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung und als Tribunal iSd Art6 EMRK qualifiziert. Der Gerichtshof hält an dieser Recht­sprechung weiterhin fest.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 9887/1983, 11.912/1988 uva.) lässt sich allein aus der gesetzlich vorge­schriebenen Mitwirkung sogenannter Interessenvertreter an der Entscheidung eine – auch nur scheinbare – Abhängigkeit von den Streitparteien nicht ableiten: Die weisungsfreien Interessenvertreter, die in einer Kollegialbehörde mit richter­lichem Einschlag im Sinne des Art133 Z4 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vertreten sind, fungieren keinesfalls als persönliches Sprachrohr der einen oder anderen Partei; sie sollen vielmehr fach­liche Gesichtspunkte in den Entscheidungsvorgang einbringen, die sich aus ihrer jeweiligen Berufsstellung ergeben. Ein Verstoß gegen die ge­forderte Unpartei­lichkeit könnte, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 12.470/1990 mit näherer Begründung ausgesprochen hat, nur in besonderen Umständen liegen, die sich aus einer dienstlichen oder organisatorischen Abhängigkeit der bestellten Kommissionsmitglieder ergeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit dem auch im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwand betreffend das oben erwähnte Mitglied der belangten Behörde in seinem Erkenntnis VfSlg 19.631/2012 unter Einbeziehung ein­schlägiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits eingehend auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass allein aus der dienstrechtlichen Stellung als Abteilungsleiter des Hauptverbandes keine Befangenheit bei der Mitwirkung an der Rechtsfindung der belangten Behörde abzuleiten ist. Gegen die konkrete Zusammensetzung der belangten Behörde sind daher in Bezug auf Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder keine Bedenken ent­standen.

1.3. Auch im vorliegenden Fall wird – abgesehen von der Darlegung der organisationsrechtlichen Stellung des betreffenden Mitgliedes der belangten Behörde und der daraus abgeleiteten Bedenken – kein weiterer Umstand geltend gemacht, der im vorliegenden Verfahren zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der belangten Behörde Anlass geben könnte.

1.4. Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.

2. Die beschwerdeführende Partei behauptet ferner, dass der Prüfungsmaßstab der belangten Behörde gemessen an den Anforderungen an ein "effektives Rechtsmittel" nicht ausreiche und einen Verstoß im Sinne "des Art13 EMRK/Art10 EGV/Art47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie [einen] Verstoß gegen die Verfahrensgarantien nach Art6 EMRK" dar­stelle. Die Prüfung, ob der Hauptverband "sein Ermessen überschritten oder nicht nachvollziehbar aus­geübt hat", gewährleiste keine ausreichende Kontroll­dichte.

2.1. Die vom Hauptverband für die Aufnahme von Arzneimitteln in den Er­stattungs­kodex zu beachtenden gesetzlichen Kriterien geben einen ausreichend determinierenden Rahmen für eine Abwägungsentscheidung des Haupt­verbandes. Die Unabhängige Heilmittelkommission ist berechtigt, die Entscheidung des Hauptverbandes in jeder Hinsicht zu überprüfen, d.h. sowohl die Verletzung der gesetzlichen Grenzen der Ermessensübung, als auch eine dieser Prüfung ent­gegenstehende unzureichende (dh. auch widersprüchliche, unschlüssige oder fehlende) Begründung als zur Aufhebung der Entscheidung des Hauptverbandes führende Rechtswidrigkeit aufzugreifen. Der Umstand, dass die Unabhängige Heilmittelkommission bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis hat, reicht angesichts der gesetzlichen Bindungswirkung ihrer Entscheidungen nach dem genannten Maßstab aus (ebenso VfGH 28.11.2013, B1415/2011).

3. Eingriffe in den Schutzbereich der Grundrechte auf Freiheit der Erwerbsaus­übung und auf Unversehrtheit des Eigentums liegen ebensowenig vor: Die Entscheidung darüber, ob eine Arzneispezialität unter strengeren oder weniger strengen Voraussetzungen auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers abgegeben werden kann, berührt weder den Schutzbereich des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsausübung (Kopetzki, Das Verfahren der Aufnahme ins Heil­mittel- und Leistungsverzeichnis der Sozialversicherung, in Kneihs/Lienbacher/Runggaldier (Hrsg), Wirtschaftssteuerung durch Sozialver­sicherungsrecht?, 2005, 318 f. mwN), noch greift eine solche Entscheidung ins Eigentumsrecht ein. Ebensowenig ist die Warenverkehrsfreiheit iSd Art34 AEUV berührt, wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 17.411/2003 und VfSlg 17.686/2005 je mwN entschieden hat: Die Bestimmungen über die Auf­nahme in den Erstattungskodex betreffen nämlich nicht die Merkmale der Ware selbst, sondern bloß deren Vertrieb. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen in der Beschwerde zum Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung, auf Un­versehrtheit des Eigentums und zum behaupteten Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit iSd Art34 AEUV näher einzugehen.

4. Schließlich behauptet die beschwerdeführende Partei, im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz iSd Art7 Abs1 B‑VG dadurch verletzt zu sein, dass die belangte Behörde durch gehäuftes Verkennen der Rechtslage Willkür geübt habe.

4.1. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, würde ein Fehler bei der Beurteilung dieser Fragen nur dann in die Verfassungssphäre reichen und könnte mit Erfolg vor dem Ver­fassungsgerichtshof gerügt werden, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

4.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre ein­greift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivor­bringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

4.2.1. Soweit die beschwerdeführende Partei in diesem Zusammenhang umfang­reich darlegt, dass der Hauptverband im zweiten Rechtsgang an die Rechtsauffassung der belangten Behörde in ihrer aufhebenden Entscheidung gebunden gewesen sei, unterlässt sie es, aufzuzeigen, dass und inwiefern die belangte Behörde einen in die Verfassungssphäre reichenden Verstoß der erst­instanzlichen Behörde gegen diese Bindung unbeachtet gelassen habe. Der Hauptverband hat sich im zweiten Rechtsgang nicht nur mit den von der be­schwerdeführenden Partei vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt, es ist auch die belangte Behörde im Einzelnen auf das Beschwerdevorbringen der beschwerdeführenden Partei gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingegangen und hat es nicht für be­gründet erachtet. Letztlich wurde der von der be­schwerdeführenden Partei beantragte Regeltext von den Behörden in denkmöglicher Weise dahin beurteilt, dass sich dieser nicht nur sprachlich – wie auch in der Beschwerde zugestanden wird – sondern auch inhaltlich von der arzneimittelbehördlich zugelassenen Indikation unterscheidet. Dabei ist strittig, ob Zebinix als Zusatzbehandlung zur Begleittherapie bei Erwachsenen mit partiellen epileptischen Anfällen anzu­wenden ist oder ob – wie die beschwer­deführende Partei meint – Zebinix (nur) dann anzuwenden ist, wenn die im grünen Bereich gelisteten Präparate "keine Wirksamkeit entfalten können", weil sie aus Verträglichkeitsgründen abgesetzt werden müssen. Die belangte Behörde hat nachvollziehbar dargetan, warum sie angesichts der demgegenüber weiter­reichenden arzneimittelrechtlichen Zu­lassung für Zebinix keinen anderen Grund für eine einschränkende Ver­schreibungsregel zu erkennen vermag als jenen, dem für das Präparat der beschwerdeführenden Partei un­günstigen, Preisvergleich mit den im grünen Bereich gelisteten Produkten zu entgehen.

4.2.2. Die beschwerdeführende Partei hat selbst eingeräumt, dass eine "größt­mögliche pharmakologische Übereinstimmung zwischen Eslicarbazepin­acetat und Oxcarbazepin besteht", und in ihrer Stellungnahme vom 19. April 2011 unbe­stritten gelassen, dass die arzneimittelrechtlich zugelassene Indikation von Oxcarbazepin weiter reicht als jene von Zebinix. Daher ist die behördliche An­nahme, Zebinix sei als Therapiealternative zu Oxcarbazepin mit diesem Präparat zu vergleichen (und daher wie dieses für den grünen Bereich geeignet) eben­sowenig unschlüssig oder denkunmöglich wie der daraus gezogene weitere Schluss, die von der beschwerde­führenden Partei im Vergleich zum Umfang der Zulassung vorgenommene Einschränkung der Ver­schreibungsregel diene nur dem Zweck, dem gesundheitsökonomischen Vergleich mit dem deutlich billigeren Alternativprodukt im grünen Bereich auszuweichen.

4.2.3. Es ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde die Feststellung des Hauptverbandes, Zebinix sei eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem thera­peutischen Nutzen für Patienten im Vergleich zu den im Rahmen der pharmako­logischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (Einstufung gemäß §24 Abs2 Z2 VO‑EKO anstelle der beantragten nach §24 Abs2 Z5 VO‑EKO), für unbedenklich und ausreichend nachvollziehbar erachtete.

4.2.4. Dabei durfte die belangte Behörde in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch inso­weit der Begründung des Hauptverbandes folgen, als dieser dem von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Gutachten des Univ.-Prof. Dr. T. – ungeachtet der geringen Probandenzahl zweier zugrundeliegender Studien von 26 bzw. 30 Personen – zwar Hinweise darauf attestierte, dass der Wirkstoff von Zebinix geringere Nebenwirkungen haben könnte als der des Vergleichs­präparates, dass aber Vergleichsstudien, die zum wissenschaftlichen Nachweis dessen lege artis erforderlich wären, fehlen, wie auch die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme vom 11. April 2011 eingeräumt hat.

4.2.5. Dem Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe sich mit dem Gutachten des Univ.-Prof. Dr. P. nicht angemessen auseinandergesetzt, ist zu entgegnen, dass sich nach den – unbekämpften – Feststellungen der belangten Behörde erwiesen hat, dass die in diesem Gutachten zitierte Studie Aussagen zu Eslicarbazepin, dem Wirkstoff von Zebinix, gar nicht enthält. Eine nähere Aus­einandersetzung mit diesem Gutachten erübrigte sich daher.

4.2.6. Die belangte Behörde ist somit in jedem der entscheidungswesentlichen Punkte (Evaluation gemäß §§23 und 24 VO‑EKO sowie Vergleichbarkeit der Alter­nativpräparate) auf das Beschwerdevorbringen eingegangen und ist in diesen Punkten der ausführlichen fachlichen Auseinandersetzung des Haupt­verbandes mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei gefolgt. Die belangte Behörde hat daher nicht Willkür geübt.

5. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegenden Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegial­behörde nach Art133 Z4 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre; ebenso wenig entstanden – aus der Sicht dieser Beschwerdesache – verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Die beschwerdeführende Partei wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne münd­liche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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