Normen
EMRK Art3, Art8, Art13
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §14 Abs2, §19 Abs2 Z6, §20 Abs1
Niederlassungs- und AufenthaltsG (NAG) §21, §72, §73, §74, §81
EMRK Art3, Art8, Art13
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §14 Abs2, §19 Abs2 Z6, §20 Abs1
Niederlassungs- und AufenthaltsG (NAG) §21, §72, §73, §74, §81
Spruch:
I. Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der
Gerichtsgebühren wird stattgegeben.
II. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide
weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Erstbeschwerdeführer reiste im Mai 2001 illegal und schlepperunterstützt nach Österreich ein und stellte am 21. Mai 2001 einen Asylantrag, der am 19. November 2002 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gemäß §8 Asylgesetz 1997 festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seine Heimat zulässig sei.
Die Zweit- bis Siebentbeschwerdeführer (die Ehefrau und die minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers) reisten Anfang September 2002 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Asylantrag des Erstbeschwerdeführers bereits in erster Instanz abgewiesen worden war. Die am 3. September 2002 von den Zweit- bis Siebentbeschwerdeführern gestellten Asylerstreckungsanträge wurden am 18. November 2002 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen.
1.2. Am 2. Dezember 2002 wurde von der Caritas die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß §10 Abs4 des Fremdengesetzes 1997 (im Folgenden: FrG 1997) an die Beschwerdeführer angeregt. Mit Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 23. Jänner 2003 an die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck wurde diesem Ersuchen nicht zugestimmt. Diese Tatsache sowie der Umstand, dass die Ausweisung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet beabsichtigt ist, wurden den Beschwerdeführern mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28. Jänner 2003 mit der Aufforderung zur Stellungnahme binnen zwei Wochen mitgeteilt. Diese Frist ist ungenützt verstrichen.
1.3. Trotzdem brachten die Beschwerdeführer am 13. Februar 2003 neuerlich Asyl- bzw. Asylerstreckungsanträge ein, die mit Berufungsbescheiden vom 10. Oktober 2003 (zugestellt am 17. Oktober 2003) gemäß §68 Abs1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2003 und des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. März 2005 abgelehnt.
1.4. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 18. Februar 2003 wurde hinsichtlich aller Beschwerdeführer die Ausweisung verfügt. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 5. Mai 2004 insbesondere mit der Begründung abgewiesen, dass keine sich aus Art8 EMRK ergebenden Gründe gegen die verfügte Ausweisung sprechen würden. Diese Bescheide wurden bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht angefochten.
Da die Beschwerdeführer der Ausweisung nicht Folge leisteten, wurden sie mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 11. April 2005 aufgefordert, bis spätestens 10. Mai 2005 das Bundesgebiet zu verlassen.
2.1. Knapp vor Ablauf der Frist zur Ausreise beantragte der Erstbeschwerdeführer am 6. Mai 2005 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß §19 Abs2 Z6 iVm Abs3 FrG 1997 für "jeglichen Aufenthaltszweck". Die Zweit- bis Siebentbeschwerdeführer beantragten ebenfalls am 6. Mai 2005 die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen gemäß §19 Abs2 Z6 iVm §20 Abs1 FrG 1997.
2.2. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 16. November 2005 wurden die Anträge gemäß §§5 Abs1 und 2, 10 Abs4, 14 Abs2 und 19 Abs2 Z6 FrG 1997 abgewiesen.
2.3. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 29. Mai 2007 gemäß §66 Abs4 AVG iVm §§21 Abs1, 72 und 74 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen und gemäß dessen §81 Abs1 anwendbaren Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (im Folgenden: NAG) abgewiesen.
Begründend wird zunächst ausgeführt, dass es sich bei den Anträgen um Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln handle, die gemäß §21 Abs1 und 2 NAG vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen gewesen wären.
Darüber hinaus hat die belangte Behörde aber im Rahmen ihrer Berufungsentscheidung geprüft, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall iSd §72 NAG vorliegt, der die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß §73 Abs2 NAG von Amts wegen rechtfertigen würde. Das Vorliegen der Voraussetzungen des §72 NAG wurde hinsichtlich aller Beschwerdeführer verneint und daher die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen versagt. Auf Grund des Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen wurde auch die Inlandsantragstellung gemäß §74 NAG für nicht zulässig erachtet.
3. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Gleichheit von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, und die Verfassungswidrigkeit des §21 NAG behauptet wird. Begründend führen die Beschwerdeführer aus, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend iSd Art8 EMRK gewürdigt. Sie habe ein unzureichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und dadurch die angefochtenen Bescheide mit Willkür belastet. Darüber hinaus ermögliche §21 NAG kein Eingehen auf das Privat- und Familienleben. Abschließend wird gerügt, dass eine Ausweisung in den Kosovo, die die Abweisung der beantragten Niederlassungsbewilligungen zur Folge habe, eine unmenschliche Behandlung gemäß Art3 EMRK darstelle.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
5. Im ergänzenden Schriftsatz vom 5. November 2007 bringen die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2007, B328/07 und B1150/07, sowie unter Berufung auf den den §73 Abs2 NAG betreffenden Prüfungsbeschluss vom 11. Oktober 2007, B215,216/07, vor, die belangte Behörde habe bei der Nichterteilung der Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen unzureichend auf Art8 EMRK Bedacht genommen.
II. Zur Rechtslage:
1. Sowohl §14 Abs2 FrG 1997 als auch §21 Abs1 NAG legen den Grundsatz der Auslandsantragstellung fest. Die Abs2 bis 4 des §21 NAG enthalten für den vorliegenden Fall nicht relevante Ausnahmen von Abs1 leg.cit. Gemäß §81 Abs1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten des NAG am 1. Jänner 2006 anhängig waren, nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen.
2. §§72 bis 74 NAG, BGBl. I 100/2005, lauten auszugsweise:
"7. Hauptstück
Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen
Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen
§72. (1) Die Behörde kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§11 Abs1), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§11 Abs1 Z1 und 2), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß §50 FPG ausgesetzt ist. Drittstaatsangehörigen, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konflikts verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltsbewilligung nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens jedoch für drei Monate, erteilt werden.
(2) Zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen Handlungen kann Drittstaatsangehörigen, insbesondere Zeugen oder Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen für die erforderliche Dauer, mindestens jedoch für sechs Monate, erteilt werden.
Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen
§73. (1) Die Behörde kann Drittstaatsangehörigen bei Vorliegen der Voraussetzungen des §72 eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' oder eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilen. Die Bestimmungen über die Quotenpflicht finden keine Anwendung.
(2) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn
1. der Fremde die Integrationsvereinbarung (§14) erfüllt hat und
2. im Fall einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt.
(3) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilt werden, wenn der Fremde die Integrationsvereinbarung (§14) erfüllt hat.
(4) ...
Inlandsantragstellung
§74. Die Behörde kann von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des §72 erfüllt werden."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, der Grundsatz der Auslandsantragstellung sei verfassungswidrig, weil er die Berücksichtigung des Vorliegens humanitärer Gründe und das Eingehen auf persönliche Verhältnisse im Hinblick auf Art8 EMRK ausschließe.
1.2.1. Ebenso wie nach §14 Abs2 FrG 1997 sind gemäß §21 Abs1 NAG Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland zu stellen. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den insoweit gleich lautenden Vorgängerbestimmungen des §14 Abs2 FrG 1997 und des §6 Abs2 Aufenthaltsgesetz bestehen keine Bedenken gegen den Grundsatz der Auslandsantragstellung (zum Aufenthaltsgesetz vgl. VfSlg. 14.747/1997, zum FrG 1997 vgl. VfSlg. 16.939/2003). Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch aus Anlass dieser Beschwerde nicht veranlasst, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Es kann dem Gesetzgeber nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn er zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens vorsieht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen Fremden noch vor dessen Einreise in das Bundesgebiet zu prüfen sind.
1.2.2. Im Zusammenhang mit §21 Abs1 NAG ist auch §74 NAG zu berücksichtigen, der - wie seine Vorgängerbestimmungen (§§14 Abs2 iVm 10 Abs4 FrG 1997) - eine Ausnahme vom Grundsatz der Auslandsantragstellung zum Inhalt hat. Liegen die Voraussetzungen des §72 NAG vor, ist entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ("kann") die in §74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wovon offensichtlich auch die zuständigen Behörden ausgegangen sind, indem sie die Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen nicht zurück-, sondern abgewiesen haben. Angesichts dieser auch verfassungsrechtlich gebotenen Interpretation (Art8 iVm 13 EMRK) bestehen keine Bedenken gegen §74 NAG.
1.2.3. Der Verfassungsgerichtshof kann daher insgesamt nicht finden, dass die Beschwerdeführer durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
2. Zu den behaupteten Vollzugsfehlern:
2.1. Die Beschwerdeführer behaupten sowohl in der Beschwerde als auch in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 5. November 2007 unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2007, B328/07 und B1150/07, die belangte Behörde hätte ihnen bei Beachtung der dort angeführten Kriterien die beantragten Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen erteilen müssen. Darüber hinaus sei der vorliegende Sachverhalt dem gleichzuhalten, der dem Prüfungsbeschluss B215,216/07 zugrunde liegt.
2.2. Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch von dem dem Prüfungsbeschluss B215,216/07 zugrunde liegenden Sachverhalt, zumal die belangte Behörde den (noch im zeitlichen Geltungsbereich des FrG 1997 gestellten) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nicht wegen Unzulässigkeit einer solchen Antragstellung zurückgewiesen, sondern zugelassen und von Amts wegen das Vorliegen humanitärer Gründe geprüft und verneint hat.
2.3. Soweit die Beschwerdeführer das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen im Hinblick auf Art8 EMRK behaupten, übersehen sie, dass sie mit rechtskräftigen Bescheiden der Sicherheitsdirektion des Landes Oberösterreich vom 5. Mai 2004 ausgewiesen wurden; in diesen bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht angefochtenen Bescheiden wurde bereits festgestellt, dass die Beschwerdeführer durch die Ausweisung in ihren durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht verletzt wurden. Wenn die belangte Behörde angesichts dessen das Vorliegen von Gründen iSd Art8 EMRK nicht neuerlich geprüft hat, hat sie kein Verfassungsgebot verletzt.
2.4. Soweit die Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes gemäß Art3 EMRK behaupten, ist ihnen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) entgegenzuhalten, dass das vorliegende Verfahren keine Ausweisung zum Gegenstand hat und Art3 EMRK auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln keine Anwendung findet (EGMR 30.10.1991, Fall Vilvarajah u.a., Appl. 13.163/87, ÖJZ 1992/13; EGMR 15.11.1996, Fall Chahal, Appl. 22.414/93, ÖJZ 1997/20).
2.5. Auch eine Verletzung des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des internationalen Übereinkommens zur Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, ist nicht erkennbar.
2.6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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