VfGH B1212/88

VfGHB1212/8828.11.1989

Wegfall des Beschwerdegegenstandes mit Erlassung des die (vorläufige) Beschlagnahme bestätigenden Bescheides; Einstellung des Verfahrens; Zurückweisung der Beschwerde gegen die Durchsuchung von Geschäftsräumlichkeiten wegen Fehlens eines tauglichen Beschwerdegegenstandes; keine Hausdurchsuchung

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
StGG Art9
VfGG §86
VStG §39 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
StGG Art9
VfGG §86
VStG §39 Abs2

 

Spruch:

1. Das Verfahren wird, soweit eine am 4.5.1988 durchgeführte Beschlagnahme von 52 Glücksspielgeräten der beschwerdeführenden Partei in Beschwerde gezogen ist, eingestellt.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die Beschwerde gemäß Art144 B-VG richtet sich "gegen die von Organen des Magistrates Salzburg unter Beiziehung von Exekutivbeamten der Bundespolizeidirektion Salzburg am 4.5.1988, von etwa 11.00 Uhr bis ca. 13.00 Uhr dauernde Amtshandlung". Diese bestand laut Sachverhaltsschilderung in einer vorläufigen Beschlagnahme von 52 Glücksspielgeräten in den Geschäftsräumlichkeiten der beschwerdeführenden Gesellschaft in Salzburg, St. Julienstraße 9a. "Die Beschlagnahme erfolgte durch die Anbringung von Siegeln und Belassung derselben im Lokal."

Darüber hinaus läßt sich der Begründung der Beschwerde sub litb entnehmen, daß die beschwerdeführende Partei in den vorgenommenen Amtshandlungen auch eine Hausdurchsuchung erblickt, "weil einerseits nach Gegenständen (Glücksspielautomaten) gesucht wurde und andererseits die gefundenen Glücksspielgeräte hinsichtlich der einzelnen Bestandteile zu dem Behufe beaugscheinigt worden sind, um festzustellen, wo sie sich befinden, also an welcher Stelle".

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch die geschilderte vorläufige Beschlagnahme und durch die Hausdurchsuchung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz des Hausrechts, des Eigentums, der Erwerbsfreiheit sowie auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter als verletzt.

2. Der Bürgermeister der Stadt Salzburg hat als belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet, in der er beantragt, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen bzw. abzuweisen.

In der Gegenschrift wird ausgeführt, daß die "am 4. Mai 1988 vorgenommene (vorläufige) Beschlagnahme im Sinne des §39 Abs2 VStG 1950 durch einen der Beschwerdeführerin gegenüber erlassenen und dieser am 16.8.1988 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid bestätigt (wurde)".

Zur Hausdurchsuchung wird in der Gegenschrift ausgeführt, daß "die in der Folge (vorläufig) beschlagnahmten Glücksspielautomaten ... - wohl bereits ihrer Aufgabe und Funktion für das Benützen durch Gäste in einem 'öffentlichen' Lokal entsprechend ! - in dem Geschäftslokal offen und frei einsehbar aufgestellt (waren)". Das behördliche Agieren könne daher allein schon aus diesem Grunde keinesfalls als eine Hausdurchsuchung (im Rechtssinne) angesehen werden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Über die am 4.5.1988 in den Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin in Salzburg, St. Julien-Straße 9a, durch ein Aufsichtsorgan des Magistrates Salzburg unter Zuziehung polizeilicher Assistenz vorgenommene (vorläufige) Beschlagnahme von 52 im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Glücksspielautomaten wurde von der belangten Behörde am 8.8.1988 ein Bescheid erlassen, der der beschwerdeführenden Partei am 16.8.1988 zugestellt wurde.

Dieser Bescheid bezieht sich seinem Spruch zufolge auf die 52 Stück Glücksspielautomaten, die anläßlich der Amtshandlung am 4.5.1988 vorläufig beschlagnahmt wurden und rechtfertigt in seiner Begründung die vorläufige Beschlagnahme wegen Gefahr im Verzug.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 8888/1980 und 9099/1981 ausgeführt hat, kann eine vorläufige Beschlagnahme als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann nicht mehr beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG angefochten werden, wenn sie durch einen Bescheid nachträglich ausdrücklich bestätigt wird. Diesfalls ist vielmehr die in der vorläufigen Beschlagnahme liegende individuelle Norm zum Bestandteil des sie bestätigenden Bescheides geworden, sodaß die faktische Amtshandlung als solche rechtlich nicht mehr selbständig existent ist und daher auch nicht mehr unmittelbar Objekt einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof sein kann.

Die Beschwerde gegen die angefochtene Beschlagnahme war sohin zwar im Zeitpunkt ihrer Erhebung, am 16.6.1988, zulässig. Mit der Erlassung des sie bestätigenden Bescheides vom 16.8.1988 konnte jedoch die vorläufige Beschlagnahme nicht mehr unmittelbar Objekt des Beschwerdeverfahrens beim Verfassungsgerichtshof sein. Es ist somit der Beschwerdegegenstand mit der Erlassung dieses Bescheides weggefallen, weshalb das Verfahren - analog zu §86 VerfGG 1953 - einzustellen war.

3. Soweit sich die Beschwerde gegen die angebliche Hausdurchsuchung wendet, war sie zurückzuweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfGH 6.6.1980, B444/79 und die dort zitierte Vorjudikatur) ist es nämlich für das Wesen der Hausdurchsuchung charakteristisch, daß nach einer Person oder nach einem Gegenstand, von denen es unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird. Auch wenn den Beschwerdeausführungen gefolgt wird, kann keine Rede davon sein, daß die amtshandelnden Organe die Geschäftsräumlichkeiten der beschwerdeführenden Partei durchsucht hätten. Diese hat weder bestritten, daß die in der Folge (vorläufig) beschlagnahmten Glücksspielautomaten - ihrem Zweck entsprechend - frei aufgestellt waren, noch besteht auch nur der geringste Zweifel, daß die einschreitenden Amtsorgane von der Existenz und Aufstellung der Glücksspielautomaten von vornherein wußten. Eine Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der beschwerdeführenden Partei war daher überflüssig und fand auch nicht statt.

Da die behauptete Amtshandlung - nämlich die Hausdurchsuchung - nicht stattgefunden hat, war die Beschwerde mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes insoweit zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 8363/1978).

4. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder bei Ablehnung der Beschwerde in Betracht kommt.

5. Diese Entscheidung konnte ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (§19 Abs3 Z2 und 3 VerfGG 1953).

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