VfGH A3/79

VfGHA3/794.3.1981

Art137 B-VG; Klage eines Gemeinderatsmitgliedes auf Ersatz des tatsächlichen Verdienstentganges; keine Zuständigkeit des VfGH zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage infolge rückwirkender gesetzgeberischer Maßnahmen

Normen

B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Allg

 

Spruch:

Das Verfahren wird für nichtig erklärt.

Die Klage wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung

1. a) Der Kläger ist Hotelier und war Bürgermeister in E. in Tirol. Mit Eingabe vom 16. Juni 1978 an den Gemeinderat der Gemeinde E. machte der Kläger gemäß §2 Abs1 und 3 des Gesetzes vom 22. November 1971 über die Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates, LGBl. 5/1972, in der Fassung der Novelle LGBl. 17/1975 den Ersatz der Kosten für die Beschäftigung eines Geschäftsführers in der Zeit vom 1. Juni 1976 bis 31. Oktober 1977 und einer Sekretärin in der Zeit vom 1. November 1977 bis zum 31. Dezember 1977 in seinem Hotelbetrieb in Höhe von insgesamt S 329.733,72 als tatsächlichen Verdienstentgang geltend. Mit Bescheid vom 12. Juli 1978 wies der Gemeinderat diesen Antrag ab.

Einer dagegen vom Kläger erhobenen Vorstellung gab die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 21. September 1978 Folge und hob den Bescheid des Gemeinderates auf. Die Landesregierung begründete ihre Entscheidung damit, bei dem Anspruch des Bürgermeisters auf Ersatz des ihm bei der Besorgung der mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben erwachsenden tatsächlichen Verdienstentganges handle es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch aus dem Titel des öffentlichen Rechts. Es gäbe auch dem öffentlichen Recht zugehörige Ansprüche vermögensrechtlicher Art, die sich einer Austragung im Verwaltungsverfahren entziehen und über die deshalb der VfGH zu entscheiden habe (siehe den Beschluß des VwGH vom 6. Juni 1978, Z 408/78). Ein vermögensrechtlicher Anspruch sei nach der ständigen Judikatur des VfGH zu Art137 B-VG dann durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, wenn eine gesetzliche Bestimmung bestehe, welche in Fällen dieser Art eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung berechtige. Während im §9 Abs1 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates bestimmt sei, daß die Festsetzung und Erfüllung der Ansprüche ausgeschiedener Bürgermeister auf laufende und einmalige Zuwendungen und der Ansprüche seiner Hinterbliebenen auf Versorgung einem Gemeindeverband obliegen, dem alle Gemeinden Tirols mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck angehören, finde sich in diesem Gesetz keine Bestimmung, welche die Zuerkennung des Ersatzes des tatsächlichen Verdienstentganges und der Barauslagen im Verwaltungsweg vorsehe. Der vorliegende vermögensrechtliche Anspruch könne daher gemäß Art137 B-VG nur unmittelbar beim VfGH geltend gemacht werden.

b) Dieser Rechtsansicht der Landesregierung folgend, beantragte der Kläger mit der am 2. Feber 1979 beim VfGH eingebrachten Klage gemäß Art137 B-VG, die beklagte Gemeinde E. schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von S 329.733,72 und einen weiteren Betrag an tatsächlichem Verdienstentgang in der Höhe von S 2.500,- samt Zinsen sowie die Prozeßkosten zu bezahlen.

Mit einem am 23. März 1979 beim VfGH eingelangten Schriftsatz schränkte der Kläger das Klagebegehren auf den Anspruch auf Kostenersatz ein und stützte sich dabei auf folgende Umstände:

Mit dem am 7. März 1979 herausgegebenen und versendeten LGBl. 18 ist das Gesetz vom 14. Dezember 1978, mit dem das Gesetz über die Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates geändert wird, kundgemacht worden. Durch ArtI Z1 wurden dem §2 des Gesetzes folgende Absätze 5 und 6 angefügt:

"(5) Der Anspruch auf Ersatz der Barauslagen und des tatsächlichen Verdienstentganges ist bei sonstigem Verlust innerhalb eines Jahres nach seinem Entstehen geltend zu machen.

(6) Über den Anspruch auf Ersatz der Barauslagen und des tatsächlichen Verdienstentganges hat im Streitfall der Gemeinderat zu entscheiden."

Diese Bestimmung ist gemäß ArtIV Abs1 der Novelle rückwirkend mit 1. Jänner 1979 in Kraft getreten. Dadurch ist rückwirkend die Zuständigkeit des Gemeinderates zur Entscheidung über strittige Ansprüche auf Ersatz des tatsächlichen Verdienstentganges geschaffen worden (und zwar unabhängig davon, wann dieser tatsächliche Verdienstentgang eingetreten ist).

Daraus folgert der Kläger, die auf Art137 B-VG beruhende (subsidiäre) Zuständigkeit für die am 2. Feber 1979 eingebrachte Klage sei rückwirkend weggefallen. Da der Kläger aber im Zeitpunkt der Einbringung der Klage von der Novelle keine Kenntnis gehabt habe und diese noch nicht kundgemacht gewesen sei, wäre die Klagsforderung auf Grund der damals kundgemachten Rechtslage durchaus berechtigt gewesen, womit der Kostenersatzanspruch durch das rückwirkende Gesetz nicht vernichtet worden sei (der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf die Anmerkung 2 zu §41 ZPO bei Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen II, S 314).

c) Die beklagte Gemeinde E. hat in einer Gegenschrift den Antrag auf Zurückweisung, in eventu Abweisung der Klage gestellt.

2. Eine Zuständigkeit des VfGH gemäß Art137 B-VG ist jedoch auch hinsichtlich des eingeschränkten Klagebegehrens aus folgenden Gründen nicht gegeben:

a) Nach Art137 B-VG erkennt der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die in §2 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates enthaltenen Ansprüche auf Ersatz der Barauslagen und des tatsächlichen Verdienstentganges sind öffentlich-rechtlicher Natur und somit nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen.

b) Unabhängig davon, ob - wie der Kläger behauptet - die Rechtslage vor der Novelle LGBl. 18/1979 die Erledigung des Klagsanspruches durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde nicht vorgesehen hat, steht jedenfalls fest, daß seit Inkrafttreten des §2 Abs6 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates mit 1. Jänner 1979 der Gemeinderat zuständig ist, über den Anspruch auf Ersatz des tatsächlichen Verdienstentganges zu entscheiden. Es besteht somit auch keine Zuständigkeit des VfGH (mehr), über die Zuerkennung von Kosten im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Ersatz des tatsächlichen Verdienstentganges zu erkennen, weil das Begehren auf Kostenersatz einen Teil des Klagebegehrens darstellt.

Dieser Auffassung steht auch die vom Kläger zur Stützung seiner Argumentation herangezogene Meinung Faschings (Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S 314), wonach eine rückwirkende Rechtsänderung zwar ausnahmsweise den Sachanspruch, nicht aber die Kostenforderung beseitigt, nicht entgegen. Auch Fasching bringt nämlich damit nicht zum Ausdruck, daß bei einer rückwirkenden Änderung der Zuständigkeit nur die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Sachanspruch beseitigt wird, jene zur Entscheidung über die Kostenforderung aber bestehen bleibt. Der Wegfall der Zuständigkeit läßt sich mit dem Wegfall des Sachanspruches nicht vergleichen, weil bei Mangel der Zuständigkeit überhaupt keine Möglichkeit zu Fällung einer Entscheidung besteht.

3. Das (eingeschränkte) Klagebegehren ist daher zurückzuweisen.

Da durch das Inkrafttreten des §2 Abs6 des Gesetzes über die Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates mit 1. Jänner 1979 bereits im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage (2. Feber 1979) keine Zuständigkeit des VfGH nach Art137 B-VG gegeben war, ist das (gesamte) Verfahren für nichtig zu erklären.

Kosten sind nicht zuzusprechen, weil die Nichtigkeit des Verfahrens keiner der Parteien zum Verschulden zugerechnet werden kann (§§51 ZPO, 41 und 35 VerfGG).

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