Normen
B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
ABGB §1416
B-VG Art137 / sonstige zulässige Klagen
ABGB §1416
Spruch:
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger, das Land Wien zur Zahlung eines Betrages von S 4.800,-- sowie die "Republik Österreich" zur Zahlung eines Betrages von S 287,--, jeweils samt 4 % Zinsen seit 8. Jänner 1987, und beide beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zum Ersatz der Kosten zu verurteilen.
1.1. Begründend wird ausgeführt:
Mit Straferkenntnis Pst 29878/83 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 25. April 1984 sei über den Kläger wegen eines am 15. November 1983 begangenen Verkehrsdeliktes eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- zuzüglich des Ersatzes von S 100,-- an Verfahrenskosten verhängt worden; mit einem negativen Berufungserkenntnis seien ihm weitere S 100,-- an Kostenersatz auferlegt worden. Den Gesamtbetrag von S 1.200,-- habe er mit der Widmung "Delikt 15.11.1983" am 20. Juni 1985 einbezahlt.
Mit Straferkenntnis Pst 7667/84 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 18. Oktober 1984, sei über ihn wegen eines am 30. März 1984 begangenen Verkehrsdeliktes ebenfalls eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- zuzüglich des Ersatzes von S 100,-- an Verfahrenskosten verhängt worden; für das Berufungsverfahren seien ihm weitere S 100,-- an Kostenersatz auferlegt worden. Den Gesamtbetrag von S 1.200,-- habe er mit der Widmung "Verwaltungsstrafe 30.3.1984" am 22. Oktober 1985 bezahlt.
Mit Straferkenntnis Pst 13917/84 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 30. Jänner 1985 sei über ihn wegen eines am 29. Juni 1984 begangenen Verkehrsdelikts eine weitere Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- verhängt und ihm der Ersatz von S 200,-- an Verfahrenskosten auferlegt worden; mit Berufungsbescheid vom 18. Juli 1985 sei seiner Berufung keine Folge gegeben und es seien ihm Kosten von S 200,-- vorgeschrieben worden. Den Gesamtbetrag von S 2.400,-- habe er mit der irrtümlich unrichtigen Widmung "Verwaltungsübertretung 26.7.1984" anstelle richtig "29.6.1984" am 17. Oktober 1985 überwiesen. Die Richtigstellung der Widmung sei am 21. April 1986 erfolgt.
Trotz der geleisteten Zahlungen habe das Land Wien gegen den Kläger zu Z11 E14867/86 des Exekutionsgerichtes Wien hinsichtlich aller vorgenannten Beträge Exekution geführt, die am 20. November 1986 auch bewilligt worden sei. Am 7. Jänner 1987 sei ihm durch einen Vollstrecker der Bewilligungsbeschluß zugestellt worden. Um eine Pfändung zu vermeiden, habe er die Gesamtforderung von S 4.800,-- zuzüglich der der zweitbeklagten Partei zugeflossenen Vollzugsgebühren von S 287,-- zu Handen des Vollstreckers ein weiteres Mal berichtigt.
Unabhängig davon ergebe sich auf Grund einer Streichung im Zusammenhang mit dem Straferkenntnis Pst 13917/84 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 30. Jänner 1985 bei korrekter Addition sämtlicher eingeforderter Beträge unter Berücksichtigung dieser Streichung anstelle des in Exekution gezogenen Gesamtbetrages von S 4.800,-lediglich ein solcher in Höhe von S 2.800,--, sodaß die Exekution nicht nur zu Unrecht, sondern auch überhöht geführt worden sei.
1.2. Da das Land Wien somit bereichert und die Vollzugsgebühr zu Unrecht eingehoben worden sei, sehe sich der Kläger zur Klage genötigt. Hinsichtlich des Betrages von S 4.800,-- sei das Land Wien passiv klagslegitimiert, da die zugrundeliegenden Verwaltungsstraferkenntnisse Verstöße gegen die StVO 1960 betroffen hätten. Die Vollzugsgebühr von S 287,-- sei zu Unrecht im Wirkungsbereich des Bundes vereinnahmt worden, sodaß insoferne dieser passiv klagslegitimiert sei. Da der Vermögenszuwachs der beklagten Parteien auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhe, sei die Zuständigkeit des VfGH nach Art137 B-VG gegeben.
2.1. Das Land Wien erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Es sei wohl richtig, daß der Kläger die behaupteten Überweisungen mit den von ihm genannten Widmungen durchgeführt habe. In Anbetracht der Vielzahl der gegen den Kläger anhängigen Verwaltungsstrafverfahren seien die in Rede stehenden Widmungen, die sich nur auf die Benennung der Tattage beschränkt und keine näheren Präzisierungen, wie insbesondere die Nennung der maßgeblichen Aktenzahlen und der Delikte, enthalten haben, ungeeignet gewesen, eine richtige Zuordnung der überwiesenen Beträge durchzuführen. Es hätten daher die Überweisungen jeweils auf die älteste offene Forderung angerechnet und so verbucht werden müssen. Dies sei dem Kläger auch bekanntgegeben worden, nachdem er sich geweigert habe, die entsprechenden Aktenzahlen zu benennen. Die Verbuchungen seien für die Verfahren Cst 2940-S/84 (S 240,--), Pst 9284-S/83 (S 960,--), Pst 5956-S/84 (S 610,--), Cst 3364-S/85 (S 550,--), Pst 13991-S/85 (S 40,--), Pst 5956-S/84 (S 1.040,--), Pst 12373-S/84 (S 1.200,--) und Cst 2940-S/84 (S 160,--) erfolgt. Sollte die von der beklagten Partei vorgenommene Zurechnung nicht anzuerkennen sein, dann wären diese Forderungen offen und würden aufrechnungsweise gegen das Klagebegehren eingewendet. Dem Zinsenbegehren sei entgegenzuhalten, daß ein Verzug der beklagten Partei bis zur Klage nicht vorgelegen sei, da vorher eine Refundierung vom Kläger gar nicht begehrt worden sei.
2.2. Auch der Bund begehrt, die Klage, soweit sie gegen ihn gerichtet ist, zur Gänze abzuweisen. Er ist der Auffassung, daß es sich bei den durch die Vollstreckung verursachten Kosten um unselbständige Nebenforderungen handelt. Hinsichtlich eines Teilbetrages von S 250,-- beruhe die Zahlung schließlich auf einem Kostenbestimmungsbeschluß, der nach wie vor dem Rechtsbestand angehöre.
3.1. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, daß in den Jahren 1980 bis 1984 tatsächlich gegen den Kläger über 50 Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt wurden und die verhängten Strafen im hier maßgeblichen Zeitraum nur teilweise bezahlt worden waren.
3.2. Aus den vorgelegten Unterlagen geht weiters hervor, daß die Bundespolizeidirektion Wien die Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland damit befaßte, daß der Kläger "aus unerfindlichen Gründen" für die Einzahlung von Verwaltungsstrafen nicht die behördeneigenen Erlagscheine verwendete und es "auch nicht der Mühe wert (fand), bei Einzahlungen wenigstens die dazugehörige Geschäftszahl anzuführen". Die Rechtsanwaltskammer wurde ersucht, auf den Kläger einzuwirken, diese Vorgangsweise zu ändern, "da bei der derzeitigen Überlastung der Beamten ein langwieriges Aktensuchen und Nachschau in den Protokollen einen nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand" bedeutete. Mit Erledigung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. September 1986, Z159/86, wurde gegebenüber dem Kläger in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß §23 RAO festgestellt, daß gegen die von ihm "gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien in Erledigung seiner Verwaltungsstrafsachen gesetzte Verhaltensweise, Strafgelder ohne Anführung der jeweiligen Geschäftszahl bei bloßer Angabe des Tages, an welchem das inkriminierte Delikt gesetzt wurde, zu überweisen, schwere Bedenken bestehen".
4. Der VfGH hat über die - zulässige (vgl. zB VfSlg. 8666/1979) - Klage erwogen:
4.1. Das Klagebegehren stützt sich auf die Behauptung, der Kläger habe dem Land Wien Verwaltungsstrafen auf Grund einer gegen ihn geführten Exekution zu zahlen gehabt, obwohl er diese Verpflichtungen bereits vorher getilgt hatte. Es ist daher zu klären, ob der Kläger die in Rede stehenden Verwaltungsstrafen schon vor der gegen ihn geführten Exekution mit schuldbefreiender Wirkung bezahlt hatte.
Das Land Wien hält dem Klagevorbringen entgegen, daß die Überweisungen vom Kläger nur mit einem Hinweis auf den Tattag versehen waren, sodaß eine Zuordnung der Zahlungen im Hinblick auf die Vielzahl anhängiger Verwaltungsstrafverfahren nicht möglich gewesen sei. Die Aktenlage bestätigt dieses Vorbringen, es wird auch vom Kläger im Verfahren gar nicht bestritten. Aus den vorgelegten Unterlagen geht weiters hervor, daß der Kläger die zur Berichtigung der Verwaltungsstrafen übermittelten Zahlscheine nicht verwendet hat und daß er auch keine Geschäftszahl auf den Überweisungen angeführt hat. Der Kläger hat es damit unterlassen, mit hinlänglicher Deutlichkeit zu deklarieren, wofür die jeweilige Überweisung zu verwenden ist. Unter diesen Umständen mußte der Kläger damit rechnen, daß bei der beklagten Partei Zweifel darüber entstehen würden, wie die Zuordnung der Zahlungen zu erfolgen habe.
Wird von einem Schuldner, gegen den eine Vielzahl von Verwaltungsstrafverfahren laufen, ein solches Verhalten gesetzt, so kann sich die Behörde - wie sie dies nach ihrem Vorbringen auch getan hat - nur an §1416 ABGB orientieren; danach sind im Zweifel Zahlungen zunächst zur Tilgung von Zinsen und erst dann zur Tilgung von Kapital, im Falle einer Mehrzahl von Kapitalverpflichtungen jedoch zunächst zur Tilgung älterer und erst nachfolgend zur Tilgung jüngerer Schulden zu verwenden (vgl. Gschnitzer in Klang, 385; Bydlinski in Klang IV/2, 682; SZ 9/231; Rsp 1936/235). Dies ergibt sich, worauf Reischauer in Rummel, Kommentar zum ABGB, 2. Band (1984), 2683, verweist, daraus, daß der Schuldner in der Reihenfolge befreit werden soll, in der er befreit worden wäre, wenn er rechtzeitig bezahlt hätte.
4.2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit, daß der Kläger sich nicht auf eine bereits erfolgte Tilgung der Strafforderungen berufen kann, deren Hereinbringung im Verfahren Z11 E14867/86 des Exekutionsgerichtes Wien gegen ihn betrieben wurde. Dem Land Wien als beklagter Partei ist zuzugestehen, daß es die vor der Exekution gezahlten Beträge im Hinblick auf deren undeutliche Widmungen zur Tilgung älterer Verpflichtungen des Klägers zu Recht verwendet hat.
Damit ist aber der Behauptung des Klägers, eine Doppelzahlung geleistet zu haben, der Boden entzogen und das Klagebegehren insoferne unbegründet.
Dies bedeutet gleichzeitig, daß der Exekutionsaufwand zu Recht erwachsen ist und dem Kläger auch insoferne kein Rückforderungsanspruch zusteht.
Da sich das Klagebegehren somit schon hinsichtlich der Hauptforderung als unbegründet erweist, war auf weitere Fragen nicht einzugehen.
5. Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
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