Normen
B-VG Art137 / Allg
Anlegerentschädigungsrichtlinie 97/9/EG
B-VG Art137 / Allg
Anlegerentschädigungsrichtlinie 97/9/EG
Spruch:
Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Der Kläger brachte folgende, auf Art137 B-VG gestützte Klage
ein:
"Ich habe im Jahr 2002 beim Unternehmen FMS ..., einer Gesellschaft mit Sitz in Wien, insgesamt EUR 275.000,00 gemäß einem entsprechenden Vertrag mit der FMS. investiert, von dieser Investition erhielt ich über Auszahlungen lediglich EUR 24.100,-
zurück, sodass mir ein Schaden von EUR 250.900, entstanden ist.
Die FMS verfügte über eine Konzession der Finanzmarktaufsicht bzw. deren Vorgängerin der Bundeswertpapieraufsicht vom 30. Dezember 1999 zur Erbringung von Dienstleistungen gemäß §19 Abs1 Z. 1 iVm §1 Abs1 Z. 19 1it. a BWG (Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen) und §1 Abs1 Z19 litc BWG (Vermittlung von Geschäftsangelegenheiten zum Erwerb von Wertpapieren).
Die FMS hat das von mir dieser Gesellschaft anvertraute Geld nicht gewinnbringend veranlagt, sondern dieses veruntreut, wofür die ehemalige Geschäftsführerin der FMS (Frau S) und der ehemalige Prokurist (Herr E) vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu 121 Hv 125/05x zu jeweils 3,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Ungeachtet der 'kriminellen Machenschaften' der Geschäftsführer der FMS hatte diese - wie bereits erwähnt - eine Konzession, erteilt von der Republik Österreich, zur Erbringung der Wertpapierdienstleistung des 'Vermitteln von Wertpapieren' gemäß §1 Abs1 Z. 19 litc BWG. Die Tätigkeit gemäß dieser Bestimmung nach österreichischem BWG entspricht der Annahme und Übermittlung, für Rechnung von Anlegern, von Aufträgen betreffend Wertpapieren im Sinne des Anhanges, Abschnitt A Z. 1 a der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG. Aus diesem Grund war die FMS eine Wertpapierfirma, gemäß dieser Richtlinie (93/22/EWG).
Mit Richtlinie 1997/9/EG (Anlegerentschädigungsrichtlinie/AERL) wurden sämtliche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, somit auch die Republik Österreich verpflichtet, eine Anlegerentschädigung einzurichten, welche den Anlegern Deckung bis zumindest EUR 20.000,00 gewährt, für den Fall, dass eine Wertpapierfirma (gemäß Definition durch Richtlinie 93/22/EWG) nicht in der Lage ist, Anlegern Geld zurückzuzahlen, welches diesen geschuldet wird, wobei die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, diese Richtlinie bis längstens 26. September 1998 in nationales Recht umzusetzen.
Im Ergebnis war also die Beklagte verpflichtet, zumindest seit 26. September 1998 ein Anlegerentschädigungssystem vorzusehen, welches auch Wertpapierfirmen, welche eine Konzession für die Vermittlung gemäß §1 Abs1 Z. 19 litc BWG haben, erfasst, bzw. wäre eine Konzession ab 26. September 1998 nur zu erteilen gewesen, wenn eine derartige Wertpapierfirma einem Anlegerentschädigungssystem angehört.
Der FMS wurde im Jahr 1999 eine Konzession erteilt, ohne dass diese einem Anlegerentschädigungssystem angehörte, weil das WAG in der Fassung vor dem 01. November 2007 gemäß §23b WAG nur für solche Unternehmen, welche die Vermögensverwaltung im Sinne des §1 Abs1 Z. 19 litb BWG durchführen, eine verbindliche Mitgliedschaft bei einem Anlegerentschädigungssystem vorgesehen hat.
Die Republik Österreich hat im Jahr 2007 im Bewusstsein, dass diesbezüglich eine Europarechtswidrigkeit vorliegt, diese mit dem WAG 2007 saniert und sieht das WAG 2007 nunmehr in §75 Abs2 i. V.m. §3 Abs2 Z2 WAG 2007 vor, dass auch 'Vermittler' der Anlegerentschädigung angehören müssen.
Die FMS schuldet mir einen Betrag von EUR 250.900,00. Über die FMS wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien zu 4 S 630/03d am 27. November 2003 der Konkurs eröffnet, wobei der Konkurs geringfügig ist, und daher nicht damit zu rechnen ist, dass die FMS in der Lage ist, mir auch nur irgendeinen Betrag zu zahlen, jedenfalls nicht den vollen mir geschuldeten Betrag.
2.) Klagslegitimation: Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ist nach Art137 B-VG gegeben, weil die ordentlichen Gerichte unzuständig sind. Für im Gemeinschafrecht verwurzelte Staatshaftungsansprüche, die nicht als privatrechtliche Ansprüche angesehen werden können, ist die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gegeben, wenn der Anspruch auf legislatives Unrecht gestützt wird und die Anspruchsgründe nicht einem hoheitlich tätigen Vollzugsorgan, sondern unmittelbar den Gesetzgeber zuzurechnen sind. Genau dies liegt im gegebenen Fall vor.
Ich habe die Klage ursprünglich beim Landesgericht für ZRS Wien eingebracht, dieses hat mit oben angeführter Begründung mit Beschluss vom 18. September 2008 die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass für diese Klage die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gegeben ist.
3.) Klagstitel: Die beklagte Partei ist verpflichtet, den mir entstandenen Schaden daraus, dass die beklagte Partei die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften 1997/9/EG (Anlegerentschädigungsrichtlinie) nicht rechtzeitig umgesetzt hat, zu ersetzen. Hätte die beklagte Partei diese Richtlinie rechtzeitig, somit mit 26. September 1998 umgesetzt und daher vorgesehen, dass Vermittler gemäß §1 Abs1 Z. 19 litc BWG vom Anlegerentschädigungssystem umfasst sein müssen, so hätte ich nach dem Konkurs der FMS innerhalb von drei Monaten einen Entschädigungsbetrag von EUR 20.000,00 von der Anlegerentschädigung erhalten, somit spätestens mit 22. Juni 2004, weshalb ab diesem Datum Zinsen begehrt werden.
4.) Urteilsbegehren: Aus den angeführten Gründen beantrage ich die Fällung des URTEILS:
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger den Betrag von EUR 20.000,00 samt 4 % Zinsen seit 22. Juni 2004 sowie die Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen zu bezahlen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Klage erwogen:
1. Der Kläger behauptet, dass er einen Schaden dadurch erlitten habe, dass der österreichische Gesetzgeber eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften nicht umgesetzt habe. Anscheinend will er damit einen Staatshaftungsanspruch wegen so genannten "legislativen Unrechts" geltend machen.
2. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Die Klägerin macht einen gegen den Bund gerichteten vermögensrechtlichen Anspruch geltend.
Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche nicht bereits dann zuständig, wenn der Gesetzgeber gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Akt, der die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzeber zuzurechnen ist (VfSlg. 16.107/2001, 17.002/2003 ua.).
3. Voraussetzung einer Staatshaftung ist es, dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaats zur Verletzung einer gemeinschaftsrechtlichen Norm gekommen ist, die bezweckt, dem einzelnen Rechte zu verleihen, und dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden besteht, der dem Einzelnen entstanden ist (vgl. EuGH 5.3.1996, Rs. C-46/93 und C-48/93 , Brasserie du Pecheur, Slg. 1996, I-1029 (Rz 51); 23.5.1996, Rs. C-5/94 , Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553 (Rz 32); 30.9.2003, Rs. C-224/01 , Köbler (Rz 51)). Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht dabei aber keine reine Unrechtshaftung; vielmehr ist ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht nur dann haftungsbegründend, wenn er "hinreichend qualifiziert" ist (EuGH 5.3.1996, Brasserie du Pecheur, Slg. 1996, I-1029 (Rz 55); 8.10.1996, Rs. C-178/94 ua., Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845 (Rz 21 ff.); 17.10.1996, Rs. C-283/94 ua., Denkavit, Slg. 1996, I-5063 (Rz 48, 50 ff.); uva.).
4. Es zeigt sich also, dass schon die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zur Behandlung einer Staatshaftungsklage von einer ganzen Reihe von Umständen abhängt. Gleiches gilt auch für jene Voraussetzungen, die die Haftung des Bundes begründen könnten. Die Klage erstattet zu den Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs sowie für die Stattgebung einer Staatshaftungsklage kein substantiiertes Vorbringen.
5. Es wird zwar eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften, nämlich die Richtlinie 1997/9/EG vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABl. Nr. L 084, S0022 erwähnt, aber keine konkreten Bestimmungen der Richtlinie genannt, die der österreichische Gesetzgeber nicht umgesetzt haben soll. Folglich ist der Klage auch nicht zu entnehmen, welche konkreten Richtlinienbestimmungen Rechte von Einzelpersonen vorsehen sollen, deren Inhalt aus der Richtlinie ableitbar ist. Nicht dargetan wird auch, warum Richtlinienbestimmungen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sind. Die Klage befasst sich auch nicht mit der Frage der Qualifizierung des behaupteten Verstoßes. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem Schaden kann bestenfalls erahnt werden.
Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, jene Kriterien, zu denen ein substantiiertes Vorbringen fehlt, durch eigene Vermutungen und Spekulationen darüber, was der Kläger gemeint haben könnte, zu ersetzen.
Die Klage ist daher mangels Schlüssigkeit zurückzuweisen.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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