VwGH Ra 2019/06/0147

VwGHRa 2019/06/014722.2.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der I M GmbH in W, vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Westbahnstraße 5/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 27. Mai 2019, 405‑3/395/1/28‑2019, betreffend Versagung der Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Marktgemeinde Tamsweg; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauPolG Slbg 1997 §10
BauRallg
BauTG Slbg 1976 §2
OrtsbildschutzG Slbg 1999 §11

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019060147.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Marktgemeinde Tamsweg hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Spruchpunkt II. des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde T. wurde auf Grund des Bauansuchens der revisionswerbenden Partei vom 26. Juni 2016 die Baubewilligung für den Einbau von drei Dachflächenfenstern im Bereich der Schopfwalme beim bestehenden Objekt auf einem näher bezeichneten Grundstück gemäß § 10 Baupolizeigesetz 1997 ‑ BauPolG versagt und aufgetragen, die drei Dachflächenfenster bis längstens 31. August 2017 zu entfernen. Begründend führte die Behörde nach Wiedergabe zahlreicher Stellungnahmen der Sachverständigenkommission für den Ortsbildschutz im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Baumaßnahme im Bereich des Ortsbildschutzgebietes der Marktgemeinde T. liege, weshalb die Bestimmungen des Salzburger Ortsbildschutzgesetzes 1999 (OSchG) Anwendung fänden. Demnach dürfe die Bewilligung einer im Ortsbild wahrnehmbaren Änderung von Bauten oder Bauteilen einschließlich aller größerer Instandsetzungsarbeiten nur erteilt werden, wenn die beabsichtigte Maßnahme dem Ortsbild nicht abträglich und ihre vollständige Ausführung sichergestellt sei. Dieser Anforderung werde entsprochen, wenn den Festlegungen und Forderungen der Sachverständigenkommission für den Ortsbildschutz Rechnung getragen werde.

2 Die dagegen erhobene Berufung der revisionswerbenden Partei wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2018 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Sachverständigenkommission für den Ortsbildschutz in T. habe sich gegen die gegenständlichen Dachflächenfenster in den Schopfwalmen ausgesprochen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe festgestellt werden können, dass der Einbau der Fenster beim gegenständlichen Objekt nicht mit den Zielen des Ortsbildschutzes im Einklang stehe. Der Einbau der gegenständlichen Fenster sei dem Ortsbild abträglich.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang samt Inhalt der bisher ergangenen Bescheide und Stellungnahmen ausführlich dar. In seinen Feststellungen hielt das Verwaltungsgericht nur fest, dass es sich gegenständlich um zwei Dachflächenfenster an der südlichen Gebäudeseite in der Schopfwalmdachfläche und um ein Dachflächenfenster an der nördlichen Gebäudeseite in der Schopfwalmdachfläche neben einem Kamin handle, welche unstrittig konsenslos im Jahr 2016 errichtet worden seien. Diese drei Dachflächenfenster seien dem Gutachten der Sachverständigenkommission für den Ortsbildschutz und dem ‑ im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht eingeholten ‑ Gutachten des Amtssachverständigen für Ortsbildschutz zufolge untypisch für das geschützte Ortsbild und am geschützten Gebäude ‑ insbesondere bezüglich der ruhigen historisch bedingten Dachflächen im Ortskern ‑ störend. Seine Beweiswürdigung stützte das Verwaltungsgericht auf die behördlichen Verfahrensakten und die Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die zahlreichen Stellungnahmen der Sachverständigenkommission für den Ortsbildschutz und das Gutachten des Amtssachverständigen hätten sich als nachvollziehbar und schlüssig erwiesen. Der Vergleich der revisionswerbenden Partei mit dem gesamten Ortsgebiet sei im Hinblick auf den erhaltenswerten und deshalb geschützten, genau ausgewiesenen Ortsbildschutzbereich nicht zielführend. Die belangte Behörde habe dazu zwei denklogische Argumente vorgebracht. So sei der Schutz erst seit 1980 in Kraft und diverse Dacheinbauten vor dieser Zeit erfolgt und einige der von der revisionswerbenden Partei genannte Beispiele würden außerhalb des Schutzbereichs liegen. Der vorgebrachten fehlenden Sichtbarkeit der Dachflächenfenster von der Straße aus sei zu entgegnen, dass sich die Erhaltungspflicht von Gebäuden im Ortsbildschutzgebiet auch auf nicht in Erscheinung tretende Bauteile beziehe und die Sichtbarkeit der Fenster zudem von der Straße und von außerhalb des Ortes liegenden Punkten gegeben sei. Im Ergebnis stellten die drei konsenslos errichteten Dachflächenfenster in den Schopfwalmdachflächen keine charakteristischen Elemente im Ortsbildschutzgebiet dar und bewirkten eine weitere Beunruhigung der Dachfläche des Objekts, was sich störend auf das maßgebliche Ortsbild auswirke. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht schließlich aus, die Dachflächenfenster in den Schopfwalmen seien von der Sachverständigenkommission für den Ortsbildschutz als untypisch und als wesentliche Störung für den geschützten Ortskern beurteilt worden. Den von der revisionswerbenden Partei vorgelegten Lichtbildern sei kein Dach im Ortsbildschutzgebiet zu entnehmen gewesen, welches Dachflächenfenster in den Schopfwalmdachflächen habe. Das wegen Begründungsmängeln beanstandete Gutachten des Amtssachverständigen sei „unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur bezüglich der architektonischen Gesichtspunkte und der Fakten, warum das Bauvorhaben dem Ortsbild widerspricht“ nachvollziehbar begründet worden; dies sogar mit historischer Herleitung der im Ortsbildschutzgebiet bestehenden Dachlandschaft. Das Argument der revisionswerbenden Partei, das gesamte Ortsgebiet der Marktgemeinde T. sei zur Beurteilung heranzuziehen, werde durch die konkrete Erklärung des als schützenswert zu erhaltenden Ortskernes zum Ortsbildschutzgebiet widerlegt. Zudem führe nach der Judikatur selbst das Vorhandensein einzelner störender Objekte noch nicht dazu, dass ein weiterer Eingriff in das Ortsbild nicht mehr als störend angesehen werden könne.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, in der Sache selbst zu entscheiden, in eventu das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens von der hg. Rechtsprechung zur Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte als zulässig.

8 Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ‑ VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091, mwN). Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes nicht zu ersetzen (vgl. etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2019/06/0123 bis 0126, mwN).

9 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0113, mwN).

Den dargelegten Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht:

10 Das Erkenntnis räumt in der Darstellung der einzelnen Verfahrensschritte sowie in der Wiedergabe der Ausführungen des Amtssachverständigen und sonstiger Stellungnahmen in der mündlichen Verhandlung breiten Raum ein, was jedoch ‑ wie oben dargelegt ‑ für eine ordnungsgemäße Begründung nicht hinreichend ist. Das Verwaltungsgericht hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die das von ihm erzielte rechtliche Ergebnis stützen könnten. So fehlen schon konkrete Feststellungen zum eigenartigen, für die örtliche Bautradition charakteristischen Gepräge des als erhaltungswürdig eingestuften Ortsbildes (vgl. § 11 Abs. 1 OSchG). Ebenso fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Einwendungen der revisionswerbenden Partei betreffend die Schlüssigkeit der Gutachten. Infolge seiner mangelhaften Begründung vermag das angefochtene Erkenntnis die Beurteilung, die Dachflächenfenster hätten eine Störung des Ortsbildes zur Folge, nicht zu tragen. Im Übrigen kommt es bei der Beurteilung der Störung des Ortsbildes nicht vordringlich darauf an, ob zu beurteilende Bauten oder Bauteile für ein bestimmtes Gebiet typisch oder atypisch, üblich oder unüblich sind (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0012, zu § 2 Salzburger Bautechnikgesetz 1976).

11 Da sich das angefochtene Erkenntnis somit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 22. Februar 2022

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