VwGH Ra 2017/06/0044

VwGHRa 2017/06/00441.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des K H in M, vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 18. Jänner 2017, E B05/09/2016.019/002, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See; mitbeteiligte Partei:

G Ges.m.b.H. in N, vertreten durch Mag. Katrin Ehrbar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dorotheergasse 12), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Bgld 1997 §5 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060044.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde Neusiedl am See hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (BH) vom 20. September 2016 wurde der mitbeteiligten Partei (Bauwerberin) die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tankstellen und Barbetrieb, Waschstraße, Waschplatz und zwei Staubsaugerplätzen auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

2 Die Einwendungen des Revisionswerbers wegen Mangelhaftigkeit der Einreichunterlagen, unzumutbarer Belästigung sowie Gesundheitsgefährdung durch Luftschadstoffimmissionen, Lärmimmissionen sowie Geruch bzw. Licht und unzulässige Gebäudehöhe wurden als unbegründet abgewiesen.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Jänner 2017 gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers statt und hob den Bescheid der BH vom 20. September 2016 auf. Die Angelegenheit wurde zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG an die BH zurückverwiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 4 Zur Begründung führte das LVwG aus, die BH habe jegliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der Festlegung der Bebauungsweise, der Frage, ob ein Ausnahmefall nach § 5 Abs. 3 Burgenländisches Baugesetz (Bgld. BauG) vorliege, und ob eine sachgemäße, widmungskonforme Bebauung des Grundstückes des Revisionswerbers möglich bleibe, unterlassen. Die BH habe im fortzusetzenden Verfahren nach Einholung eines Ortsbildgutachtens zu dieser Frage und unter Berücksichtigung des Baubestandes, der im Detail zu erheben sei, eine Bebauungsweise für das Grundstück - unabhängig vom konkreten Bauvorhaben - festzulegen. Danach sei zu beurteilen, ob hinsichtlich des beantragten Objektes ein Ausnahmefall nach § 5 Abs. 3 Bgld. BauG vorliege, wobei hier der Anrainerschutz besonders zu berücksichtigen sei, und zwar dahingehend, dass eine sachgemäße, widmungskonforme Bebauung des Grundstückes des Revisionswerbers im Hinblick auf die dafür notwendige Belichtung und Belüftung angesichts der Gebäudehöhe des beantragten Objektes möglich bleibe. Auch zu dieser Frage sei ein Sachverständigengutachten einzuholen, das sich insbesondere mit den konkreten Auswirkungen auf die Grundstücke des Revisionswerbers auseinanderzusetzen habe.

5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision beantragt der Revisionswerber die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. 6 Das LVwG legte die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten vor.

Die Bauwerberin erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Der Revisionswerber macht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, der angefochtene Beschluss widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Hinweis auf das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063), indem es davon ausgegangen sei, dass die unvollständige Sachverhaltsermittlung durch die Behörde zu einem Vorgehen nach § 28 Abs. 3 VwGVG berechtige. Das dargestellte Ermittlungsmanko hätte leicht und mit verhältnismäßigen Mitteln vom LVwG selbst durch relativ einfache Maßnahmen beseitigt werden können.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses auf. 8 Zunächst kann zu den für kassatorische Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG geltenden Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, verwiesen werden.

Demnach ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt. Die nach § 28 VwGVG verbleibenden Ausnahmen von der meritorischen Entscheidungspflicht sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Verwaltungsgericht an die Verwaltungsbehörde kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Auch die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Gutachtens rechtfertigt im Allgemeinen nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2017/05/0073, mwN).

9 Im vorliegenden Fall kann im Hinblick darauf, dass sich Sachverständigenäußerungen für mehrere Sachgebiete bereits im Akt befinden, keine Rede davon sein, dass die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hätte. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts oder die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens für ein weiteres Sachgebiet rechtfertigt, wie bereits dargelegt, eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nicht. Auch ist nicht erkennbar, dass die BH die weiteren Ermittlungen nicht durchgeführt hätte, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden.

10 Indem das LVwG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor dem Hintergrund der vorhandenen Rechtsprechung verkannte, den Bescheid aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwies, belastete es seinen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013/ in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am 1. August 2019

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