European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0009:2025:0190BS00098.25P.0410.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag des A* vom 20. Dezember 2024 auf bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG abgewiesen.
Begründung:
Der am ** geborene bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt * in der Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests die über ihn mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 7. Februar 2024 zu AZ ** wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten und aufgrund Widerrufs bedingter Strafnachsicht die mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26. Juni 2019, AZ **, wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB verhängte siebenmonatige Freiheitsstrafe sowie die mit Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 18. Oktober 2023, AZ **, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten. Das Strafende fällt auf den 10. Juli 2026. Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG liegen seit 9. April 2025 vor, jene nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG werden am 10. September 2025 vorliegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss gewährte das Erstgericht als zuständiges Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Verurteilten gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG zum Hälftestichtag 9. April 2025 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, ordnete Bewährungshilfe an und erteilte dem Strafgefangenen die Weisung zur Absolvierung eines binnen einen Monat nach Entlassung nachzuweisenden Antigewalttrainings über den Verein Neustart und die Durchführung einer ambulanten Suchttherapie mit Behandlungsintervallen von zunächst zweimal monatlich und ärztlichen Kontrollen des Gesundheitszustands durch Harnkontrollen zur Dokumentation der Suchtmittelabstinenz im Abstand von drei Monaten, wobei alle drei Monate unaufgefordert Bestätigungen über die Einhaltung der Therapieweisung und Harnbefunde in Vorlage zu bringen seien.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde (ON 8) der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.
Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird.
Dabei ist abzuwägen, ob der Verurteilte durch die bedingte Entlassung samt deren begleitenden Maßnahmen weniger wirksam von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird als durch den weiteren Strafvollzug samt Entlassung nach Verbüßung der Strafe ohne begleitende Maßnahmen. Ist die Annahme berechtigt, dass die bedingte Entlassung in Bezug auf die Abhaltung des Verurteilten von weiterer Straffälligkeit nicht weniger wirksam ist als die weitere Strafverbüßung - sohin zumindest gleiche Wirksamkeit zugebilligt werden kann - ist der Rest der Strafe im Regelfall bedingt nachzusehen. Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist nach Abs 4 darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 46 Rz 15, 15/1).
A* wurde erstmals mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 26. Juni 2019, AZ **, wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer siebenmonatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, Bewährungshilfe angeordnet und ihm die Weisung zur Absolvierung eines Antigewalttrainings erteilt (ON 4.1). Aufgrund Widerrufs ist diese Sanktion nunmehr vollzugsgegenständlich. Anstatt sich wohl zu verhalten wurde der Strafgefangene bereits am 9. Juni 2020 wiederum einschlägig straffällig und beging das sodann mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 16. September 2020, AZ **, zur Abstrafung gelangte Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB sowie die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB, wofür er zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 10 Monaten sowie einer unbedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt wurde (Pkt. 2 der Strafregisterauskunft; Einsicht VJ). Auch diese neuerliche Verurteilung konnte A* nicht von neuerlicher Delinquenz abhalten, sondern beging er lediglich zehn Tage danach das vom Bezirksgericht Krems a.d. Donau mit Urteil vom 26. Februar 2021, AZ **, mit einer Geldstrafe sanktionierte Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Pkt. 3 der Strafregisterauskunft). In der Folge wurde er mit Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 18. Oktober 2023, AZ **, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer dreimonatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, die aufgrund Widerrufs nunmehr vollzogen wird (Pkt. 4 der Strafregisterauskunft). Völlig unbeeindruckt von dieser letzten Abstrafung wurde A* bereits am 1. Jänner 2024 und am 9. Jänner 2024 wiederum einschlägig straffällig und beging die dem nunmehr vollzugsgegenständlichen Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 7. Februar 2024, AZ **, zugrunde liegenden, mit 20 Monaten sanktionierten Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB und das Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB. Auch wenn der Strafgefangene sich im Erstvollzug befindet, steht dieses dargestellte, massiv getrübte und von der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionierungen und Wiedereingliederungshilfen gleichermaßen geprägte Vorleben aber der für eine bedingte Entlassung geforderten gesetzlichen Annahme, der Verurteilte werde durch diese nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von neuerlicher Delinquenz abgehalten, unüberwindlich entgegen, wozu noch kommt, dass A* nicht einmal im geschützten Vollzugsbereich gewillt ist, sich normgemäß zu verhalten, wie die über ihn verhängte Ordnungsstrafe vom 12. März 2024 zeigt (ON 2.3,3). Mag beim Strafgefangenen nunmehr auch eine als positiv zu bewertende, weiterhin bestehende – er hat aktuell eine Einzelpsychotherapie bei der *** absolviert (ON 2.2, 2 Therapiemotivation vorliegen, kann nicht übersehen werden, dass er bereits einmal eine erteilte Weisung zur Absolvierung einer Antigewalttherapie ebenso nicht nutzte wie die angeordnete Bewährungshilfe. Der Staatsanwaltschaft ist zudem zuzustimmen, dass der Begründung des Erstgerichts, wonach die bisherigen Verurteilungen auf eine beim Verurteilten bestehende Suchtproblematik zurückzuführen seien, nicht gefolgt werden kann. Tatsächlich weisen die den in Vollzug stehenden Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen keinen Suchtmittelbezug auf, sondern lag diesen ausschließlich teils massive Aggressionsdelinquenz zum Nachteil der (ehemalige) Lebensgefährtin bzw. einer Bekannte zugrunde.
Insgesamt lässt die aufgezeigte kriminelle Beharrlichkeit des Strafgefangenen und die daraus erhellende evidente Wirkungslosigkeit staatlicher Reaktionen auf sein strafbares Verhalten derzeit die Annahme noch nicht zu, er werde nunmehr durch eine bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt (auch) iVm Weisungen und Anordnung von Bewährungshilfe nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafen von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten.
Es wird am Strafgefangenen liegen, durch Fortsetzen seiner Bemühungen, sein hohes Gewaltpotential in den Griff zu bekommen, positive Voraussetzungen allenfalls für eine bedingte Entlassung im Herbst 2025 zu schaffen.
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