OLG Graz 8Bs244/24d

OLG Graz8Bs244/24d14.1.2025

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Maga. Berzkovics (Vorsitz) sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. Juni 2024, GZ **-24, in nichtöffentlicher Beratung zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0639:2025:0080BS00244.24D.0114.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Aus Anlass der Berufungen wird das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB unter Vorhaftanrechnung zur für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Dem Schuldspruch zufolge hat A* mit einem mit 28. Juli 2023 datierten Schreiben in ** und anderen Orten die Staatsanwältin Mag. B*, sohin eine Beamtin, durch die darin an sie gerichtete schriftliche Aufforderung, „diesen Akt“, gemeint das gegen ihn und weitere Beschuldigte zu ** geführte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a StGB, „selber aus der Welt zu schaffen“, da im Besatzungsrecht (offensichtlich gemeint des Bundesstaates Preußen) darauf die Todesstrafe steht, verbunden mit der Mitteilung, dass ihr entehrendes Benehmen nicht mehr hinzunehmen ist und die Militärregierung Anzeigen vorbereitet und sie zu gegebener Zeit abgeholt werde, sie ihre Versicherung informieren kann, da für alle 41 Betroffenen Schaden in Rechnung gestellt würde, sohin durch Drohung mit dem Tode und durch Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit und am Vermögen an einer Amtshandlung, und zwar der gesetzmäßigen Führung des genannten Ermittlungsverfahrens, zu hindern versucht.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Berufungen des Angeklagten (ON 31) und der Staatsanwaltschaft (ON 28) überzeugte sich das Berufungsgericht davon, dass dem Urteil ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet, der von Amts wegen aufzugreifen ist (§§ 489 Abs 1, 471, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

Der Tatbestand des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB verlangt den Einsatz von Gewalt oder gefährlicher Drohung als Tatmittel.

Für die Beurteilung des (hier allein in Rede stehenden) Tatmittels der gefährlichen Drohung enthält das angefochtene Urteil – mangels näherer Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Schreibens – keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage.

Eine Drohung ist nach der Legaldefinition dann gefährlich im Sinn des§ 74 Abs 1 Z 5 StGB, wenn sie sich gegen eines der dort genannten Rechtsgüter(hier: Körper, Freiheit, Vermögen) richtet und die Eignung besitzt, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen.

Die Beurteilung des Sinns und Bedeutungsinhalts (sowie der Ernstlichkeit) einer Äußerung betrifft eine – nicht nur auf den Wortlaut zu beschränkende, sondern einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu ermittelnde – Tatfrage (RIS-Justiz RS0092088; RS0092588; RS0092437; Schwaighofer in WK2 StGB § 105 Rz 61; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 34).

Die rechtliche Annahme der Eignung einer Äußerung, die begründete Besorgnis einzuflößen, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen (RIS-Justiz RS0092538; RS0092255 [T1]), setzt unmissverständliche Feststellungen zum Bedeutungsinhalt dieser Äußerung dergestalt voraus, dass der Drohende dem Bedrohten ankündigt, diesem ein zukünftiges, vom Willen des Drohers abhängiges Übel zuzufügen,das – würde es tatsächlich zugefügt werden – eine Verletzung der relevierten Rechtsgüter darstellt.

Der Wortlaut einer Äußerung ist – gemeinsam mit den situativen Umständen und den Eigenschaften der Beteiligten – bloß Beweisquelle für die Ermittlung des Bedeutungsinhalts, wobei Feststellungen allein zum Wortlaut einer Äußerung fehlende Feststellungen zum Bedeutungsinhalt nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0092088; RS0092887; RS0092588; RS0092437 [T4]). Ohne Feststellungen zum Bedeutungsinhalt, darunter zur Art des angedrohten Übels, bleibt schließlich auch die an den (bloßen) Wortlaut anschließende Verwendung der verba legalia (zB Bedrohung mit einer Verletzung am Vermögen) ohne den für die Subsumtion als gefährliche Drohung erforderlichen Sachverhaltsbezug (12 Os 14/20f).

Nach den wesentlichen – unmittelbar nach der Wiedergabe des Wortlauts desSchreibens – getroffenen Feststellungen (US 9 letzter Absatz) nötigte der Angeklagte die Staatsanwältin durch diese gefährliche Drohung „nicht nur mit Verletzung an der Freiheit [„die Militär-Regierung bereitet die Anzeigen vor und wird Sie zu gegebener Zeit abholen. Und dies ist ernst gemeint“] und am Vermögen [„B* kann schon mal ihre Versicherung informieren, denn wir werden für alle 41 Betroffenen den Schaden in Rechnung stellen, ohne Ansehen der Person mit Haftung bis …“] aber auch mit dem Tode [„im Besatzungsrecht steht darauf die Todesstrafe …“]“.

Damit hat das Erstgericht jedoch den zuvor genannten Anforderungen nicht entsprochen, ist doch den Konstatierungen nicht zu entnehmen, welche konkreten Beeinträchtigungen der Staatsanwältin in Aussicht gestellt wurden, zumal im Klammerzusatz nur der Wortlaut wiederholt wird. Solcherart fehlt es an einer sachverhaltsmäßigen Beschreibung, die eine Beurteilung zulässt, ob das, was angekündigt wurde, tatsächlich einer „Verletzung an der Freiheit“, „einer Verletzung am Vermögen“ oder der schlimmsten Form der „Verletzung des Körpers“, nämlich jener mit Todesfolge entspricht.

Der dargestellte Rechtsfehler mangels Feststellungen bewirkt Nichtigkeit nach§§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO und hat die Aufhebung des Urteils zur Folge.

Im zweiten Rechtsgang wird darüber hinaus zu beachten sein, dass die Feststellungen zu den objektiven Geschehnissen die abgeurteilte unmittelbare (Mit-)Täterschaft des Angeklagten nicht zu tragen vermögen, sondern vielmehr eine Beitrags- oder Bestimmungstäterschaft indizieren (US 8, zweiter und dritter Absatz). Mangels eindeutiger Feststellungen dazu bleibt die tatsächliche Form der Täterschaft des Angeklagten im Dunkeln. Zur abschließenden Beurteilung des Sachverhalts werden daher auch Annahmen dazu zu treffen sein werden, ob die festzustellende Handlung des Angeklagten den Tatentschluss bei den unmittelbaren Tätern (US 8 zweiter Absatz) tatsächlich erweckt hat (Bestimmungstäterschaft) oder – wenn die unmittelbaren Täter zur Tat bereits fest entschlossen waren – ob seine Handlung für den Ablauf der inkriminierten strafbaren Handlung kausal war (Beitragstäterschaft). Abhängig von der konkreten Täterschaftsform sind auch Annahmen zur subjektiven Tatseite im Sinne eines Bestimmungs- oder Beitragsvorsatzes zu treffen (RIS-Justiz RS0132644).

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft sind mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Infolge Aufhebung des Urteils hat der Kostenausspruch zu unterbleiben (Lendl in WK-StPO § 390a Rz 7).

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