Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt wird. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittels zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 25-jährige beschäftigungslose Erich A der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2 StGB sowie des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 11. (nach der Aktenlage: zum 10. - s.S 45) Feber 1980 in Wien 1. den PKW Marke Ford Taunus 2000 GL der Firma -
B ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen hat, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Einbruch in einen Lagerplatz verschaffte, und 2. dem Michael C zwei Kraftfahrzeugkennzeichentafeln gestohlen hat, die er an dem von ihm unbefugt in Gebrauch genommenen (kennzeichenlosen) PKW anbrachte, um damit nach Lech/Vorarlberg fahren zu können.
Überdies wurde im Urteil gemäß § 263 Abs. 2 StPO der Staatsanwaltschaft die selbständige Verfolgung des Angeklagten wegen eines weiteren (Einbruchs-)Diebstahls (in die Fahrschule D) und wegen versuchten Betrugs (zum Nachteil der Stadt Wien) vorbehalten. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch wegen Diebstahls sowie im Ausspruch über den Verfolgungsvorbehalt mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Was zunächst den (aus der Z 9 lit. a der zitierten Gesetzesstelle) angefochtenen urteilsmäßigen Verfolgungsvorbehalt hinsichtlich jener Straftaten betrifft, auf welche die Anklage in der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde (s. S 193/194), so übersieht der Beschwerdeführer, daß ein derartiger Verfolgungsvorbehalt - der keine der Rechtskraft fähige Entscheidung, sondern nur prozessuale Voraussetzung für weitere Verfolgungshandlungen des Anklägers ist - zufolge seiner rechtlichen Natur einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (so schon KH 2468;
EvBl. 1957/17; ÖJZ-LSK 1979/81), weshalb die diesbezügliche Rüge von vornherein fehlgeht. Nur der Vollständigkeit halber sei der Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß die Ausdehnung der Anklage nach herrschender Rechtsprechung begrifflich das Begehren in sich schließt, dem Ankläger die Verfolgung wegen der neuen Anschuldigung vorzubehalten, wenn der Gerichtshof darüber nicht sogleich urteilt (SSt 36/17 u.a.).
Im Recht ist der Beschwerdeführer hingegen, soweit er gegen seine Verurteilung wegen Diebstahls der beiden Kennzeichentafeln einwendet, es fehle an dem für Diebstahl vorausgesetzten Bereicherungsvorsatz. Denn nach den Urteilsannahmen wollte der Beschwerdeführer die Kennzeichentafeln weder verwerten noch behalten oder auf andere Weise ihren wirtschaftlichen Wert seinem eigenen Vermögen zuführen;
er wollte vielmehr von vornherein die Kennzeichentafeln nur vorübergehend zu einem bestimmten Zweck - der Fahrt mit dem unbefugt in Gebrauch genommenen (kennzeichenlosen) PKW nach Vorarlberg - benützen. Solcherart kann aber von einem auf Bereicherung durch Sachzueignung gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers keine Rede sein. Dabei spielt es - entgegen der Auffassung des Erstgerichtes - keine Rolle, daß von Kraftfahrzeugkennzeichentafeln erlaubterweise nur der Zulassungsbesitzer den kraftfahrrechtlichen Gebrauch (Anbringen an jenem Fahrzeug, für das sie von der Behörde ausgegeben wurden) machen darf. Die mißbräuchliche Verwendung fremder Kennzeichen bewirkt für sich allein keine Bereicherung desjenigen, der die Kennzeichen mißbräuchlich auf ein anderes Fahrzeug montiert. Ein solcher Kennzeichenmißbrauch kann allerdings unter Umständen als Täuschung nach § 108 StGB beurteilt werden (vgl. SSt 46/62), die aber vorliegend nicht unter Anklage gestellt ist.
Aber auch eine Tatbeurteilung als dauernde Sachentziehung gemäß § 135 StGB scheidet aus, wollte doch der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Schöffengerichtes das Fahrzeug samt den darauf angebrachten Kennzeichentafeln am Zielort auf einer öffentlichen Verkehrsfläche stehen lassen und damit nicht nur die Rückstellung des Fahrzeugs, sondern auch die Wiedererlangung der Kennzeichentafeln durch den Berechtigten ermöglichen, sodaß die Kennzeichentafeln nicht dauernd aus dem Gewahrsam des Berechtigten entzogen werden sollten.
Damit kann das in Ansehung der Kennzeichentafeln festgestellte Tatverhalten des Angeklagten weder dem § 127 Abs. 1 StGB noch dem § 135 StGB unterstellt werden, wobei es bei der gegebenen Sachlage dahingestellt bleiben kann, ob Kraftfahrzeugkennzeichentafeln als solche einen relevanten Sach- oder Tauschwert haben und Deliktsobjekt eines Diebstahls oder einer dauernden Sachentziehung sind (vgl. hiezu jüngst Kienapfel in ZVR 1980, 232). Die mithin von der Beschwerde zutreffend aufgezeigte rechtsirrige Subsumtion der Entfremdung der beiden Kennzeichentafeln kann aber - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und der Stellungnahme der Generalprokuratur - nicht zum Freispruch von der bezüglichen Anklage führen. Rechtsrichtig hat der Beschwerdeführer nämlich durch das festgestellte Tatverhalten in Ansehung der beiden Kennzeichentafeln den (strenger strafbedrohten) Tatbestand der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB erfüllt. Kraftfahrzeugkennzeichen sind Urkunden im strafrechtlichen Sinn (§ 49 Abs. 1 KFG); sie können sohin Gegenstand einer Urkundenfälschung, aber auch einer Urkundenunterdrückung sein. Als 'Unterdrücken' einer Urkunde im Sinne des § 229 Abs. 1 StGB ist dabei jede (vorsätzliche) Handlung anzusehen, welche die Urkunde zwar unversehrt erhält, den Berechtigten aber um die Möglichkeit bringt, sich ihrer (nach seinem Belieben) zu bedienen (vgl. ÖJZ-LSK 1976/221); daß ihm für immer die Möglichkeit zur Benützung der Urkunde genommen wird, ist nicht erforderlich. Auch kommt es nicht darauf an, ob der Berechtigte die Urkunde, nachdem sie ihm entfremdet worden ist, tatsächlich bestimmungsgemäß benützen wollte; es genügt vielmehr, daß er durch die Handlung des Täters um die Möglichkeit gebracht wurde, sie (gegebenenfalls) zu benützen. In subjektiver Hinsicht muß das Unterdrücken (auch) von dem zumindest bedingten Vorsatz getragen sein, den Gebrauch der Urkunde (durch den Berechtigten) zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu verhindern. Diesbezüglich ist jedoch - wie der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit wiederholt ausgesprochen hat (vgl. ÖJZ-LSK 1980/107 = ZVR 1980/243 mit zustimmender Anmerkung von Kienapfel; weiters 13 Os 87/80 vom 24. Juli 1980) - kein spezieller Gebrauchsverhinderungsvorsatz nötig; es genügt vielmehr, daß sich der Täter bei der Entfremdung der Urkunde (auch) des Umstands mitbewußt ist, dadurch dem Berechtigten die Möglichkeit zu nehmen, sich ihrer in Hinkunft (für die Dauer der Entfremdung) zu Beweiszwecken zu bedienen. Dieses - für den in Rede stehenden erweiterten Vorsatz genügende - Mitbewußtsein (Begleitwissen; vgl. hiezu Kienapfel AT2 242; Leukauf-Steininger, Kommentar2 RN 3 zu § 5 mwN) ist aber im Regelfall schon durch die Entfremdung der Urkunde impliziert, weil derjenige, der einem anderen eine (als solche erkannte) Urkunde entfremdet, bei lebensnaher Betrachtung - abgesehen von atypischen Ausnahmefällen - wenigstens mit dem bedingten Vorsatz handelt, dadurch (auch) den Gebrauch der Urkunde im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken durch den Berechtigten zu verhindern (vgl. abermals ÖJZ-LSK 1980/ 107 = ZVR 1980/243).
Den bezughabenden Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes kann nun mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, daß der Beschwerdeführer durch die Ansichnahme und Verbringung der fremden Kennzeichentafeln eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, vorsätzlich unterdrückt und dabei (auch) mit dem die Gebrauchsverhinderung umfassenden, wenigstens bedingten Vorsatz im dargelegten Sinn, wie ihn der subjektive Tatbestand des § 229 Abs. 1 StGB voraussetzt, gehandelt hat; von einem atypischen Ausnahmefall, welcher der Annahme dieses wenigstens bedingten erweiterten Vorsatzes entgegenstünde, kann vorliegend nach den Urteilskonstatierungen keine Rede sein. Ebensowenig liegen aber im gegebenen Fall die Voraussetzungen für eine strafaufhebende tätige Reue im Sinne des § 229 Abs. 2 StGB vor, weil der Beschwerdeführer weder die von ihm begangene Unterdrückung der Kennzeichentafeln (etwa durch Rückmontage auf den PKW des Berechtigten) rückgängig gemacht noch auf andere Art (freiwillig) bewirkt hat, daß der Berechtigte in der jederzeitigen bestimmungsgemäßen Verwendung der Kennzeichentafeln nicht behindert wird, wurde der Beschwerdeführer doch noch auf der Fahrt nach Vorarlberg im Besitz der entfremdeten Kennzeichentafeln von der Gendarmerie betreten.
Im Ergebnis kann sich somit der Beschwerdeführer wegen unrichtiger Anwendung des Gesetzes nicht beschweren, weil dessen richtige Anwendung nach dem Gesagten - im Hinblick darauf, daß es sich bei dem rechtsrichtig vorliegenden Delikt der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1
StGB um das gegenüber dem Diebstahl nach § 127 Abs. 1 StGB strengere Strafgesetz handelt - zu seinem Nachteil ausschlüge (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, E Nr. 1 zu § 282), woran nichts ändert, daß die Strafe vorliegend gemäß § 28 StGB nach dem zweiten Absatz des § 136 StGB bemessen wurde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 136 Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten. Es wertete das Zusammentreffen zweier Vergehen, wiederholte einschlägige Vorstrafen, welche die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen, sowie die Begehung der Straftaten kurz nach einer erst am 22. Jänner 1980 erfolgten Strafentlassung als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafherabsetzung an. Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Wenngleich das Vorleben des Berufungswerbers stark getrübt ist und der Berufungswerber erst kurz vor Begehung der neuerlichen Straftaten aus der Strafhaft entlassen worden war, so ist dennoch - ausgehend von der konkreten Tatschuld des Angeklagten und der Bedeutung der Taten -
das vom Erstgericht gefundene Strafmaß, auch in Abwägung der vom Erstgericht zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe, etwas überhöht. In Stattgebung der Berufung war sohin die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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