OGH 9Os81/81

OGH9Os81/8122.9.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 1981

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gerstberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A und andere wegen des Verbrechens nach §§ 12 Abs 1 SuchtgiftG, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Anton B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Feber 1981, GZ 35 Vr 3567/80-68, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Verlesung der Rechtsmittelschrift und Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft bei den Angeklagten Peter A und Anton B dahin ergänzt, daß die Vorhaft auch auf die Verfallsersatzgeldstrafe angerechnet wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Anton B auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ua der am 9. August 1952 geborene Hilfsarbeiter Anton B des - in der Erscheinungsform eines sonstigen Tatbeitrages gemäß § 12

dritter Fall StGB begangenen - Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG schuldig erkannt. Es liegt ihm zur Last, im Jahre 1980 in Innsbruck zu den Taten der (hiefür rechtskräftig abgeurteilten Mit-)Angeklagten Michael C und Peter A sowie unbekannter Personen, welche vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin, in solchen Mengen in Verkehr setzten und teilweise in Verkehr zu setzen versuchten, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, vorsätzlich dadurch beigetragen zu haben, daß er seine Wohnung den angeführten (bekannten und unbekannten) Personen zum Zwecke der wiederholten Suchtgiftübergabe zur Verfügung stellte. Über den Beschwerdeführer wurde eine Freiheitsstrafe verhängt, außerdem wurde ihm gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG eine Verfallsersatzstrafe von 125.000 S, im Nichteinbringungsfall drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, für das nicht ergriffene Suchtgift auferlegt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte B mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und - der Sache nach -

11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Im Hinblick auf den derzeit unbekannten Aufenthalt des Rechtsmittelwerbers, dem die Ladung zum Gerichtstag nicht zugestellt werden konnte, wurde der Gerichtstag auf die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde beschränkt.

In Ausführung der den erstgenannten Nichtigkeitsgrund relevierenden Mängelrüge wendet der Beschwerdeführer gegen das Urteil ein, dieses treffe keine zureichend begründeten Feststellungen, sondern spreche lediglich Annahmen aus, die reine Vermutungen darstellen; die erstgerichtlichen Feststellungen seien insbesondere unvollständig und in Widerspruch mit den Beweisergebnissen.

Die Mängelrüge ist unbegründet.

Soweit sich die Rüge überhaupt gegen entscheidungswesentliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes wendet, unternimmt der Beschwerdeführer darin im wesentlichen nur den im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, ohne den behaupteten Nichtigkeitsgrund gesetzmäßig darzustellen. Seine einleitenden polemischen Ausführungen gegen die seiner Meinung nach reine Vermutungen darstellenden 'Annahmen' des Erstgerichtes betreffend seine Unterstützung der Heroingeschäfte der unmittelbaren Täter übersehen überdies, daß Urteilsfeststellungen die Wiedergabe der 'als erwiesen angenommenen Tatsachen' (§§ 258 Abs 2, 270 Abs 2 Z 5 StPO) sind und das Wort 'Annahme' in diesem Zusammenhang daher keineswegs eine bloße Vermutung des Gerichtes bedeutet, sondern damit eben eine erstgerichtliche Feststellung zum Ausdruck kommt. Das Erstgericht hat zudem ausreichend und einleuchtend begründet, warum es seiner Feststellung, der Beschwerdeführer habe bei der Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten A ein Heroingeschäft vorgeschlagen, dessen Angaben im Vorverfahren (S 283/I) und nicht die abschwächende Darstellung in der Hauptverhandlung (S 9/II) zugrundelegte, indem es nämlich auf das erkennbare Bestreben dieses Angeklagten verwies, durch sein Geständnis seine Mitangeklagten möglichst wenig zu belasten (S 122/II). Diese wesentliche und letztlich prozeßentscheidende Feststellung steht somit auch keineswegs mit dem Akteninhalt in Widerspruch und ist auch sonst mängelfrei begründet.

Die weitere in der Beschwerde bekämpfte Feststellung, A habe den Beschwerdeführer am Telefon an der Stimme zu erkennen geglaubt, entspricht ebenfalls dessen Aussage in der Hauptverhandlung (S 10/II), betrifft aber im übrigen keine entscheidende Tatsache und kann daher schon aus diesem Grunde unter dem Gesichtspunkt der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht mit Erfolg bekämpft werden. Daß der Beschwerdeführer, nachdem er selbst ein Treffen zwischen A und dem unbekannten, nicht mehr mit Sicherheit feststellbaren Übergeber des Heroins arrangiert hatte, dem Erstgenannten vor Antritt seines Urlaubs seine Wohnungsschlüssel überließ, um weitere Heroingeschäfte zu ermöglichen (und nicht bloß um die Blumen in der Wohnung zu betreuen), wurde zwar tatsächlich von niemandem ausdrücklich ausgesprochen; daß das Erstgericht dies als erwiesen annahm, ist jedoch gleichwohl keine unbegründete Vermutung, sondern eine lebensnahe und der forensischen Erfahrung entsprechende Deutung der Vorgänge, zu der das Schöffengericht nach Lage des Falles im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) durchaus berechtigt war. Von zwei Treffen in der Wohnung des Beschwerdeführers, bevor dieser seinen Urlaub antrat, spricht der Angeklagte A in Seite 11 f/II ausdrücklich; die Angabe des Urteils über die Gesamtzahl der Treffen in der Wohnung des Beschwerdeführers fußt ebenfalls auf dieser Aussage (S 6/II) und steht sohin mit der Aktenlage durchaus im Einklang.

Die folgenden Beschwerdeausführungen, die sich gegen den Hinweis des Erstgerichtes wenden, es würde der Lebenserfahrung widersprechen, anzunehmen, daß der Beschwerdeführer eine ihm fremde Person maskiert in seine Wohnung gelassen hätte, verkennen den Gedankengang des Erstgerichtes, daß die vom Beschwerdeführer beim Untersuchungsrichter gemachte Angabe, er habe den Angeklagten C in die Wohnung gelassen, ohnedies erörterte (S 129/II) und für glaubwürdig erachtete, andererseits aber zur Überzeugung gelangte, daß die letzte, in der Hauptverhandlung gegebene Darstellung des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei und auf nähere Beziehungen zu dem durch sie entlasteten Angeklagten C schließen läßt (S 130/II). Daß es eine Abschwächung der Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter darstellt, wenn in der Hauptverhandlung vorgebracht wird, daß die ursprünglich dezidierte Angabe, es sei eine bestimmte Person gekommen, lediglich auf einer Vermutung beruht hätte, weil diese Person zufolge ihrer Maskierung nicht erkannt werden konnte (vgl S 31 f/II), liegt auf der Hand.

Die abschließenden Beschwerdeausführungen über die Gründe, aus denen die Treffen zwischen dem Angeklagten A und C aus der Wohnung des Beschwerdeführers an das Sillufer verlegt wurden, beruhen auf einer Verwechslung zwischen den beiden Genannten, sodaß die Mängelrüge auch insoweit nicht zielführend ist.

Die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge vermag weder einen Irrtum in der rechtlichen Beurteilung noch das Fehlen der für diese erforderlichen Feststellungen aufzuzeigen, sondern wiederholt lediglich ihre schon in der Mängelrüge vorgetragene unzutreffende Behauptung, das Erstgericht habe keine zureichenden Gründe für seine die Grundlage des Schuldspruchs bildenden Feststellungen angegeben.

Auch die ziffernmäßig auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO beruhende Rechtsrüge ist weitgehend nicht gesetzmäßig ausgeführt. Soweit der Beschwerdeführer den Grundlage des Schuldvorwurfs bildenden, von ihm geleisteten sonstigen Tatbeitrag nach § 12 dritter Fall StGB bestreitet, weil er nicht gewußt habe, daß er durch die Überlassung seiner Wohnung zu einer strafbaren Handlung, nämlich der Abwicklung eines Suchtgiftgeschäftes, beitrage, entfernt er sich nämlich von den auch sein Wissen um den Zweck dieser Zusammenkünfte in seiner Wohnung bejahenden Urteilsfeststellungen.

Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er sei auch dann nicht für die Vermittlung eines Treffens in seiner Wohnung als Beteiligter nach dem dritten Fall des § 12 StGB zu bestrafen, wenn man davon ausgehe, daß er den Grund des Treffens habe ahnen können, weil seine Unterstützung jedenfalls nicht in der erforderlichen kausalen Beziehung zu der dadurch geförderten Tat gestanden sei; solche Treffen wären ja auch an einem anderen Ort möglich gewesen und hätten schließlich auch an einem solchen stattgefunden. Unterstellt man, daß der Beschwerdeführer hier sein Rechtsmittel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO gesetzmäßig ausführt, indem er von der Annahme des Erstgerichtes ausgeht, er habe von dem Zweck der in seiner Wohnung arrangierten Zusammenkünfte gewußt, so ist ihm zu entgegnen, daß auch die geringste Hilfe, welche die Tat fördert und bis zu deren Vollendung wirksam bleibt, ein ausreichender kausaler 'sonstiger Tatbeitrag' ist. Daß die dem (unmittelbaren) Täter geleistete Hilfe zur Vollbringung der Tat notwendig war und ohne diese Hilfe die Ausführung derselben nicht möglich gewesen wäre, verlangt das Gesetz nicht; es genügt, daß die Tat ohne die Förderungshandlung jedenfalls nicht so geschehen wäre, wie sie sich tatsächlich ereignet hat (vgl Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 39

zu § 12 mit weiteren Judikatur- und Literaturnachweisen). Der vom Beschwerdeführer geleistete Tatbeitrag stand vorliegend nicht nur zur Tat in ihrer indivudellen Erscheinungsform im Sinne der von ihm zitierten Entscheidungen in einer kausalen Beziehung, weil das Zusammentreffen einer unbekannt bleiben wollenden und deshalb maskiert auftretenden Person mit einer anderen in der Öffentlichkeit wohl nicht ohne größeres Aufsehen möglich gewesen wäre, sie war daher darüberhinaus für diese Form der Suchtgiftübergabe sogar notwendig. Daß die beiden Haupttäter später, als sie Vertrauen zueinander gefaßt hatten, auch unmaskiert am Sillufer zusammentrafen, steht daher der zu Recht erfolgten Bejahung der Wirksamkeit des vom Beschwerdeführer zu deren früheren Tathandlungen geleisteten Beitrags nicht entgegen.

Der Sache nach den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO darstellend wendet sich der Beschwerdeführer schließlich gegen die Auferlegung einer Wertersatzstrafe von 125.000 S für die nicht ergriffenen 125 Gramm Heroin im Wert von 250.000 S, weil dieses Suchtgift ihm niemals gehört hätte und daher sich der Verfall niemals gegen ihn hätte auswirken können. Es genügt zu diesem Vorbringen auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 11 Os 115, 116/78 (= ÖJZ-LSK 1979/27 = EvBl 1979/121), 10 Os 27/78 und 11 Os 172/77 zu verweisen, die klargestellt haben, daß - entgegen der dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebenden, in 12 Os 63/76 (= ÖJZ-LSK 1976/370) vertretenen, inzwischen aber überholten Rechtsauffassung - die Forderung, eine Geldstrafe nach § 6 (nunmehr 12) Abs 4 SuchtgiftG dürfe nur demjenigen auferlegt werden, der auch durch den Verfall an seinem Vermögen getroffen worden wäre, im Gesetz keine zureichende Deckung findet. Aus dem Grundsatz, daß die Geldstrafe nach § 6 (nunmehr 12) Abs 4 SuchtgiftG den Verfall substituiert, folgt lediglich, daß die Verfallsersatzstrafe nur einmal bis zur Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses oder des gemeinen Wertes des nicht ergriffenen Suchtgiftes auferlegt werden darf (ÖJZ-LSK 1979/28). Dies ist auch vorliegend vom Erstgericht beachtet worden, sodaß das Schöffengericht seine Strafbefugnis nicht überschritten hat und auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht verwirklicht ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO war jedoch von Amts wegen wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil sowohl hinsichtlich des Angeklagten Anton B als auch hinsichtlich des Angeklagten Peter A in Ansehung der Vorhaftanrechnung mit einer (nicht geltend gemachten) Nichtigkeit im Sinne der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist. Das Erstgericht verurteilte die genannten beiden Angeklagten nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG zu Freiheitsstrafen und überdies nach § 12 Abs 4 SuchtgiftG zu (Verfallsersatz)Geldstrafen, wobei es jedoch die von diesen beiden Angeklagten erlittenen Vorhaften lediglich auf die Freiheitsstrafen, nicht aber auch auf die (Verfallsersatz)Geldstrafen angerechnet hat (S 104/105/II d.A). Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung war daher in Ansehung der genannten beiden Angeklagten dahin zu ergänzen, daß die Vorhaften auch auf die (Verfallsersatz)Geldstrafen angerechnet werden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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