Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und der Ausspruch, wonach die Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird, aus dem angefochtenen Urteil ausgeschaltet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der (nunmehr pensionierte) Landesbeamte Franz R*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er als Sachbearbeiter der Gewerbeabteilung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, diese in ihren Rechten auf ordnungsgemäße Durchführung von Verwaltungsverfahren zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er
a) am 20. April 1983 im Verfahren G 100-1/3 betreffend die Verlegung einer Betriebsstätte des Dipl.Ing. (allenfalls richtig: Dkfm.Ing.) Reinhard M*** einen unrichtigen Amtsvermerk verfaßte, in dem er vorgab, er habe mit dem Gesuchsteller telefoniert und dieser habe einer auf Verkauf- und Bürobetrieb eingeschränkten Bewilligung der Gewerbeberechtigung zugestimmt;
b) im Dezember (richtig: am 20.Juni) 1979 im Gewerbestrafverfahren G 100-1/16 betreffend die Firma M*** durch Fälschung der Paraphe der Abteilungsleiterin Dr. S*** das Verfahren nicht fortsetzte, sondern das Ablegen des Aktes veranlaßte;
c) im Oktober 1979 im Gewerbestrafverfahren G 100-1/16 betreffend Robert K*** durch Fälschung der Paraphe der Abteilungsleiterin Dr. S*** das Verfahren nicht fortsetzte, sondern das Ablegen des Aktes veranlaßte;
d) im Oktober 1979 im Gewerbestrafverfahren G 100-1/16 betreffend die Firma M*** durch Fälschung der Paraphe der Abteilungsleiterin Dr. S*** unter dem Aktenvermerk, wonach ein Strafverfahren nicht einzuleiten und der Akt abzulegen sei, das Verfahren nicht ordnungsgemäß beendet, sondern das Ablegen des Aktes veranlaßte.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, "9" (zu ergänzen: lit a) und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis Berechtigung nicht zukommt.
Als Verfahrensmangel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung (S 76) gestellten Beweisantrages auf Vornahme von Erhebungen durch den Magistrat (der Stadt Linz) hinsichtlich der "inhaltlichen Richtigkeit der Aktenvermerke" zum Beweis dafür, daß die Akten "richtig geführt" worden seien; dies jedoch zu Unrecht.
Denn der in Rede stehende Beweisantrag zielte (sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinngehalt) nicht auf die Klärung einer Tatfrage ab, sondern auf die Beantwortung von Rechtsfragen (aus dem Vorfragenbereich), die das Gericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung des inkriminierten Sachverhalts selbständig zu entscheiden hat. Die begehrte Beweisaufnahme betraf somit keine beweisbedürftigen, rechtserheblichen Tatsachen (vgl. § 254 StPO), weshalb sie zu Recht abgelehnt worden ist. Im übrigen kommt es vorliegend für die Entscheidung, ob der Beschwerdeführer den Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt verwirklicht hat, wie im folgenden noch näher dargelegt werden wird, gar nicht darauf an, ob die Erledigung der gegenständlichen Verwaltungsverfahren (im Ergebnis) der Sach- und Rechtslage entsprochen hat. In seiner Rechtsrüge wendet der Beschwerdeführer - nominell aus den "Z 9 und 10" des § 281 Abs 1 StPO - gegen den Schuldspruch ein, er habe lediglich gegen interne Dienstvorschriften verstoßen, sei jedoch der Meinung gewesen, daß die jeweils getroffene (End-)Erledigung inhaltlich (gemeint wohl: sachlich und rechtlich) richtig gewesen sei, sodaß kein Schaden entstanden und der Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht erfüllt sei; das gelte auch für das Verwaltungsverfahren betreffend die Firma M***, weil ein Bescheid anderen Inhalts auf Grund der Stellungnahme des Baurechtsamtes nicht ergehen hätte dürfen; die von ihm unter Umgehung der Vorschriften über die Aktenbehandlung gesetzten Tätigkeiten seien (auch) deshalb nicht tatbestandsmäßig gewesen, weil sie "nicht unter die Hoheitsverwaltung fallen". Auch diese Einwände sind nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Daß der Beschwerdeführer in den inkriminierten Verwaltungsverfahren als Beamter seine Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften (nach den Annahmen des Schöffengerichtes wissentlich) mißbraucht hat, wird nach dem Inhalt seiner Beschwerdeausführungen ersichtlich nicht bestritten. Soweit er aber vermeint, dieser Befugnismißbrauch habe keine Schädigung anderer an ihren Rechten zur Folge haben können, so übersieht er, daß zu den vom Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB geschützten Rechten (insbesondere auch) konkrete öffentliche Rechte zählen. An einem solchen schädigt, wer eine konkrete (staatliche) Maßnahme vereitelt, wodurch die Erfüllung des bestimmten Zweckes hintangehalten werden soll, den der Staat (eine Gebietskörperschaft) mit der entsprechenden Vorschrift erreichen will, wobei es gleichgültig ist, ob diese Vorschrift einen Parteienanspruch oder eine sonstige in der Rechtsordnung festgelegte staatliche Maßnahme betrifft (Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 302 RN 32). Zu den solcherart durch § 302 Abs 1 StGB geschützten konkreten öffentlichen Rechten zählen aber auch jene, die sich aus erlassenen Approbationsvorschriften ergeben und denenzufolge zur Willensbildung einer monokratisch organisierten Behörde (im weiteren Sinn) die Genehmigung des Organhandelns durch einen Vorgesetzten (Abteilungsleiter etc.) erforderlich ist. Dient doch die Approbation dem hinreichend konkret bestimmten Zweck, nur jenem Organhandeln Wirksamkeit (im Innen- wie im Außenverhältnis) zu verleihen, das behördenintern einer Überprüfung unterzogen worden ist. Die Gefährdung dieses (hinreichend bestimmten) Zweckes der Approbationsvorschriften geht über das allgemeine staatliche Aufsichtsrecht und über allgemeine Dienstvorschriften, deren Mißachtung nur disziplinär zu ahnden ist, hinaus; sie stellt damit eine Schädigung der betreffenden Gebietskörperschaft an einem konkreten öffentlichen Recht (im Sinn des § 302 Abs 1 StGB) dar, und zwar unbeschadet dessen, ob rechtmäßiges Organhandeln letztlich zum gleichen Verfahrensergebnis geführt haben würde, kommt es doch insoweit auf die materielle Richtigkeit der Erledigung nicht an (vgl. idS etwa SSt 41/56; SSt 51/49; RZ 1965, 158 sowie weiters Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 51, 97 zu § 302).
Da der Beschwerdeführer in den Fakten b) bis d) des Schuldspruchs die von ihm - an sich entsprechend seinen Befugnissen nur vorzuerledigende - ins Auge gefaßte (End-)Verfügung ("Weglegen") nicht der zuständigen Abteilungsleiterin Dr. S*** zur Approbation vorlegte, sondern vielmehr unter der betreffenden Verfügung die Paraphe der Genannten fälschte und solcherart eine Überprüfung der Erledigung durch die Abteilungsleiterin verhinderte, hat er die Stadt Linz an einem konkreten öffentlichen Recht geschädigt, weil er durch seine (mißbräuchliche) Vorgangsweise den Zweck der bestehenden Approbationsvorschriften vereitelt hat. Daß dies vorsätzlich geschehen ist, hat das Schöffengericht aber mit hinreichender Deutlichkeit konstatiert (S 91, 92). Soweit die Beschwerde dies negiert, führt sie die Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß aus.
Daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers sowohl in den unter b) bis d) des Schuldspruchs angeführten Verwaltungsverfahren (ebenso wie in dem unter a) bezeichneten Verfahren) im Rahmen der Hoheitsverwaltung, mithin "in Vollziehung der Gesetze" erfolgte, kann - entgegen dem bezüglichen Beschwerdevorbringen - füglich nicht bezweifelt werden.
Aber auch in dem zu a) des Schuldspruchs bezeichneten Verwaltungsverfahren (betreffend die Gewerbeberechtigung der Firma M***) hatte der Befugnismißbrauch - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, aber auch entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur, die insoweit lediglich den Tatbestand des § 311 StGB verwirklicht sieht - eine Schädigung eines konkreten Rechtes zur Folge, sodaß auch diesbezüglich zu Recht der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB angenommen wurde. Durch die vom Beschwerdeführer vorgenommene wahrheitswidrige Beurkundung, der Antragsteller habe sich mit der Einschränkung des Umfanges der Gewerbeberechtigung (am verlegten Standort) auf "den Verkauf- und Bürobetrieb" fernmündlich einverstanden erklärt, mithin sein an die Gewerbebehörde gerichtetes Begehren in diesem Sinne eingeschränkt, kam es dazu, daß die Gewerbebehörde (ohne weiteres rechtliches Gehör der antragstellenden Partei; vgl. § 345 Abs 9 GewO) bescheidmäßig im Sinne dieser Einschränkung entschied (BlZ 19 der Gewerbeakten), wiewohl dies in Wahrheit nicht dem Antrag der Partei entsprochen hat. Mag nun auch auf Grund der (vorangegangenen) Stellungnahme des Baurechtsamtes der Stadt Linz letztlich eine andere Entscheidung nicht zulässig gewesen sein, wobei in diesem Fall die vom Beschwerdeführer getroffene (Vor-)Erledigung von der zuständigen Abteilungsleiterin ordnungsgemäß approbiert wurde, sodaß insoweit eine Schädigung konkreter öffentlicher Rechte des Magistrats der Stadt Linz nicht eingetreten ist, so hat der Beschwerdeführer aber durch das ihm in diesem Zusammenhang angelastete (mißbräuchliche) Tatverhalten das (gleichermaßen) konkrete Recht des Antragstellers Dkfm.Ing.Reinhard M*** im Verfahren vor der Gewerbebehörde, eine seinen tatsächlichen Antrag erledigende, gegebenenfalls auch teilweise abschlägige bescheidmäßige Entscheidung zu erhalten und diese insoweit im Instanzenzug anfechten zu können, geschädigt. Denn das in den Verfahrensvorschriften gewährleistete Recht der antragstellenden Partei, daß die Behörde über ihren Antrag, so wie er nach dem Parteiwillen gestellt wurde, bescheidmäßig erkennt, ist - ebenso wie das damit verbundene Recht, gegen eine abweisliche Entscheidung die im Gesetz vorgesehenen Rechtsmittel zu ergreifen - ein konkretes, von § 302 Abs 1 StGB geschütztes Recht, das unabhängig vom Sachausgang (und demnach der materiellen Rechtslage) besteht, dessen (vorsätzliche) Schädigung (durch wissentlichen Befugnismißbrauch eines Beamten in Vollziehung der Gesetze) darum den in Rede stehenden Tatbestand erfüllt. Im übrigen hat sich, wie aus BlZ 21 des bezüglidhen Gewerbeaktes hervorgeht, der Antragstreller auch tatsächlich darüber beschwert, daß eine gegenüber seinem Antrag einschränkende Erledigung seines Ansuchens ergangen ist.
Auch im Punkt a) des Schuldspruchs haftet daher der Beurteilung des Sachverhalts als Mißbrauch der Amtsgewalt im Ergebnis ein (dem Angeklagten zum Nachteil gereichender) Rechtsirrtum nicht an, zumal die vom Schöffengericht zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen - liest man sie im Kontext - (auch) in diesem Fall hinreichend erkennen lassen, daß dem Beschwerdeführer die mit seinem (wissentlichen) Befugnismißbrauch verbundene Schädigung anderer an ihren Rechten (jedenfalls mit-) bewußt gewesen ist (S 83, 87, 91 f), was aber zur Annahme zumindest bedingten Vorsatzes hinreicht (Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 5 RN 3).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, wobei es den Tagessatz mit 200 S bestimmte und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 90 Tagen festsetzte. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde diese Strafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend die Tatwiederholung in vier Fällen, als mildernd hingegen den bisherigen unbescholtenen Lebenswandel des Angeklagten, dessen Zugeben des Tatsächlichen sowie dessen Einsicht in das Fehlverhalten, das einem Geständnis gleichkomme, und daß der Angeklagte unter Arbeitsdruck gelitten habe, welchem Milderungsgrund allerdings kein besonderes Gewicht zukomme.
Die Gewährung bedingter Strafnachsicht hielt das Gericht deshalb für vertretbar, weil infolge der Pensionierung des Angeklagten neuerliche Verfehlungen in bezug auf Amtsgeschäfte nicht zu gewärtigen seien und bei entsprechender Beurteilung der Tat auch in generalpräventiver Hinsicht keine Gründe vorhanden seien, die dem widersprächen.
Nachdem der Angeklagte seine (angemeldete, aber nicht ausgeführte) Berufung im Gerichtstag zurückgezogen hat, war nur mehr über die Berufung der Staatsanwaltschaft zu erkennen, mit welcher diese die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht anstrebt. Die Berufung ist berechtigt.
Wird nämlich berücksichtigt, daß der Angeklagte nicht bloß einmal gefehlt, sondern seine amtsmißbräuchliche Vorgangsweise (insgesamt viermal) wiederholt und dabei nicht nur konkrete öffentliche Rechte, sondern (im Fall des Dipl.Ing.M***) auch konkrete Parteirechte geschädigt hat, so zeigt sich, daß vorliegend die bloße Androhung des Vollzuges der verhängten (relativ geringen) Geldstrafe weder den Belangen der Spezialprävention noch auch (und vor allem) jenen der Generalprävention gerecht wird. Zur Erzielung der kriminalpolitisch gebotenen Effektivität der verwirkten Strafe (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 31 ff zu § 43) bedarf es vielmehr des Vollzuges dieser Strafe, weshalb in Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde der bekämpfte Ausspruch aus dem Urteil auszuschalten war.
Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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