OGH 9Os61/81

OGH9Os61/8123.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans Peter A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB über die vom Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 1980, GZ 3 e Vr 10.289/77-27, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, nach Verlesung der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sowie nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22. Februar 1944 geborene Kaufmann Hans Peter A des Verbrechens des teils 'vollbrachten' (gemeint: vollendeten), teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach hatte er in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nina B A./ am 15. und 22. April 1977 durch die Vorgabe, für ein zu mietendes Geschäftslokal sei eine 'schwarze Ablöse' in der Höhe von 1 Million S zu bezahlen, zur übergabe von insgesamt 500.000 S verleitet und B./ im Juli 1977 durch die Vorgabe, an den Architekten Dipl.

Ing. Johannes C sei eine Anzahlung zu leisten, zur übergabe von 200.000 S zu verleiten versucht, wodurch Nina B an ihrem Vermögen zu A./ um 500.000 S geschädigt wurde und zu B./ um 200.000 S geschädigt werden sollte.

Hingegen wurde Hans Peter A von der weiteren Anklage, Nina B (schon) am 3. März 1977 in Wien durch die Vorgabe, für das zu mietende (Geschäfts-)Lokal sei eine Mietzinsvorauszahlung sowie eine Provision in der Höhe von insgesamt 240.000 S zu entrichten, 120.000 S betrügerisch herausgelockt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte Ende 1976/Anfang 1977 in Wien mit Nina B die D Gesellschaft m.b.H. gegründet und mit Dr. Robert F als Repräsentanten der G-Gesellschaft m. b.H. einen Mietvorvertrag über ein Geschäftslokal in Wien 1., Brandstätte 7-9, abgeschlossen. Im Mietvorvertrag war die Entrichtung einer Mietzinsakontozahlung in der Höhe von 110.000 S bis spätestens 1. März 1977 vorgesehen. Auf die Vorgabe hin, die Mietzinsvorauszahlung betrage 240.000 S, erhielt der Angeklagte am 3. März 1977 von Nina B (ihrer Beteiligungsquote entsprechend) 120.000 S, führte jedoch diesen Betrag nicht dem angegebenen Verwendungszweck zu. In der Folge veranlaßte der Angeklagte durch die Behauptung, für das in Aussicht genommene Geschäftslokal sei eine 'schwarze Ablöse' von 1 Million S zu bezahlen, wofür sie 500.000 S aufzubringen habe, Nina B dazu, ihm am 15. April 1977 150.000 S und am 22. April 1977 weitere 350.000 S übergeben. Die solcherart empfangenen Beträge verwendete er jedoch weder für das zu mietende Lokal noch sonst im Interesse der Gesellschaft; mindestens 300.000 S aus den zuletzt erhaltenen Zahlungen investierte er später ohne Zustimmung der Nina B in seine eigene Wohnung. Schließlich verlangte der Angeklagte im Juli 1977 unter der tatsachenwidrigen Vorgabe, er habe den Architekten Dipl.Ing. Johannes C mit der Ausstattung des zu eröffnenden Geschäftes beauftragt und an ihn eine entsprechende Anzahlung zu leisten, von Nina B abermals 200.000 S, doch ging sie auf dieses Ansinnen nicht mehr ein.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte spätestens Anfang April 1977 nicht mehr die Absicht hatte, das vorgesehene Geschäft zu eröffnen, und lastete ihm demzufolge im Umfang des oben wiedergegebenen Schuldspruchs teils vollendeten, teils versuchten Betrug an Nina B an. Hingegen erachtete das Gericht in Ansehung der von Nina B Anfang März 1977 geleisteten Zahlung weder ein Handeln des Angeklagten mit Betrugsvorsatz noch den Tatbestand einer Veruntreuung für erweisbar, da nicht auszuschließen sei, daß er den betreffenden Betrag (zwar nicht für die Mietzinsvorauszahlung, aber doch anderweitig) für die neugegründete Firma verwendet habe. Gegen den Schuldspruch wendet sich der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 9 lit. c und 11 (richtig 10) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer Beschwerde den (Teil-)Freispruch und macht darin die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a dieser Gesetzesstelle geltend.

Der Angeklagte erblickt einen den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. c StPO bewirkenden Feststellungsmangel darin, daß das Bestehen einer außerehelichen Lebensgemeinschaft zwischen ihm und Nina B zur Tatzeit, der zufolge der ihm angelastete Betrug nach § 166 StGB nur auf Grund einer (nicht erhobenen) Privatanklage der Verletzten verfolgbar wäre, vom Erstgericht rechtsirrig nicht in Betracht gezogen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Einwand ist jedoch entgegenzuhalten, daß unter einer 'außerehelichen Lebensgemeinschaft', die gemäß § 72 Abs. 2 StGB wie ein Angehörigenverhältnis zu behandeln ist, nur eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft verstanden werden kann; ein bloß fallweises Zusammenwohnen genügt nicht (Leukauf-Steininger StGB2 § 72

RN 15 und die dort zitierte Judikatur). In die Richtung des tatsächlichen Bestehens einer derartigen Lebensgemeinschaft mit Nina B (zur Tatzeit) weisende Behauptungen hat aber der Angeklagte selbst niemals aufgestellt; auch aus der Aussage der Zeugin Nina B, deren ständiger Wohnsitz in Zürich war, ergibt sich lediglich, daß sie sich anläßlich fallweiser Besuche in Wien beim Angeklagten aufgehalten hat (S 201). Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens kann daher im vorliegenden Fall von einer (zur Tatzeit) bestandenen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 72 Abs. 2 StGB keine Rede sein. Die Rechtsmeinung des Beschwerdeführers, der (Fort-)Bestand einer Lebensgemeinschaft werde durch (bloß) räumliche Trennung der Partner bei bestehendem Willen, eine eheähnliche Gemeinschaft (dennoch) aufrechtzuerhalten nicht beeinträchtigt, kann daher auf sich beruhen. Mit der Frage einer Privilegierung der dem Angeklagten angelasteten Betrügereien zum Nachteil der Eva B nach § 166 StGB, in welchem Fall es an der nach dem Gesetz erforderlichen (Privat-)Anklage gefehlt haben würde (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. c StPO), mußte sich das Erstgericht somit nicht auseinandersetzen.

Gleichermaßen verfehlt ist die formell auf § 281 Abs. 1 Z 11 StPO gestützte, der Sache nach aber in Richtung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gehende Rechtsrüge des Angeklagten, sein dem Schuldspruch zugrundeliegendes Verhalten sei richtigerweise nicht als Betrug, sondern als Veruntreuung nach § 133 StGB zu beurteilen.

Gewiß kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung an ihm anvertrautem Gesellschaftsvermögen eine Veruntreuung begehen (vgl SSt 47/76); wer aber von vornherein mittels Täuschung und mit betrügerischem Vorsatz bewirkt, daß ihm eine Sache überhaupt 'anvertraut' wird, begeht in der Regel schon dadurch (je nach Schadenseintritt vollendeten oder versuchten) Betrug und nicht erst durch den Zueignungsakt Veruntreuung; denn in einem solchen Fall stellt sich bereits die vom Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz getragene Täuschungshandlung, die ein den Vermögensschaden herbeiführendes Verhalten des Getäuschten zur Folge hat, als das für den Taterfolg entscheidende kriminelle Verhalten des Täters dar (Kienapfel BT II § 133 RN 112, 113; Liebscher im WK § 146 Rz 30, 31; EvBl 1981/105; 13 Os 168/81 ua). Ebendies war bei der vom Schuldspruch erfaßten Handlungsweise des Angeklagten der Fall, die demnach rechtsrichtig als Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB beurteilt worden ist. Auf die Frage, ob - in Ansehung der Gestion des Angeklagten mit dem ihm tatsächlich übergebenen Betrag von 500.000 S - an sich auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 133 StGB erfüllt wären, ist deshalb im gegebenen Zusammenhang vorerst nicht weiter einzugehen.

Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde gegen den (Teil-)Freispruch zunächst unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO geltend, der Ausspruch des Erstgerichtes über die Nichterweisbarkeit eines bezüglichen Schädigungs- und Bereicherungsvorsatzes des Angeklagten sei unvollständig und unzureichend begründet.

Diesem Vorbringen der Anklagebehörde ist zuzugeben, daß weder die Verantwortung des Angeklagten noch irgendwelche Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens über die Gebarung des Angeklagten mit dem ihm von Nina B am 3. März 1977 übergebenen Betrag von 120.000 S konkreten Aufschluß geben. Dies hat aber auch das Erstgericht mit der Bezugnahme darauf, daß nicht mehr feststellbar sei, wofür der Angeklagte dieses Geld verwendet hat, erkennbar in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen; es hat auch keineswegs außer acht gelassen, sondern (sinngemäß) festgestellt, daß der Angeklagte bei Erlangung der betreffenden Geldsumme von Nina B (teils) unwahre Angaben über deren Verwendungszweck gemacht hat. Wenn das Schöffengericht gleichwohl - von der Annahme ausgehend, der Angeklagte sei im damaligen Zeitpunkt noch willens gewesen, das gemeinsame Unternehmensprojekt zu verwirklichen - aus all dem nicht den Schluß zog, daß die in Rede stehende Handlungsweise des Angeklagten gegenüber Nina B von Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz geleitet gewesen sei, und auch eine Zueignung des betreffenden Geldbetrages durch den Angeklagten als nicht nachweisbar erachtete, stellt dies eine immerhin denkmögliche und daher zulässige Würdigung des vorliegenden Beweismaterials dar, die nicht schon deshalb als offenbar unzureichende Begründung der bekämpften (negativen) Urteilsannahme gelten kann, weil die Ergebnisse des Beweisverfahrens auch andere - der Auffassung der Anklagebehörde entsprechende - Schlußfolgerungen zugelassen hätten. Auch mit ihrer Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO), die auf eine Beurteilung des Freispruchsfaktums - abweichend von der Anklage (§§ 262, 267 StPO) - als Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 (Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall) StGB abzielt, vermag die Staatsanwaltschaft nicht durchzudringen. Denn ungeachtet dessen, daß der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH für die rechtswidrige Zueignung von Gesellschaftsvermögen wegen Veruntreuung haften kann (vgl abermals SSt 47/76) und daß der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der D Gesellschaft mbH den Betrag von 120.000 S als 'Einlage' (vgl S 43) oder sogar mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung, ihn für die (im Interesse der Gesellschaft) zu leistende Mietzinsvorauszahlung zu verwenden, übernommen hat, stünde einer Verurteilung wegen Veruntreuung dieses ihm (darnach allenfalls) anvertraut gewesenen Gutes in tatsachenmäßiger Beziehung immer noch die im Urteil konstatierte Nichterweisbarkeit einer (mit Bereicherungsvorsatz im Sinne des § 133 StGB erfolgten) Zueignung des betreffenden Vermögenswertes durch den Angeklagten entgegen.

Sowohl die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hans Peter A als auch die der Staatsanwaltschaft waren demnach zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 147 Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. In deren Bemessung wertete es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten, die Wiederholung der strafbaren Handlung und den Umstand, daß er die neue Tat unmittelbar vor und nach einer Verurteilung begangen hatte, wogegen es als mildernd in Betracht zog, daß es in einem Faktum beim Versuch geblieben war. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafausmaßes und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an, während die Anklagebehörde die Erhöhung der Strafe begehrt. Keinem der beiden Rechtsmittel kommt Berechtigung zu. Obschon dem Angeklagten zugutezuhalten ist, daß ihm infolge seines Wohlverhaltens seit 1977 der Milderungsgrund nach § 34 Z 18 StGB zusätzlich zustatten kommt, vermag dies bei der gegebenen Sachlage weder eine Strafherabsetzung noch die Anwendbarkeit des § 43 Abs. 2 StGB zu rechtfertigen, weil angesichts eines bis zu zehn Jahren reichenden Strafsatzes, eines zugefügten bzw angestrebten Schadens von insgesamt 700.000 S und des Umstandes, daß die gegenständlichen Verfehlungen während der Anhängigkeit bzw kurz nach der Beendigung eines Strafverfahrens gesetzt wurden, die verhängte Strafe auch bei Berücksichtigung des hinzugekommenen Milderungsgrundes durchaus tat- und tätergerecht erscheint und die insgesamt gegebenen Milderungsumstände die Annahme, es sei aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten, daß der Angeklagte keine weiteren Straftaten begehen werde, keineswegs zu tragen vermögen, wenn man die erschwerenden Momente mit in' s Kalkül zieht.

Die vom Angeklagten beim Gerichtstag vorgelegte Bestätigung, mit der nachgewiesen werden sollte, daß die Privatbeteiligte Nina B gegen ihn keine Forderungen mehr besitze, konnte vom Obersten Gerichtshof nicht als hinreichendes Bescheinigungsmittel akzeptiert werden, weil sie keine Datierung aufweist und im übrigen ihre allgemein gehaltene Textierung nicht hinreicht, den erforderlichen Bezug zur gegenständlichen Strafsache herzustellen. Dem Angeklagten bleibt es jedoch unbenommen, im Falle nachweisbarer Schadensgutmachung eine Maßnahme nach § 410 StPO zu beantragen.

Ebensowenig Erfolg wie der Berufung des Angeklagten konnte aber auch jener der Staatsanwaltschaft beschieden sein, zumal die zweite einschlägige Vorverurteilung des Angeklagten, auf die sie in ihrem Rechtsmittel Bezug nimmt, schon nahezu 20 Jahre zurückliegt und unter diesem Aspekt eine Erhöhung der vom Schöffengericht verhängten Strafe nicht angebracht erschien.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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