OGH 9Os3/86

OGH9Os3/8619.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans Jürgen D*** und eine andere wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Marianne D*** gegen das Urteil des Kreisgeriches Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 11.Jänner 1985, GZ 6 Vr 67/83-99, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, der Angeklagten und des Verteidigers Dr.Karl Wagner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten Marianne D*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 30.Dezember 1948 geborene Marianne D*** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in der Zeit vom 30. Juni bis 31.Dezember 1982 in Schärding als Geschäftsführerin der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH zur Ausführung des von (dem hiefür bereits rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten) Hans Jürgen D*** (ihrem Ehegatten) - durch Schmälerung der Befriedigung seiner Gläubiger um 647.053,56 S infolge Veräußerung von Textilwaren im Wert von 1,118.283,12 S ohne äquivalente Gegenleistungen seitens der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH - begangenen Verbrechens der betrügerischen Krida dadurch beigetragen, daß sie diese Waren übernahm, ohne eine ordnungsgemäße Zahlung zu leisten (Punkt IV iVm Punkt II des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat die Angeklagte die wirtschaftliche Entwicklung der Geschäftstätigkeit ihres Ehegatten seit dem Jahr 1974 mitverfolgt. Sie war zunächst Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin der 1974 gegründeten Firma D*** Waren-Handelsgesellschaft mbH, welches Unternehmen spätestens mit 31.Dezember 1977 zahlungsunfähig wurde und im August 1978 die Geschäftstätigkeit einstellte. In diesem Zusammenhang gestellte Anträge auf Eröffnung des Konkursverfahrens wurden mangels kostendeckenden Gesellschaftsvermögens abgewiesen. Nach der am 14.Oktober 1978 erfolgten Gründung der Firma SPORT-MODEN durch Hans Jürgen D*** als Einzelkaufmann war die Angeklagte auch in diesem Unternehmen als kaufmännische Angestellte tätig und arbeitete dort bis zum 30.Juni 1982, dem Zeitpunkt der (insolvenzbedingten) Einstellung des zuletzt bezeichneten Geschäftsbetriebes. Unbeschadet des wegen der bis dahin entfalteten Geschäftsaktivitäten nicht nur gegen Hans Jürgen D***, sondern auch gegen Marianne D*** zum AZ 6 E Vr 216/81 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida anhängig gewesenen Strafverfahrens gründete die Angeklagte - obwohl selbst mittellos - mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Mai 1982 gemeinsam mit Christine M*** die Firma M*** Handelsgesellschaft mbH, in der sie die Funktion einer selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführerin übernahm. Als solche bezog sie in der Zeit vom 30.Juni bis 31.Dezember 1982 aufgrund von Kaufvereinbarungen mit ihrem Ehegatten seitens der Firma SPORT-MODEN Waren im Gesamtwert von 1,118.283,12 S, wobei sie von den angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen ihres Ehegatten ebenso Kenntnis hatte, wie von der a priori gegebenen Überschuldung der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH, die somit (§ 67 Abs. 1 KO) konkursreif war. Hievon ausgehend folgerte das Erstgericht, daß der (zumindest bedingte) Vorsatz beider Angeklagten sich darauf erstreckte, daß die in Rede stehenden Warenveräußerungen mangels äquivalenter Gegenleistungen seitens der Firma M*** eine Schmälerung der Befriedigung der Gläubiger des Erstangeklagten in der inkriminierten Höhe nach sich ziehen würden.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) macht die Beschwerdeführerin der Sache nach zunächst eine Unvollständigkeit der Begründung der die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen betreffenden Urteilsfeststellungen geltend, weil das Gericht nicht erörtert habe, daß der Angeklagte Hans Jürgen D*** im Zuge der inkriminierten Warentransaktionen gegenüber der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH Preise in Rechnung gestellt hat, die seine eigenen Bezugspreise jedenfalls nicht unterschritten, sondern diese mangels Weitergabe von Rabatten sogar überstiegen haben. Einer gesonderten Erörterung dieses - vom Erstgericht durch die ausdrückliche Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten ohnedies dem Urteil zugrundegelegten (S 560/II) - Umstandes bedurfte es jedoch nicht, weil ihm keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt, ist er doch mit der Annahme (zumindest bedingt) vorsätzlicher Vereitelung bzw Schmälerung der Gläubigerbefriedigung keineswegs unvereinbar. Diese Annahme aber stützte das Schöffengericht - mit mängelfreier Begründung unter Hinweis auf das langjährige persönliche und geschäftliche Naheverhältnis zwischen den beiden

Angeklagten - darauf, daß die Ehegatten D*** wechselseitig ihre insgesamt angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse gekannt, demzufolge übereinstimmend das Ausbleiben (sofort verfügbarer) äquivalenter Gegenleistungen der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH für die vom Erstangeklagten (über die Firma SPORT-MODEN) bezogenen Waren - worauf es, wie bei Erledigung der Rechtsrüge noch darzulegen sein wird, in rechtlicher Beziehung allein ankommt - ernsthaft erwogen und sich mit der solcherart bewirkten Schmälerung des den Gläubigern des Erstangeklagten zur Verfügung gestandenen Befriedigungsfonds auch abgefunden haben (vgl S 564 ff/II). Demzufolge konnten die von der Beschwerdeführerin relevierten Einzelheiten ihrer mit dem Erstangeklagten geschlossenen Kaufvereinbarungen (Höhe der Preise, Zahlungsziele) als für die Urteilsfindung nicht entscheidend auf sich beruhen. Soweit die Beschwerdeführerin im Urteil eine Verwertung von Verfahrensergebnissen vermißt, aus denen sich auch noch nach dem (vom Buchsachverständigen im Gutachten ON 36 als Endzeitpunkt der Befundaufnahme bezeichneten) Monat Mai 1983 erfolgte Zahlungen der Firma M*** im Zusammenhang mit den inkriminierten Warenbezügen ergeben sollen, betrifft ihr Vorbringen erneut keinen entscheidungswesentlichen Umstand. Denn abgesehen davon, daß nach den auf das bezeichnete Buchsachverständigengutachten gestützten Urteilsfeststellungen über die vom Schuldspruch erfaßte Schadenshöhe von 647.053,56 S die bis zum 31.Mai 1983 seitens der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH geleisteten Zahlungen zugunsten der Angeklagten ohnedies als schadensmindernde Abzugsposten berücksichtigt wurden, kommt allfälligen weiteren, der Befundaufnahme des Sachverständigen nachfolgenden Zahlungen in Anbetracht der zeitlich vorgelagerten Deliktsvollendung bloß die Bedeutung einer im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigenden nachträglichen (teilweisen) Schadensgutmachung zu.

Als aktenwidrig hinwieder erweist sich die Beschwerdebehauptung, das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 29.Juni 1982, GZ 6 E Vr 216/81-28, enthalte in bezug auf den (dort erfolgten) Freispruch der Marianne D*** vom Vorwurf des (in der Zeit von 1974 bis zum 5.11.1979 begangenen) Vergehens der fahrlässigen Krida Feststellungen, die mit dem Tatsachensubstrat, welches dem nunmehrigen Schuldspruch wegen betrügerischer Krida zugrunde liegt, unvereinbar seien. Der seinerzeitige Freispruch beruhte indes dem Beschwerdevorbringen zuwider keineswegs auf der Annahme fehlender Kenntnis von den finanziellen Zusammenhängen der Geschäftsaktivitäten ihres Ehegatten, sondern darauf, daß sie auf dessen Geschäftsführung ("Führung des Betriebes") und wirtschaftliche Dispositionen ("Regelung der finanziellen Angelegenheiten") keinen Einfluß hatte (vgl S 171 des zitierten Aktes). Von einer in diesem Zusammenhang behaupteten Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" kann daher entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Rede sein.

Soweit die Beschwerdeführerin schließlich ins Treffen führt, die vom Erstangeklagten übernommenen Waren hätten im Rahmen der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH gewinnbringend weiterveräußert werden können, unternimmt sie, abgesehen davon, daß sie damit nur die Möglichkeit einer allfälligen Schadensgutmachung aufzeigt, bloß den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung mit dem Ziel, die vom Erstgericht zur subjektiven Tatseite gezogenen Schlußfolgerungen durch für sie günstigere zu ersetzen.

Gleiches gilt für den Einwand der Beschwerdeführerin, das Schöffengericht hätte ihr unter Berücksichtigung für die Firma M*** Handelsgesellschaft mbH wirtschaftlich Erfolg versprechender Umstände, wie Verfügbarkeit des Stammkapitals, günstige Lage des Geschäftslokals, Umsatzentwicklung und Kundenstock in subjektiver Hinsicht eine sachlich fundierte optimistische Geschäftseinlassung zubilligen müssen. Insoweit die Angeklagte in der Beschwerde die gegenteilige Annahme ihrer Einsicht in das Fehlen einer zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten ausreichenden wirtschaftlichen Leistungskraft der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH negiert bzw bekämpft, übergeht sie jene Urteilsausführungen, denen zufolge das Erstgericht die bezüglichen Annahmen formell mängelfrei auf ihr Wissen um den bereits anläßlich der Firmengründung aufgetretenen finanziellen Engpaß, der ihr schon aufgrund ihrer Erfahrungen im Unternehmen ihres Ehegatten bekannt gewesen war, gestützt hat (S 557 f, 559, 561 f, 565/II). Solcherart wird daher weder der behauptete Feststellungsmangel (Z 9 lit a) noch ein Begründungsmangel (Z 5) zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) versagt aber auch, soweit sie eine tatbedingte Vereitelung der Befriedigung von Gläubigern des Erstangeklagten und damit den gemäß § 156 StGB tatbildmäßigen Deliktserfolg negiert. Das Wesen der betrügerischen Krida besteht zum einen in der wirklichen oder scheinbaren Verringerung des zur Befriedigung der Gläubiger bestimmten Vermögens durch den Gemeinschuldner, zum anderen in der dadurch (kausal) bewirkten Beeinträchtigung der Befriedigungsrechte der Gläubiger oder wenigstens eines Teiles von ihnen (EvBl 1982/157; SSt 47/47). Im vorliegenden Fall einer tatsächlichen Vermögensverringerung durch die dem Erstangeklagten Hans Jürgen D*** als Gemeinschuldner zur Last fallende Veräußerung von Vermögensbestandteilen (Waren) ohne entsprechende Gegenleistung erweist sich der tatbestandsmäßige Deliktserfolg deshalb als gegeben, weil bei einem Verkauf wie hier schon der Vertragsabschluß, durch den der Käufer (zumindest) den Anspruch auf Übergabe des Kaufgegenstandes erlangt, vollauf dem Begriff "veräußern" im Sinn des § 156 StGB, also der Tätigkeit des Ausscheidens der betreffenden Sache aus dem wirtschaftlichen Vermögen des Verkäufers entspricht (vgl Liebscher im WK § 156 Rz 15). Ein derartiges Veräußern ist (arg "oder sonst sein Vermögen ... verringert") dann tatbestandsmäßig, wenn es zugleich eine Vermögensminderung bedeutet, der Verkäufer sohin nicht gleichzeitig einen wirtschaftlich äquivalenten Gegenwert erhält (vgl 10 Os 184/83; EvBl 1982/157, ÖJZ-LSK 1979/382; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 156 RN 5, Liebscher aaO Rz 13, 15). Dies aber trifft im gegebenen Fall nach den Urteilsfeststellungen zu. Da die vertragsgegenständlichen Waren durch den in Rede stehenden Verkauf aus dem exekutiv realisierbaren Vermögen des Mitangeklagten Hans Jürgen D*** ausgeschieden sind, wurde bereits damit der zur Tatzeit existent gewesene Befriedigungsfonds der Gläubiger reduziert und solcherart das in Rede stehende Verbrechen sogleich auch vollendet.

Soweit die Beschwerdeführerin eine deliktsspezifische Gläubigerschädigung mit dem Einwand zu bestreiten sucht, daß eine kridamäßige Verwertung der in Rede stehenden Warenbestände in Vergleich zu den von der Firma M*** Handelsgesellschaft mbH tatsächlich geleisteten Zahlungen kein wirtschaftlich günstigeres Ergebnis hätte erwarten lassen, ist darauf hinzuweisen, daß sich die Schadensberechnung am objektiv abstrakten Sachwert der betreffenden Waren, nicht aber an den spekulativen Unwägbarkeiten des Erfolgs bestimmter Verwertungsmodalitäten orientiert. Feststellungen diese Richtung waren demnach entbehrlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach § 156 Abs. 2 StGB - der Sache nach unter Anwendung des § 41 StGB - zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, deren Vollziehung gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, den bisher unbescholtenen Wandel und die teilweise Schadensgutmachung hingegen als mildernd.

Der Berufung der Angeklagten, mit welcher sie die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Vorweg ist festzuhalten, daß die von der Berufungswerberin reklamierten (weiteren) Milderungsgründe in Wahrheit nicht vorliegen. Angesichts der von ihr bei der Tatausführung entwickelten Aktivitäten kann von einem bloß "untergeordneten Tatbeitrag" ebensowenig die Rede sein wie von einem als mildernd zu wertenden "Tatsachengeständnis", dem es am Eingeständnis auch der subjektiven Merkmale des verfahrensgegenständlichen Verbrechenstatbestandes mangelt.

Dem Berufungsbegehren ist aber insbesondere entgegenzuhalten, daß die Strafdrohung des § 156 Abs. 2 StGB (bei einem 100.000 S übersteigenden Schaden) auf Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren lautet. Mit dem vom Schöffengericht festgesetzten Strafmaß von (bloß) sechs Monaten Freiheitsstrafe wurde daher - wenngleich ohne ausdrückliche Zitierung des § 41 StGB und ohne jedwede Angabe von Gründen, aus denen das Erstgericht die Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung für gegeben erachtete - die gesetzliche Strafuntergrenze, von der Anklagebehörde unbekämpft, um die Hälfte unterschritten.

Im Hinblick auf die Höhe der gesetzlichen Strafdrohung wäre vorliegend die Verhängung einer Geldstrafe nur unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 StGB zulässig, das heißt nur dann, wenn es nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und die Verhängung einer Geldstrafe aus besonderen Gründen, so etwa, weil die Umstände des Falles einem Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsumstand nahe kommen, genügt, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Diese besonderen Gründe liegen indes hier nicht vor.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte