Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe
auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt wird.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 31.Jänner 1963 geborene Angeklagte Andre B*** sowie Reinhard R*** (bezüglich dessen das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist) auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 16.Mai 1985 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Gerfried E*** mit Gewalt gegen dessen Person, indem sie ihn gegen einen LKW drückten und ihm seine Lederjacke samt 30 S Inhalt herunterrissen, fremde bewegliche Sachen, nämlich die Lederjacke und 30 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Die Geschwornen haben die anklagekonform - für jeden Angeklagten gesondert - gestellten Hauptfragen (fortl.Zl. 1 und 5) nach Gesellschaftsraub (mit einer Beschränkung gemäß § 330 Abs. 2 StPO hinsichtlich des Umfanges der Beute) stimmeneinhellig bejaht und ließen demnach die für jeden Angeklagten - gleichfalls getrennt - gestellten Eventualfragen (fortl.Zl. 2 und 6) nach Begehung des Raubes im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs. 1 StGB), ebenso wie weitere Eventualfragen nach Gesellschaftsdiebstahl (fortl.Zl. 3 und 7) sowie nach Begehung dessen im Zustand voller Berauschung (fortl.Zl. 4 und 8) unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Verdikt und den darauf gegründeten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Andre B*** mit einer auf die Gründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Dem gegen die Fragestellung erhobenen Einwand (Z 6) ist zwar beizupflichten, daß bei Indikation eines tataktuellen, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustandes des Angeklagten den Geschwornen grundsätzlich ein "Drei-Fragen-Schema" (Hauptfrage - Zusatzfrage nach § 11 StGB - Eventualfrage in Richtung § 287 StGB) zur Beantwortung vorzulegen ist (ÖJZ-LSK 1975/112 zu § 313 StPO; SSt 44/32). Die dem widersprechende Anwendung eines "Zwei-Fragen-Schemas" (Hauptfrage - Eventualfrage in Richtung § 287 StGB) bewirkt allerdings nicht unter allen Umständen Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO, nämlich dann nicht, wenn in concreto kein Anhaltspunkt für eine unverschuldete (also nicht einmal fahrlässig herbeigeführte) volle Berauschung gegeben ist (ÖJZ-LSK 1975/112 und 1982/116 zu § 314 Abs. 1 StPO), denn in einem solchen Fall haben die Geschwornen bereits auf Grund dieser zwei Fragen allein - ohne Dazwischenschaltung einer Zusatzfrage nach § 11 StGB - die Gelegenheit, die auf volle Trunkenheit weisenden Verfahrensergebnisse zu würdigen und gegebenenfalls die (verschuldete) volle Berauschung (durch Bejahung der Eventualfrage) im Wahrspruch anzunehmen (EvBl 1982/181).
Da sich der (den wissentlichen Genuß von Alkohol in einer üblicherweise zum Vollrausch führenden Menge einräumende) Angeklagte im Verfahren (solcherart) niemals mit unverschuldeter Volltrunkenheit verantwortet hat und auch sonstige Verfahrensergebnisse in dieser Richtung nicht vorlagen (solches auch in der Beschwerde nicht behauptet wird), ist unzweifelhaft erkennbar, daß die geltend gemachte Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO).
Aber auch mit den gegen die Rechtsbelehrung über den Bereicherungsvorsatz gerichteten Einwänden (Z 8) ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Er verkennt das Wesen der Rechtsbelehrung, wenn er - unter Anführung von Verfahrensergebnissen, die es "sehr unwahrscheinlich erscheinen" lassen, daß er "im Tatzeitpunkt selbst irgendeinen auch nur bedingten Vorsatz hinsichtlich eines wirtschaftlichen Vorteils gehabt hat" - das Vorliegen der subjektiven Tatseite bestreitet und im Anschluß daran die Auffassung vertritt, daß eine Rechtsbelehrung umso detaillierter auszufallen hätte, je "problematischer im Einzelfall die Frage ist, ob ein bestimmtes Tatbestandselement vorliegt". Denn Gegenstand der Belehrung (§§ 321 Abs. 2, 323 Abs. 1 StPO) können nur Rechtsbegriffe sein, nicht aber Umstände, die sich aus dem Beweisverfahren ergeben. Auf Besonderheiten in tatsächlicher Beziehung ist in der Rechtsbelehrung nicht einzugehen. Die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt ist vielmehr Sache der nach § 323 Abs. 2 StPO abzuhaltenden Besprechung (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 14 und 15 zu § 345 Abs. 1 Z 8). Allein maßgebliche Kriterien der auf eine konkrete Frage abzustellenden Rechtsbelehrung sind demnach deren Entsprechung im Gesetz sowie deren Verständlichkeit für einen juristisch ungeschulten Durchschnittsmenschen. Die Ausführlichkeit der Belehrung hat sich darnach nicht an den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles und deren allfälliger Problematik in beweismäßiger Hinsicht zu orientieren, hängt vielmehr ausschließlich vom Schwierigkeitsgrad der zu erklärenden Rechtsbegriffe ab. Darüber aber, daß der Bereicherungsvorsatz bei jedem Täter gesondert betrachtet werden muß, bedurfte es angesichts der für die Angeklagten getrennten Fragestellung, die die Geschwornen zur Prüfung der Frage zwingt, ob bei jedem der Angeklagten alle Tatbestandsmerkmale gegeben sind, keiner besonderen Belehrung. Daß ein solcher Vorsatz im Tatzeitpunkt vorliegen muß, ergibt sich ohnedies aus dem insoweit klaren und auch für Laien verständlichen Inhalt der Rechtsbelehrung, in welcher unmittelbar an die Erklärung des Gewahrsamsübergangs die Erläuterung der inneren Tatseite derart anschließt, daß die Geschwornen keinem Zweifel darüber unterliegen konnten, daß (auch) beim Raub Bereicherungsvorsatz im Zeitpunkt der Sachwegnahme gegeben sein muß (vgl Rechtsbelehrung S 4 oben und S 5 unten).
Die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung entsprach daher den gesetzlichen Erfordernissen.
Inwiefern nach den in der zuvor behandelten Rüge angeführten Verfahrensergebnissen "allenfalls (noch) eine (weitere) Eventualfrage hinsichtlich eines anderen Delikts zu erwägen gewesen wäre", wird in der Beschwerde (der Sache nach Z 6) nicht dargetan, die daher insoweit einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung entbehrt. Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten Andre B*** nach §§ 41, 143 (erster Strafsatz) StGB zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, wobei es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe (§ 125 StGB); als mildernd den geringen Wert der Raubbeute berücksichtigte und diesem (einzigen) Milderungsgrund ein die außerordentliche Strafmilderung rechtfertigendes beträchtliches Übergewicht beimaß. Eine bedingte Strafnachsicht lehnte es jedoch mangels Gewähr künftigen Wohlverhaltens und aus generalpräventiven Erwägungen ab.
Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe anstrebt.
Die Berufung ist nur zum Teil begründet.
Wenngleich ein reumütiges Geständnis im Sinn des ersten Halbsatzes des § 34 Z 17 StGB nicht vorliegt, da der Angeklagte den Bereicherungsvorsatz bestritten hat, so ist ihm doch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung zugute zu halten; hat er doch alle objektiven Tatumstände eingestanden (S 157). In diesem Zusammenhang ist auch sein allgemeines Schuldbekenntnis (S 147) als mildernd zu werten, denn dieses umfaßt immerhin die für die hohe Strafdrohung maßgebliche Gewaltanwendung, die seinerseits - ohne Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis bewertet - nicht allzu gravierend gewesen ist. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß der Angeklagte dem Bestreben seines Komplizen, gegen Gerfried E*** auch noch nach vollendetem Raub gewalttätig zu werden, erfolgreich entgegengewirkt hat (S 162). Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlaßt, vom außerordentlichen Milderungsrecht (§ 41 StGB) in größerem Ausmaß Gebrauch zu machen, als dies bereits das Erstgericht getan hat, und hat die Freiheitsstrafe entsprechend reduziert.
Hingegen konnte dem weiteren Berufungsbegehren um bedingte Nachsicht derselben kein Erfolg beschieden sein, weil die - wenngleich geringfügige - einschlägige Vorstraftat ebenso wie das nunmehr abgeurteilte Raubverbrechen, das keineswegs als "Bubenstück" oder "verspätete Kinderei" abgetan werden kann, eine bedenkliche Neigung des Angeklagten zur Begehung strafbarer Handlungen im alkoholisierten Zustand erkennen läßt, der es wirksam zu begegnen gilt. Besondere Gründe, die diese ungünstige Prognose überkompensieren und darnach künftiges Wohlverhalten gar gewährleisten (§ 43 Abs. 2 StGB) könnten, sind nicht hervorgekommen, sodaß nur ein unmittelbarer Strafvollzog geeignet erscheint, den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Kostenersatzpflicht ist eine gesetzliche Folge der getroffenen Sachentscheidung (§ 390 a StPO).
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